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fie überall die Landleute zur Ruhe ermahnen und ihnen abrathen nach Wien zu ziehen, weil dort nur ein Kampf zwischen Bürgern sey; andere behaupteten wieder, es sey in Wien schon ganz ruhig, und die Hilfe des Landvolkes schon unnöthig, welche lettere Aussage sie mit einer von Streffleur unterschriebenen Schrift bestätigten. Einige Bewohner von Florisdorf melden: es seyen drei Studenten und eben so viel Nationalgarden nach Florisdorf gekommen, und hätten dort aufgefordert, nach Wien zu ziehen. Aber die hier schon früher angelangten Cavalleriegarden hätten jene sogleich gepackt, und den dort befindlichen Kürassieren übergeben. Diese banden die Studenten an die Steigbügel an, und ritten so mit ihnen bis nach Schönbrunn, wohin sie eben beordert waren. Später erschienen diese Studenten im Ausschuße und bestätigten diese Aussage, füg ten aber noch hinzu, daß sie in Schönbrunn von dem Militär und selbst von Offizieren insultirt, und endlich verhaftet wurden. Dietrichstein, der von ihrer Inhaftirung vernommen hatte, ließ sie frei. Durch die obigen Gerüchte bestimmt, beschließt der Ausschuß eine Aufforderung an das Landvolk ergehen zu lassen, dem bedrängten Wien zu Hilfe zu eilen. Ein darauf sich beziehendes Manifest wird in die Druckerei geschickt. Doch als die gedruckten Exemplare anlangen, beschließt der Ausschuß mit der Verbreitung derselben noch zu zögern, da sich indessen die Gestaltung der Dinge geändert hat. Bald nach erfolgter Nachricht von Latours Ende wird aus dessen Bureau ein Packet Papiere und eine Kiste eingebracht. Erstere enthalten höchstwichtige Dokumente, auch einige Briefe aus welchen Batthianys Theilnahme gegen die Ungarn klar ersichtlich wird. Die Kiste enthält Wäsche und Charpie, wahrscheinlich nach Italien bestimmt.

Berichte von der Fortseßung der Kanonade beim Zeughause laufen ein. Deputationen gehen dahin mit dem Auftrage, das Feuer einzustellen, kehren aber unverrichteter Sache zurück. Kudlich erscheint und meldet, daß er vergebens ver sucht hatte, in das Zeughaus zu kommen, wo er die Besaßung desselben zur Einstellung des Feuerns bewegen wollte.

Ein Student erbiethet sich, ihn ohne alle Gefahr durch die von der Bastei gemachte Bresche ins Zeughaus einzuführen. Kudlich geht mit ihm dahin ab.

Commandant Aigner zeigt an, daß er durch eine 26 stündige fortwährende Anstrengung so geschwächt sey, daß er für heute nicht mehr das Commando führen könne. Der Ausschuß bestimmt den Hauptmann Friedrich Kaiser zu seis nem Stellvertreter, und gibt ihm die Herren Fenneberg und Kuchenbecker zur Seite, da diese durch mehrjährige Militärdienste dazu am geeignetsten scheinen.

Professor Füster kommt; das Präsidium ersucht ihn, beim Reichstage das hin zu wirken, daß Geld zur Verköstigung der in der Universität befindlichen Grenadiere und Gefangenen (zusammen 120) dem Ausschuße geschickt werde. Dem zufolge gelangen bald darauf 40 fl. C. M. an den Ausschuß.

Unzählige Berichte laufen ein von Insulten, ja sogar von Tödtungen, welche das Militär auf der Wieden und Landstrasse an Garden und Studenten verübe.

Ein Bauernbursche, der auf dem Wagen ein Gewehr hatte, wurde dort erschossen. Willner sey gefangen und mit Hängen bedroht. Der Ausschuß berichtet diese Vorgänge dem Reichstag, und bittet besonders zu Willners Rettung ener gisch einzuschreiten.

