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Josef Dragoner bei Hainburg die Donau; zugleich verließ der commandirende General-Feldmarschall-Lieutenant Graf Auersperg seine Stellung im Schwarzenberg'schen Garten, verlegte sein Hauptquartier nach Inzersdorf, und sezte seine Truppen mit denen des Banus in Verbindung, welche nunmehr gemeinschaftlich von Simmering angefangen bis Schönbrunn, die Stadt Wien in einem Halbkreis umschlossen, da ihre Stärke zu einer gänzlichen Einschließung der Stadt nicht hinreichte.

Der Oberst Pott des Generalstabes wurde nach Krems abgeschickt, um mit einem Bataillon von Heß Infanterie die dortigen Donau-Brücken zu beschüßen und den Nachschub der aus Böhmen eintreffenden Truppen zu befördern, der Oberst Heller des Generalstabes aber betraut, das Commando im Neugebäude, woselbst und auf der Simmeringerhaide die gesammte Munition der Armee, nebst einer großen Anzahl von Geschüßen aufbewahrt war, mit dem Befehle, dasselbe in den Vertheidigungsstand zu seßen und gehörig zu approvisioniren. Oberst Heller befehligte daselbst Anfangs drei, später zwei Bataillons mit beiläufig achtzig ausgerüsteten Geschüßen.

In das Schwarzenberg'sche Palais strömte, als das Militär abgezogen war, einige Stunden nachher ein Volkshaufen mit dem Begehren, den Garten und das Gebäude untersuchen zu wollen, indem sich daselbst Leichen Erschlagener befinden müssen, welche Hauptmann Schmid nur dadurch entfernen konnte, daß er ihnen zusagte, eine genaue Untersuchung vorzunehmen. Er ließ in Gegenwart des Hofgärtners alle Teiche ab, untersuchte das ganze Gebäude, die Keller, die Wasserleitungen und den Garten, und fand in lezterem wirklich einen verstümmelten Leichnam, leicht mit Erde bedeckt. Die Erbitterung des Volkes stieg auf's Aeußerste. Neuerdings wollte das Volk das Schwarzenberg'sche Palais anzünden, Alles zertrümmern und zerstören. Hauptmann Schmid sammelte seine Compagnie, und mit dem Säbel in der Hand stellte er die Ruhe wieder her; allein das Volk hatte sich des verstümmelten Leichnams bemächtiget, eine Trage sich zu verschaffen gewußt, und trug denselben, von einer großen Menschenmenge begleitet, durch die Stadt. Beim Ober-Commando angelangt, öffneten sie den Deckel, und unter einem wilden Geschrei forderte das Volk Rache. Der Plazhauptmann du Beine, der Plagoffizier Dunder und andere baten und beschworen die Masse, diesen Leichnam in das Spital tragen zu lassen, um die Bewohner der Stadt nicht noch mehr zu erbittern und zu beängstigen; es war aber alle Mühe vergebens, fie konnten sich kein Gehör verschaffen, das Volk trug den Leichnam durch die ganze Stadt auf die Universität.

Nachmittags ging Oberlieutenant Weißenberg über den neuen Markt, und sah diesen höchst tragischen Leichenzug. Eine schwarze Todtenbahre von

sechs Männern getragen, und von 30-40 Menschen umgeben, wurde abgeseßt, der Deckel der Bahre abgenommen, und die Leiche dieses im Schwarzenberg'schen Palais gefundenen, und angeblich von dem Militär schrecklich verstümmelten Studenten gezeigt, um damit die immer mehr zuströmende Menge zu erbittern, welches auch vollkommen gelang.

Wer diese Leiche nicht gesehen, sagt Weißenberger, kann sich keinen Begriff von der vorgenommenen Berstümmlung machen. Es fehlten die Augen, die Nase, die Ohren, die Zunge, fein Theil am ganzen Körper war zu sehen, der nicht geschändet gewesen wäre.

