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spätesten Nachwelt aufbewahren muß. Kann auch, gegenüber solcher Größe, der schwache Ausdruck unserer Gesinnung kein Gewicht in die Schale Seines Ruhmes Legen, so bitten wir den Reichstag doch, daß derselbe unseren vollen Dank dafür annehmen möge.

Recht und Freiheit können nimmer verloren gehen, so lange ein solcher Reichstag als deren Wächter sie schüßet.“

Görkau, Kaig, Weingarten, Hannerdorf und Gottersdorf im Saazer-Kreise, Böhmen, am 15. October 1848. (Folgen die Unterschriften.)

Am heutigen Tage stellte Fenneberg im Auftrage des Ober-Commando an den Gemeinderath das Ersuchen, die in dem Corps der Sicherheitswache befindlichen Individuen, welche in der Artillerie gedient hatten, sofort zur Dispofition des Artillerie-Commandanten zu stellen. An demselben Tage wendete sich Herr Josef Bronn, k. k. Major und Stuckguß-Director mit der Bitte an das Ober-Commando, seine Mannschaft, die seit dem 11. des Brotes entbehrte, da derselben der Durchgang durch die Stadt nicht gestattet wurde, entweder leßteren zu bewilligen, oder aber zur Vermeidung des Aufsehens, welches eine ziemlich zahlreiche Truppe erregen könne, einen Flechtwagen zur Ueberkommung von 530 Brotlaiben zu bewilligen. Lezteres ist von Seite des Nationalgarde-Plag-Commando bereitwilligst veranlaßt worden.

Am 15. langten 100 Centner Pulver aus Ungarn an, und wurden im SeiLerstätter-Zeughause abgeladen. Es war größtentheils Stuckpulver und nur ein kleiner Theil war Scheibenpulver. Auf diese Nachricht verbreitete sich eine allgemeine Heiterkeit unter den Bewaffneten. Das Patronen-Erzeugen wurde von jegt an großartig betrieben. Bei 200 Menschen, größtentheils Frauenzimmer, wurden zum Rollen der Patronenhülsen, und bei 80 zum Füllen derselben verwendet. Gleichzeitig wurden auch die Stuckpatronen erzeugt. Bei diesen Arbeiten waren viele mit Abschied entlassene Artilleristen angestellt.

Sämmtliche Munition sollte auf Befehl des Ober-Commando in diesem Zeughause erzeugt werden. Da jedoch der k. k. Artillerie-Hauptmann Pecher die Waffen und die Munition in diesem Staatsgebäude zu retten nicht im Stande war, so suchte er wenigstens das Zeughaus vor jedem Unglücksfalle zu bewahren, und auf seine persönliche dringende Verwendung beim Ober-Commando ges schah es auch, daß die Stuckpatronen nicht im Zeughause, sondern auf dem Bastion neben dem Karolinenthore erzeugt wurden. Für das Verfertigen der Infanterie

Es scheint, daß sogleiche Veröffentlichung der Reichstags Protokolle, besonders jene der stenographischen offizielen Reichstagsberichte eine große Nothwendigkeit war, und nicht so wie es mit legteren der Fall, erst dann geschehen sollte, als be= reits ein Theil der Zeitgenossen selig entschlafen ist.

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patronen aber wurden vom Gemeinderathe, auf wiederholtes Ersuchen des genann ten Artillerie-Hauptmannes, zwei Markthütten aufgeschlagen; später aber ordnete das Ober-Commando an, daß alle Munition im k. Zeughause in der Renngasse erzeugt werden mußte.

Am 15. erhielt Hauner, Lieutenant der bürgerlichen Artillerie, den Auftrag vom Studenten-Comitee, mit zwei Kanonen und der nöthigen Bedienung zur Verfügung des Generals Bem sich zu stellen. Hauner, welcher diesen Befehl nur zu vollziehen sich erklärte, wenn ihn Messenhauser mitfertigen würde, schickte die Legionäre zum Ober-Commando, und dieselben kamen nach kurzer Zeit wieder zurück mit demselben Befehl aber mit Messenhauser's Vidi versehen.

