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„Kundmachung. Die Stelle in meiner Proklamation vom 25. October: „Die Stadt Wien wird von heute Abend 9 Uhr als im Belagerungszustand befindlich, erklärt" hat die Besorgniß der Civil-Behörden erregt. Das gefertigte Ober-Commando, um jeder Mißdeutung im Keime vorzubeugen, erläutert den Sinn dieser mißverstandenen Stelle dahin: Von 9 Uhr Abends hat der Bertheidigungszustand durch Aufbietung aller waffenfåhigen Mannschaft in allen Theilen verwirklicht zu seyn. Das Ober-Commando leitet nach wie vor bloß die militärischen Maßnahmen, während alle Behörden und Autoritäten ungeschmälert und unbeirrt ihre Funktionen fortsegen. Aus dem Sinne dieser meiner Anordnung folgt ferners, daß keine eigentliche Allarmirung mehr stattfinden kann, da sämmtliche Reserve - Mannschaft ohnedieß den Umständen gemäß unter den Waffen in Bereitschaft steht.

Wien, am 25. Oct. 1848. Messenhauser, m. p., prov. Ober-Comm." „Tagsbefehl. Auf das Ansuchen vieler hier ansässiger Italiener, eine italienische Legion bilden zu dürfen, findet sich das Ober-Commando veranlaßt, diesem patriotischen Ansinnen zu entsprechen, und den bisher in verschiedene Corps eingetheilten Garden italienischer Nation die Bewilligung zu ertheilen, sich dieser Legion anzuschließen. Dieselbe wird bis auf weiteren Befehl zum Hauptquartier beordert, und untersteht, wie die ganze Bedeckungsmannschaft, dem PlagCommando, den höheren Weisungen meines Feldadjutanten, Hauptmann Fenneberg. Das gestern versammelte Kriegsgericht hat den Herrn Hauptmann Kuchenbecker *) auf die gegen ihn erfolgte Anklage subordinationswidrigen Benehmens mit Stimmeneinheit freigesprochen.

Hauptquartier Schwarzenberg-Palais, am 25. October 1848.

Messenhauser, m. p., prov. Ober-Commandant." „Nachtrag zu dem Frühbefehle am 25. October 1848. Die Herren BezirksCommandanten sämmtlicher Vorstädte haben nach Erhalt dieses sogleich Allarm schlagen zu lassen, und alle Garden ohne Ausnahme haben unter das Gewehr zu treten. Diejenigen, die nicht sogleich auf dem Sammelplaße erscheinen, find aus ihren Wohnungen abholen zu lassen, und in Gegenwart Aller auf das Ernstlichste zu verweisen. Die Vertheidigung unserer Freiheit, unserer angegriffenen und bedrohten Menschenrechte ist eine Gemeinsame. Sie ist Pflicht eines Jeden, und der dagegen handelt, stempelt sich zum feigen und gesinnungslosen Verräther. Demnach befehle ich, kraft der in meinem, mir vom hohen Reichstage ertheilten Auftrage liegenden Vorrechte, wie folgt:

Kuchenbecker erschien in den ersten Tagen der Revolution auf der Aula in der Offiziers-Uniform, nahm die Schärpe ab, und trat sie mit Füßen. Derselbe Ueberläufer wollte am 10. Oct. 600 Garden vom Ober-Commando haben, um mit denselben zur Gefangennahme des Ban's auszurücken.

Jeder, der den Befehlen seiner Vorgeseßten nicht unbedingte Folge leistet, ist sogleich zu arretiren, und unter Bedeckung in das Hauptquartier abzuschicken. Deßgleichen diejenigen, die auf wiederholte Aufforderung nicht auf den Sammelpläßen erscheinen, die nicht auf den Posten marschiren, wohin sie der Befehl des Commandanten sendet; die denselben vor erfolgter Ablösung verlassen, die zaghafte Reden führen, die die Beschlüsse und Aussprüche des hohen Reichstages, des Gemeinderathes, des Ober-Commandos durch knechtische Auslegungen zu entkräften (!!) suchen; die sonach durch alle diese Handlungen, gleichviel, ob aus Leichtsinn oder böser Absicht, dazu beitragen, das Vertrauen in die Gerechtigkeit (!) unserer heiligen Sache in die Nothwendigkei: (!!) unserer äußersten Nothwehr zu erschüttern; alle diese sind ohne Rücksicht auf Stand und Person sogleich zu verhaften. Ist Gefahr auf dem Verzuge, so können alle Commandanten zur Statuirung eines abschreckenden Beispieles mit solchen Elenden summarisch (!!) verfahren. Ich appellire bei solchen Gelegenheiten an das Gewissen unserer Wehrmänner, ob eine solche Kriegs-Justiz unerläßlich und unabweislich Noth thut. Liegen gegen einen Commandanten augenscheinliche Beweise vor, daß er dem großen Zwecke unserer Selbstvertheidigung eher hinderlich als nüglich ist, so ist er sogleich festzunehmen, und durch den im Range Nächsten zu erseßen.