Zugleich werden die Wachen verschiedener Thore von diesen Vorfällen unterrichtet, und daher beauftragt, keinen Bewaffneten hinaus zu lassen, da Bewaffnete vom Militär ergriffen werden. Auf die zahlreichen Anfragen um Zünder, da Viele im Zeughause Percussions-Gewehre erhalten haben, wird vom Feuerwerker Stuwer der ganze Vorrath geholt und vertheilt, zugleich um Munition an den Obercommandanten Scherzer geschickt. Es wird gemeldet, in Schottenfeld seven 2 Wagen Munition, die für's Militär bestimmt waren, von der Garde in Beschlag genommen worden. Eine Deputation der Sicherheitswache äußert im Namen der ganzen Mannschaft ihre Sympathie für die Legion, man beschuldigte sie ungerechter Weise reaktionärer Gesinnungen, sie streben wie alle gutgesinnten Bürger nach Freiheit und Recht. Ein Bursche bringt die Nachricht, daß von dem Bataillon, welches zum Volke übergetreten ist, der größere Theil im Proter gelagert sey, und gerne hereinmarschiren möchte, man solle von der Universität einige Studenten hinausschicken, um sie hereinzuführen. Die dazu bestimmten Legionäre finden aber statt dieser Grenadiere, das Nassausche Vattaillon. Die Grenadiere heißt es, hätten sich bis zum Spiß zurückgezogen.

Soviel aus dem Studenten Ausschuße. Daraus ist ersichtlich; daß das Studenten-Comitee gegen die vom Ober-Commando ergangenen Befehle und Berfügungen handelte; daß es eine Art inquisitorische Behörde bildete; daß es das Landvolk aufwiegelte und zum Landsturm aufbot; daß es Einfluß auf die wichtigsten staatlichen Verfügungen zu nehmen bemüht war und mit den Deputirten des Reichstages in Verbindung stand.

Zum Ober-Commando kam die Meldung, daß an der Mariahilfer Linie fünf Wagen, angeblich mit Munition angehalten worden seyen. Scherzer befahl dem Plazoffizier Ruff dahin zu eilen. Der Inhalt waren Offiziers- und Mannschafts-Effekten und etwa sechs Gewehre.

Im Bezirke Neubau wurde um 2 1hr ein Tambour arretirt, welcher in Begleitung zweier mit der Legion sympathifirenden Garden von der Aula in die Vorstadt-Bezirke gesendet worden war, um dortselbst Allarm zu schlagen, was aber der anwesende Bezirks-Chef streng untersagte.

Die Vorstädte St. Ulrich, Spittelberg, Neubau, Josefstadt 2. waren wie ausgestorben ruhig, nur vom Zeughause hörte man ungeschwächt die Geschüße und in der Nichtung des Schwarzenberg-Gartens einige Gewehrschüße.

In der innern Stadt traf der Plaz-Offizier Ruff schon mehrere mit rohen Eisen-Kürassen bekleidete Garden und Studenten, welche sie auf den Böden der brennenden Hintergebäude des Zeughauses erbeutet hatten.

Gegen 2 Uhr nach Mitternacht im Zeughause. Der Abgeordnete Kudlich erschien mit Versicherungen, daß er allsogleich in der Reichstagsfißung den Kampf zur Sprache bringen, und auf Maßregeln anträgen werde, um eine Auzgleichung, oder das Einstellen des feindlichen Feuers herbeizuführen. Kaum waren aber diese Worte verhallt, als gleich wieder von der Bastei auf das Zeughaus kanonirt wurde.

Zu dieser Zeit lief die Meldung ein, daß man aus dem Garten der Schott ner an der linken Flanke des Armatur-Zeughauses zu minilen anfange.

Eine andere Meldung brachte die traurige Nachricht, daß man in die Rinne, welche durch das Dach der linken Flanke des Armatur-Zeughauses, und durch die Feuermauer des Rothschildschen Hauses gebildet wird, Feuer eingelegt habe, weßhalb auch schnell die nöthige Löschmannschaft dorthin beordert wurde, und wobei sich der Büchsenmachergeselle Tobolarz durch große Veherztheit auszeichnete, indem er zweimal den Brand des Daches unter den feindlichen Kugeln gelöscht hatte. Mit eben solchem Muthe hat der Zimmergeselle Dorn einen Brandleger vor dem Wohngebäude der kaiserl. Väckereien, der sich von der Vastei herabließ, gefangen genommen, welcher hierauf halb todt geprügelt auf die Wachzimmer gebracht, später aber wegen Mangel an einem geeigneten Lokale den Garden übergeben wurde.

