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Nr. 2667.,,An Se. des Herrn Präsidenten des hohen Reichtags, FranzSmolka, Wohlgeboren. Gestern habe ich mich in Folge eines Anfinnens des Reichstagsausschusses au den Fürsten Windischgräß mit dem Ersuchen ge= wendet, ehe zur Anwendung der Waffengewalt gegen Wien geschritten wird, mildere Mittel der Ausgleichung zu versuchen, und die Kundmachung über den Belagerungszustand und das Standrecht bis zu dem Zeitpunkte zu suspendiren, wo die von Seiner kaiserlichen Hoheit, dem Herrn Erzherzoge Reichsverweser zur Herstellung des Friedens abgesendeten Reichs-Commissäre von Olmüş hieher zurückgekehrt seyn werden. Dieses Ersuchen erneuerte ich bei der Mitthei= lung des von dem hohen Reichstage über die Ungefeßlichkeit der gedachten Maßregeln gefaßten Beschlusses. Beide Schreiben erhielten jedoch keine schriftliche Antwort. Bloß mündlich wurde dem abgesendeten Eilboten erwiedert, daß der Herr Feldmarschall keine andere Executivgewalt in Wien kenne, als den Gemeinderath oder Magistrat, den hohen Reichstag könne er nicht als Exekutivge= walt betrachten. Er wünsche, daß ich seine Aeußerung dem Gemeinderathe bekannt mache, er wolle zur unbedingten Unterwerfung der Stadt 24 Stunden Zeit gewähren und müsse verlangen, daß die abermalige Kundmachung des Manifestes vom 16. d. M. erfolge. Ich habe die Ehre, Euer Wohlgeboren die Mittheilung hievon mit dem lebhaften Bedauern, daß der Versuch, eine gütliche Beilegung anzubahnen, keinen günstigen Erfolg hatte, zu machen.

Wien, den 23. October 1848.

Kraus, m. p." „Dringender Aufruf! Von den 48 Stunden, die Windisch gråß der Stadt Wien zur Bedenkzeit gab, ob sie der Freiheit oder dem Korporalstocke gehorchen will, find bereits 12 Stunden verflossen. Noch 36 Stunden, und der Feind pocht an unseren Thoren, und wir werden aus freien Bürgern wieder Sklaven (?) des Metternich'schen Systems, und dahin sind alle Früchte, die wir seit dem 13. März his 6. October gepflegt, und die wir Kraft unseres geseßlichen Reichstages endlich ruhig zu genießen gedachten. Freunde, Brüder, Mitbürger! Das Vaterland und die Freiheit ist in äußerster Gefahr. Noch schweben zwar friedliche Reich 8 - Verhandlungen über dem gezückten Schwerte des Krieges. Der Reichstag hat Protest gegen den Belagerungszustand eingelegt, und die deutschen Reichs-Commissäre Welcker und Mosle unterhandeln in Olmüş, wir dürfen einer Wendung zum Guten vertrauen, aber dürfen uns nicht unbedingt auf sie verlassen. Windischgräg kann mit frecher Gewaltthat alle Hoffnungen der Guten zu nichte machen, und nur zu wahrscheinlich ist es — er wird es. Also auf, auf zur Rüstung, zur Vertheidigung der Stadt, die von Heersäulen und Kanonen umlagert, mit jeder Stunde näher der Entscheidung ihres Schicksals entgegengeht. Kostbar ist der gegenwärtige Augenblick, denn nicht wis`sen wir mehr, wem die nächste Zukunft gehört. In äußerster Schnelle muß die

