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Nachdem die Commandanten zur Wahl eines Ober-Commandanten allein gelassen waren, trat ein Moment der Rath- und Muthlosigkeit unter allen Anwesenden ein. Sie füh lten sich verrathen, ja an einen Abgrund geführt, vor dem Jeder zurückbebte, ohne daß Einer ein Mittel anzugeben wußte, wie umzukehren. Unter solchen Umständen war es schwer, ja fast unmöglich, Jemanden zu finden, der die Last des N. G. Ober-Commando auf seine Schultern nehmen wollte.

Man kann sagen, Messenhauser wurde einstimmig als zum OberCommandanten nicht passend erklärt; und Scherzer forderte die Herren auf, einen Andern zu wählen, den sie hiezu für tauglich hielten, und ihr Vertrauen schenken wollten.

Der Erste, auf den man dachte, war der Major und Bürger-RegimentsCommandant Schaumburg. Dieser wurde allgemein als gesinnungstüchtig und voll Energie bezeichnet, und der auch den Muth habe, seine Ueberzeugung zu vertreten. Schaumburg war nicht gegenwärtig; doch Weißenberger, der ihn genau zu kennen erklärte, äußerte sich, daß derselbe diese Stelle nicht annehmen werde. Der Zweite, der vorgeschlagen wurde, war Spighitl, ein sehr geachteter ehemaliger Offizier der k. k. Artillerie, jest Beamter der Dampfschiff-Fahrts-Gesellschaft, und damals Commandant der Nationlgarde-Artillerie.

Spighitl sagte Folgendes: „Ich sehe vollkommen ein, wie schwer es seyn wird, in diesem Augenblicke cinen Ober-Commandanten zu finden, wie wir einen brauchen; sollten Sie keinen tauglicheren finden, so habe ich noch so viel Liebe zu meinem Vaterlande, und insbesondere zur Stadt Wien, daß ich diese schwierige Stellung übernehme; jedoch stelle ich die Bedingung, daß Sie mein politisches Glaubensbekenntniß anhören, solches gut heißen, und mich zu unterstüßen sich bereit erklären. Ich kann die Ereignisse des Octobers nicht gut heißen; ich werde dadurch Friede und Ordnung in die Stadt zurückzuführen suchen, daß ich die Urheber der leßten Ereignisse von den Gutgesinnten trenne, und durch leßtere im Zaume halte; die Differenzen mit dem Militär aber durch Vermittlung hiezu geeigneter Personen zu schlichten versuchen, wenn anders das legtere keine Bedingungen stellt, welche unsere Freiheiten zu gefährden drohen. Ich werde nicht zugeben, daß man uns von den Errungenschaften des März und Mai auch nur ein Jota abnimmt; dagegen werde ich suchen, dem anarchischen Zustande, in welchem wir jeßt leben, um jeden Preis ein Ende zu machen.“ Er sezte ferner ganz klar die Unzulänglichkeit der Vertheidigungsmittel auseinander, und sagte, wie viel Kanonen und Munition vorhanden.

Schließlich stellte Spißhitl die Bedingung, daß alle Bezirks-Chefs und Abtheilungs-Commandanten mit Hand und Wort geloben müssen, mit ihren besten Kräften zur Erreichung dieses gemeinsamen Zieles mitzuwirken, wenn anders er dieser schwierigen Aufgabe sich unterziehen solle.

Dieß geschah auch von Allen mit Ausnahme eines anwesenden LegionsCommandanten; und es war ein erhebender Moment, als sich alle Anwesenden mit glänzendem Auge die Hand boten zum Bunde für die gute Sache.

Kurz nachdem Spighitl in dem Sinne noch weiter sprach, und jedes Wort von seiner Gesinnungs-Tüchtigkeit und seinem schönen Charakter Zeugniß gab, wurde er einstimmig gebeten, die schwierige Stelle eines provisorischen Ober-Commandanten anzunehmen; Spizhitl nahm sie an und dankte für das in ihn gesezte Vertrauen. Der erste Beschluß, den er faßte, war: eine Commisfion aus drei Mitgliedern der Nationalgarde in Verbindung mit dem Gemeinderathe zum General Mat aus check zu senden, um durch diesen die Bedingungen zu ermitteln, unter welchen an eine friedliche Ausgleichung zu denken wäre. Doch dürften diese nicht der Art seyn, daß sie unsere Freiheit gefährden könnten.