Weißenberger betrachtete mit Entseßen diese Leiche, und sagte angeblich zu der im höchsten Grade aufgeregten Menschenmasse: „Ihr seyd bethört, es ist nicht wahr, daß diese Leiche vom Militär so geschändet wurde, es ist unmöglich, daß ein Soldat so grausam seyn kann. Nur eine Partei halte ich fähig, so etwas zu thun, die durch eine solche Schandthat hoffen kann, näher zu ihrem Ziele zu gelangen." Hierauf faßte die Menge den Beschluß, die Leiche auf die Universität zu tragen. Die Leiche wurde mehrmal abgeseßt, damit man sie besehen könne, und brachte sie endlich auf den Josefsplak, um solche in den Reichstag zu tragen. Hievon benachrichtiget, eilte der Plazoffizier Dunder mit mehreren Kameraden zum Reichstage. Diese boten neuerdings Alles auf, um das Volk von dem Vorhaben abzubringen. Dunder und mehrere Plazoffiziere stellten fich vor das geöffnete Thor, das Hineintragen der Leiche zu hindern. Ersterer hielt eine kurze Anrede, und deutete darauf hin, daß die Leiche ins Spital, aber nicht in die Reichsversammlung gehöre. Endlich erschien ein Deputirter, die Leiche wurde abermals abgedeckt, emporgehoben, das Volk schrie wüthend. Dunder erklärte, die Leiche müsse wenigstens eine Woche todt seyn, und sey ohne Zweifel so zugerichtet, um das Volk zu erbittern. In Folge dessen zog ein Mann den Säbel gegen den Plagoffizier, beschimpfte ihn einen Schwarzgelben, und drohte ihn niederzustechen, wurde aber daran verhindert. —

Bei F. W. Gödsche in Meißen erschien in zweiter Auflage: Revolution, Belagerung und Erstürmung von Wien (mit schaudervollen Porträts, z. B. Messenhauser's in Generals-Uniform, Bem's ebenfalls und als junger Mann!) von D. Fr.-; darin steht unter andern elenden Lügen: „Auch die unter General Auersperg stehenden Truppen hatten sich, während sie im Belvedere standen, viele Grausamkeiten zu Schulden kommen lassen; denn viele verstümmelte Leichname von Legiorären und Nationalgarden wurden im Kanal und der Schleuße am Schwarzenber g'schen Garten gefunden." Auch zwei Abbildungen liegen bei; auf der einen ist eine Barrikade am Hause, wo der Verfasser in der Jägerzeile wohnt, zu sehen, welche über die Häuser ragt, während dort gar keine stand. Auf der andern ist Latour in Generals Uniform auf einem einfachen Candelaber aufgehangen zu sehen, wäh rend derselbe aber nicht in Uniform war, und der Candelaber fünf Laternen hatte.

Der Abgeordnete erklärte, die Leiche solle ins Krankenhaus geschafft werden, und entfernte sich. Unter wüthendem Gebrülle des Volkes wurde solche vom Plazoffizier v. Eyselsberg ins allgemeine Krankenhaus geleitet.

Jene Lage welche der Nationalgarde Artillerie-Commandant Spißhitl bis zum 12. im f. Zeughause zubrachte, waren für ihn eine wahre Höllenqual; denn nicht nur geschahen von allen Seiten Anforderungen an ihn, die er nicht erfüllen konnte, weil sie eben so überspannt als widersinnig waren, sondern er ward auch von allen jenen verfolgt, und angefeindet, deren unsinnige Forderunden er zurückweisen mußte. Unter seinen Quälern und Verfolgern standen obenan das Studenten-Comitee mit seinen Bevollmächtigten; denn nicht nur sollte er dem erstern all die tausend eigenmächtig ausgestellten Anweisungen auf Gewehre und Munition unbedingt realisiren, sondern er sollte auch allen jenen Schwindlern, die sich diesem Comitee als Artilleriekundige vorstellten, von diesen mit den ausgedehntesten Vollmachten zur Erzeugung von Bomben, Granaten, Brandraketen, Höllenmaschinen (!!) u. d. gl. ausgestatter wurden, und in ihrer Rathlosigkeit sich an Spizhitl wandten, die nöthigen Mittel an die Hand zu geben, Pulver und sonstiges Kriegsmateriale aus der Erde stampfen, und so ihre tollen Ideen realisiren helfen.

