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Stifft, Sütter und Maurer verfaßten Antwort genehmiget, und gleichzeitig bestimmt wurde, den Beschluß des Reichstages sowohl als diese Antwort zur Beröffentlichung zu bringen.

Im Gemeinderathe wurden folgende Anträge genehmiget:

1. An die deutsch-katholische Gemeinde die Antwort zu erlassen, daß die Gemeinde kein zum Gottesdienste geeignetes Lokale besige. 2. Müller's Antrag, noch einige 1000 Exemplare des kais. Manifestes vom 19. zu ver öffentlichen. 3. Sylvester's Antrag, an den Reichstag eine Dankes- und Vertrauens-Adresse zu richten.

Auf eine in den Gemeinderath gelangte Zuschrift des Handelsstandes, daß das Hauptzollamt nicht hinlänglich geschüßt sey, wurde nach Hütter's Vorschlag, eine ganze Compagnie dazu zu verwenden, das Ober-Commando verständiget.

Folgende Anträge wurden im Gemeinderathe angenommen: 1. Würth's Antrag, der Vice-Bürgermeister möge baldigst ein Verzeichniß aller von Wien sich entfernt haltenden Magistrats-Beamten vorlegen. 2. Bernbrunn's Antrag, daß bei dem Umstande, als die zur Pacificirung abgegangenen Vertreter der Centralgewalt, die gegenseitige Einstellung von Feindseligkeiten zur Bedingung gestellt haben, das Ober-Commando zu befragen sey, ob dasselbe die nöthigen Anordnungen getroffen. 4. Hütter's Vorschlag, daß die Schriftführer die Berichte aus dem Reichstage täglich übernehmen sollen.

Braun theilte dem Gemeinderathe mit, daß Minister Krauß der Deputation der Bezirks-Chefs gerathen habe, der Gemeinderath und die Vertreter der Nationalgarde möchten zu Fürst Windischgräß eine Depu tation absenden, und zwar in keine Unterhandlung treten, aber anfragen, welche Maßregeln er gegen Wien, und warum einschlagen wolle. Hütter's und Röde's Antrag, die Antwort des Gemeinderathes durch eine Deputa tion zu übersenden, wurde verworfen, nach einer langen und heftigen De batte, an welcher sich Braun, Bernbrunn, Folwarzny, Sylvester, Wagdorf, Maurer, Wessely, Klobasser und BrodHuber betheiligten, wurde Freund's Antrag, keine Mitglieder dieser De putation beizuordnen, zur Abstimmung gebracht, und zwar, ohne der zukünftigen Geschäftsordnung vorzugreifen, durch namentliche Abstimmung.

Nach dieser wurde Freund's Antrag mit 31 Stimmen gegen 14 Stimmen angenommen, und fünf Mitglieder gaben ihr Separatvotum zu Protokoll für die Uebergabe der Antwort durch eine Deputation.

Nachstehende Plakate waren in großer Anzahl an allen Straßenecken angeschlagen: „Antwort des Gemeinderathes der Stadt Wien an Se. Durchlaucht Herrn Fürsten Windischgräß, Feldmarschall."

„Der Gemeinderath der Stadt Wien hat am heutigen Tage die Zuschrift

erhalten, welche Euer Durchlaucht an denselben zn richten befunden haben. Der Gemeinderath der Stadt Wien ist jedoch nicht in der Lage, dem ihm gewordenen Auftrage, die mitgetheilten Plakate zu veröffentlichen, zu entsprechen, und zwar aus folgenden Gründen: Abgesehen davon, daß bereits der hohe Reichstag, welchem der Gemeinderath so wie jede Behörde der Monarchie untersteht, einen Protest gegen die Amtshandlunzen Euer Durchlaucht erlassen hat, wodurch das Benehmen des Gemeinderathes allerdings auch geregelt wird, hat der lettere seine Befehle unmittelbar nur vom Ministerium des Innern, welches gegenwärtig in Wien allerdings vertreten ist, zu empfangen. Da ihm jedoch weder eine dießfällige Weisung von gedachtem Ministerium bisher zugekommen ist, eben so wenig eine solche auf dem Erlasse Euer Durchlaucht bekräftigend zu ersehen ist, sieht sich der Gemeinderath nicht auf gefeßlichem Wege angewiesen, dem Wunsche Euer Durchlaucht nachzukommen. Jede von Euer Durchlaucht dem Gemeinderath auferlegte strenge Verantwortlichkeit wird von demselben in dem beruhigenden Gefühle völlig erfüllter Pflicht auf das Entschiedenste abgelehnt. Wien, 22. October 1848. Die Affigirungen der ins Bureau des Gemeinderathes gebrachten Plakate des Herrn Fürsten Windischgrät ist gestern ohne Auftrag des Gemeinderathes oder seiner Permanenz erfolgt. Vom Gemeinderathe der Stadt Wien.""

