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die ganze Besatzung, oder doch der aktivste Theil irgend eines Zeughauses erschüttert, ja selbst wuthentbrannt wurde durch die schaudervollen Thaten eines aufgeheßten, weintrunkenen und waffenraubgierigen Pöbels.

Nach dem bereits erwähnten Ausfall zog das Volk auf die Schottenbastei, um von dort aus in das Armatur-Zeughaus zu dringen.

Man versuchte das Thor der Umfangsmauer der genannten Bastei zu forciren, welches man aber bis zur eintretenden Dunkelheit aufschob, da man eine in der großen, freistehenden Schmiede versteckte Besaßung oder jene hinter den Fenstern der hinteren Face des Armatur-Zeughauses fürchtete.

6 Uhr. Die Adresse an Sr. Majestät wurde im Reichstage verlesen, und enthielt als wesentliche Punkte: Die Bildung eines neuen volksthümlichen Mi nisteriums, in welchem Doblhoff und Hornbostl verbleiben sollten; Absetzung Jellačičs und Amnestie für alle Civil- und Militärpersonen.

Nach 6 Uhr Abends im Zeughause. Die linke Flanke des Armatur-Zeughauses hat die sehr gefährliche Nachbarschaft des Rothschild'schen Hauses; hier versuchte man von dem Lichthöfel des Daches mittelst Pfosten eine Passage auf das Dach des Zeughauses zu gewinnen; aber die am Boden aufgestellten Soldaten gaben Feuer, und erschossen einige der Stürmenden auf der improvifirten Brücke. Gleich darauf erschienen jedoch mehrere Arbeiter, und gaben eine starke Salve auf die im Hofe des Armatur-Zeughauses aufgestellten Grenadiere, wobei drei Mann blefirt wurden.

Von dieser Zeit an kamen fast alle halbe Stunden Nachrichten vom Kampfplage zum Reichstag und zum Sicherheits-Ausschuße.

Verschiedene Proklamationen erschienen noch in der Nacht.

Während das Zeughaus gestürmt wurde, erschien nachstehende, eine allgemeine Amnestie verheißende, gedruckte Proklamation:

,,Der Reichstag bringt hiermit zur öffentlichen Kunde, daß er eben in Berathung über die Maßregeln sey, das Militär aus dem Bezirke der Stadt zu entfernen, und eine allgemeine Amnestie für das heute Vorgefallene, und zwar für alle Civil- und Militär-Personen zu erwirken. Wien am 6. October 1848. Vom constituirenden Reichstage.

Vom ersten Vicepräsidenten: Franz Smolka.m. p."

Diese, nach erfolgten Greueln am Tabor und in der Stadt, nach der Ermordung Latours veröffentlichte Proklamation — erregte bei Jenen, die nicht zu der anarchischen Umsturz-Parthei gehörten — große Entrüstung wegen der gleich nach der gräßlichen Schandthat erfolgten Amnestie-Beantragung von Seite des geseßgebenden Körpers. Auch der Reichstag zitterte! denn wie wäre es sonst möglich gewesen, den Mördern Latours, da seine Leiche noch nicht kalt ge

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worden war, eine Amnestie zu verheißen, und erwirken zu wollen ohne terro rifirt zu seyn, — -oder Jene die solche beantragten zu kompromittiren! Die Reichstags-Commission an den commandirenden Generalen Auersperg kam zurück.

Szabel: Wir haben den Grafen am Glacis getroffen. Er hat sich be reitwillig gezeigt, die Truppen in die Kasernen zurück zuziehen und keine Offene five zu ergreifen, wenn die Garantie da ist, daß kein Angriff auf das Militär gewagt wird; ferner ersuchte er, die im kais. Zeughause zurückgelassenen Compagnien Soldaten zu schicken. Wir versprachen dies. Am Rückweg gingen wir zum Zeughaus. Auf der Strasse begegneten wir einem Zuge mit Kanonen und brennenden Lunten. Wir beschworen sie, abzulassen. Vergebens! Ich ersuche, das Haus möge einen Beschluß fassen, um dem Blutvergießen Einhalt zu thun.