Spißhitl konnte natürlich solche thörichte Anforderungen nicht anders als abweisen, und die Abgesandten des Studenten-Comitees mit derben Lekzionen abfertigen, dadurch ward er aber nicht nur in der akademischen Legion, sondern durch diese auch in der übrigen Garde verdächtigt, als wisse er wohl recht gut die Orte im Zeughause, wo ungeheuere Munitions-Vorräthe verborgen liegen, wolle aber diese nicht aufdecken.

Man glaubte aber auch ohne ihn diese zu finden, und Abgeordnete des Studenten-Comitees durchstöberten wiederholt alle Räume beider Arsenale, erbrachen Thüren, schlugen Gewölbe ein, und bliesen aus vollen Backen über ihre Funde, während sie in Wahrheit nichts fanden, als was ohnehin schon in Gewahrsam des Gemeinderathes war.

Während dieser Tage geschah es auch, daß zwei Herren (Haug und Jelowicki) in's Zeughaus kamen, sich vom Ober-Commando als hiezu bevollmächtigt auswiesen, und alle Räume desselben nach Munition durchsuchten. Man erwähnt ihrer bloß, weil sie später in wichtigeren Nollen wieder auftreten.

Spißhitl erkannte endlich, daß es auch hier für ihn im Interesse der guten Sache nichts mehr zu wirken gebe, und kehrte zu seinem Entschlusse zurüď, durch die Abreise von Wien sich allen weitern Anforderungen zu entziehen, da dieß durch die einfache Abdankung weder räthlich noch ausführbar war, indem man sich damals schon in einem solchen Falle den bittersten Verfolgungen ausge

sest hätte, und ein Ober-Commando Befehl das Niederlegen höherer Stellen jedem Mitgliede der Nationalgarde verbot.

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Aber er sollte noch heftigere Stürme bestehen, ehe er sein Vorhaben zu realistren vermochte; denn bevor er dasselbe noch ausführen konnte, erreichte ihn der schriftliche Auftrag des Reichstags-Ausschusses, mit den übrigen AbtheilungsCommandanten im Bureau des Generalstabes der Nationalgarde zu erscheinen, um die Wahl eines neuen Ober-Commandanten vorzunehmen, nachdem Braun abgetreten.

Dort mit mehreren seiner Kameraden angelangt, traf er wieder den schon einmal genannten E. Haug, welcher unaufgefordert die Plane und Ideen entwickelte, nach welchen man von nun an zu handeln gedenke. Solche athmeten nur Krieg, indem angriffsweise vorgegangen, und der Krieg unter dem Vorwande, den in Gefahr schwebenden,,ungarischen Brüdern“ zu Hülfe zu kommen, vor die Linien Wiens hinausgetragen werden sollte.

Man sprach darin auch vom offenen Auflehnen gegen die Geseße und höchste Autorität des Kaisers u. d. gl. Als Spißhitl aus dem Bureau des Generalstabes in eines der andern Gemächer der Stallburg berufen wurde, nahm ihn der zweite der oben Genannten (Jelowicki) in das Examen über die zur Bertheidigung vorhandenen Geschüße, Munition u. dgl., woraus Spi ßhitl entnahm, daß er auch zu derselben Partei gehöre, und Chef der neugebildeten Artillerie sey.

Spighitl, der seit dem 7. October verbannt war im k. Zeughause, die Qualen des Sissiphus auszustehen hatte, ohne recht zu erfahren, was ausserhalb desselben geschehen, und wie weit schon der rechtlose Zustand der Anarchie gedichen sey, ward mit einem Male der Abgrund klar, an welchem die gute Stadt Wien durch eine Partei raschen Schrittes getrieben ward, welche seit dem 6. October und noch früher thätig war, die bestehende Ordnung umzustürzen, damit sie in dem Chaos ihre eigennüßigen Plane zur Ausführung bringen könne.

So wie er, durchschauten auch die übrigen Anwesenden die finstern Pläne dieser Partei. Die meisten gewählten Commandanten waren gutgesinnte Männer.

