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anzuhalten. Der Barrikadenkämpfer hat so lange unthätig zu bleiben, bis der Feind sich auf hundert Schritte nähert. Es ist Wahnsinn, ihn auf größere Entfernungen bei Nebel u. s. w. zu beschießen. Geschüße dürfen bloß auf stürmende Colonnen abfeuern. Hauptmann Streicher, der 7. Compagnie des Universitäts-Corps, hat sich bei den gestrigen Angriffen besonders hervorgethan. Ich sage ihm im Namen des Vaterlandes meinen Dank. Die Ablösungen find regelmäßig und sicher zu bewirken; die Herren Bezirks-Chefs haben den Anordnungen der Herren Vertheidigungsleiter unbedingt Folge zu leisten, weil sie mir allein für den energischsten Widerstand an den Außenwerken verantwortlich sind. Von 6 Uhr Abends haben sowohl in der Stadt als in den Vorstädten alle Waffenfähigen unter das Gewehr zu treten. Alle Bezirke ohne Unterschied sind darauf aufmerksam zu machen, daß ich über Unterstüßung und Reserven selbst verfüge, und im Augenblicke eines Angriffes ihnen ihre Aufstellung und Verwendung bekannt gebe. Wien, den 27. October 1848.

Messenhauser, m. p., prov. Ober-Commandant."

Den Postengang betreffende Veröffentlichung :

„Die eingetretenen Verhältnisse haben schon gestern die Absendung der Posten von hier nicht gestattet; zufolge Eröffnung des Generalstabes der Nationalgarde kann auch heute die Abfertigung von Posten aus Wien nicht Statt finden; indessen sind die beim Hofpostamte vorgekommenen Correspondenzen und Zeits schriften bereits in packeten verschlossen worden, und es werden auch die heute vorkommenden Briefe und Zeitungen in Packeten verwahrt bereit gehalten werden, damit deren Absendung sogleich, wie es die Umstände gestatten, erfolgen kann. Zugleich wird zur Kenntniß gebracht, daß weder gestern noch heute Posten eingetroffen sind, ungeachtet von der Unterzeichneten alle Verfügungen, die derselben zu Gebote stehen, getroffen worden sind, um die ausständigen Posten nach Wien gelangen zu machen. Wien, am 27. Oct. 1848. K. t. oberste Hofpost-Verwalt."

In der Jägerzeile war es ruhig. Die Stern-Barrikade ward ausgebesfert, an der Johanneskirche aber eine zweite, sehr große, über die ganze breite Praterstraße gebaut, und sehr stark befestigt.

Um 3 Uhr inspicirte fie Bem mit seinem Stabe. Er war zu Fuß. Die Garden jubelten und hofften, da Alles betrunken war. An den Kirchenstufen hatten sie Fässer mit Wein und Brot, welche Lebensmittel Hofpferde herbeiführten. Eben solche standen bei den Kanonen. Ein Mobilgarde, in guter Kleidung, ein Ausländer, dem Dialekte nach ein Badner, sagte mit einem Blicke, der sehr forschend war, zu dem Pfarrverweser M. Terklau: „Steht den Pferden das ungewohnte Kanonenführen nicht besser an, als wenn sie immer nur die Hof-Bagage in Galla herumführen ?"

Einer der größten Contraste war zwischen Messenhauser's,,Erhebung

der ganzen Bevölkerung wie ein Mann" - und der Presse in den Straßen. Es wurden Alle, die nicht Waffen trugen, zusammen gefangen, auf's Ober-Commando in den Hof der Stallburg getrieben, und Ausländer, Reichstags- und Gemeinderaths-Mitglieder ausgenommen, mit Waffen versehen, und auf die bedrohten Punkte gesendet. Die dem Central-Bureau zugetheilten Plagoffiziere wurden von den Eingefangenen im hohen Grade um Passirscheine gedrängt. PlaßOberlieutenant Dunder führte Viele zur Stallburg hinaus, andere trauten fich's nicht zu thun, weil sie das Kriegsgericht fürchteten. In den Vorstädten wurde von Männern und Frauen aus allen Ständen rüftig an Barrikaden gearbeitet. Mehrere Compagnien der Wiedner Garden zogen als Succurs in die Leopoldstadt.

