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in Permanenz, von diesem aus wurde für Munition, für Aprovision, Vertheidigung, und Sicherheit gesorgt. Das Studenten Comitee verrichtete die Dienste des kurz vorher bestandenen Wiener Kriegs-Rathes, der ehemaligen geheimer HausHof- und Staatskanzlei, die Geschäfte der Regierung und -- der geheimen Polizei - Hofstelle. Wer in diesen Tagen die Universität und das unübersehbare Menschengedränge, das zu jeder Stunde des Tages und der Nacht in ihrem Bereiche fluthete, sich ansah, der mußte glauben, ganz Wien sey entvölkert, und Alles bewege sich nur dort.

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In den philosophischen Hörsälen lagen die Soldaten und Arbeiter, das Gymnasium war eine Kaserne der Steyermärker, im Secirsaale wurden Zünder gemacht, und das Convict war zugleich ein Vorraths-Magazin, ein Staatsgefängniß und ein Rathhaus. Hier saß auch das Studenten-Comitee, dasselbe war in die Verpflegungs-, in die Bewaffnungs-Commission, und in den eigentlichen leitenden Ausschuß getheilt. Lezterer war der Haupt- und Brennpunkt des ganzen Getriebes — die eigentliche Universität. Hier holte sich das Volk die Anweisungen auf Munition und Waffen, auf Speise, Trank und Geld, hieher wurden alle Gefangene, Spione und verdächtige Individuen zur Untersuchung und Aburtheilung gebracht, hieher geschahen alle Anzeigen und Meldungen von der Stadt und dem Lande, hieher kamen die Deputationen der Bauern in Landsturmssachen, die Abgeordneten des ungarischen Lagers mit ihrer dringenden Kampfbegierde, hieher brachten Kouriere und Ordonanzen die Anzeigen von schwach beseßten Posten und stürmische Forderungen um Verstärkung, hieher wurde angezeigt, wenn irgend eine Aus- oder Einfuhr statt fand, die sogleich von Comitee-Mitgliedern untersucht, oder mit Beschlag belegt wurde, hier wurden Plakate zur dringenden Benachrichtigung oder Beruhigung des Volkes entworfen und zum Druck gegeben, hier wurde Schuß und Hilfe gegen ungesegliche Angriffe gesucht, und man muß es sagen, jeder Zeit mit Bereitwilligkeit und oft mit Lebensgefahr gegeben. Besonders wo es sich um die Sicherheit der Person, oder eines Staatsgutes handelte, wurde von Seite des Studenten-Comitee's nichts versäumt, mochte es bei Tag oder Nacht erforderlich geworden seyn, hilfreich einzuwirken.

An diesem Tage wurde eine bedeutende Partie Cigarren, welche die FinanzWache gegen den Andrang der neu bewaffneten Garde nicht halten zu können glaubte, in dem Asyl der Universität deponirt.

Es verbreiteten sich Gerüchte, daß diesseits der Gränze, in der Gegend von Roth-Neusiedl, zwischen Ungarn und Kroaten es zum Handgemenge gekommen sey.

An der St. Maryer Linie abermaliges Plänklergefecht zwischen Kroaten und Mobilgarden, in Folge dessen die Kroaten einen 6 Pfünder, aus den fie gefeuert, mehr gegen Simmering zurückzogen. Auf diese Plänklerei eilen mehrere Compagnien Bewaffnete im Sturmschritt dem Posten an der Marzer Linie zu Hilfe.

„Bekanntmachung. Um den häufigen Nachfragen um Waffen und Munition, welche angeblich im Schottenstift niedergelegt seyn sollen, zu begegnen, wird hiermit ämtlich erklärt, daß bereits durch eine Commission die strengste Nachsuchung stattgefunden, und sich dabei durchaus kein Vorrath irgend einer Art ergeben hat. Wien, den 13. October 1848.

Vom Ober-Commando der Nationalgarde."

An diesem Tage verweigerte man an der Gumpendorfer Linie, da die Mariahilferlinie gesperrt war, den ankommenden und abgehenden Post-Conducteuren, trog der gedruckten Passirerlaubniß des Reichstages -die Passage, und führte einen Conducteur unter Todesandrohungen als Spion auf die Aula.