Nur ein Glied der Versammlung, nämlich ein Abtheilungs-Commandant der akademischen Legion, legte Protest gegen diese Wahl blos aus dem Grunde ein, weil Spighitl― welcher das Commando in dem größtentheils schon ausgeplünderten f. Zeughause erhalten nicht dulden wollte, daß man aus demselben die noch wenigen brauchbaren Waffen und werthvollen Trophäen wegtrage.

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Weißenberger nahm wieder das Wort und sagte:,,Ich selbst habe mich davon überzeugt, und gerade dadurch hat sich Spißhitl meine vollste Hochachtung erworben. Wegen Abfassung von 600 Stück Feuergewehren für das Bürger-Regiment mußte ich, obwohl meine Anweisung vom Gemeinderathe und vom Reichstage unter fertigt war, mehrere Male ins k. Zeughaus gehen, und nur nah vieler Mühe gelang es mir, die genannte Anzahl Gewehre zu erhalten. Dieses liefert den Beweis, welche gefahrvollen Anstrengungen Spißhitl gemacht, um für den Staat alle Gattungen von Waffen und Trophäen zu retten.“ Indem auf die Protestation des erwähnten Commandanten keine Rücksicht genommen wurde, begleiteten mehrere Herren Spizhitl in das Ober-Commando-Bureau, und stellten ihn Messenhauser der hier schon wie zu Hause war und ein Plakat verfaßte — als neu erwählten prov. Ober-Commandanten vor.

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Messenhauser hatte einige Minuten zuvor jenes fertig gewordene Plakat, worin er sich als Ober-Commandant proklamiren wollte, dem Legionär Fenner von Fenneberg für die Druckerei übergeben, und dieser eilte davon. Da jedoch die Proklamirung in Folge der Wahl Spißhitl's zu Conflicten Anlaß gegeben hätte, verhinderte der Playoffizier Dunder die Absendung Fenneberg's mit dem Aufsage. Messenhauser sah der Ernennung Spißhitl's mit höhnischer Miene zu, nahm seinen Hut und entfernte sich um mit seinen politischen Freunden Spighitl zu stürzen, was mit Hilfe der

Demokraten auch bald erfolgte. Aus diesem kann man deutlich ersehen, welchen Einfluß und welche Mittel die Umsturzpartei wählte, um zu ihrem Zwecke zu gelangen.

Spizhitl trat das Ober- Commando an, und das Erste was er verfügte, war die Absendung einer Deputation aus der Mitte der anwesenden Bezirks-Chefs zum General Matauscheď, um mit legterem wegen Vermeidung von Feindseligkeiten und wegen Wahrung des ärarischen Eigenthums ins Einvernehmen zu treten und eine friedliche Lösung der Verhältnisse anzubahnen. 2 Uhr Nachmittags. Im Prater beim Lusthause soll vom Militär eine Brücke zu schlagen begonnen worden seyn.

3 Uhr. Vom Stephansthurme wurde dem Ober-Commando berichtet: Das in der Laxenburger-Allee gelagerte k. Militär habe sich in Colonnen formirt und ist in der Richtung nach Laxenburg abmarschirt. Die links der Laxenburger- und Himberger-Straße gelagerten Truppen vereinigen sich und marschiren gegen die Laxenburger-Allee, so daß die Höhen unbeseßt bleiben. Die Cavallerie längs dem Canale gegen den Brucker Bahnhof lagert in zwei Treffen. Die Vedetten und Vorposten in der Nähe des Simmeringer-Neudörfels scheinen sich zum Abmarsch zu rüsten.

3 Uhr. Auf die Aula wurde ein Spion, als ein altes Weih verkleidet, geführt, den man an der Taborlinie aufgegriffen.

3 Uhr. Heuschneider, Nr. 320 in Hernals, meldete beim Ober-Commando: Von Schönbrunn rückwärts zögen beiläufig 3—4000 Mann irregulärer Truppen gegen Hütteldorf, und auf die Straße. Padovani, Adjutant, meldete, daß sich im Thurm der k. k. Stallungen zwei Zentner Pulver und mehrere Jagdgewehre befänden.