Artillerie-Lieutenant Hauner zog sohin mit diesen zwei Kanonen in das Belvedere ab; daselbst angelangt, fand er vier bis fünf Bataillone Mobilgarden, eine Compagnie Brünner-Nationalgarden, eine starke Abtheilung Nationalgarde eines Stadtviertels, und achtzehn Geschüße mit der erforderlichen Bedienung und Bespannung.

Nachdem diese Besaßung den ganzen Tag unter Waffen gestanden war, in der Erwartung der Dinge die da kommen werden, musterte General Bem Abends diese Truppe und ertheilte den Befehl einzurücken, aber als ein Theil der Besaßung eben im Begriffe war abzurücken, fielen einige Flintenschüsse, und ein oder zwei Schüsse des schweren Geschüßes vom Linienwalle aus, und ein panischer Schrecken überfiel einen Theil der Volkswehr. Viele liefen davon und ließen ihre Gewehre stehen. Bem sah sich veranlaßt, das Gitter beim Belvedere schließen zu Lassen, er stellte das Feuern ein, welches abermals eine unzeitige Kampfbegier zum Grunde hatte.

Nachdem die Ruhe und einigen Theils die Ordnung wieder hergestellt war, rückte die in das Belvedere commandirte Mannschaft ab, und es blieb nur die ge wöhnliche Besaßung in selber zurück.

Karl Schöffmann, bürgl. Bäcker, Stadt, Naglergasse, berichtete dem Ober-Commando, daß, während er als Nationalgarde-Kavallerist im Dienste war, gegen zehn Bewaffnete in seinen Brotladen eindrangen, kein freiwillig angebothenes Brot annahmen, sondern die ganze Baarschaft, 10 fl. CM, von seiner Schwester unter Drohungen erpreßten, ebenso bei den bürgerl. Bäckern, Gerber 5 fl., Wittmann 10 fl., Johann Spuller; in der Tabaktrafik im Rothenthurmthore um 3 fl. Tabak und Zigarren. Lehtere zwei Fälle wurden berichtet von Jos. Schnürer, Lieutenant und Wachcommandant am Rothenthurmthor. In Folge derlei Vorfälle erschien nachstehende

„Kundmachung. Nach einer mir vom Gemeinderathe zugekommenen Mittheilung sollen bewaffnete Arbeiter und Garden hin und wieder herumziehen, um

in den Häusern Sammlungen für sich und ihre Kameraden zum Zwecke ihrer besseren Verpflegung zu machen.

Garden! Glieder der mobilen Colonnen! - Durch Verabreichung des zugesicherten Verpflegsbetrages ist für den Unterhalt aller mittellosen Streiter ohne Unterschied gesorgt worden. Euere Chefs find unterrichtet, wo für Euch die tägliche Löhnung zu holen. Ihr begreift, daß Communal- und Staatskassen in den gegenwärtigen drückenden Finanzverhältnissen die ausgezeichneteste Hingebung, die offenkundigsten Verdienste nicht mit Maitressenhonorar (!!) ablohnen können. —

Garden! Glieder der mobilen Colonnen! Euer Commandant erwartet, daß solche Klagen von nun an nicht mehr vorkommen. Er kennt den Geist der von einer verleumderischen Partei gern angeschwärzten Bevölkerung Wiens. Arbeiter, waret Ihr es nicht, von welchen an einem denkwürdigen Tage die Worte verewigt worden: „Heilig ist das Eigenthum?!" Seyd Ihr nicht mehr die Männer des 26. May? Ich füge hinzu: Beweist, daß in Waffen stehend die Mannszucht disciplinirter Schaaren Euch nicht fremd seyn kann, nicht fremd seyn darf. Beweist, daß Ihr Künstler und Gelehrte ehrt; schüßt die Religion, schüßt hülflose Weiber und Greise. Ich stelle Schildwachen vor die Thore aller Gebäude, vor die Häuser aller Personen, welche unter dem Schuße unserer NationaLehre stehen müssen. Das maslose Niedermeßeln des Wildes in den Pratergehölzen muß mich mit Besorgniß erfüllen. Es ist überdieß nur zu geeignet, schädliche Allarmirungen hervorzurufen.