Die in Prag anwesenden Reichstags - Deputirten haben folgende, in jeder Hinsicht merkwürdige, höchst ausgezeichnete Erklärung abgegeben:

,,Wir gegenwärtig in prag weilenden Abgeordneten des constituirenden österreichischen Reichstages, halten es unseren Comittenten und den annoch in Wien verbliebenen Vertretern des österreichischen Volkes gegenüber, für eine unabweisliche Pflicht, zu erklären, warum wir im gegenwärtigen Augenblicke unsern Sig im Reichstagssaale nicht einnehmen, und wie wir unsere Stellung zu den Beschlüssen, die jezt von dort ausgehen, auffassen. Vor Allem erklären wir, daß wir den gegenwärtigen Aufruhr in Wien für ein Werk fremder, nicht zu verkennender Umtriebe halten, keineswegs aber für den Ausdruck der Gesinnung der biedern und loyalen Bevölkerung Wiene.

Wir halten diesen Aufstand für einen verbrecherischen, weil durch denselben unter Mord und Gewaltthat ein Ministerium gestürzt wurde, welches die Majorität der Vertreter des österreichischen Gesammtvolkes für sich hatte, und wenn man auf deren vorher gefaßte Beschlüsse Rücksicht nimmt, auch in Uebereinstim mung mit denselben verfuhr.

Wir verwahren uns daher auf das Feierlichste gegen die in einer Namens des Reichstags erlassenen Proklamation ausgesprochenen Ansicht, als sey der Mord des Kriegsministers und der gewaltsame Sturz des Gesammtministeriums nichts Anderes, als ein von bedauerlichen Umständen begleiteter Act der Selbsthilfe des Bolles.

Wir müssen unser Bedauern ausdrücken, daß der Reichstag, anstatt pflichtgemäß seine tiefste Indignation über eine solche Unthat unverhohlen auszusprechen, diesen Ausdruck gewählt hat, der eine Gutheißung, wo nicht der That selbst, so doch des Erfolges ausspricht, welche mit der unbezweifelt ehrenhaften Gesinnung der an diesem Beschlusse Theil habenden Reichstags-Mitglieder und mit den früheren Beschlüssen des Gesammtreichstags selbst so sehr im Widerspruche steht, daß schon hieraus hervor

geht, daß diese Proklamation nicht als der autere Ausdruck vollkommen freier Willensmeinung angesehen werden könne.

Wir wollen nicht darauf hinweisen, wie gefährlich, wie verwerflich es ist, einer solchen Mordthat, einer solchen Barbarei mit so schlüpfrigen Rechtsbehelfen das Wort zu reden, aber wir erklären es für eine dem Reichstage selbst angethane Beschimpfung, wenn man eine aufrührerische Vollsmasse für das Voll selbst erklärt und ihr als Ausfluß des Rechtes auf Selbsthilfe das Recht zuspricht, Ministerien, die ihr mißliebig find, zu stürzen und allenfalls andere nach ihrem Belieben einzuseßen, während doch ein auf breitester demokratischer Basis aus dem Gesammtvolke hervorgegangener Reichstag da ist, welcher allein das Recht und auch die Pflicht hat, ein Ministerium, das nach seiner Ueberzeugung dem wohlverstandenen Interesse des Gesammtvolkes von Oesterreich entgegen handelt, durch eine zweideutige Aeußerung seiner Meinung von seinem Posten zu verdrängen.

Denn nur der gesammte frei tagende Reichstag ist der rechtmäßige Vertreter des österreichischen Volkes, er allein ist der Träger seiner Souveränität.

Wir können nicht anders glauben, als daß die Mehrzahl der vernünftigen, Ordnung und gesegliche Freiheit liebenden Bevölkerung Wiens, die Anmaßung einer faktiosen Minorität von ihr, sich selbst für das souveräne Volk zu erklären, und durch Entfernung eines vom Vertrauen der Majorität des Reichstages ges tragenen Ministeriums über ihn zu stellen, mit Umwillen zurückweisen wird.