In Betracht, daß die Herstellung der Ruhe und Ordnung, wo sie wirklich gefährdet seyn sollten, nur den ordentlichen constitutionellen Behörden zukommt, und nur auf ihre Requisition das Militär einschreiten darf. In Betracht, daß nach wiederholtem Ausspruche des Reichstages und des Gemeinderathes die bestehende Aufregung in Wien nur durch die drohenden Truppenmassen unterhalten wird. In Betracht endlich, daß das kaiserliche Wort vom 19. d. M. die ungeschmälerte Aufrechthaltung aller errungenen Freiheiten, so wie ganz besonders die freie Berathung des Reichstages neuerdings gewährleistete, erklärt der Reichstag die vom Feldmarschall Fürsten Windisch gräß angedrohten Maßregeln des Belagerungszustandes und Standrechtes für ungeseßlich. Von diesem Beschlusse ist Minister Wessenberg und Feldmarschall Fürst Windisch gråß sogleich durch Eilboten in Kenntniß zu seßen, und derselbe allgemein kund zu machen. Wien, am 22. Oct. 1848. In fidem copiae. Reichstags-Ausschuß am Obigen."""" Vom Gemeinderathe der Stadt Wien."

Die Ultra und Irregeleiteten waren über die Proklamation des Fürsten Windischgräß um so wüthender, als der Reichstag das Wort „ungeseßlich“ aussprach. Wie sehr die Leute als Hochverräther ausgebildet worden sind, beweist nachstehendes Faktum. Abends war in dem Nationalgarde-Gasthaus eine Anzahl Nationalgarde-Offiziere und Nationalgarde-Cavalleristen beim Abendbrot versammelt, und es kam die Rede auf das angebliche Attentat in Olmüş. Ein anwesender Mann in Civilkleidern äußerte laut, es sey Schade, daß es sich nicht bewähre,

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es hätten statt Einem Fünf schießen sollen. Unter brutalen Phrasen schloß jener Mann seine hochverrätherische Sprache damit, daß er sagte: Wenn er nach Wien kommen sollte, so bin ich der erste, der ihn erschießt. Der anwesende Plazoffizier Dunder, empört über solche schändlichen, in Wien unerhörten Reden, stand auf, und indem er laut rief: „In einem Lokale, wo ein solcher Schuft einen Königsmord provocirt, kann ich und kein rechtlicher Mann bleiben," ging er zur Thüre, solche heftig zuschlagend, hinaus. Im Centralbureau angelangt, erzählte er den versammelten Plagoffizieren den gräulichen Vorfall, als sich in den Gängen der laute Ruf: Dunder! Dunder! hören ließ, und bald darauf Lieutenant Perger, dann eine Anzahl der wackeren Nationalgarde-Cavalleristen der ersten und zweiten Division hereinstürmten, und dem Plazoffizier unter einer furchtbaren Gährung eröffneten, jener Elende sey ein Mitglied des Verwaltungsrathes. Hierauf begab sich Dunder mit der ganzen Suite in die Permanenz des Verwaltungsrathes, und nachdem er von den ehrenwerthen Mitgliedern erfahren, daß der gedachte Mann wirklich der Vertreter einer Compagnie eines südlichen Vorstadtbezirkes sey, trat er zu demselben und sprach: „Sie haben einen König8mord provocirt, sind somit ein elender Schuft, und wenn Sie nicht augenblicklich diese Versammlung verlassen, so lasse ich Sie arretiren; und wenn Sie es wagen, jemals in der Versammlung des Verwaltungsrathes zu erscheinen und die Vertretung Ihrer Compagnie nicht freiwillig niederlegen, so werde ich sie als Hochverräther vor der ganzen Versammlung anklagen." Der ganz niedergeschmetterte, von den anwesenden Garden insultirte Elende, stotterte Entschuldigungen heraus, gestand, daß er eine Dummheit begangen, und bath den Plaßoffizier Dunder, er möge solche verzeihen. Doch da derselbe und alle Anwesenden auf dem Ausspruche und dessen Erfüllung bestanden, mußte derselbe die Stallburg räumen. Der Name des Mannes bleibe ungenannt, aber er möge es sich zur Warnung dienen lassen, und wohl bedenken, wem wir unsere constitutionellen Freiheiten zu danken haben.