Die Bestrafung des Schuldigen wird und muß augenblicklich, unnachfichtlich und dem Belagerungszustande der Stadt gemäß seyn. Bezüglich der Vertheidigung spreche ich mich vor allen Commandanten, vor den gesammten Wehrmännern und der ganzen Bevölkerung zum ießten Male aus, wie folgt:

Alle Vorstädte ohne Ausnahme haben bis 12 Uhr allarmirt zu seyn. Die innere Stadt wird erst allarmirt, wenn die Stadt wahrhaft angegriffen wird. Jeder, ohne Unterschied, hat fortwährend, selbst wenn ihn kein Dienst trifft, unter Waffen zu seyn. Waffenunfähige müssen zum Barrikadenbau und zu den Befestigungen an den Linien und am äußersten Walle Tag und Nacht beschäftigt werden. Wie schon erwähnt, haben die Herren Bezirks-Chess nach bewirkter Allarmirung die Zahl ihrer unter Waffen stehenden Mannschaft sogleich meinem Feldadjutanten Fenneberg melden zu lassen. Die acht obersten VertheidigungsLeiter werden bis Mittag zuverlässig auf ihrem Posten eingetroffen seyn. Sie werden dafür sorgen, daß nicht mehr Mannschaft auf den Vorposten und zur Unterstüßung verwendet wird, als unumgänglich nothwendig. Jeder Bezirks-Chef hat in seinem Bezirke einen zweckmäßigen Bereitschaftsplaß zu bestimmen, auf welchem sich die Unterstüßungsmannschaft Tag und Nacht zu befinden hat. Nur dadurch ist es möglich, an alle bedrohten Punkte, von welchen aus Unterstügung verlangt wird, solche augenblicklich und ohne Verzug zu entsenden. Die Herren Bezirks-Chefs und Corps-Commandanten haben also gleich die getroffene Wahl dieser Bereitschaftspläge ins Hauptquartier zugleich mit dem ausrückenden Stande dem

Feldadjutanten Fenneberg anzuzeigen. Wagt der Feind, auf welcher Seite immer, oder auf mehreren zugleich, einen Hauptangriff, so wird die große Glocke von St. Stephan geläutet. Der Kampf muß sodann mit allen Mitteln, mit allen Kräften, mit allem Muthe, mit aller Hingebung geleitet und gestritten werden. Wie ich schon einmal bemerkt habe, wenn die größte Mehrzahl der Wehrmänner eines Bezirkes ihre Schuldigkeit thut, wenn die Herren Offiziere mit dem vortrefflichen Geiste ihrer Mannschaften wetteifern, dann wird auch jeder Bezirk für eine vielstündige Vertheidigung mit den eigenen Kräften ausreichen. Dieser Befehl ist möglichst zu verbreiten, allen Abtheilungen zu erklären, und an öffentlichen Pläßen der Bevölkerung vorzulesen.

Munition wird von nun an bloß auf meine unmittelbare Anweisung erfolgt werden. Die Herren Bezirks - Chefs haben mir sogleich anzuzeigen, wie die in diesen Tagen abgefaßten und vorgemerkten Vorräthe verausgabt wurden. Wien, den 25. Oct. 1848. Messenhauser, m. p., pr. Ober-Comm.”

Da seit vielen Tagen im Prater durch National- und Mobil - Garden große Hirschenjagd gehalten wurde, und die seit Jahren den Wienern lieb gewordenen Hirsche erlegt wurden, so stellte man an der Stern-Barrikade am Ausgange der Jägerzeile in den Prater eigene Wachposten auf, die den Auftrag hatten, keinen Bewaffneten in den Prater hinab passiren zu lassen.