Und sollte auch wirklich die Bevölkerung Wiens in ihrer Mehrheit einer solchen Meinung huldigen, so würden wir im Namen unserer Committenten, im Namen aller Völker der Gesammtmonarchie Desterreichs, gegen eine solche Anmaßung einer einzigen Stadt, Protest einlegen. Wien ist nicht Desterreich, wohl aber ist das richtig erkannte Interesse von Wien, als Hauptstadt der Monarchie mit dem Interesse derselben untrennbar verbunden. Was also die Vertreter der Völker Desterreichs im freien Rathe beschließen und gutheißen, kann auch der Hauptstadt und ihrer Bevölkerung nur Segen bringen. Wenn daher ein Deputirter sich nicht entblödet, diesen Aufruhr als eine glorreiche Revolution zu preisen, so nehmen wir hingegen keinen Anstand, ihn als einen verbrecherischen Angriff auf die Autonomie des Reichstages, dem allein das Ministerium verantwortlich ist, als eine Beleidigung der Majestät des Volkes in seinen freigewähl ten Vertretern zu bezeichnen.

Die Theorie, daß hinter der Minorität des Reichstages die Majorität des Volkes stehe, erklären wir in einem Staate, wo jeder Staatsbürger wählbar und wahlberechtigt ist, sich also auch der wahre Volkswille durch die Wahl unzweifelhaft ausspricht, für eine verbrecherische, in gerader Richtung zur Anarchie führende, wir erklären fie für eine Lehre des stationären Umsturzes, der ewigen Gewaltherrschaft, für einen Hohn gegen die Geseße der Vernunft, für eine Re-

bellion gegen das Prinzip der Volksherrschaft, deren unerschütterliche und unentbehrliche Basis die Herrschaft der Majorität ist.

In Konsequenz mit diesen Grundsägen potestiren wir gegen alle Beschlüsse, die jest im Reichstagssaale zu Wien von einer Minorität des Reichstages, oder doch von einer nach den Regeln des Hauses nicht stimmfähigen Anzahl, also mit Außerachtlassung der durch den Reichstag in seis ner Gesammtheit angenommenen Geseze gefaßt werden, oder gefaßt werden könnten. Namentlich protestiren wir gegen die Beschlüsse vom 6., welche ein in nicht stimmfähiger Anzahl versammelter Theil des Reichstages, ungeachtet der Verwahrung seines selbstgewählten Präsidenten, gefaßt hat.

Wir protestiren gegen alle Beschlüsse, wodurch der Reichstag Desterreichs in Ueberschreitung seines Mandats und in Außerachtlassung seiner hohen Mission die Exekutivgewalt an sich gerissen und als bloßer Sicherheitsausschuß für die Stadt Wien fungirt hat.

Durchdrungen von der Ueberzeugung, daß die Beschlüsse des Reichstages den wahren Willen der Völker Oesterreichs nur dann aussprechen können, und deren Bedürfnissen nur dann vollkommen entsprechend und wahrhaft segenbringend werden können, wenn sie der Ausfluß reiner Selbstbestimmung sind und also ganz unbeirrt von jedem bestimmenden oder nöthigen Einflusse einer in Aufruhr begriffenen Bevölkerung angenommen werden, protestiren wir gegen alle Beschlüsse, welche der Reichstag, sey es auch in beschlußfähiger Anzahl, jezt während der Dauer des Aufruhrs, wo alle Organe der Verwaltung und geseßlicher Ordnung außer Wirksamkeit sind, gefaßt hat, und so lange nicht der Zustand der geseglichen Ordnung wieder hergestellt ist, noch fassen wird.