Stadt an ihren bedrohtesten Punkten noch verschanzt und verbarrikadirt werden' keine Hand ruhe, dem Vaterlande seine dringendste Pflicht zu leisten. Die unermeßliche Stadt mit ihrer Fülle der edelsten Geistes- und Erdengüter, dem zerstörenden Tritte des feindlichen Kriegers unzugänglich zu machen. Eilet herbei, Männer, Weiber, Kinder, erste und legte Kraft der Jugend und des Alters, reget und rüstet euch für die Rettung der Freiheit. Wien, gib der Welt ein Beispiel von Patriotismus, wie es Paris, wie es Warschau, wie es Buda-Pest in den Tagen höchster Bedrängnisse gethan haben. Schwache Greise eilten herbei, zarte Kinder tummelten sich, vornehme Damen, in Sammt und Seide gekleidet, stiegen aus ihren Equipagen, trugen Steine, Holz und Sparrwerk herbei, arbeiteten mit Spaten und Brecheisen, und verrammelten in wenig Stunden eine offene Stadt in eine unüberwindliche Festung. Wien, Bewunderung der Welt, die du Dankadressen von der halben Erdkugel für den Heldenmuth deiner Märzund Maitage empfangen hast, auf! bleibe jest nicht hinter dir selber zurück, zeige der Menschheit, daß du die Freiheit ebenso standhaft behaupten, als welche erringen fannst. Für wenige Stundenschläge fordert die Freiheit deine Opfer, aber sie fordert sie ganz, fie fordert sie von Allem, was Leben und Athem hat. „Energie! jezt oder nie," riefen wir am heiligen Morgen des 13. März in der Aula, als wir ins Ständehaus zogen,,Energie! jest oder nie!" halle es auch heute wieder in jedem Herzen, das für die Freiheit schlägt, und wie der Ruf der Aula damals die Stimme von ganz Wien wurde, und wie der Gott der Weltgeschichte damals unserer Schilderhebung den gerechten Sieg gab, so stehe auch jeßt wieder ganz Wien wie Ein Mann auf, kämpfe, arbeite, verschanze, verbarrikadire, wache, spende, und opfere sich in den 36 wichtigsten Stunden der theuren Vaterstadt, ganz dem öffentlichen Wohle. Ein Gott ist, ein ewiger Wille lebt, der uns hält und schüßt; aber vertrauen wir nicht vermessentlich auf seine Hülfe, vergessen wir nicht, daß Gott alles Große und Unsterbliche durch menschliche Hände ausgeführt. Hilf dir selbst, dann hilft dir der Himmel, und günstig winken dir alle seine Sterne. Also auf, auf! die Stunde der Gefahr drängt, ganz Wien muß ein Lager seyn, und nach wenigen Stunden wird ganz Wien ein Dom seyn, in welchem ein tausendstimmiges Te Deum laudamus zu Gott dem Befreier emporsteigt. Wir werden für Euch bluten, aber wir werden fiegen, glorreich triumphiren, wenn Einer für Alle, Alle für Einen stehen, und ganz Wien ein Mann und ein Herz ist für die heilige Sache der Freiheit. Wien, im October 1848. Der Ausschuß der Studenten." ,,Wegen Plünderung. Mitbürger! In einem feierlichen Augenblicke, wo allen geseßlichen Gewalten durch Militär-Herrschaft Gefahr droht, ist es doppelt nothwendig, die Geseze innerhalb der eigenen Mauern zu achten. Wir müssen die Verachtung an Recht und Gerechtigkeit, wodurch unsere Gegner uns unter

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die Waffen zwingen, nicht nachahmen. Garden der mobilen Korps! — Unser Zustand ist der einer belagerten Stadt. Zu allen Zeiten hat man in Kriegs-Verhältnissen Plünderung, von Bewaffneten ausgeübt, mit dem Tode bestraft. Es ist troß aller öffentlichen Ermahnungen an einem Staatsgebäude Plünderung verübt worden. Die Schuldigen werden ermittelt, und der verdienten strengen Ahndung unterzogen werden. Gestüßt auf den §. 6, der von dem hohen Reichstage unter dem 15. October erlassenen Disciplinar-Verordnungen, welche das Ober-Commando der Nationalgarde für die genaue Vollstreckung der obigen Verordnungen streng verantwortlich macht, mache ich bekannt wie folgt: Wer von heute an Plünderung verübt, wird sofort vor das Kriegsgericht gestellt." Das Kriegsgericht hat für die Dauer der ausserodentlichen Verhältuisse in Permanenz zu bleiben. Die Strafe für den Verurtheilten lautet auf Tod durch Pulver und Blet. Das Urtheil wird binnen 24 Stunden vollstreckt, und kann durch das Ober- Commando nicht aufgehoben werden. Mitbürger! Garden der mobilen Korps! Nur wenige Ruchlose oder Leichtsinnige schänden unsere ehrenhaften Reihen. Sie müssen die heilsame Strenge des Geseßes achten lernen.