Mit Genehmigung der Regierungsbehörde hatte an diesem Tage der PfarrProvisor in der Jägerzeile, M. Terklau, im Vereine mit dem Med. Dr. Bloch den Pfarrhof zum Spitale eingerichtet, und Beide unterzogen sich mit lobenswerthem Eifer der Pflege und Beaufsichtigung der Verwundeten.

Mehrere Bezirks-Chefs ließen in ihren Compagnien abstimmen, ob die Waffen niedergelegt werden sollen. Die Mehrzahl der Gefragten erklärte sich wohl bloß um nicht für feig gehalten zu werden negativ. Die Nachfrage um Munition wurde immer heftiger. Massen von Patronen verschwanden theils aus Spekulation, theils durch Berpuffen oder durch vorsägliche Beseitigung.

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Die Mobilgarden der einzelnen Vorstädte verlangten vom Studenten-Ausschusse, da sie sich auf ihre Anführer nicht verlassen können und wollen, daß man ihnen Anführer aus den Reihen der akademischen Legion geben möge, was auch theilweise geschah.

Vom Gemeinderathe der Stadt Wien wurde in der Sigung vom 24. October nachstehendes Memorandum an den Herrn Feldmarschall Fürsten von Windischgräß beschlossen, und dasselbe am 25. d. M. durch zwei Mitglieder des Gemeinderathes in das Hauptquartier des Fürsten überbracht.

„Euer Durchlaucht! Dem Gemeinderathe der Stadt Wien ist im Wege des Ober-Commandos der Nationalgarde am 24. October d. I. um 12 Uhr Mittags eine Proklamation zugemittelt worden, in welcher ausgesprochen ist, daß sich die

Stadt Wien unter den in der Proklamation enthaltenen Bedingungen binnen 48 Stunden zu ergeben habe, widrigens Euer Durchlaucht sich genöthiget sehen würden, zu den energischesten Maßregeln zu schreiten.

Der Gemeinderath der Stadt Wien hält es für seine Pflicht, Euer Durchlaucht sowohl seine eigene Stellung zu entwickeln, als auch auf die Unrichtigkeit der Voraussetzungen aufmerksam zu machen, welche Euer Durchlaucht bei Ihren Beschlüssen zu leiten scheinen.

Der hohe Reichstag hat über beide Proklamationen Eurer Durchlaucht Beschlüsse gefaßt, welche Ihnen bereits bekannt seyn werden. Se. Majestät allein kann über die Giltigkeit der Beschlüsse desselben, des von ihm anerkannten Reichstages entscheiden; in so lange die Sanction noch obschwebend ist, sind dieselben vorläufig als aufrecht bestehend anzusehen, und kann keine Behörde, keine Macht der Monarchie als über denselben gestellt angesehen werden. Der Gemeinderath muß daher den Reichstag als höchste Behörde des Landes anerkennen und sich in Allem und Jedem seinen Beschlüssen unterwerfen. Die Bürger Wiens sind von dem Gedanken der Gesezlichkeit und von dem Wunsche der Ordnung durchdrungen, aber sie fordern, gestüßt auf das beiliegende kaiserliche Wort vom 19. October d. I., daß alle zur Wiederherstellung eines gedeihlichen Zustandes erforderlichen Maßregeln, auf constitutionellem Wege berathen und eingeleitet werden. Hiezu ist aber nur der hohe Reichstag berufen, welcher von Sr. Majestät selbst schon in der Steuer bewilligungsfrage als gesetzgebender Körper auch anerkannt wurde. Der Gemeinderath der Stadt Wien kann daher nur jene Wege des Gesetzes verfolgen, welche ihm der hohe Reichstag selbst vorgezeichnet hat.

Euer Durchlaucht verweisen auf die Anarchie, welche in den Mauern Wiens herrsche. Hierauf kann der Gemeinderath nur wiederholt erwiedern, daß die gegenwärtigen Zustände der Stadt nicht mehr (!) eine Folge des 6. Octob., sondern nur durch jene feindlichen Truppenbewegungen hervorgerufen worden sind, welche seit jenem Tage die Stadt beunruhigen. Er hat diese Saclage in der mitfolgenden Adresse an Se. Majestät den Kaiser auf das Ausführlichste entwickelt.