7 Uhr. Die Nachricht, daß das Zeughaus in der. Renngasse vom Bolle gestürmt werde, traf im Reichstage erst um diese Zeit an (?). Zugleich verbreitete fich das Gerücht, es wolle das Centrum und die Rechte aus dem Reichstage scheiden, worauf Brauner erklärte, daß sie alle im Bewußtseyn ihrer Pflicht und der - Würde des Reichstages zu bleiben entschlossen sind. In Folge dessen erschien nachstehende Proklamation:

„Um irrigen Gerüchten zu begegnen, als ob ein Theil der Mitglieder „des Reichstages an seinen Sizungen nicht Theil nehmen würde, bringt der „Reichstag hiermit zur öffentlichen Kunde, daß die Mitglieder im Bewußtseyn „ihrer Pflicht und des Reichstages Würde durch ausdrücklichen Beschluß ihre „ununterbrochene Thätigkeit ihrem Vaterlande zu widmen erklärt haben." Wien am 6. October 1848.

„Vom ersten Vicepräsidenten: Franz Smolka. m. p."

Hierdurch verläugnete man den Abgang der nicht wenigen Mitglieder der Rechten.

Um diese Zeit schon wurde der Plazoffizier Waßhuber vom Ober-Commandanten Scherzer beauftragt, zwei Deputirte des Reichstages, worunter Lassser war, zum commandirenden Generalen Grafen Auersperg zu geleiten, mit dem Auftrage, die Einstellung des Feuerns beim Zeughause militärischer Seits zu erwirken und zu erlangen, daß die Ablösung der militärischen Besaßung im Zeughause durch die Nationalgarde veranlaßt werde.

Der commandirende General zeigte sich hiezu, wie bereits erwähnt, vollfommen geneigt, wenn eine ordentliche Ablösung durch die Nationalgarde bewerkstelligt, und das Zeughaus vor Plünderung dadurch gesichert werden könne.

Mit dieser gründlichen Zusicherung zurückgekehrt, wurde Waßhuber vom Obercommandanten Scherzer beauftragt, vom VI. Bezirk die Nationalgarde zur

Beseßung des Zeughauses zu requiriren, welchem Befehle aber von Seite dieses Bezirkes nicht Folge gegeben werden konnte.

Nach 7 Uhr Abends im Zeughause. Das Feuern begann aus allen Häusern der Renngasse und der Wipplinger Strasse, wobei sich besonders die Besatzung des Eckhauses, welches in die zwei erwähnten Gassen sieht, durch die unbegreiflichste Erbitterung, oder aus Furcht vor neuen Ausfällen aus dem Thore des Ober-Arsenals, auszeichnete.

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Gleichzeitig wurde eine Barrikade vor dem Rothschild'schen Hause in der Renngasse, und eine zweite auf der hohen Brücke zu bauen versucht.

Nach diesen Vorbereitungen, und nach den Nachrichten von der Ermordung des Kriegsministers, der Uebergabe des General Commando und Kriegsgebäudes, war nun das schändlichste Attentat auf die drei Arsenale und auf das Leben der ganzen Besaßung zu erwarten, um so mehr, als selbe durch die topographische Lage von aller militärischen Hilfe abgeschnitten war.

Zwischen 7 und 8 Uhr Abends stürmte eine wüthende Truppe Volkes, mit Spießen versehen, und darunter auch einige Garden, mit wildem Geschrei auf die Bezirks-Haupiwache Wieden, woselbst die 7. Compagnie Wache hatte, und forderte mit Ungestüm den Bezirks-Chef Theodor Hirn zu sprechen. Der Plagoffizier Ehrenfeld, welchen Hirn gebethen hatte, seiner Statt auf kurze Zeit die Inspection zu übernehmen, erklärte, daß der Bezirks-Chef im Dienst abwesend sey. Diese Horde brüstete sich, Zeuge der Ermordung Latours gewesen zu seyn, und wirklich hatten einige derselben Blutspuren an sich. Be sonders ein Mann war darunter, welcher mit Blutspuren bedeckt war; er schrie laut nach dem Bezirks-Chef Hirn. Sie erklärten, nachdem nun Latour seinen Lohn habe, müsse auch der Verräther Hirn seinen Lohn erhalten, und zwar heute noch.

