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Da an diesem Tage die Stimmung des Volkes nichts weniger als beruhigend war, so traf der Plaß- Hauptmann du Beine allsogleich die geeig= neten Maßregeln, beorderte mehrere Plaz - Offiziere in die Gassen durch welche die Abfassenden gingen, um bei einem allfälligen Conflicte gleich vermittelnd einwirken zu können, er selbst aber in Begleitung des Plag-Offiziers Hausner geleitete die beiden f. k. Offiziere in das Provinzial-Kriegszahlamt, woselbst auch die Fassung vor sich ging.

Am 8. October kam vom f. k. Militär-Ptag-Commando dem Plaz-Commando der Nationalgarde die Anzeige zu, daß die k. k. Salzgries-Kaserne und die daselbst befindlichen Lokalitäten von Bewaffneten geplündert worden seyen.

Der Play- Hauptmann du Beine verfügte sich sogleich mit einem Militär-Plazoffizier und einer aus der Permanenz des Verwaltungsrathes beigezogenen Commission dahin, um den Sachverhalt protokollarisch aufzunehmen. Welche Verwüstung daselbst geherrscht hat, läßt sich nicht beschreiben; alle Thüren waren theils eingeschlagen, theils erbrochen, die Tische in den k. f. Plaß-Commando-Lokalitäten alle zertrümmert, die Papiere und Protokolle zerrissen; alle Kleidungsstücke der Mannschaft und die Uniformen der Offiziere, auch General- und Stabs-Offizier - Uniformen, darunter einige ganz neu, entweder zerrissen, die Schöße abgeschnitten, oder vorsäßlich beschmußt; man mußte über ganze Haufen von Kleidungsstücken steigen, die auf eine schändliche, vandalische Weise unbrauchbar gemacht worden waren.

Der Plaz-Hauptmann du Beine stellte hierüber den Kasern - Commandanten Presler von Sternau (später Oberst der Mobilgarde) zur Rede, welcher erklärte, daß dieses die steyerischen Freiwilligen gethan haben, und er außer Stande war, diesen Vandalismus beseitigen zu können, und daß noch mehr geschehen wäre, wenn er nicht einige von den übergegangenen Militärs um sich versammelt, und unter Androhung des Erschießens, der Plünderung ein Ende gemacht hätte; er stellte sodann zu jeder Thür einen verläßlichen Soldaten mit der Weisung, Niemanden in die Lokalitäten einzulassen. *)

Nachdem das Wegtragen der Waffen aus dem t. Zeughause immer noch nicht verhindert werden konnte, erschien nachstehende Proklamation :

„Der Reichstags-Ausschuß hat an das Ober-Commando der Nationalgarde den Befehl ertheilt, daß der Austausch und das Wegtragen der Waffen im f. k. Zeughause sogleich einzustellen sey, was hiermit zur allgemeinen Kenntniß gebracht wird." Wien, am 8. October 1848.

Vom Reichstags-Ausschusse.

Szabel, m. p.
Obmann.

Kudlich, m. p.
Schriftführer."

*) Der dem Militär zugefügte Schade beträgt 75,000 fl. C. M. nach den nachträglich ämtlich gepflogenen Erhebungen. Heilig ist das Eigenthum?

Um ausgestreute Gerüchte über Arretirungen von Seite des Militärs zu widerlegen, erschien folgendes Plakat:

Der Ausschuß der Studenten beeilt sich seinen Mitbürgern folgende Bu schrift des hohen Reichstages kund zu geben:

„Der Reichstags-Ausschuß ermächtiget das löbl. Studenten-Comitee in Bezug auf den Herrn Willner, Mitglied der akademischen Legion, folgenden Auszug aus einem Schreiben des commandirenden Generalen, Grafen Auersperg, zu veröffentlichen."

,,Im Verlaufe des heutigen Tages wurde der Jurist Willner vom Militår arretirt, jedoch allsogleich auf hierortigen Befehl wieder freigelassen, wobei der Genannte erklärte, daß er seine Arretirung als ganz entschuldiget halte, da ihm nicht die geringste Unbilde zugefügt wurde, und er nur einige Minuten Zeit dabei verloren habe." Wien, am 8. October 1848.

