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In der Nationalgarde gibt es nur durch den Dienst gebotene Leitmänner nach den verschiedenen Graden; außer Dienst gibt es nur Garden. Alle gesinnungstüchtigen Chargen belebt dieser volksthümliche Geist unseres GardeInstitutes, und sie haben die echt volksthümliche Vertretung in dem Verwaltungsrathe schon in seinem Entstehen freudig begrüßt, und denselben im Verlaufe seiner Wirksamkeit durch freundliche Unterstüßung zu warmem Danke verpflichtet.

Einzelne konnte und durfte der Verwaltungsrath nicht berücksichtigen, indem ihm die Pflicht, im Sinne der Majorität zu entscheiden, stets gegenwärtig ist.

Die Benennung Verwaltungsrath" ist überdieß auch vollkommen bezeichnend. Das Wort „Verwaltung" schließt die umfassendste Bedeutung in sich, so zwar, daß es nothwendig befunden wurde, im S. 8 des fraglichen MinisterialErlasses eigentliche Commando-Sachen aber auch nur diese und keine andere Angelegenheit von dem Wirkungskreise des Verwaltungsrathes auszuscheiden.

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Selbst jener, dessen Ideenverbindung eine so ärmliche ist, daß er, um sich das gemeinsaßliche Wort „Verwaltung" zu verdeutlichen, in dem Bereiche seiner Begriffe nur jenen eines Dekonomie-Verwalters auf dem Lande findet, muß von seinem Irrthume, wenn ihm dieser aus persönlichem Interesse nicht Vergnügen macht, bald zurückkommen, wenn er bei der Benennung Verwaltungsrath" das vorausgesetzte beschränkende Wörtchen,,Dekonomie" nicht findet.

Wem wird es beikommen, wenn er von der Verwaltung des Staates liest, sich ausschließlich nur eine Dekonomie-Verwaltung zu denken, während doch jeder halbwegs unterrichtete weiß, daß die Verwaltung des Staates sich auf die Cultur-, Polizei, Justiz, National-Dekonomie, Finanz-, überhaupt auf alle Zweige der Civil- und Militär-Verwaltung bezieht?!

Der S. 8 des Ministerial-Erlasses vom 10. April 1848 weiset dem Wirkungskreise des Verwaltungsrathes alle Angelegenheiten zu, welche nicht eigentliche Commando-Sachen sind; er begnügt sich nicht bloß Commando-Sachen im Allgemeinen auszuscheiden, sondern fügt ausdrücklich und auf das Bestimmteste das Wort,,eigentliche" hinzu und erklärt somit mit einer über jeden Zweifel erhabenen Deutlichkeit, daß in den Wirkungskreis des Ober-Commandos nur eigentliche Commando-Sachen gehören, alle anderen Nationalgarde-Angelegenheiten aber in den Wirkungskreis des Verwaltungsrathes, welcher aus den zu diesem Ende frei gewählten Vertretern der gesammten Nationalgarde Wiens besteht.

Ferner werden einige Obliegenheiten des Verwaltungsrathes, und zwar jene, welche bei der Begründung der Nationalgarde nach dem Gange der Dinge zunächst in Angriff zu nehmen standen, noch insbesondere herausgehoben, als Bildung der Nationalgarde auf Grundlage der Stammregister über die für den activen Dienst einzureihende Mannschaft, die Uniformirung, Rüstung und Bewaffnung.

Daß

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hiemit nach Ausschluß der eigentlichen Commando-Sachen nicht alle NationalgardeAngelegenheiten erschöpft, und die besonders angeführten Obliegenheiten nur beispielsweise angeführt sind, ist so gewiß, als eine gegentheilige Auslegung nicht nur die juridische Lesung, sondern auch den gemeinen Sprachgebrauch und den gesunden Menschenverstand beleidiget.