Einige zeigten die Patronen her, mit welchen sie ihm das Lebenslicht ausblasen wollten; einer zog sogar eine Rebschnur aus der Tasche, hielt sie hoch in die Luft und schrie: „damit will ich ihn hängen.“

Plagoffizier Ehrenfeld fand es für gut, durch eine verläßliche Ordonnanz den Bezirks-Chef von dem Vorfalle in Kenntniß zu seßen, und zu veranstalten, daß er aus seiner Wohnung in jene Ehrenfelds gebracht und gefichert werde.

Die Bezirkswache zu schwach, mit Gewalt diesen wüthenden Haufen zersprengen zu können, verhielt sich ernst und ruhig und bezeigte dadurch ihre Misbilligung. Nachdem dieser Volkshaufe sah, daß er von den Garden keine Unterstüßung zu erwarten habe; zog er mit wildem Lärm gegen die Wohnung Hirns, beseßte dort das Hausthor, und nachdem er bis nach Mitternacht vergebens auf seine Rückkunft gewartet hatte, verlor sich nach und nach die ganze Rotte.

7. Uhr Abends. Es wurde im Reichstage beschlossen, die Provinzen in Kenntniß zu seßen, daß der Reichstag in Wien verbleibe, und für die Sicher heit der Monarchie Sorge tragen werde. =

Es ist nicht zu zweifeln, daß die Majorität des gesammten Reichstages für die Sicherheit der Monarchie besorgt war; daß aber im Reichstag fizende Freunde Kossuths und andere Umstürzlinge gerade das Gegentheil anstrebten, ist bereits motivirt worden.

Auf Befehl des Ober- Commandanten Scherzer, so viel Garden und Legionäre als möglich zur Uebernahme und Bewachung des Zeughauses zu requiriren, ging der Plaß-Offizier Player auf die Aula und andere Pläße, und brachte zwei Compagnien zusammen, welche er in der Wipplingerstraße aufzustellen, und sobald das Militär aus dem Zeughause abziehe, hinein marschiren zu lassen, den Auftrag hatte. Da aber das Militär das Zeughaus wacker zu vertheidigen fortfuhr, so kehrte derselbe zum Ober- Commando zurück, hinterließ die Weisung die Gäffen zu sperren, und das Feuern zu verhüten. Anstatt dessen haben die gedachten Compagnien nichts weniger als diesem Befehle befolgt, vielmehr das Zeughaus zu bedrängen geholfen.

Gegen 8 Uhr Abends im Zeughause, schlug der erste Kartätschenschuß von der Barrikade auf der hohen Brücke durch das Zeughausthor ein, welches man, als das schwächste von allen, um jeden Preis forciren wollte. Betäubt durch den Donner, erschüttert durch das Einstürzen der Fensterscheiben in der Johannes-Kapelle und der umgebenden Häuser, trat eine schauerliche Stille unter den Angreifern ein, die aber bald durch einen zweiten und dritten Kartätschenschuß unterbrochen wurde.

Nun war es höchste Zeit zu antworten, und da der Hauptmann Kastell aus Klugheit einige Schüsse abwartete, um mehr Luft durch das schwache Thor zu erhalten, commandirte er seinem Kanonier Feuer aus der einzigen, aber früher wohlgerichteten, und mit aufgesezter Schrottbüchse, also doppelt geladenen Kanoge. - Die Wirkung dieses Schusses, so wie jene der zwei nachfolgenden, war unbeschreiblich! Das Portierhäuschen ober dem Thore drohte einzustürzen; alle Fenster zerschellten, und eine Todtenstille trat in den zwei Straßen ein, da auch Alles in den Häusern betäubt wurde.

