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Commando-Befehl die Wache in der Stallburg. Diese Compagnie erklärte beim Einrücken auch permanent die Wache in der Stallburg versehen zu wollen.

Die Familie des Cavall.-Lieut. Grafen Gourch bat das Ober-Commando um Ausfolgung der demselben gehörigen, in der Reiterkaserne in der Leopoldstadt zurück gebliebenen Möbeln und Effekten. Der Plaßoffizier Dunder begab sich dahin, ließ die Gemächer öffnen, und nachdem derselbe in Gegenwart von mehreren Zeugen die Gegenstände inventirt, an den Beauftragten sämmtlich ausfolgen. Eben so erfolgte derselbe an weinende Militärsfrauen, nachdem der Kasernhaushüther sich für dieselben verwendet, alle denselben gehörige Habe. Kaum noch mit der Uebergabe fertig, ließ sich Geschüßdonner hören, die daselbst wachhabenden Garden ergriffen die Flucht, weil das Militär angeblich ganz in der Nähe eingedrungen, der zitternde Fiaker wollte ebenfalls wegfahren, und erst nachdem genannter Plazoffizier versicherte, es könne nicht seyn, und die Parteien mit ihren Effekten in Ordnung waren, flog der hasenfüssige Fiaker davon.

In den Nachmittagsstunden versammelten sich die täglichen Gäste eines Kaffehhauses auf der Landstraße und fühlten sich ganz gemüthlich in ihrer gewohnten Weise. Plößlich entstand mitten unter ihnen ein solcher Höllenlärm, daß Alles erschrocken unter einander lief. Die Marquere ließen den Kaffeh sammt der Platte, die sie eben in der Hand hielten, zu Boden fallen, die Kartenspieler und Zeitungsleser sprangen entsegt von einem solchen Lärm auf und warfen dabei Stühle und Tische sammt allen darauf sich befindlichen über den Haufen; alles rannte und drångie, alles tobte und schrie, der Tumult wurde immer größer und in einer halben Minute war das ganze Kaffehhaus geräumt, nur die Urheber des Spektakels, drei Tambours, die wie wahnsinnig Allarm schlugen, standen noch da und hörten erst dann auf ihre Schlegel zu rühren, bis der leßte Mann bei der Thüre hinausgegangen. Jezt wurde das Kaffehhaus gesperrt, und die drei Tambours begaben sich in der Stille in's nächste Kaffehhaus, um dort das so eben ausgeführte Spektakel von Neuem zu beginnen. Die Gäste aber, wel he aus dem Kaffehhause geflohen, wurden in der nächsten Gasse angehalten und zum Kriegsdienste geworben. Dasselbe geschah auch in andern Vorstädten. In Stierböck's Kaffehhaus, welches den zahlreichsten, in politischer Kannegießerei äußerst heldenmüthigen Emancipirten zum Hauptquartier dient, gab es höchst lächerliche Ueberraschungen. Der zahlreichen Deffnungen jenes berühmten Kaffehhauses waren zu wenig um die Maulhelden für die Emancipation auf ihrer Flucht vor Trommel und Gewehr zu fassen.

Bericht des Generals Bem: „Herr Ober-Commandant! Am 26. gegen 9 Uhr Früh machte der Feind beinahe zu gleicher Zeit im Augarten, Praterstern, Franzens- und Sophienbrücke den Angriff; später in Erdberg und Nußdorf. Sein Feuer war äußerst heftig, wurde aber von den Unseren eben so lebhaft er

wiedert. Das Resultat des Angriffes war, daß die Rebellentruppen (?) den Augarten, den Nordbahnhof und die Dampfmühle beseßten. Die Sophienbrücke zu nehmen, war ihnen troß aller Anstrengungen unmöglich, denn dort stand zwar nur eine Compagnie des 3. Bataillons Mobilgarde, Oberst Wutschel, eine Abtheilung Brünner- und Landstraßer Nationalgarde, und eine Kanone, eben diese wehrte den Feind auf das Heldenmüthigste ab, nach zwei Stunden erst fam die 2. und 3. Compagnie desselben Bataillons zur Ablösung, und hielt eben so tapfer Stand; nachdem die eine Kanone durch eine ganze Batterie demontirt war, wurde die Brücke durch Kleingewehrfeuer vertheidigt. Besondere Er

wähnung verdient der Adjutant Herr P o powiß, und der Vormeister der Kanone. Bald stand das nebenanliegende Holzlager, das Haus und Gärten in Flammen; die Zucker-Raffinerie, das Forsthaus und mehrere reiche Holzlager an der andern Seite wurden erbarmungslos von den Rebellentruppen (?) den Flammen preisgegeben. Wien hätte mit seinen Vorstädten ein Raub der Flammen werden können, wenn der Wind halbwegs ungünstig gewesen wäre. Die Sophienbrücke wurde von den Unsern theilweise zerstört. General Bem, m. p."