Der Verwaltungsrath, als der Inbegriff der freigewählten Vertreter der gesammten Nationalgarde Wiens, ist also in allen Angelegenheiten derselben ausschließlich competent, insoferne diese nicht eigentliche Commando-Sachen sind, und da derselbe nur Nationalgarde-Angelegenheiten und nie Commando-Sachen zum Gegenstande seiner Berathungen und Beschlüsse machte; so hat er sich streng innerhalb seines geseßlichen Wirkungskreises bewegt, und war hierbei in demselben Maße in seinem Rechte, als er seinen Committenten, den Nationalgarden Wiens gegenüber, hiezu verpflichtet war.

Nicht nur, daß der Verwaltungsrath sich auf streng geseßlichem Boden bewegte, die gegenwärtige volksthümliche Vertretung der Nationalgarde ist vielmehr unabweisliche Forderung der Zeit, und in der Art gerechter Anspruch der Nationalgarde Wiens, daß, wenn die Zusammenseßung auf anderen Grundlagen ruhen würde, dieselbe mit allen ihr zu Gebote stehenden constitutionellen Mitteln nach echt volksthümlicher Vertretung streben müßte.

Sollten die Errungenschaften des 15. Mai, unter welchen die Volksvertretung den ersten Plaß einnimmt, und im Reichstage Wiens terwirklicht ist, für die Nationalgarde nicht nur verloren gegangen seyn, sondern sogar dahin wirken, daß Wiens Nationalgarde die bereits auf constitutionell gefeßlichem Wege errungene volksthümliche Vertretung einbüße?! Oder glaubt das Vertretungs-Comité der 2. Compagnie des Wimmerviertels, daß, wenn die Nationalgarde Angelegenheiten, welche nicht eigentliche Commando-Sachen sind, auch dem Ober-Commando allein oder im Vereine mit den Bezirks-Chefs in die Hände gespielt würden, es könnte von einer volksthümlichen Vertretung der Nationalgarde Wiens in ihren inneren Angelegenheiten noch die Rede sein? Nein! es wäre für den Absolutismus und die Aristokratie im eigentlichen und besten Verstande des Wortes gearbeitet!

Der Verwaltungsrath, dessen Mitglieder tagtäglich von den Compagnien zurückberufen und durch andere Vertreter ersegt werden können, steht eben durch diese bloß temporäre Stellung der einzelnen Mitglieder über dem Verdacht der Herrschsucht erhaben, und übt in der Wahrung der constitutionellen Rechte der Nationalgarde Wiens eine heilige Pflicht aus, für deren Erfüllung er seinen Committenten der sämmtlichen Compagnien der Nationalgarde strenge verantwortlich ist.

Der Verwaltungsrath geht von der angenehmen Ueberzeugung aus, daß nur

Mißverständniß und Irrthum, nicht böser Wille, zu Grunde lagen, wenn derselbe von einzelnen Mitgliedern der Nationalgarde selbst angegriffen wurde.

Mögen auch diese Wenigen sich überzeugt halten, daß der Verwaltungsrath, wenn es im Bereiche menschlicher Kraft läge, alle und auch ihre Wünsche gerne erfüllen würde. Jene aber, welche in flarem Bewußtseyn ihres Handelns dahin streben, die volksthümliche Vertretung der Nationalgarde Wiens zu untergraben, und an deren Stelle die absolute Gewalt eines Einzigen oder eine Aristokratie allenfalls der Bezirks-Chefs gesezt wissen wollen, müssen als Reactionäre im eigentlichen Sinne des Wortes und als Feinde der Nationalgarde bezeichnet werden.

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Wien am 31. August 1848.

Vom Verwaltungsrathe der Nationalgarde Wiens.

Der Verwaltungsrath der Wiener Nationalgarde, welchem die schwindende Einheit und Kraft in diesem Körper nicht entgangen war, fühlte das Bedürfniß eines Geseßes für dieselbe immer mehr und mehr, und wendete sich dieserwegen an das Ministerium wegen llebermittlung zur Begutachtung des bereits ausgearbeitet seyn sollenden Gesezes für die gesammte Nationalgarde.