Abends. Wenn je etwas die heute bereits herrschende Unruhe zur Bestürzung hätte steigern können, so war es ganz gewiß die bedrohliche Proklamation von Seite des Fürsten Windischgräß, welche gegen Abend an allen Ecken der Stadt angeschlagen war. Massen von Menschen umzüngelten jeden Anschlagplag, man drängte sich um nur einige Zeilen der Proklamation zu lesen, die nichts anders, als eine Belagerung der Stadt in wenig Stunden verkündete, und doch konnte nur ein geringer Theil der Bevölkerung seine Neugierde befriedigen, denn nur wenige Momente blieben die Plakate angeschlagen, und das Volk riß dieselben bald herunter. Die Bewegung aber, die diese Proklamation hervorrief, war trog dem Regenguße eine unbeschreiblich große, bis tief in die Nacht nachhaltige. An den Linien wurden die Besagungen verstärkt, und das Reichstagsheer im Lager

blieb die ganze Nacht wach. Offiziere flogen durch die Gassen hin und her, Garden sammelten sich, und in allen Gast- und Kaffehhäusern wurde mehr als politisirt. Mit Furcht und banger Sorge für den kommenden Morgen und dessen, was derselbe mit sich bringen sollte, eilte der friedliche Theil Wiens in seine Wohnun gen, um eine schlaflose Nacht zuzubringen.

23. October.

Am 23. begann der Uebergang der unterm 21. und 22. concentrirten k. k. böhmisch-mährischen Truppen über die bei Klosterneuburg Tags vorher geschlagene Schiffbrücke. Die Ortschaften Klosterneuburg, Nußdorf und das Kahlenbergerdörfel waren bereits am vorherigen Tage, von der über Krems angekommenen Division des F. M. L. Ramberg beseßt. Der Infanterie wurde nach ihrer Ankunft auf dem rechten Donauufer der Weg über Nußdorf, Grinzing, Weinhaus, Ottakring, Breitensee, Penzing nach Altmannsdorf und Inzersdorf angewiesen, während die Kavallerie, die Batterien und sämmtliche Bagagen auf der gebahnten. Straße über Klosterneuburg nach Greifenstein, St. Andree, Königstätten bis in die Nähe von Tuln instradirt wurden, von wo sie über Ried, Burkersdorf, Mariabrunn, St. Veit, Schönbrunn nach Vösendorf angewiesen wurden.

Während sich dieses in jener Gegend zugetragen hatte, zogen sich die ungarischen Truppen, welche, wie schon angeführt, am 21. die österreichische Gränze überschritten hatten, über die dem Ban zugekommene Verstärkung, am 23. wieder über die Leitha zurück. An diesem Tage hatte der Feldmarschall Fürst Windischgrät sein Hauptquartier in Heßendorf aufgeschlagen.