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Garden aller Corps und Namen. Ehret die Warnung und Bitte Eures Führers! Wien, 15. October 1848. Messenhauser, m. p., prov. Ober-Com.“

4 Uhr Nachmittag. Ignaz Paul, Reichstags - Abgeordneter, zeigte beim Ober-Commando an, daß Vormittags, während er in der Reichstagssitzung war, Nationalgarden vom VII. Bezirk (Wieden) in seine Wohnung gedrungen wären, ihm dort gewaltsam ein ärarisches Gewehr, ein Privatgewehr, eine Pistole, das Gewehr seines Sohnes, und einige der 6. Jur. Comp. gehörende Gewehre, welche des Obigen Sohn als Feldwebel der Kompagnie in Verwahrung hatte, weggenommen hätten. Dieser Abgeordnete wünschte nun seine Waffen zurück zu erhalten. Die Gewehre hatte er im Kamin in seiner Wohnung (Wieden, Paniglgasse) versteckt, um bei einem Ueberfalle von Seite des Militärs sie nicht zur Schau und offen liegen zu haben. Diese Gewehre wurden ihm auch zurückgestellt.

4'1⁄2 Uhr. Ein Nationalgarde-Offzier berichtete beim Ober-Commando, daß er seinen Säbel in Meidling an die Kroaten abgeben mußte, und nicht mehr zurück erhielt.

5 Uhr. Jakob Wittinger machte beim Ober-Commando die Anzeige, daß im V.U.M.B. in Wullersdorf, Jammerdorf, Haugsdorf, Obriß und die ganze Pulkau-Gegend zum Landsturm bereits organisirt sey. Er berichtete ferner, daß

sich dieselben schon um Verhaltungsvorschriften an Streffleur gewendet, aber kein Aviso erhalten hätten*). Der Vater des Berichterstatters sey Ortsrichter und Commandant der Nationalgarde in Wullersdorf, und der Berichterstatter hat die schriftliche Versicherung von seinem Vater und Bruder für die Wahrheit seiner Angabe vorgezeigt. Der dortige Landsturm belief sich auf ungefähr 5000 Mann, die einen Führer vom Ober-Commando zu erhalten wünschten.

Um dieselbe Zeit fand ein Plänklergefecht an der Favoritenlinie und Gloggnißer Bahn statt, welches nach einem halbstündigen Schießen aus Gewehren und Sechspfündern wieder ein Ende nahm. Die steyerischen Garden und Schüßen, beiläufig 200 an der Zahl, zogen nebst einigen Legionären vor die Linie hinaus und nahmen am Eisenbahndamme, gegenüber von Laaerwalde eine feste Stellung ein. Ein Proviantwagen, der gegen Abend um 6 Uhr den Feldweg zum Lager hinauffuhr, und den die steyrischen Vedetten nehmen wollten, gab Veranlassung zu jenem heftigen beiderseitigen Feuern, wobei die linke Flanke der Steyerer in Kartätschenhagel stand. Mittlerweile gelang es einer größern Abtheilung Militärs, die sich vom Abenddunkel begünstiget, genähert hatte, den Wagen ins Lager zu transportiren, worauf das Feuern beendigt war. Von den Steyerern blieb ein Mann todt.

Die k. k. Truppen sollen sich gegen Studenten, die ihnen in die Hände geriethen, eine Behandlung erlaubt haben, deren sich die Kroaten nicht im Entferntesten schuldig gemacht haben. Glaubwürdige, auf dem Lande bei den Bivouaques der Kroaten wohnende Personen erzählten das Beste von denselben. Freilich sind die Kroaten nicht am 6. in Wien gewesen!

In Baden standen Grenadiere, welche die 12000 Arbeiter vom Semmering, die den Wienern zu Hülfe ziehen wollten, zurück schlugen, und den fie anführenden Studenten ins Lager brachten.

Eine Klage eines Milchweibes bildete eine tragikomische Episode. Der Mann wurde bei einem Patrouillengefechte erschossen, in Folge dessen die Witwe Anspruch auf die vom Gemeinderathe für sich und die Waisen zugesicherte Penfion machte und bedauerte nur wenig mit Kindern gesegnet zu seyn.