Nach Bewilligung dieses Ansuchens von Seite des Ministeriums, wurden vom Verwaltungsrathe die 10 Mitglieder: Dr. Bauer, Dr. Rosenfeld, Prof. Reutter, Dr. Schwarz, J. Zerboni, Patruban, Em. Baron du Beine, Mathes, Carl Bernbrun (in dessen Verhinderung Hohenblum) und Dr. Klucky gewählt und bestimmt, die Um- und Ausarbeitung dieses Gesetzes vorzunehmen und es dem Ministerium ungesäumt zu unterbreiten, welches auch vollzogen wurde.

Der Mangel eines Gesetzes, die Folgen der vorausbezeichneten Anlässe, und ein schon in früherer Zeit sich bildender Verein eines gewissen Swoboda, welcher die Unterstüßung verarmter Gewerbsleute zum Zwecke hatte, seinem Baue nach aber praktisch undurchführbar war, brachte durch die widerrechtliche Anforderung, daß die Privat-Schuldverschreibungen dieses Vereines vom Staate anerkannt, und garantirt werden sollten, vereint mit der gesegwidrigen Form, mit welcher diese Anforderung durchgeführt werden sollte, am 12. September 1. J. eine neue und ernstliche Katastrophe herbei. Diese war dem Institute der Nationalgarde um so gefährlicher, als ein großer Theil dieser Mitglieder selbst dem bewaffneten Körper angehörte, und bei dem Umstande, daß dieselben ihre Forderungen demonstrirend durchzuseßen versuchten, das erstemal die Gelegenheit herbeigeführt wurde, daß Garde gegen Garde, Bürger gegen Bürger sich feindlich gegenüber standen, und um die öffentliche Ordnung wieder herzustellen, die Hülfe des Militärs in Anspruch genommen werden mußte. Nachdem auch hier der weitere Ausbruch gewaltsamer allgemeiner Bewegung durch bedeutende,

dem Staate aufgebürdete Geldopfer beschwichtigt wurde, dauerten die Aufregungsversuche der Umsturzpartei durch die Werbung von Freiwilligen für die Magyaren, und die Verhöhnungen der rein constitutionell Gesinnten unter dem Namen der Schwarzgelben fort. Thätlichkeiten und Insulte der Kaiserlichgesinnten nahmen zu, und die Schwäche der Regierung vermochte nichts gegen die Schändung der kaiserlichen Farben zu unternehmen. Vereint mit der Nationalgarde, war am 12. September wohl die Ruhe ohne den Gebrauch der Waffen wieder hergestellt, aber mit diesem auch eine Spaltung in derselben, indem die Mitglieder dieses Vereines fast in allen Compagnien der Garde und der BürgerKörper vertheilt, Zwietracht in die Reihen säeten, und jeden Vernünftigen oder Gemäßigten als schwarzgelben Reactionär beschimpften.

Zu allen derlei Zerwürfnissen und Calamitäten gesellte sich auch die religiöse Spekulation geistlicher Abenteurer des Auslandes. Die Religion sollte der Umsturzpartei zum Mittel dienen, treubrüchige Priester, des Deutschkatholicismus speculirende Apostel erschienen in Wien, machten verrufene Individuen zu Proselyten, untergruben das gegenseitige religiöse Verständniß in den engeren Kreisen der Familien, das Vertrauen auf das Wort der Diener der Kirche und auf den Trost der Religion.

Durch solche Einflüße schmolz die Garde immer mehr und mehr. Hiezu kam noch der anstrengende Wachdienst. Die Bezirke Leopoldstadt und Landstraße wurden am meisten angestrengt, indem der einzelne Garde jeden 9—13. Tag einen 24stündigen Wachdienst leisten mußte. In Folge dessen sah sich der Verwaltungsrath genöthigt, einen großen Theil der 62 Posten, welche täglich 1500 Mann erforderten, an das Militär abgeben zu wollen, aber der Kriegsminister hat solches zurückgewiesen. Wer sich durch Urlaub, durch Krankheitszeugnisse, durch eine Reise 2c. dem Dienste entziehen konnte, that es und so schmolz die Garde von mehr als 40,000 Mann auf das Drittel herab.