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Wien, 23. October 1848. Messenhauser, m. p., prov. Ober-Command.“

Dieses Plakat, und die Zustände, die es veranlaßten, sind einer jener Beweise, daß in Wien „kein anarchischer Zustand" vorhanden war wie solches der Reichstag zu behaupten für rathsam hielt. —-—

Jedenfalls ist aber die nothwendig gewordene Strafandrohung eine der wenigen guten Maßregeln gegen den excessiven Pöbel gewesen,

Es kam eine halbe Compagnie der Legion als Assistenz zum Strafhause in der Leopoldstadt; dieser liefen Weiber und Buben mit der Aeußerung nach, daß jezt die Sträflinge ausgelassen werden.

Um 3 Uhr war Versammlung in der Aula, welche von Theilnehmern aus den verschiedensten Ständen der Bevölkerung Wiens zum Erdrücken angefüllt war. Chaisés und Blum hielten abwechselnd Reden, wurden aber einige Male während des Vortrages durch den Andrang des Volkes, und dann wieder durch eine unzeitige Störung unterbrochen, welche dadurch entstanden war, daß eine Abtheilung Volkswehr mit einem Musikcorps am Universitätsplaße anlangte, und man aus der Ferne einzelne Kanonenschüsse vernahm. Als endlich die Schüsse sich häufiger vernehmen ließen, mußte der Vortrag gänzlich abgebrochen werden, und die Anwesenden, meistens unbewaffnet, zerstreuten sich nach allen Richtungen, um ihre Waffen zu holen, und so des nächsten Moments gewärtig zu seyn, als dessen Vorzeichen man die Schüsse wähnte, welche immer zahlreicher fielen.

3. Uhr. Auf der bei Nußdorf geschlagenen Brücke wird so eben Geschüß, Bagagewägen und Militär überseßt. In der Au bei Nußdorf fallen Schüsse, so wie auch von Nusdorf nach Döbling. Bericht vom Stephansthurme.

Robert Blum hielt in der Aula vor einer zahlreichen Versammlung fol gende Rede, die auf sein späteres Schicksal einen so bedeutenden Einfluß übte: Ganz Deutschland blickt in bewundernder Sympathie auf Wien, von welchem das große Umwälzungswerk unserer Zeit ausgegangen, denn während in Berlin, der Stadt spekulirender Philosopheme, und kalter Theorien der Worte viel, der Handlungen wenige geboten wurden, habe das gemüthliche als phäakisch verschrieene Wien, eine Willens- und Thatkraft, so wie einen Geist der Aufopferung gezeigt, die hinreißend auf das übrige Deutschland wirken müssen. Ihm charakterisire sich die Revolution des Jahres 1848 durch ihre Wiederkehr zur echten Religiofität, d. h. durch den neu aufgelebten Glauben an einen Gott der Völker, und der auf Freiheit bafirten Ordnung, der einzigen Basis des Staatenglückes. Ein anderes Criterium unserer Zeit sey die Ueberzeugung, daß der Gedanke allmächtig, und durch keine irdische Gewalt zu bewältigen sey. Weil Wien solches begriffen, hätte Frankfurt nach seiner Meinung wie ein Mann die Gesinnungen der österreichischen Hauptstadt anerkennen sollen; es vereinigte sich jedoch nur die Linke zu solcher Ovation, als deren Ausdruck er und seine Gefährten hier stehen, und das Schicksal der Wiener theilen wollten. Er drückte sein tiefstes Bedauern aus, daß zwischen die Throne, und die um dieselben sich schaaren sollenden Völker noch die giftigen, umhüllenden Nebel einer finstern Realtionspartei verdunkelnd aufsteigen, einer Partei, welche die Herrscher verblendet und den alten Servilismus um jeden Preis wieder hergestellt wissen wollte. Der Genius der Menschheit verhüllt sein trauernd Haupt über den jeßigen Völfer- und Racenkrieg. Der Geist der Versöhnung könnte alle Völkerschaften Oesterreichs durch das unlösliche Band der Brüderlichkeit zu einem starken Staatencomplex vereinigen, aber eine im Finstern brütende Partei hatte die Völker zum Verwüstungskriege gegeneinander gestachelt, und die Horden des Ostens im feindlichen Sinne vor die Mauern der westlichen Hauptstadt gelagert. Dieser verabscheuungswürdige Racenkrieg ist die blutige Folge des alten unseligen Systems „Divide et impera;" dieses System hatte Drachenzähne gesäet, deren fürchterlicher Nachwuchs die jeßigen Generationen schwer heimsuche. Noch sey aber Versöhnung möglich, und Wiens große, welthistorische Aufgabe, Deutschlands Vortreter auf der Bahn der Freiheit zu seyn, können noch friedlich gelöst werden." "Keine halbe Revolution!" sprach er weiter, „Fortschreiten, wenn auch blutiges, auf der eingeschlagenen Bahn, vor Allem keine Schonung gegen die Anhänger des alten Systems, die Ruhe aus selbstsüchtigen Absichten begeh ren, gegen diese werde ein Vernichtungskampf ohne Erbarmen geführt!" Am Schlusse seiner Rede sprach er die Worte: Wenn Wien den Tod im Kampfe für die Freiheit sterben sollte, so würde aus seiner Asche ein zermalmender Rachegott über Deutschland sich erheben!"