„Befehl an alle Commandanten. Fürst Windischgräß hat der Deputation des Gemeinderathes erklärt, er müsse bei seinen Bedingungen beharren, er verlange unbedingte Unterwerfung, und am Abende werde er die Feindseligkeiten eröffnen. Es haben demnach die Commandanten die Außenwerke und Barrikaden auf das Stärkste zu beseßen, die Unterstüßungen aufzustellen, und eben so alle Reserven unter Waffen treten zu lassen.

Jeder ohne Ausnahme hat von 6 Uhr Abends auf seinem Posten zu seyn, und denselben ohne bestimmte und ausdrückliche Erlaubniß des Commandanten auf keinen Fall zu verlassen. Mitbürger! Der Feldmarschall geht von der Anficht aus, in Wien herrsche eine kleine Fraction. Er wird an unserem Widerstande erfahren müssen, daß die gesammte Bevölkernng es als Ehrensache ansieht, auf solche Bedingungen nicht einzugehen. Es möge denn das Verhängniß eines Bruderkampfes walten.

Was immer an aufrichtigen Friedensmitteln versucht werden konnte, ohne Ehre und Freiheit der Willkühr einer Militärherrschaft zu überliefern, ist von allen Körperschaften ohne Ausnahme, dem hohen Reichstage, dem Gemeinderathe und der Nationalgarde zu wiederholten Malen versucht worden. Wir können den abgerissenen Faden der Unterhandlung nicht mehr aufnehmen, ohne das GottesUrtheil eines gerechten und heiligen Kampfes versucht zu haben. Commandanten und Wehrmänner! Wir sind weder Verschwörer noch Aufrührer gegen die geheiligte Person Sr. Majestät des Kaisers, noch gegen die verfassungsmäßigen Rechte seines constitutionellen Thrones. Im Gegentheile, wir sind es, die (!) den constitutionellen Thron vertheidigen. Wir sind es, die der Anarchie entgegen

treten, wir sind es, die gesetzliche Ruhe und Ordnung durch verfassungsmäßige Mittel dauernd befestigt sehen wollen. Alle Körperschaften in ihrer Mitte, leidenschaftslose, besonnene und gewissenhafte Männer haben gegen das Verfahren des Feldmarschalls Protest eingelegt.

Die Wehrmänner Wiens werden zeigen, daß dieser Protest nicht auf Worten beruht. Das Geläute der großen Sturmglocke von St. Stephan wird das Zeichen seyn, daß der Angriff des Feindes auf irgend einer Seite ein ernstlicher sey. Blos die Herren Vertheidiger General-Lieutenant Bem, Oberst Aigner, Wutschel, Wittenberger, Hauptmann Bauer und Hauptmann Moser, die Bezirks-Chefs Braun und Naessel haben mir Meldungen zuzuschicken. Von 9 Uhr Abends bin ich auf der Rothenthurmbastei zu treffen.

Die Herren Vertheidigungsleiter haften mir mit ihrer Ehre für die Richtigkeit ihrer Angaben, weil es nur so möglich ist, zweckmäßige und richtige Hülfen zu geben. Das Plänkeln ist in Anbetracht der wenigen Munition, unter Todesstrafe zu verbieten.

Da es erwiesener Massen vorliegt, daß von Garden in diesen Tagen abgefaßte Munition verheimlicht wird, so ist solche gleichfalls bei Vermeidung von standrechtlicher Verurtheilung alsogleich dem Bezirks-Chef auszufolgen, welcher die Summe derselben ohne Säumen sogleich wieder den Vertheidigungsleitern anzugeben hat.