Nicht (?) eine kleine Fraction beherrscht Wien. Die ganze Bevölkerung ist einig in dem Bestreben, Freiheit und Ordnung zu erhalten, einig in dem Verlangen, durch die Kraft constitutioneller Maßregeln zu einem friedlichen Zu stande zurückzukehren. Aber eben so allgemein ist auch das verlegte Gefühl, welches die in Aussicht gestellten gewaltsamen Maßregeln Eurer Durchlaucht hervorgerufen haben, und weit entfernt davon, Ordnung zu stiften, haben sie nur dazu beigetragen, die bisherigen Fragen in den Hintergrund zu drängen, die Freiheit selbst als bedroht darzustellen, und eine Einigkeit des Willens hervorzubringen, welche bisher in dem Maße kaum so hervorgetreten ist.

Der Gemeinderath geht unerschütterlich den Weg der constitutionellen Ord

nung, er will mit allen übrigen Bürgern eben so Aufrechthaltung des constitutio nellen Thrones als Wahrung der Rechte des Volkes. Er wiederholt es: Nur durch den Reichstag können mit gefeßlicher Giltigkeit Maßregeln getroffen werden, welche der Stadt den ersehn ten Frieden zurückgeben sollen.

Dieß ist die Stellung des Gemeinderathes, dieß der Zustand der Stadt.

Möchten Euer Durchlaucht den Worten der Bürger Wiens Vertrauen schenken, welche alle die geseßliche Ordnung anstreben, aber jene Mittel von sich ablehnen müssen, welche Euer Durchlaucht in Anwendung bringen wollen. Der Gemeinderath muß es feierlich aussprechen, daß er mit aller Macht seines Einflusses nun und nimmermehr im Stande wäre, eine friedliche Ausgleichung anzubahnen, auf Grund der Bedingungen, welche in der Proklamation Euerer DurchLaucht ausgesprochen sind, und welche die Herbeiführung eines Zustandes verlangen, der alle Knechtschaft der vormärzlichen Zeit weit hinter sich läßt, und alle Bürgschaften einer Wiederkehr zu den erlangten Errungenschaften aufhebt.

In dieser Ansicht ist die gesammte Bevölkerung mit dem hohen Reichstage einig, und legterer ist nur der Ausdruck derselben, indem er in seiner gestrigen Sigung den folgenden Beschluß gefaßt hat: „Da Feldmarschall Fürst Windischgräß im offenen Widerspruche mit dem kaiserlichen Worte vom 19. Oc tober und in offener Nichtachtung des Reichstagsbeschlusses vom 22. October in einer neuen Proklamation, ddo. Heßendorf den 23. October 1848, Maßregeln über Wien verhängt, die nicht nur die vom Kaiser sanctionirten constitutionellen, sondern die allgemeinen Bürger- und Menschenrechte völlig aufheben, so erklärt der Reichstag, daß dieses Verfahren des Fürsten Windischgräß nicht nur ungeseglich, sondern eben so sehr gegen die Rechte des Volkes wie des erblichen constitutionellen Thrones feindlich sind.""

Euer Durchlaucht! Die deutsche Centralgewalt, der Reichstag und der G emeinderath, fie alle haben die Wege des Friedens eingeschlagen, und den aufrichtigen Willen, eine friedliche Ausgleichung auf constitutionellem Wege herbeizuführen, an den Tag gelegt.

Insbesondere haben die Abgeordneten der deutschen Centralgewalt in ihrer Präsidialbothschaft alle Civil- und Militärbehörden in Oesterreich aufgefordert, einstweilen alle Feindseligkeiten einzustellen. Gewiß werden Euer Durchlaucht diese Wege nicht zu durchkreuzen wünschen. Sie werden nicht der Gewalt huldigen, weil sie in Ihre Hände gegeben.

Die Anwendung dieser Gewalt, abgesehen von ihrem zweifelhaften Erfolge, könnte leicht der Beginn von Kämpfen werden, welche in der Folge nicht mehr den Parteien, sondern dem Throne Verderben zu bringen im Stande wären. Bom Gemeinderathe der Stadt Wien."

Wien, am 25. October 1848.

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