In der Sigung der constituirenden Reichsversammlung am 12. October berichtete Abgeordneter Schufelka im Namen der permanenten Commission, daß Graf Auersperg sich heute Früh aus seiner festen Stellung im Schwarzenberg'schen Garten zurückgezogen habe, und verlas zwei Schreiben von ihm: An Se. des f. f. Herrn Ministers der Finanzen, Freih. v. Krauß, Exc." "Ich erhalte täglich, ja stündlich neue Beweise von dem immer sich steigernden bösen Willen des übelgesinnten Theils der Bevölkerung Wiens, indem auf jede Art und Weise die Verpflegung meiner Truppen erschwert, das Ansichziehen

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ihrer Effekten aus den Kasernen verhindert und ihre Kommunication allenthalben feindselig, mitunter selbst gewaltthätig unterbrochen wird.“

Diese Umstände, für welche auch nach den, in der verehrlichen Note vom gestrigen Tage enthaltenen Andeutungen irgend ein Abhilfe nicht eintreten kann, und welchen mit Gewaltmitteln abzuhelfen ich aus Schonung für die Stadt und Rücksicht für die darin befindlichen hohen Behörden vermieden habe — so wie andere wichtige Rücksichten, haben mich zu dem Entschlusse bewogen, die Truppen aus ihrer dermaligen Stellung zu nehmen."

„Unter diesen Rücksichten muß ich ganz vorzüglich die Erklärung zählen, die Euer Excellenz in Ihrer verehrlichen Note*) vom heutigen Tage aussprechen, daß nämlich von einer Entwaffnung des Proletariats durchaus keine Rede seyn kann: daher ein Ende des gegenwärtig bestehenden feindlichen Zustandes zwischen der geseßmäßig und der ungeseßmäßig bewaffneten Macht noch lange nicht abzusehen ist.“

,,Ich gedenke mit meinen Truppen zunächst eine Kantenirung in der Gegend von Inzersdorf, somit ziemlich weit außer dem Bereiche der äußersten Vorstädte zu beziehen, und gebe mir die Ehre, mit dieser Benachrichtigung zugleich das dringende Ersuchen zu verbinden, die betreffenden politischen Organe nachdrück- . lichst anweisen lassen zu wollen, sowohl diesen als den, unter den Befehlen des Banus von Kroatien stehenden Truppen, die benöthigenden Quartier-, Lager- und Verpflegs-Bedürfnisse beizustellen.“

,,Endlich muß ich noch die Vermittlung Euer Excellenz ansprechen, damit die einzelnen Truppenkörper bei Abholung der in ihren Kasernen noch enthaltenen eigenthümlichen oder ärarischen Effekten nicht behindert werden, indem sonst bei Verweigerung des Zutrittes der Militär-Individuen zu ihren Wohnstätten und Behebung ihres Eigenthumes die bedauerlichsten Conflicte zu besorgen ständen.“

„Indem ich übrigens alle bisher unter militärischer Bewachung gestandenen Aerarial-Gebäude unter den Schuß der geseßlichen Gewalt stelle, ersuche ich Euere Excellenz, das Nationalgarde-Obercommando zu beauftragen, daß das in den evacuirten Militärgebäuden verwahrte årarische und Privat-Eigenthum sorgfältig bewacht werde, und füge nur noch die Bitte bei, meine vorstehende Eröffnung geneigtest zur Kenntniß der hohen Reichsversammlung bringen zu wollen."

Hauptquartier, Schwarzenberg'sches Sommerpalais in Wien, den 11. October 1848. Auersperg, m. p." „An Se. des Herrn Finanz-Ministers Freiherrn von Krauß Excellenz." ,,Bei dem in meiner mitfolgenden ergebensten Mittheilung angekündigten Abmarsche der Garnison, habe ich den Herrn Plaz-General von Mattauschek beauftragt, in seinen Funktionen zu verbleiben, da es selbst den Behörden in *) Sowohl diese als auch die angezogene Note überbrachte der Plaz Offizier Dunder in der Nacht vom 11. auf den 12.

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