Um 2 Uhr wurde vom Ober- Commando der Befehl ertheilt, die Leiche Latours herabzunehmen, was aber erst gegen Morgen geschah.

3 Uhr nach Mitternacht im Zeughause. Die drei Brände legten sich bei der großen Windesruhe, das Miniren in der linken Flanke vom Schottengarten aus wurde als inüß aufgegeben, und die Belagerer versuchten nun ein neues Glück, indem sie aus einer Kanone hinter der Barrikade in der Renngasse mehr als 15 Kugeln und Kartätschenschüsse nur darum verschwendeten, um Lärm zu machen, und um die Face des Armatur Zeughauses aus unbekannten Gründen zu bestreichen.

Der Eindruck dieses zwecklosen Kanonendonners, der mit seinen Intervallen über eine Stunde währte, muß auf die Bewohner Wiens ein höchst trauriger gewesen seyn; und der Lärm, den die einstürzenden Fensterscheiben und Dachziegeln machten, war der Besaßung nur darum peinlich, weil es auch auf Rechnung der Besaßung hätte kommen können.

4 Uhr Morgens im Zeughause. Die angreifenden feindlichen Artilleristen unterließen das Beschießen des Unter-Arsenals von rückwärts, und wendeten sich wieder gegen das Hauptthor, um die Bresche gegen dasselbe nach gelegtem Brande

der Seitengebäude zu vollenden. Nach Vollendung der Bresche wurde das Volk nur durch Kartätschenschüsse aus dem großen Hofe des Armatur-Zeughauses abgehalten, welches Schießen mit Antwort des Volkes bis gegen 7 Uhr Früh in ungleichen Intervallen fortdauerte. Eben so lange hielt auch das Flintenfeuer aus allen feindlichen Häusern an.

um 4 Uhr beiläufig hörte die Besagung verschiedene Stimmen, und schleichende Tritte in der Nähe des Thores, und auf den Ruf: Halt! wer da? antwortete man nur bittend, mehrere todte Bekannte wegtragen zu dürfen, welches über eine Stunde andauerte.

Gegen Morgen wurde es um den Gaskandelaber, worauf der unglückliche Minister immer noch hieng, und den die wüthende Menge die ganze Nacht verhöhnt hatte, ziemlich leer, und nur wenige Zeugen waren anwesend, als der Leichnam herunter genommen, auf einen Wagen geladen, und ins Militär-Spital abgeführt wurde.

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Des Morgens begab sich General Frank aus der Stadt ins Lager im Schwarzenberg - Garten, woselbst angelangt, derselbe vom Militär mit Jubel empfangen und von den Soldaten triumphirend herum getragen wurde. Das dadurch verursachte Geschrei wurde in der Umgebung gehört, und als eine Meuterei unter den Soldaten bezeichnet.

Ungefähr um 6 Uhr erschien beim Ober-Commando der Legions - Commandant Aigner nebst mehreren Offizieren, und erklärte, die Legion sey bereit das Zeughaus zur Bewachung zu übernehmen und zu beschüßen, welcher Antrag von Scherzer auch angenommen wurde aber es war zu spät mit dieser akademischen Comödie.

Der Kampf beim k. k. Militär-Zeughause trug das Gepräge dessen an sich, was er eigentlich war, ein rohes zweckloses Verwüsten und Morden.

Da vom Ober- Commando der Nationalgarde nicht nur kein Befehl zum Angriff gegeben wurde, sondern im Gegentheile Alles eingeleitet worden ist, denselben zu beseitigen, so waren die dahin geeilten Massen ohne allem Commando. Jede zufällig zusammen gekommene Gruppe, die sich irgendwo mit Gewalt ein Geschüß zu verschaffen wußte, agirte ohne Angriffsplan wo und wie sie wollte, auf ihre eigene Faust hin. Die Garden schossen 12 Stunden lang ihre Gewehre auf die dicken Mauern des Zeughauses los, ohne Berechnung einer Distanz, ohne so zu sagen einen Feind zu sehen, indem die Besaßung des Zeughauses durch die Mauern gedeckt, ein gut geordnetes Feuer aus den Fenstern unterhielt. Tausende von Kugeln der Angreifenden durchkreuzten die Luft, und prallten zwecklos an den Mauern der Gebäude ab.