Auf Fenneberg, Chef der Feldpolizei, fielen mehrere Steinwürfe in der Goldschmiedgasse. Die Untersuchung hatte kein Resultat.

Die Schwierigkeit, die Leopoldstädter zum Barrikadenbau und zur Waffenpflicht zu vermögen, gab Anlaß, daß ein junger rothwangiger Mensch und Adju tant, Namens Niederhuber, beim Ober-Commando in Gegenwart des Plazoffiziers Dunder die Worte ausstieß: „Wenn die Kerle nicht gehorchen, muß man ihnen die Häuser ober den Köpfen anzünden, der Terrorismus muß herrschen!" — weshalb es zwischen den genannten beiden Personen zu einem Auftritt kam, wobei Dunder den jungen Menschen darauf aufmerksam machte, daß wenn der Herr Nieder huber nur einen Federkiel für die Constitution zu verlieren habe, deßhalb eine solche freche Sprache beim Ober-Commando nicht geduldet werden könne, und kriegsrechtlich behan delt werden sollte. Der kampfwüthige Journalist schwieg. Aber bald darauf entspann sich zwischen dem Plaß-Offizier Hink und dem Niederhuber abermals ein Conflict, wobei legterer abermals vom Plazoffizier Dunder in die Schranken des Menschlichen gewiesen wurde.

Robert Blum erfand, unter Hindeutung, was mit den Feinden der Umsturzpartei geschehen sollte, den neuen Ausdruck: Latouristren. — Des Reichstages Erklärung, Windischgräß's Verfügungen wären ungeseßlich und völkerrechtswidrig, und die Gefangenschaft Recsey's und anderer Militär-Personen in Wien waren bedeutende Widersprüche.

Die Calabreser auf den Häuptern der Studenten fingen an, eine Rarität zu werden; es waren kaum zwei Compagnien vorhanden. Um den Abgang der Stürmer zu verdecken, theilte man solche in die mobilen Compagnien als Führer ein.

Dr. Bivenot erklärte, daß die Aussage Kupka's beim Ober-Commando am 14. October, als habe er ersterem am 6. October das Leben gerettet, ungegründet sey.

Abermals eine magharische Partei-Publikation:

„Aus dem ungarischen Lager. Heldenmüthige Bewohner Wiens! Unsere Sympathien für die edle österreichische Nation, und das gemeinsame Interesse an den Errungenschaften führten uns an die Gränze des Reiches. Wir haben sie überschritten, um vereint mit Euch den gemeinsamen Feind der Freiheit zu be fämpfen. -Doch haben wir ihn in einem ausgedehnten Lager verschanzt getroffen. Noch ist es unsern wiederholten Angriffen nicht gelungen, diese Pofition zu nehmen, doch werden wir in unserem Eifer nicht erkalten, die Reihen der Feinde zu durchbrechen, um uns mit Euch zu vereinigen. Seid also versichert, tapfere Brüder, daß wir die uns gegenüberstehenden Truppen dergestalt beschäf tigen werden, daß Ihr von ihnen unangefochten bleiben sollt. Fasset daher Vertrauen, Brüder! Die Macht, welche Wien angreift, kann nicht so bedeutend seyn, um nicht an Eurem Heldenmuthe schmählich zu brechen. Nur muthig ausgeharrt, der Erfolg kann nicht zweifelhaft seyn. Ein Jeder thue seine Pflicht in diesem erhabenen Kampfe, und der Sieg muß die heilige Sache der Freiheit krönen! Wir geloben Euch muthiges, standhaftes Ausharren bis zum Sieg oder Tod."

Dieses Plakat ohne Datum und Unterschrift war ohne Zweifel ein Machwerk eines in Wien weilenden magyarischen Emissärs.