„Vom Reichstags-Ausschuße. B. Sza bel, m. p. F. D. Bidulich, m.p. Schriftführer."

Obmann.

Vom 8. angefangen sind im Auftrage der Ministerien mehrere Tausende von Enthebungskarten vom Nationalgarden-Dienste" für die Beamten der zahlreichen Aemter vom Ober-Commando ausgestellt worden, wobei der PlaßOberlieutenant W. G. Dunder, und später mit ihm der dem Centralbureau zugezogene Hauptmann Geinberg sich thätig bewiesen.

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Gleichzeitig mit den Dienstesenthebungen fingen auch die Geleitscheine an. Alles was sich nicht durch unzeitigen Servilismus eine Enthebung vom Gardedienste verschaffen konnte, suchte durch eine feige Flucht sich demselben zu entziehen. Die Anzahl der auf eine oder die andere dieser Arten dem Gardedienste sich zu entziehen suchenden Individuen war so groß, daß von diesem Tage an beim Ober-Commando ein eigenes Paß-Bureau mit 7 Plaßoffizieren errichtet werden mußte, welche von 8 Uhr Früh bis 8 Uhr Abends mit der Ausfertigung dieser Scheine betraut, den Andringenden kaum entsprechen konnten. Bei diesem Bureau waren die Plaß-Offiziere: Dunder, Eyfelsberg, Kobierski, Pizzalla und Untersteiner in Thätigkeit.

Durch die Flucht zahlreicher Familien ist die gutgesinnte Partei in Wien in jenem Grade geschwächt worden, als die Umsturzpartei durch Andrang zahlreicher Fremden an Kraft gewann.

Es erscheint keineswegs als übertrieben, wenn angenommen wird, daß die furchtbaren Ereignisse am 6., die Plünderung des Zeughauses am 7., ge= gen Hunderttausend Menschen von Wien verscheuchten, und darunter größtentheils wohlhabende oder reiche Bewohner, die Frauen mit ihren Kindern aus Anmerkung: Der Seite 110 genannte Lieutenant heißt Dr. Drechsler, und jener Seite 136 Gaupmann.

Furcht, die Männer aus Egoismus oder Feigheit. Welch' eine schwere Schuld leptere zu verantworten haben, daß sie durch ihre Flucht das Proletariat reussiren zu lassen halfen, indem sie die Zahl und Macht der Gutgesinnten schwächten und dem Terrorismus der Umsturzpartei Preis gaben, ist nicht schwer zu ermessen. Aber noch mehr wurde die Partei der Gutgesinnten, d. i. der Oesterreichisch-dynastisch-constitutionellen durch die Enthebung vom Nationalgardedienste so vieler Beamten moralisch und physisch geschwächt. Viele Compagnien verloren aus ihren Reihen alle Gebildeten und Gutgesinnten durch die Enthebungen, und es blieben mit geringer Ausnahme Idioten, Unbesonnene oder Verführte übrig, die dann durch die Mobilen erstarkt wurden.

Was Anfangs an gutem Korn vorhanden war, entfloh oder ward vom Dienste enthoben, und die zurück gebliebenen Gutgesinnten waren den größten Gefahren ausgesetzt. Was wäre aus Wien ohne Leßtere geworden!