Die vom Gemeinderathe an Se. Durchlaucht den Feldmarschall Fürsten Windischgrät abgesandte Deputation, bestehend aus den Gemeinderäthen Hütter und Brodhuber, wurden von demselben äußerst freundlich aufgenommen, und ungeachtet ihrer wiederholten Ablehnung dieser Ehre zur Tafel ge= zogen. Nach aufgehobener Tafel nahm sie der Fürst in eine Fensterecke und sagte beiläufig mit tiefbewegter Stimme: „Meine Herrn, Prag hat mich unglücklich gemacht, meine jezige Stellung ist jedoch noch härter und schmerzvoller für mich ; aber meine ernste Pflicht heißt meine Gefühle schweigen. Ich ersuche Sie meine Herrn, helfen Sie mir diese schwere Aufgabe erleichtern." Einer der Abgeordne ten erklärte hierauf, daß sie den Auftrag hätten jede Erörterung zu vermeiden, sondern nur die Bitte zu stellen, Se. Durchlaucht möge von der in seine Hände gelegten Macht möglichst humanen Gebrauch machen. Was der Fürst mit sichtbarer Bewegung zusicherte. Nachdem Fürst Windischgrä ß die Antwort des Gemeinderathes durchgelesen hatte, äußerte er, daß dieses Schreiben größtentheils Sophistereien enthalte, und er könne von den gestellten Bedingungen nicht abweichen, wohl werde er bis Morgen Antwort geben.

General-Lieutenant Bem erklärte unverholen seiner Umgebung mehrmals n daß Wien an und für sich nicht zu halten sey, daß aber die Ehre der Wiener, die Vertheigung Wien's erfordere, und dahin getrachtet werden muß, Zeit zu gewinnen, damit die Ungarn ihre Operationen leichter durchführen können. Am 23. Früh 6'/, Uhr zeigten die im Belveder befindlichen Telegrapheure an, daß bei der St. Marper Linie geplänkelt werde; General-Lieutenant Bem rief begeistert aus: „Kinder, Alles ist jeßt gewonnen, die Ungarn find hier,“ und alsogleich ordnete er einen Ausfall von der Belveder-Linie an, sobald man den Angriff der Ungarn bemerken würde. Da aber die Ungarn nicht angriffen, so unterblieb auch dieser Ausfall, der übrigens schon ganz organisirt war.

Bom Stefansthurme wurde dem Gemeinderathe berichtet: 8'. Uhr Früh. Die heutige Nacht ging ruhig und ohne die geringste Störung vorüber; es war sowohl keine Vermehrung der gestern angeführten Wachfeuer, als auch kein Signal von ungarischer Seite sichtbar. Im Lager bei Jedlersee zeugte sich eine bedeutende Bewegung, mehr als 30 Packwagen fuhren links dem Bisamberge (Langenzersdorf) zu; desgleichen ein Theil der Kavallerie. Ein kleiner Theil der Kavallerie bewegte sich gegen Floridsdorf zu. An der schwarzen Lacke, vis-á-vis von Nußdorf, wo gestern Nachmittags sehr thätig an einer Brücke gearbeitet wurde, und schon bis Abends einige Pontons eingezogen waren, sind heute die Pontons der Reihe nach am Ufer aufgestellt. Auch fuhr so eben ein Ponton mit Truppen über die Donau nach Nußdorf, wo auch gestern mehrere übergefahren sind. Bei den sieben Ziegelhütten war keine Veränderung, höchstens, daß bei der vierten einige Cavalleristen mehr stehen. Bei der Spinnerinn am Kreuge stehen auf den Schanzen gegen 200 Mann. Wegen Nebel läßt sich bis jezt kein weiterer Bericht geben.

9 Uhr Früh. Die Straßen waren in Folge des gestrigen Plakats vom Fürsten Windischgräß ungeheuer belebt. Massen von Menschen drängten durch die Gassen oder versperrten dort, wo Mauerschläge an den Ecken sichtbar waren, die Passage. Bewaffnete schritten einzeln oder als Potrouillen durch die neugierig sie betrachtenden Leute. Ueberall herrschte Aufregung, überall gab sich eine ängstliche Erwartung oder eine muthige Entschlossenheit kund. Die Kauflä. den waren zwar geöffnet, allein die Inhaber derselben standen beschäftigungslos vor ihren Thüren, und sahen dem Treiben auf der Gasse zu, das durch da: hinsprengende Offiziere vom Generalstabe an bunter Abwechslung gewann. Hie und da wo früher Barrikaden standen, wurde das Pflaster ausgeglichen. Allenthalben wurde gesprochen, daß dieser Tag ein entscheidender für die Zustände Wiens werden solle. An diesem Tage ist auf die Märkte der Stadt nichts Käufli ches vom Lande angelangt, mithin war die Zufuhr der Lebensmittel gänzlich abgesperrt. Magenkrämpfe nahmen bei den Ultras überhand.

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