Aus den Fenstern der Häuser in der Nähe und Umgebung des Zeughauses, wurde ein ununterbrochenes Kleingewehrfeuer unterhalten, unberücksichtigend die

Parlamentäre oder die dahin beorderten Ordonanz- und Plaß - Offiziere, unberücksichtigend, ob die Angreifenden im Avanciren oder Retiriren begriffen sind; und so fielen, durch die dicken Rauchwolken des schweren Geschüßes eingehüllt, viele Garden von den Kugeln ihrer eigenen Kammeraden getroffen *).

An persönlichem Muth, an Todesverachtung, Verwegenheit und Kühnheit der Einzelnen unter den Angreifenden, hat es nicht gefehlt, wie der Lauf der Geschichte es darthut; zu bedauern ist nur, daß solche Kräfte auf solch' eine Weise angewendet wurden.

Die Nacht vom 6. auf den 7. October 1848 war für die Bewohner der Residenz unstreitig eine der fürchterlichsten seit Wiens Bestand. Das Toben und Schreien eines wüthenden, aller gesetzlichen Bande Hohn sprechenden Volkes; der Donner des von vier Seiten gleichzeitig spielenden schweren Geschüßes, welcher hundertfältig in den engen Straßen an den majestätischen Gebäuden wiederhallte; i as zwölfstündig unausgeseßt andauernde Geknall des Kleingewehrfeuers; das Röcheln der Sterbenden; das Gestöhne und der Hilferuf der Verwundeten ; die wuthentbrannten, gräulich verzerrten Mienen der Kämpfenden ; das Sprühen der Funken aus dem entzündeten Kohlenmagazine des Arsenals; die hoch auffahrenden Flammen aus dem brennenden Dachstuhl des Zeughauses; der Lärm des einstürzenden Gehölzes, dieß Alles war ein nicht zu beschreibender herzzerreißender Anblick, welcher jenen, die von der Vorsehung bestimmt waren, Zeugen deffen seyn zu müssen, nie der Erinnerung entschwinden wird. — —

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Wenn nun erst berücksichtigt wird, daß die vom Reichstag beschlossene, und vom commandirenden Generalen Grafen Auersperg zugesicherte llebergabe des f. f. Militär-Zeughauses an die Nationalgarde ohne Schwertschlag hätte erfolgen sollen, wovon die Angreifenden theils durch die Parlamentäre, theils durch die dienstthuenden Plag- und Ordonanz - Offiziere vielfach, und wirklich mit Gefahr ihres Lebens und mit wahrer Todesverachtung in Kenntniß gesetzt wurden, und dennoch dieser Mord- und Verwüstungswuth kein Einhalt gethan werden konnte; so kann sich der Leser nur einen geringen Begriff machen, in

*) Es ist wahrscheinlich, daß die Mörder Latours gedungen waren, eben so wahrscheinlich ist es, daß sie beim T. Zeughause kämpfend von Diesen oder Jenen, die sie gedungen, um sie aus dem Wege zu räumen, mit Schießs baumwolle aus den Fenstern erschossen worden seyen. Auf diese Art sind wohl die meisten der Mörder nicht mehr am Leben. Vor dem 6. waren keine Proletarier mit Schießgewehren öffentlich bewaffnet, und doch tämpften bewaffnete Proletarier beim Zeughause. Der sie bewaffnet hat, hat sie auch gedungen und wahrscheinlich auch ermordet. Wieviel Privatrache ehemaliger Militäre an jener Schandthat Theil genommen, ist nur zu vermuthen. Daß aber Kossuth wegen seiner ehemaligen Einkerkerung von Rache getrieben ward, ist nicht zu bezweifeln.

Dr.

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