4. Uhr. Johann Hammerschmid, Mediz. 7. Comp., meldete beim OberCommando, daß sich das ungarische Lager bei Bruck a. d. Leitha befände. Gestern Nachmittag sey Pazmandi, Präsident des ungarischen Landes - Vertheidigungs-Ausschusses, als Anführer des Pesther Jäger-Corps, und La fette, Anführer der französischen Legion, im Lager angekommen, und wollen nach Wien gehen. Die Sympathien seyen ganz für Desterreich. Da der leitende Körper aber erklärt, sie seyen widerrechtlich auf fremden Boden mit bewaffneter Hand zu agiren, so möge man warten, bis der Reichstag eine Aufforderung ergehen lasse. Einige nicht damit einverstanden, so wie auch die in Preßburg bewaffneten Garden und Bauern der Umgebung meinen, da Iella čič mit kroatischen Truppen auf österreichischem Boden agirt, so haben sie das gleiche Recht, es auch zu thun.

4. Uhr. In der Jägerzeile baute man Barrikaden, ohne daß von den k. Truppen etwas zu sehen war. Die Truppen, welche zwischen beiden Rücken des Laaer- und Wienerberges standen, find bereits abgezogen; die in dem Laaer

Walde befindlichen sind noch dort. Jene zwischen dem Neustädter - Kanal und Brucker-Eisenbahn ebenfalls. Einzelne Wagen mit Stroh beladen ziehen unter militärischer Bedeckung nach Simmering auf das Neugebäude zu. Ein Dampfschiff von Ungarn herauf ist gesehen worden. Diese Nachricht vom Stephansthurm ist dem Ober-Commando erstattet worden.

5. Uhr. Josef B., auf der Wieden wohnhaft, berichtete dem OberCommando, daß drei Bataillone Militärs von Ostrau auf der Eisenbahn nach Wien transportirt werden wollten, aber nicht aufgenommen wurden. Sie mußten den Weg zu Fuß antreten, und werden erst in 4 Tagen eintreffen. In Gallizien wird sehr stark rekrutirt und geworben.

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5. Uhr. In der Stadt verbreitete sich das lügenhafte Gerücht, OberCommandant Spighitl wolle die Stadt übergeben. Nachdem die bereits erwähnte Scene mit der Leiche zu Ende zu seyn schien, kam ein Mensch in den Stallburghof und sagte:,,Seht, solche Schandthaten habt Ihr Euerem Kaiser zu danken, wäre er in Wien geblieben, ein Wort oder ein paar Zeilen von ihm würden genügen, die Schandhorden von solchen Gräuelthaten abzuhalten. Jezt kommt noch dazu, daß die verfluchte schwarzgelbe Partei einen Ober-Commandanten aus ihrer Mitte durchgesezt hatte. Der Mensch ist ein Schurke, ist im Einverständniß mit Jellačič, er wird uns verrathen, den müssen wir zur Abdankung zwingen!" So sprachen die Organe der Umsturzpartei! — Das Volk drang in den Hofraum der Stallburg und schrie nach Spighitl. Eine Deputation fam ins Ober-Commando-Bureau, wo ihr der Plazoffizier Dunder eröffnete, derselbe wäre nicht anwesend. Als hierauf Spighitl ankam, eröffnete ihm Dunder die Stimmung des Volkes, und daß eine Deputation da sen, die darüber eine Aufklärung haben wolle, ob es wahr sey, daß er durch General Matauschek kapituliren wolle, und daß zu diesem Zwecke eine Deputation von Seite mehrerer Bezirkschefs zu demselben abgezogen sey, endlich rieth ihm genannter Plaßoffizier in den Hof hinab zu gehen und zu dem Volke aufklärend zu reden. Spighitl begab sich in Begleitung der Playoffiziere Dunder und Kölbl hinab. Das Volk war noch nicht hinreichend von jener Umsturz-Partei aufgeregt, um keine Bernunft anzunehmen, sondern ließ sich durch Spighitl, welcher in die Mitte des großen Haufens trat, und mit wenigen kräftigen Worten das Verläumderische der obigen Anschuldigungen bewies, und durch nachdrückliche, auf die künstlich erzeugten Aufregungen und Verläumdungen hindeutende Reden der beiden genannten Plazoffiziere beschwichtigen, und zog unter lauten Vivats ab.