Emissäre, die im Auftrage des Ober-Commando die Gegend bis Tuln zu Pferde durchstreiften, um den Landsturm aufzubiethen, meldeten, daß der größte Theil der Bauern solche zu bilden erböthig sey, wenn der Reichstag sie dazu auffordern werde, im entgegengeseßten Falle würden sie aber nicht kommen, in welcher legteren Gesinnung sie durch die Beamten bestärkt werden.

In den Zeitungen erklärten die Herren Kleinert und Birgl, die von der Wiener Zeitung nach einem Plakate, welches Seite 268 enthalten ist, mitge

*) Man vergleiche Seite 121. die Beweggründe.

theilte Erklärung für entstellt und protestirten dagegen, daß man ihre in Wien gegebenen Erklärungen als Ausdruck des Prager Studenten-Auschußes ansehe. Es scheinen sich somit die Herren im Wiener Studenten-Ausschuße ein Falsum erlaubt zu haben, um die Wiener über die Stimmung in Prag zu täuschen.

Nationalgarde - Hauptmann Wittenberg wurde Commandant der Mobilgarde des Karolinen-Viertels, Dr. Reiher aber Werbcommissär des dritten Bataillons der Mobilen, zu welchem in der Artillerie-Kaserne der Landstrasse und im Seilerstätter Artillerie-Districts-Gebäude geworben wurde.

Die allgemeine österr. Zeitung brachte am 15. einen fulminanten Artikel gegen die Slawen und hoffte darin, daß die Deputirten Böhmens in Brünn verhaftet werden; dann berichtete dieselbe Zeitung, die Generale Frank und Vacani sehen in Wien gefangen. Beides war unrichtig.

Fürst Windischgräß, so hieß es allgemein, zieht mit allen disponiblen Truppen herbei, um sich mit Jellačič zu vereinigen.

61⁄2 Uhr. Vormittags wurden zwei Offiziere des Oguliner Gränzregiments, Joseph Jovetič und Johann von Zergollern, welche ihrer Kränklichkeit wegen in das Badner Bad aus dem Jella či č'schen Lager gebracht werden sollten, von dem Fuhrmanne vorsäglich, statt nach Baden, nach Wien geführt, daselbst von den an der Favoriten-Linie aufgestellten Garden unter dem Geschrei, daß fie Spione seyen, eingefangen und allen Insulten ausgeseßt.

Der Nationalgarde-Hauptmann Berr geleitete diese beiden Offiziere sammt dem Vorspannswagen und dem Privatdiener Stephan Knesevič in das t. Theresianum, woselbst sich das Hauptquartier des Wiedner Bezirkes befand, und übergab solche an den Bataillons-Chef Leopold Moser; von diesem aber wurden beide an das Ober-Commando durch den genannten Hauptmann überbracht, woselbst deren Ueberlieferung von dem Plaß-Offizier Dunder im Namen des Plas-Commando dem Bezirke Wieden bestätiget wurde. Der OberCommandant ertheilte sogleich dem Plaß-Hauptmann den Auftrag, diese beiden auf widerrechtliche Weise gefangenen Offiziere bis an die Vorposten der k. k. Truppen geleiten zu lassen, zu welchem Behufe sowohl von Seite der Permanenz des Reichstages, als auch vom Ober-Commando selbst die nöthigen GeleitsDocumente ausgestellt wurden. Die beiden Plaß-Offiziere C. Reisser und Wittmann wurden beordert, diese beiden k. Offiziere sammt ihrem Privatdiener in einem Wagen an ihre Truppe zurückzuführen. Allein kaum beim Schmardahof auf der Favoritenstraße angelangt, wurde dieser Wagen um 61⁄2 Uhr von Garden und vom Volke umzingelt, und unter dem Nufe: „Diese beiden Spione dürfen nicht fort, nehmt sie gefangen," wurde der Wagen umgekehrt und bewegte sich, begleitet von dem Menschenhaufen, gegen das Therefianum. Wie sehr das Volk fanatisirt war, ergibt sich aus der traurigen That

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