Zum Ober-Commando gelangte folgende Proklamation:

"An die Bewohner Wiens! Nachdem die Frist, welche ich den Bewohnern der Stadt Wien zu ihrer Unterwerfung gegeben habe, so wie der ihnen auf ihr Ansuchen gewährte Berlängerungs-Termin, erfolglos verstreichen, ja noch gestern Abends auf meine Truppen geschossen worden ist, so erübriget mir nichts anders als nunmehr die Gewalt der Waffen eintreten zu lassen. Diese sollen aber nur die Uebelgesinnten treffen, welche den dermaligen unheilvollen Zustand in der Hauptstadt durch ihre Umtriebe hervorgebracht haben, während ich den ruhigen Bürgern den Schuß eines geseßlichen Zustandes, nach dem sie sich selbst sehnen, wieder bringe, und ich warne daher alle Gutgesinnten, daß fie fih von denen nicht überreden lassen an den Widerstand meiner Truppen Theil zu nehmen. Da Niemand Schonung zu erwarten hat, der mit den Waffen in der Hand getroffen wird. Ebenso warne ich alle Hausbefizer die Thore und Fenster während des Kampfes geschlossen zu halten, und das Eindringen für Bewaffnete zu verhin dern. Da in jedem Hause, aus welchem auf meine Truppen Schüsse fallen, alles niedergemacht, das Haus selbst der Zerstörrung Preis gegeben wird. Der Bessergesinnte, dem Treiben jener Parteien abholde Theil der Bewohner Wienz möge ruhig und furchtlos bleiben, da ihnen mein kräftiger Schuß nicht fehlen wird, sobald ich die Gegner der Ordnung und Geseßlichkeit werde in ihre Schranfen gewiesen haben. Hauptquartier Heßendorf, 27. October 1848.

Alfred Windischgräß."

Diese Proklamation ist in Wien nicht veröffentlicht, sondern unterdrückt und nur beim Ober-Commando und außerdem wenig bekannt geworden.

Note vom Finanzministerium an Dr. Franz Smolka, Reichstags-Präfidenten, welche in der Reichstagssigung vorgelesen wurde:

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„Mit Beziehung auf die dem Finanzminister Freiherrn v. Krauß übergebene Anfrage des Reichstags Ausschusses vom 23. d. M. beeile ich mich in Vertretung desselben dem Herrn Reichstags-Vorstande eine Abschrift des aus Olmüß mittelst Couriers eingelangten Rückschreibens des Herrn Minister- Präsidenten Freiherrn v. Wessenberg mitzutheilen, worin derselbe mit Rücksicht auf den exceptionellen Zustand der Stadt Wien und unter Hinweisuug auf die in der kaiserlichen Kundmachung vom 19. d. M. ausgedrückten Gesinnungen Sr. Majestät die lleberzeugung ausspricht, daß der Befehlshaber der kaiserlichen Trup< pen, wenn die Bevölkerung Wiens zur Herstellung der geseßlichen Ordnung, somit zur Erreichung des vom Fürsten Windischgräß beabsichtigten Zweckes auch die Hände bietet, Nichts willkommener seyn wird, als Milde vor der Strenge vorwalten zu lassen. Indem ich aber hier ausdrücklich beifügen zu müssen glaube, daß die vorberührte Depesche der eben gestern angetretenen Reise des Herrn Finanz-Ministers, Freiherrn Krauß, nach Olmüß entgegenlief, gebe ich mir zugleich die Ehre zu bemerken, daß Freiherr v. Wessenberg der gemachten Mittheilung zu Folge auch ein eindringliches Ersuchen an den Fürsten Windischgräß richtete, damit der Postenverkehr auf den von den kaiserlichen Truppen beherrschten Straßenrouten nicht behindert und die postmäßige Beförderung, so wie dieselbe über den Reichstags-Beschluß vom 23. d. M. schon von Seite des Finanz-Ministeriums neuerdings angeordnet worden ist, unaufgehalten bewerkstelligt werden könne ! Wien, den 27. October 1848."