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Nachmittags erhob sich bei der Nußdorfer-Linie der Vorpostenkampf von Neuem, während dessen Dauer die Kanonen von beiden Seiten spielten. Das Gefecht zog sich bis zur Ferdinands-Wasserleitung hin; diese wurde zerstört, ein Ergebniß, das in manchen Vorstadtgründen Waffermangel zur Folge hatte.

4 Uhr. Aus der Au bei Nußdorf, so wie von Nußdorf nach Döbling fallen Kanonenschüsse. Beim Währinger Friedhofe wird ebenfalls herausgeschossen. Diese Kanonade dauert schon ungefähr 10 Minuten; man hört auch Gewehrfeuer. In der Leopoldstadt, Rossau und im Lichtenthal wird Sturm geläutet.

4. Uhr. An der Rußdorfer-Straße über Döbling herunter sind Grenadiere Sturm gelaufen, um dort den Weg unter dem Berge abzusperren.

Um vier Uhr begann die Kanonade zwischen Währing und Nußdorf, eine zweite an der Taborbrücke. Die einzelnen Kanonenschüsse waren anfangs in geraumen Zwischeräumen, dann häufiger auf einander folgend zu hören, zulegt knatterte ein fortwährendes Kleingewehrfeuer, bis endlich gegen halb 7 Uhr gänzliche Stille eintrat, und man nur rings an der Gebirgskette einen Kreis von Wachfeuern erblickte. Ueber die Vorstadt Rossau schwebte aber noch lange eine dichte Wolke des Pulverdampfes der abgeschossenen Geschüße. In den politischen Cirkeln erregten große Sensation die Nachrichten, daß in Berlin eine Revolution ausgebrochen sey, und daß Frankreich sein Ultimatum in der Angelegenheit des italienischen Krieges an den österreichischen Hof gesendet. Neugierige Zuseher hielten noch immer die Basteien Wiens beseßt und lauschten, ob die Kanonade, welche bereits lange verstummte, sich nicht erneuern werde, um zu bestimmen, ob man sich für die heutige Nacht ruhig niederlegen könne, oder nicht.

5. Uhr. Anfangs Döbling bei der Nußdorfer-Linie hört man ein heftiges Kleingewehrfeuer.

5 Uhr. Das Feuern hört jezt gänzlich auf.

6'1⁄2 Uhr Abends. Wachfeuer bis jezt: Bei der Türkenschanze zwei, zwischen Nusdorf und der Währinger Linie zwei, in Breitensee eins, bei der Spinnerin am Kreuze eins, bei der Laxenburger-Allee eins, bei Klederling eins. Vermuthlich wegen der Kanonade so wenige jezt sichtbar. Berichte vom Stephans thurm.

Desselben Tages erhielt der Hptm. Stallmister Sensel von Fenneberg den Auftrag, die in den Stallungen der ungarischen Garde befindlichen 40 Stück Schimmeln abzuholen. Derselbe begab sich mit General Bem und seinen Ad jutanten dahin, um die Pferde sowohl als die Sättel und Zeuge in Empfang zu nehmen.

Nachdem aber in der Vollmacht des Unterstaatssecretärs Pulszky vom 20. October 1848 nur von der Ausfolgung von Pferden die Rede war, so übergab der Oberstlieutenant von Etwös nur die 40 Pferde, welche Sensel auch in das Hauptquartier im Schwarzenbergischen Garten überbrachte. Von diesen

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