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Von Neugierde getrieben, wagte sich der Hauptmann mit einem Theile seiner Getreuen auf die Straße, wo sie viele Todte und eine Kanone erblickten, welche von den Angreifern durch die leichte Barrikade geführt wurde, um das Zeughaus, wie es später klar bewiesen wird, ganz in der Nähe zu beschießen. Unter lautem Jubel und Hurrahgeschrei stürzten sich Grenadiere und Kanoniere auf die abgeproßte Kanone, welche auch bald, und troß dem feindlichen Gewehrfeuer aus den Häusern, neben der ersten aufgeführt, geladen wurde, und

sich später von großer Wirksamkeit bewährte. Auch die Proße, von welcher ein erschossenes Pferd losgemacht wurde, kam beinahe ganz mit Munition gefüllt, in die Hände der Besaßung.

Bald darauf vernahmen die, das Rennwegthor Vertheidigenden, auch freundlichen Kanonendonner aus dem Armatur-Zeughause und aus dem Unter- Arsenale, welcher gegen eine Masse Volkes auf der Fernsicht des Rothschild'schen Hauses postirt, und auf eine Schaar von Garden, Studenten und Raubgesindel, welches sich am Rande der Parapete ober den kais. Backhäusern zeigte, gerichtet war, und welches Feuern längere Zeit anhielt.

Das Militär hat sich großentheils zu seiner Sicherheit im Schwarzenberg' schen Garten concentrirt, und jenes vor der Taborlinie hat sich zum Abmarsche bereit erklärt.

Um 8 Uhr Abends wurde von Seite des Reichstags, da zwei bisher dahin gesendete Parlamentäre als Opfer fielen, abermals ein Parlamentär zum f. f. Militär-Zeughaus mit dem Auftrag gesendet, die Einstellung des Feuerns von Seite des Militärs zu erwirken. Es meldete sich hiezu der Garde Ferdinand Röschel der 6. Compagnie des 4. Bezirkes, und Corporal Valentin Bieg der 2. Compagnie eben dieses Bezirkes.

Dieselben schlugen den Weg über die hohe Brücke ein, unter Vortragung einer weißen Fahne, worauf das Feuern auf dieser Seite von der Nationalgarde aufhörte, nicht so das aus dem Zeughause.

Der herzhafte Ferdinand Röschel erreichte unter einem Kugelregen das geschlossene Thor des Arsenals, wo er von einem Grenadier-Offizier zum nächsten Fenster gerufen wurde, und nachdem er seine Sendung vorgebracht, den Bescheid erhielt, daß das Feuern von Seite des Militärs alsogleich verstummen würde, wenn die Angreifenden von der Bastei-Seite dasselbe auch einstellen würden.

Um dieses zu erwirken, kehrte der Garde Röschel in Begleitung des Corporalen Bieg um, und sie begaben sich auf die Bastei. Als sie aber der dort versammelten rasenden Volksmasse begreiflich machten, daß jm Namen des Reichstages das Feuern einzustellen befohlen ist, wurden sie ungeachtet der weißen Fahne mit dem Rufe empfangen: „Das sind auch Schwarzgelbe, hängt sie auf!" darauf gepackt und wirklich Miene gemacht, die Drohung in Erfüllung zu bringen, wenn nicht einige Legionäre sie den Händen des Volkes entrissen hätten.

Mit der Meldung des Vorgefallenen begaben sich die Beiden in die Permanenz des Reichstages, welcher jedoch von dem Vorgefallenen keine Erwähnung machte, indem ähnliche Anzeigen dem Reichstage doch einige Spuren von Anarchie gegeben hätten.

Um diese Zeit verbreiteten sich beim Ober-Commando Gerüchte, daß aus

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