In der Sigung der constituirenden Reichsversammlung am 27., referirte Schusella Namens des Ausschusses:,,Je größer die Ereignisse d'raußen, destoweniger hat der Ausschuß zu referiren. Es handelt sich zunächst um die Stadt Wien, dann aber um große Folgen. Es liegt die alte und neue Zeit jezt hier im fürchterlichsten Kampfe und sollte unmittelbar eine Niederlage erfolgen, so wird doch in Kürze die Freiheit wieder siegen. Die Flamme heute Nachts ist der Berichterstatter, sie hat gezündet in Köpfen, in denen es noch gedunkelt, sie hat Herzen erwärmt, die kalt waren, sie hat der Welt Bericht erstattet, wie man Ruhe und Ordnung herzustellen sich bemüht. Ueber Wiederherstellung des freien Postverkehrs ist vom Minister Wessenberg die Zuschrift eingelaufen, worin derselbe sagt, daß in Wien fremde Elemente im Spiele, und die Insurrektion so stark, daß friedliche Mittel nicht mehr anwendbar sind. Er drückt seine Theil, nahme für Wien aus und meint, vom Reichstag hätten selbst diese Schritte aus

gehen sollen, und daß dem Fürsten Windisch gräß nichts lieber seyn wird als Milde vor Strenge herrschen zu lassen.

Ein Offizier der Linie hat einen Vorschlag gemacht, um die Zerwürfnisse zwischen Volk und Militär auszugleichen. Er sagte: alle Offiziere hätten mittelst schriftlichen Ehrenwortes zumeist zu erklären, daß sie die constitutionellen Errungenschaften des März und Mai nicht nur achten, sondern auch sogar vertheidigen wollten, wenn man selbe angreifen würde. Wir entgegneten, es könnte dieß nur dann eintreten, wenn ihnen der Oberbefehlshaber diesen Schritt erlauben würde. Da im selben Augenblicke auch eine Deputation des Gemeinderathes zum Fürsten hinausging, ersuchten wir selbe dem Fürsten diesen Vorschlag zu machen. Das Resultat ist noch nicht bekannt. Es hat das Volk sich vorgenommen, öffentliche Gebäude, darunter die Burg, in Flammen zu sezen, zur Sühne für das in Brand gerathene Privateigenthum.

Die Deputation des Gemeinderathes theilte uns eine neue Proklamation des Fürsten mit (verlaß die Proklamation, die Seite 679 enthalten ist.) Der Ausschuß hat selbe berathen und ausgesprochen, daß der erste Saß der Proklamation unwahr sey; der Abgeordnete Pillersdorff hat mündlich und schriftlich erklärt, daß seine Unterredung rein confidentieller Natur ohne Vollmacht war. Fürst Windischgrä ß nimmt keinen Anstand, den Reichstag eine Partei zu nennen, der Ausschluß nimmt abermals seine Stellung gegen den Fürsten ein und erklärt, daß sich der k. Feldmarschall über den Kaiser hinausstellt, weil der Kaiser am 19. erklärte, daß Alles vom Reichstag Angeordnete ihm genehm sey (?). Er legt dem Reichstag zur Last, weil ein Mitglied einen Antrag gestellt hat und vergißt, daß jeder Abgeordnete das Recht hat, Anträge zu stellen. Aber selbst nicht einmal der Antrag ist gestellt worden, k. Familienglieder zu verban nen (?). Trogdem, daß durch den k. Erlaß des Verlegens des Reichstages dieser Reichstag anerkannt wird, troßdem, daß der Kaiser keine Partei im Reichstage macht, hat der Fürst bewiesen, daß ihm die Elementar-Begriffe des constitutionellen Lebens fehlen (!). Daher hat sich der Ausschuß bewogen gefunden, diese Proflamation ad acta zu legen. (Beifall.)

An den Gemeinderath hat der Fürst folgendes Schreiben erlassen: „,,,,Ich fordere als Nachtrag zum 3. Punkt den polnischen Emissär Bem, den Dr. Schütte und den ungarischen Unterstaats-Sekretär Pulsz ky. Zugleich stelle ich alle ärarischen Gebäude unter den Schuß und Verantwortlichkeit des Gemeinderathes. Fürst Windischgräg, m. p."" Schuselka bemerkte hierüber: Es scheint diese Zuschrift nach den gestrigen Ereignissen eine bittere Ironie zu seyn.“ —

Eine Patrouille, bestehend aus einigen mobilen Garden und Proletariern famen in die Wohnung einer alten Wittwe, um ihren Sohn auszuheben, und in ihre Mitte einzureihen. Die alte, verlassene Frau weinte und flehte mit gefalteten

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