Der Maler Lavos stürzte sich um 1 Uhr Nachmittags aus seiner Wohnung im dritten Stocke Nr. 407 in der Praterstraße, und blieb sogleich todt auf dem Pflaster liegen. Als Grund wurde angegeben, daß sein Vater ihn während der zwei gefahrvollen Tage abhielt, mit zum Kampfe zu ziehen. Noch im Sturze soll er gerufen haben: „Mein Vater!" Eines der vielen Be weise, wie sehr der permanente Revolutionszustand in Wien alle Bande der Gesellschaft gewaltsam löste. —

Der prov. Ober- Commandant der Nationalgarde, Abgeordneter Scherzer, hat an die hohe Reichstags - Versammlung folgendes Schreiben gerichtet:

"Hohe Reichsversammlung! Durch das ehrende Vertrauen der hohen Reichsversammlung berufen, mich an die Spiße der Nationalgarde von Wien zu stellen, hielt ich es für meine heiligste Pflicht, mich dieser Aufforderung in einem Augenblicke zu unterziehen, wo sich die Nationalgarde durch außerordentliche Ereignisse ohne Führer, ohne Oberhaupt befand. Ich habe im Drange der Umstände diesen Befehlen unbedingt Folge geleistet, fühle jedoch weder meine militärischen Kenntnisse, noch meine physischen Kräfte ausreichend, um einen so hochwichtigen Posten mit jener Energie, Umsicht und praktischem Takt zu begleiten, welche der Ernst der Verhältnisse erheischt, und die nur das Resultat mehrjähriger Erfahrung seyn können. Meine Herren! Es fehlt mir nicht an Muth, nicht am besten aufrichtigsten Willen, aber die Kraft versagt mir diese Stelle in so trüben Tagen, wie die gegenwärtigen, woalle Bande zerrissen, Aller Gehorsam gebrochen ist, *) noch länger einzunehmen. Und weil ich die hohe Wichtigkeit dieses Postens für die

*) Sehr wahr! Und dennoch läugnete der Reichstag und die radikale Presse derlei Zustände, Dr. Scherzer verdiente als Ober-Commandant keinen Vorwurf.

Ruhe und Sicherheit der Kaiserstadt und seiner hochherzigen Bevölkerung erkenne, weil mich nicht blinder Ehrgeiz, sondern nur die wärmste VaterlandsLiebe, eine Stelle einnehmen ließ, deren ganze Last der Verantwortung, meine Fähigkeiten für die Dauer nicht zu tragen im Stande find, erlaube ich mir an eine hohe Reichsversammlung das höfliche Ansuchen, mich ehestens von der Stelle eines provisorischen Ober-Commandanten zu entheben, damit ich in kürzester Zeit jenen Pflichten wieder nachkommen könne, die mich als Abgeordneten für Klosterneuburg in einem so entscheidenden Augenblick in die Reichsversammlung ruft! Empfangen Sie den Ausdruck der tiefsten Verehrung und Ergebenheit." Wien, 8. October 1848.

3. G. Scherzer, m. p., provisorischer Ober- Commandant."

Die Reichsversammlung hat dieses Schreiben sogleich dem Minister des · Innern mitgetheilt, welcher die darin ausgesprochene Dimission angenommen, und Braun, den Bezirks-Chef von Mariahilf, zum provisorischen Ober-Commandanten ernannt hat.

Bis zur Abdankung Scherzers blieb Hauptmann Knoth an dessen Seite. Zur Ehre Scherzers muß man bekennen, daß derselbe keineswegs mit den Vorgängen des 6. Octobers und dessen Folgen einverstanden war. Derselbe that Alles, um den Kampf beim Zeughause einzustellen, so wie auch um nach geschehener beklagenswerthen Uebergabe des Zeughauses die Plünderung zu verhüthen. Doch beides geschah nicht seinem Wunsche gemäß, sondern es bewaffnete sich das Arbeitervolk, und von diesem Momente angefangen, verlor der gemäßigte Theil der Wiener seine Kraft, und ward dadurch leider dem Terrorismus der umstürzenden Partei preisgegeben. So hat Scherzer eingesehen, daß er sich derselben nicht entgegenstemmen könne.