Jeder Bezirk muß sich, so lange es sich nicht klar herausstellt, wohin der Hauptangriff gerichtet ist, durch die eben aufgestellten Mobilen und seine eigenen Kräfte vertheidigen. Dieser Befehl ist an allen Barrikaden und an allen Orten öffentlich vorzulesen, und wird nach erfolgter Drucklegung bei jeder Abtheilung in mehreren Exemplaren vertheilt werden. Brüder! Die Würfel sind gefallen, das heilige Recht wird siegen!

Wien, am 26. October 1848. 5 Uhr Abends.

Messenhauser, m. p., prov. Ober-Commandant."

Um 4 Uhr gewahrte man Brände von mehreren Seiten; es loderte nämlich das sogenannte Schüttelbad an der Donau, die in der Nähe sich befindende Ma t'sche Zucker-Raffinerie, so wie auch eine Abtheilung der Holzgestätte hell auf. Unter Sturmläuten flüchtete sich eine große Anzahl Familien in die Stadt, während am Prater bei der Franzensallee wieder ein furchtbarer Kampf begann. Schaaren von mobilen Garden zogen singend aus der Stadt zum Kampfplage hinaus, auf welchem gegen 6 Uhr die Verwirrung allgemein wurde. Nachdem nämlich einige Bürger-Kanoniere tödtlich getroffen wurden, mußte man mit den Kanonen, die für den Augenblick Niemand bedienen konnte, retiriren. Dieser Umstand vergrößerte die Verwirrung und Bestürzung, und mit den Kanonen retirirte auch ein großer Theil der Mannschaft. Beim Rothenthurmthor ange

langt, wurden sie jedoch aufgehalten, es zeigte sich bald die wahre Ursache des Rückzuges, und mit bedeutender Verstärkung marschirte Alles wieder zu den Barrikaden in die Jägerzeile zurück. Die ganze Nacht hindurch, wie auch am folgenden Tage, ward die Leopoldstadt von jedem Angriff verschont.

Der Terrorismus hatte schon den höchsten Grad erreicht. Es mußten sich gar Viele, welche aus mancherlei Rücksichten an den Vorgängen der Bewegung keinen Antheil nehmen wollten, dennoch an derselben betheiligen, denn es ward bei Strafe standrechtlicher Behandlung befohlen, daß jeder waffenfähige Mann mit Waffen auf der Gasse erscheine und zur Vertheidigung der Stadt mitkämpfe, oder sich wenigstens zur Errichtung von Barrikaden gebrauchen lasse. Jezt war der Wille jedes Einzelnen gebunden, man fragte nicht mehr nach Ansichten, nach Verhältnissen, wer sich nicht bei Zeiten und sicher zu verbergen wußte, wurde von Patrouillen, die continuirlich die Stadt durchzogen, angehalten, und entweder ins Feuer, oder zur nächsten Barrikade geführt. Gast- und Kaffehhäuser wurden durchsucht, und Gäste und Zeitungsleser abgeholt; in den Vorstädten wurden selbst die Häuser nicht unbeachtet gelassen, und man forschte allenthalben nach Männern, ob Garden oder Nichtgarden, um die Besaßung der in Frage gestellten Punkte zu vergrößern. Von dieser Seelenpresse ausgenommen blieben nur Reichstags-Deputirte und Gemeinderäthe, doch haben wir Beispiele, daß auch selbst diese nicht immer verschont blieben, je nachdem sie dieser oder jener Patrouille in die Hände fielen, oder je nach dem Zeitpunkte und seiner Wichtigkeit, unter dessen Einflusse gepreßt wurde. „Warum sollen blos wir unser Leben für die Freiheit in die Schanze schlagen, wer die Freiheit genießt, muß auch für die Erhaltung derselben einstehen!" Dies war das Losungswort der Patrouillen, und es wurde nicht umsonst gerufen, denn hunderte von Menschen wurden gegen ihren Willen zum Kampf und zum Schanzenbau getrieben.