Nur von kurzer Dauer war die Ruhe, denn schon am andern Tage, den 13. September 1. J. wurde solche durch eine an der Universität durch Oskar Falke gehaltene aufwiegelnde Rede vor einer zahlreichen Versammlung von Studenten, Bürgern, Garden und Volke, neuerdings gestört, indem die Anwesenden unter Andern ernstlich aufgefordert wurden, auf die Wiedereinseßung des ehedem bestandenen Revolutions-Tribunals, d. i. des Ausschußes der Bürger, Nationalgarde und Studenten, für Ruhe, Ordnung und Sicherheit und Wahrung der Volksrechte" als einziges Rettungsmittel mit Entschiedenheit zu bestehen, zu welchem Behufe gedruckte Zettel, mit der Aufschrift um Wiedereinseßung dieses Ausschußes der Bevölkerung aufgedrungen wurden. Nachdem dieses gesezwidrige Verfahren von einzelnen Theilen der Bürger, Nationalgarde und akademischen Legion nicht nur unterstügt, son

dern sogar als bewaffneter Körper durchzuführen versucht wurde, konnte dieOrdnung nur durch vereinte Mitwirkung des besser gesinnten Theiles der Nationalgarde und der Bürgerkörper mit dem Militär, ohne von den Waffen Gebrauch machen zu müssen, wieder hergestellt werden.

An diesem Tage stellten sich die Gesinnungen und Spaltungen in den verschiedenen bewaffneten Körpern am auffallendsten und gefahrdrohendsten heraus.

Die Umsturzpartei hatte überall die Hände im Spiele, sie bearbeitete die leicht enthusiasmirten Köpfe der Studenten für ihre Absichten, sie brachte es in einer Versammlung im Odeon durch ihre Apostel auch dahin, daß sich die Nationalgarden, welche mit den Studenten sympathisirten, bei Allarmirungen am Universitäts-Plaß versammeln sollten, wogegen jedoch die akad. Legion protestirte. Die Legionäre wirkten auf das Volk durch Umgang und Standreden oder durch die Strassenliteratur, welche täglich mit Lügen angefüllt war, und ehrenvoll bekannte Männer sogar durch Anschlagzettel mit Koth bewarf. Die Erbitterung und Aufregung wurde permanent, ebenso die zu den gröbsten Excessen Anlaß gebenden Kaßenmusiken, wogegen die Nationalgarde kaum mehr einschreiten mochte. Die Studenten der Umsturzpartei veranlaßten Kaßenmufifen und andere Studenten der akademischen Legion rückten aus — und bemühten sich die Kaßenmusikanten auseinander zu treiben.

*) Die Kazenmusiken wurden förmlich organisirt, sie arteten aus einer politischen Demonstration zu wahren Verbrechen aus. Man brachte Hausherren, welche ihren Zins forderten, Bäckern und Fleischhauern, welche sich an die Sagung hielten, bekannten Männern wegen einer Aeußerung, auf eine Beschwerde des einen oder des andern Dienstbothen oder Arbeiters, groben Geschäftsleuten oder anderen unbeliebten Personen Kaßenmusiken, demolirte ihre Häuser und gefährdete ihr Leben. Häufig wußte die Menge gar nicht den Grund dieser Emeuten, welche nicht bloß den Beschuldigten, sondern die ganze Nachbarschaft in Gefahr seßten. Die Nationalgarde rückte theils gar nicht aus, theils schritt fie nicht mit der nöthigen Energie eines massenhaften Bajonettenangriffes ein. Das Gesez und die Garde wurde zum Spotte. Der Verstand vieler dieser Leute war so winzig, daß sie die Gefahr der Selbsthilfe für die öffentliche Sicherheit überhaupt nicht einsahen; ihr Muth war so erbärmlich, daß sie wohl aus vollem Halse über die Regierung schmähten, aber sich nicht getrauten, eines unbeliebten Mitbürgers Eigenthum zu schirmen; ihre Eifersucht war so groß, daß sie stets über Truppen-Concentrirungen Zetter schrien, und lieber die geseßliche Freiheit niedertreten sahen, als die Hilfe des Militärs anzurufen. So griff das Uebel der Selbsthilfe mehr um sich, eine civilgerichtliche Execution war in vielen Fäl

*) Vergl. W. 3. 309. (Dr. J. G.)

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