Vom Reichstage erschien nachstehende Proklamation, welche auf die Zustände der Nationalgarde ein helles Licht wirft, und zwar:

„An die Nationalgarden! In Eurer Hand, Männer der Volkswehr, liegt zum großen Theile die Zukunft des Vaterlandes. Wien als das Herz der konstitutionellen Monarchie vor den Gefahren der Reaktion sowohl, als der Anarchie zu schirmen, war, seitdem Ihr die Waffen zur Hand genommen, Euer unverrückbares Ziel. Damit aber die Kraft nicht schwinde, welche der Schuß der Freiheit und des Vaterlandes jeßt in den Augenblicken schwerer Gefahr erfordert, ist es vor Allem nothwendig, daß Ihr einig und dadurch stark seyd. Lasset alle Mißhelligkeiten unter Euch, jede Zwietracht und Verdächtigung ruhen; reichet Euch als Brüder die Hand über dem Altar des Vaterlandes. Vor diesem heiligen Symbole verschwinde jedes Mißtrauen. Einiget Euch darin, daß Jeder in gleichem Maße, mit gleicher Ausdauer seine Pflicht erfülle. Weil dieß aber nur

dann möglich ist, wenn ein ordnender Geist die Glieder des großen Körpers be seelt, so reihet Euch vertrauensvoll um Euren Ober-Commandanten. Seinem Rufe zum Dienst, seinen Anordnungen und Befehlen unweigerlich zu gehorchen, muß jedem von Euch die erste Pflicht seyn. Es sind Eure theuersten Interessen, die Sicherheit der Stadt, Eures Herdes und Eurer Familien, das Wohl und Wehe Tausender, welche diese Hingebung von Euch fordern. Männer der Volkswehr! an Euer Pflicht- und Ehrgefühl wenden sich die Vertreter Oesterreichs, von Euch erwarten sie, daß Ihr alle mit ihnen unerschütterlich und ausdauernd zusammen stehen werdet zur Erhaltung des Vaterlandes, des constitutionellen Thrones und der Freiheit. Wien am 8. October 1848."

Vom Reichstags-Ausschusse.

Szabel m. p.,

Obmann.

Franz Schuselta m. p.,
Schriftführer."

Desselben Tages wurde die k. k. Militär-Burgwache durch den 2. Stadtbezirk abgelöst. Nachdem der Grenadier - Hauptmann diesen Ehrenposten der Nationalgarde übergeben, äußerte er, daß sich nun die ganze Stadt in den Händen der Nationalgarde bisinde, indem dieser Wachposten der leßte militärische sey, welcher die Stadt verlasse.

In der Stille ohne Trommelschlag zog die Burgwache ab, es war an einem Sonntage, viele Menschen wogten auf den Straßen, denn nicht nur allein von den Vorstädten, sondern auch von den benachbarten Ortschaften strömte Alles nach der Stadt, um die Brandstätte des Zeughauses sowohl, als auch die andern Zerstörungen der vorangegangenen Tage auf dem Graben, in der Bognergasse, am Hof und auf der Freiung zu betrachten. Der abziehende Grenadier-Hauptmann sandte daher einen Offizier an den neu aufgezogenen Burgwach-NationalGarde-Commandanten mit dem Ersuchen ab, eine Patrouille der abziehenden Grenadier-Compagnie vorauszuschicken, damit das Volk in Kenntniß gesezt werde, daß dieses ein abziehendes Wach-Commando sey, weil dasselbe vielleicht in dieser Truppe einen Angriff oder sonst etwas vermuthend, irregeleitet werden dürfte, und das Militär in seinem Marsche beeinträchtigen könnte, in welchem Falle er einschreiten müßte, und er jede Gelegenheit zu vermeiden wünsche, die zu neuen Conflicten Anlaß geben würde.

Es wurde alsogleich dem Ansuchen willfahrt, und es zeigte sich wirklich als gerathen, denn einzelne von dem rohen Volke wollten das Militär verhöhnen, welches aber durch die Garde sogleich verhindert worden ist, und auf diese Weise wurde dieser Wachposten an den ausgestellten Vorposten am Schwarzenberg'schen Garten mit gebührender Achtung übergeben.

Nachdem Scherzer das Ober-Commando der Nationalgarde niedergelegt, wurde an seine Stelle der k. k. Hauptmann Philipp Braun, Bezirks

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