Verfolgen wir eine solche Patrouille auf ihrer Jagd nach Unbetheiligten. Fünf Mann bewegen sich langsam durch die Straße, jeßt bleiben sie stehen, und zwei davon begeben sich in ein Haus. - Bald darauf kommen sie wieder aus demselben, und bringen eine eiserne Schaufel und einen Krampen mit sich, welche Werkzeuge sie dem verblüfften Hausmeister mit dem Zusage abgenommen haben, er möge selbe den nächsten Tag da und dort wieder abholen, was jedoch den Eigenthümer nicht sehr zu beruhigen scheint, denn er schaut, vor dem Hausthore stehen geblieben, mit mißtrauischen Blicken seinem Eigenthume nach, und stammelt etwas vom 26. Mai, und den an diesem Tage eingebüßten Krampen und Schaufeln. Dies hört der eine oder der andere, und ruft ihm das Wort „Standrecht" zu. Der Hausmeister wagt keine weitere Einwendung zu machen. Inzwischen haben die drei vor dem Hause Stehengebliebenen alle Vorübergehenden angehalten, und wer sich nicht ausweisen kann, daß er zur Volkswehr gehöre, wird

aufgehalten, und erhält einen Krampen oder eine Schaufel in die Hand. Auf diese Weise vergrößert sich der Zug von Minute zu Minute; er ist bereits auf fünfundzwanzig Mann angewachsen, welche mit Erdgrabe-Werkzeugen wohl versehen sind. Jegt fällt ein Theil der Patrouille noch in ein Kaffehhaus ein, führt sechs bis acht Herren heraus, und der Zug bewegt sich wieder zurück zur nächsten Schanze. Hier sieht man bereits Herren und Arbeiter, Bürger und Garden, ja selbst Frauen und Kinder damit beschäftigt, das Pflaster oder den Erdboden aufzuwühlen, Gräben zu ziehen, und Barrikaden zu errichten. Die Neuangekommenen legen ebenfalls Hand an's schon begonnene Werk, und in einer Stunde ist die Arbeit beendigt, um sie auf einem anderen Orte sogleich wieder auf dieselbe Weise in Angriff zu nehmen.

Es war um 6 Uhr Abends, als am Kohlmarkt ein großes Gedränge, begleitet von einem noch größeren Lärm entstand. Die Leute tobten und drängten, und flohen verwirrt nach allen Seiten. Ein Herr, der eine Dame am Arme führte, sah in der Nähe der Burg dieses Getümmel, und wollte aus Neugierde die Ursache dieses selbst zu dieser Zeit ungewöhnlichen Drängens erforschen. Er näherte sich dem Menschenknäuel, da ergriff ihn plöglich eine in einem Hause stehende Frau beim Arme, und indem sie ihm zurief: „Um Gotteswillen retten Sie sich schnell in's Haus!" zog sie ihn sammt der Dame, seiner Frau, in das Thor, und führte ihn die Treppe hinauf. Hier erzählte fie dem bestürzten Paare, daß eine großartige Preß-Commission Alles, was sich nur vom männlichen Geschlechte auf der Gasse zeige, zusammenfange, um eine Schaar von mehreren Hunderten in den Prater zu führen, wo sie genöthiget werden solle, gegen das anstürmende Militär zu kämpfen. Als die Hausmeisterin, denn dies war die rettende Frau, dies erzählt hatte, führte sie den Herrn in den fünften Stock, und sperrte ihn daselbst auf dem Dachboden in Gesellschaft mit noch fünf andern Bedrohten und glücklich Geretteten ein. Deffen Frau jedoch eilte fort, und brachte ihrem Manne nach einer halben Stunde einen Säbel und ein gelbes Band, das er sich um den Arm band, und so als Arzt (durch den erfinderischen Geist seiner Frau) glücklich und unangefochten nach Hause gelangte.

Es brach der Abend an, und der Himmel erschien im Wiederscheine der lodernden Gebäude. Die innere Stadt und die Leopoldstadt wurden von den Einwohnern beleuchtet. Alle Glockenstränge der Vorstadtkirchen wurden angezogen, und nimmer ruhte die Allarmtrommel. Der Kampf wurde bedeutender, starke Abtheilungen der Volkswehr zogen gegen den Prater, Kanonen wurden ihnen nebst Munition nachgeführt, und darauf folgende Blige und Donner bewiesen den in der Stadt Weilenden, daß die Mannschaft bereits einen Kampf bestehe. Später folgte ihnen Masse auf Masse nach dem Kampfplage und nahm Alles mit sich fort, was nur immer auf der Gasse mit Waffen erschien. Auch Unbe

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