Wir können unmöglich Beschlüsse für freie ansehen, die gefaßt werden, während die aufrührerische Menge die Gallerien füllt, ihre Waffen nach den Sißen der Deputirten richtet, und die Versammlung durch ihr Geschrei oder ihre den Bolfsvertretern bekannten Absichten und Gelüste terrorifirt; wir können Beschlüsse nicht für frei anerkennen, die angenommen werden, während und nachdem die Bürger einer und derselben Stadt im verheerenden Parteikampfe gegen einander die tödtenden Geschoße gerichtet; wir können Beschlüsse nicht für frei halten, die gefaßt werden in einer Stadt, wo alle Bande der gesellschaftlichen Ordnung so vollkommen aufgelöst find, daß kein Befehl einer Behörde, selbst jene des Reichstages nicht mehr befolgt werden, in einer Stadt, die angefüllt ist mit Barrikaden, bewacht und besezt von einer zügellosen Menge von verzweifelten, durch falsche Vorspiegelungen ehrloser, erkaufter Parteigänger bis zum Aeußersten aufgeheßten Proletariern, die den friedlichen Bürger unter Verhältnissen, wo selbst eine demüthige Bitte zur gebietherischen Forderung wird, brandschaßen, die gegen Bürger, ja selbst gegen Deputirte Drohungen ausstoßen, die

nach den gräulichen Vorgängen im Kriegsgebäude besorgen lassen, daß dem schrecklichen Worte die noch schrecklichere That folgen dürfte.

So lange dieser Zustand nicht aufgehört hat und die gesegliche Ordnung nicht hergestellt ist, so lange dem Reichstage in seiner Gesammtheit und den einzelnen Mitgliedern nicht hinreichende Garantien der persönlichen Sicherheit geboten werden, glauben wir unsere Pflicht gegen unsere Comittenten durchaus nicht zu verlegen, wenn wir unsere Size im Reichtagssaale nicht einnehmen, und alle daselbst gefaßten Beschlüsse für null und nichtig erklären. Wir würden es sogar für eine arge Verlegung unserer Pflicht halten, wenn wir unsere Stimmen zu Beschlüssen hergeben, die unter dem Terrorismus einer rebellischen Volksmenge gefaßt werden, wenn wir Beschlüssen, die unter solchen Umständen gegen das wahre Wohl unserer Comittenten gefaßt werden könnten, durch unsere Gegenwart, somit durch stillschweigende Beistimmung unfreiwillig ein moralisches Gewicht beilegten, in einem Augenblicke, wo lebensgefährliche Drohungen selbst den edelsten Deputirten abhalten können, seine Stimme in Vertretung seiner innersten Ueberzeugung zu erheben.

Wir wollen die constitutionelle demokratische Monarchie; wir erwarten von dem constituirenden, dem unauflösbaren Reichstage, diejenigen Institutionen, die das Heil, die Freiheit unseres Volkes und aller Völker des großen Völkerbundes Desterreichs begründen sollen. Nur dem Reichstage in Vereinigung mit dem constitutionellen Monarchen können wir das Recht zugestehen, allgemein verbindliche Geseße zu erlassen; aber auch nur dem Reichstage in seiner Gesammtheit, dem Reichstage, in voller Freiheit der Selbstbestimmung, unbeirrt von dem Terrorismus einer Partei; wir werden nicht dulden, daß ihm dieses Recht benommen, oder auch nur im Mindesten beschränkt werde. Wir, die wir uns als treue Vertreter des Volkes verpflichtet halten müssen, unsere Stimme dagegen zu erheben, wenn der Reichstag unter Militärdespotismus gestellt würde, müssen es umsomehr gegen den Despotismus zügelloser bewaffneter Massen.

Wir werden, wir müssen jeden Versuch, den Reichstag seiner souveränen Macht zu berauben, von welcher Seite er immer auch ausgehen möge, sey es von einer Faktion, die in vollständiger Anarchie ihre Vortheile sucht, sey es von einer Partei, der nach den alten Absolutismus gelüftet, für einen Berrath an der Volksfreiheit, für eine Beleidigung der Majestät des Volkes erklären.

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Dr. Brauner, Abges. f. d. Bez. Prestic. Dr. Anton Strobach, Abg. f. Prag. Al. Jelen, Abg. f. d. Bez. Wlaschim. Jos. Alex. He lfert, Abg. f. Tachau. — Ig. Hauschild, Abg. f. Hohenmauth. — Dr. Professor Joh. Kaubek, Abg. f. Pisek. -Wenzel Pulpan, f. d. Bez. Pardubic.-Georg Reichert, Abg. f. d. Bez. Königgraß. — Ant. Przibyl, Abg. f. Beneschau. - Wenzel Frost, Abg. f. Weiswasser.-J. U. D. Kiemann,

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