Als nun die Umsturzpartei sah, daß dieses Mittel zu frühzeitig angewendet, nicht schnell genug wirke, griff sie zu einem andern sichereren. Es wurde auf der Aula eine Sigung gehalten und dort der Beschluß gefaßt: eine Deputation an Spighitl zu senden, welche das Mißtrauensvotum der akademischen Legion gegen

ihn aussprechen, und gegen seine Wahl zum Ober-Commandanten Protest einzulegen habe. Inzwischen war aber Spizhitl lange genug im Commando um zu erkennen, daß die Umsturzpartei bereits zu mächtig geworden und auf die ganze Bevölkerung Wiens zu großen Einfluß übe, um noch hoffen zu können, den Sieg über diese Partei ohne Hülfe von Außen erringen zu können.

Wien konnte nicht mehr von dem Wege abgezogen werden, den es bis jezt gehen mußte, um wieder zur Besinnung zu kommen. Die Deputation, bestehend aus mehreren als Standredner bekannten Akademikern, tam im Bureau des Ober-Commandanten an, und indem mehrere zugleich schrieen, das Mißtrauen gegen Spißhitl äußerten, einer davon sogar auf einen Stuhl stieg, welches ihm vom Plazoffizier Dunder verwiesen und herab zu steigen befohlen wurde, wobei es nahebei zwischen den kecken Burschen und den Play-Offizieren des OberCommando zum Säbelziehen gekommen wäre, -war es weder Spighitl noch den andern ihn schüßenden Offizieren möglich, sich zu expektoriren.

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Nachdem er sich mit dem Plaßoffizier Dunder kurz berathen, und derselbe ihm abzudanken anrieth - weil er sich in Folge eines Mißtrauensvotums der Legion nnd der niederträchtigsten Umtriebe der raftlosen Umsturzpartei nicht mit Ehren behaupten könne, erkannte es Spighitl für fruchtlos, sich noch länger für eine verlorne Sache aufzuopfern. Deßhalb erklärte er jener Deputation, welche im Bureau des Ober Commandos lärmend und auch auf alle früheren Ober- Commandanten scheltend auftrat, und diese als die alleinige Ursache aller der Stadt jeßt drohenden Uebel bezeichnete, daß er nur dann als Ober-Commandant kräftig wirken könne, wenn er das Vertrauen aller Garde Abtheilungen besäße, aber mit dem Mißtrauen eines so zahlreichen Theils der Garde belastet, könne er nicht hoffen Gutes zu wirken, weßhalb er seine Stelle niederlege und herzlich gerne abtrete.

Dieß erklärte Spizhitl auch dem Reichstags-Ausschuße und verließ darauf das Bureau des Ober-Commando mit dem Vorsaße, chebaldigst Wien zu verlassen. Nur die Verrechnungsgeschäfte im k. k. Zeughause hinderten ihn sogleich seinen Wunsch auszuführen.

Um dieselbe Zeit, als der neue Generalstab der Nationalgarde beim OberCommando gebildet wurde, kamen eine Menge Individuen, die dabei eine Anstellung wünschten; ebenso auch Leute, die verschiedene andere Anträge machten, in die Stallburg. Unter letteren war ein alter dürrer Mann, dem Jargon nach ein Norddeutscher, der bemerkenswertheste. Derselbe machte dem Plaz-Offizier Dunder die Eröffnung, er habe eine,,Abtödtungsmaschine“, und wolle solche Behuf des Angriffs gegen das k. k. Militär dem Ober-Commando abtreten. Dunder ließ sich über die Modalitäten der Maschine unterrichten, und ließ dann den alten Hallunken mit der Abfertigung zur Stallburg hinaus jagen, daß nur

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