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Später bedeckte man die hängende Leiche mit einem Leintuche. Ein Legionär kaufte dieses Leintuch um 1 fl. C. M. von einem Hausmeister in der Nähe des Hofes. Ein braver Jüngling! Die rohe, dumme Prahlerei der Canaille ging kurz darauf so weit, daß sich viele gerühmt haben, bei dem Morde anwesend und thätig gewesen zu seyn die um jene Zeit gar nicht in Wien anwesend waren. Ein Zeichen einer erbärmlichen Gesinnungslosigkeit des Pöbels, wobei das schöne Geschlecht sich nicht übertreffen ließ. Freche Dirnen, die mit Kleiderschmuck Damen spielen und damit die von der untern Donau hergebrachte Schande bedecken, bewiesen sich als brutale Unmenschen durch Zusehen und Applaudiren dieses Greuels.

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Theodor Graf Baillet de Latour, k. k. Feldzeugmeister und Kriegsminister, Ritter des M. Theresien-Ordens, des r. k. St. Georg-Ordens 4. C., des Wladimir-Ordens 2 C., Offizier der franz. Ehrenlegion, Commandeur des würt. Militär-Verdienst-Ordens, Ritter des würt. Friedrichs-Ordens, des großh. bad. Ordens der Treue, Commandeur des churh. Löwen-Ordens 2c. k. t. geheimer Rath und Kämmerer, Inhaber des Infanterie-Regiments Nr. 28. Stellvertre ter des Generalgenie-Directors 2c. 2c., geboren zu Wien den 15. Juni 1780. war der Sohn des Hofkriegsraths-Präsidenten Maximilian B. de Latour, welchem die Herrschaft Latour in Luxemburg noch gehört hatte, die aber seitdem in an« dern Befiß übergangen ist. Er wurde in der k. k. Militär-Ingenieur-Akademie erzogen, und machte die französischen Feldzüge mit. Im I. 1814 wurde er Chef des Generalstabes des achten verbündeten Armeekorps, welches damals der König von Würtemberg commandirte.

Er war ein starker, biederer Charakter, ein treuer Diener des Kaisers und des österr. Gesammtstaates, sein Name bleibt in der österreichischen Geschichte unsterblich!

Bedrohung und Rettung des Generals Frank.

Gleich darauf als Latour im Hofe des Kriegsgebäudes angelangt war, stürzte die wüthende Rotte über den verdienstvollen, allgemein geachteten General-Major Sebastian Frank von Seewies, in der ausgesprochenen Absicht, auch an ihm die Lynch-Justiz ausführen zu wollen.

Nur der entschiedenen Haltung des Literaten Hauk, nachherigen Komm andanten eines mobilen Corps d'Elite, gelang es im Verein mit einigen Legionären, Garden und selbst einigen Proletariern, das wüthende Volk von diesem Vorha ben abzubringen, und ihn in das bürgerliche Zeughaus in Sicherheit zu führen.

Im bürgerlichen Zeughause war die 3te Compagnie des 2ten Bataillons Mariahilf auf der Wache, aber ungemein schwach, indem schon früher auf Befehl des Play-Commando 40 Garden zur Verstärkung der Burgwache abgegan

gen waren. Einige Garden hatten sich entfernt, und es waren um diese Zeit nur noch mehr die beiden Lieutenants G außmann und Swoboda, der Feldwebel Konyard, und höchstens 12 Garden als Besagung des bürgerlichen. Zeughauses vorhanden.

Kurz nachher, als sich General Frank im bürgerlichen Zeughause befand, strömte eine Horde dahin und forderte mit Ungestüm die Auslieferung des Generals mit der Drohung, daß sie ihn umbringen wolle. Der Pöbel schrie und tobte, und wurde immer wüthender; die schwache Besazung war kaum mehr im Stande den Pöbel abzuhalten. Dem Lieutenant Gaußmann wurde eine Pistole an die Brust geseßt, und die geringe Besaßung mußte mit gefälltem Bajonette von dem Eindringen in das Thor abwehren, wobei sich Feldwebel Konyard durch seine Entschlossenheit sowohl, als durch seine intelligente Einwirkung auf das Voll auszeichnete.

Es wäre um so gefährlicher gewesen, wenn das Volk ins bürgl. Zeughaus eingedrungen wäre, als sich darin viele geflüchtete Pioniere befanden. Diese Pioniere wurden dann später in der Nacht mit Sack und Pack an die Hauptwache am Hof übergeben.

Es gelang den Sturm abzuhalten. Abends kamen Legionäre mit einem schriftlichen Befehle des Studenten-Comitees, laut welchem die Auslieferung des Generals an die Universität anbefohlen wurde. Die Besaßung weigerte sich jedoch standhaft den Generalen auszuliefern und entgegnete, daß bereits die Anzeige an das Ober-Commando gemacht sey, und man die Befehle desselben abwarte, und daß die Wache nur den Befehlen des Ober-Commando Folge leisten werde.

Nachdem Feldwebel Konyard das Plaß-Commando noch insbesondere mündlich in Kenntniß segen ließ, wie dringend die Gefahr sey, wurde von Seite desselben veranlaßt, daß die Permanenz des Reichstages sogleich einen Erlaß in Betreff des Generals Frank schriftlich gab, welche denselben auch sogleich verfaßte, und es wurde dieser Erlaß auch unverzüglich dem Wach-Commandanten im bürgerlichen Zeughause zugesendet. Dieser Befehl des Reichstages erklärte, daß General Frank unter den Schuß des Reichstages gestellt sey; und es erlosch somit der Befehl des Studenten - Comitees. Abends um 8 Uhr wollte General Frank durchaus das Zeughaus verlassen, allein auf dringendes Ersuchen der Garden verweilte er bis 10 Uhr, dann ging er in Begleitung des Garden Lachmaher der 3ten Compagnie 2ten Bataillons Mariahilf, und des zufällig anwesenden Garden L'Allemand der 1sten Compagnie 2ten Bataillons Mariahilf, aus dem bürgerlichen Zeughause. Frank blieb diese Nacht noch in der Stadt, und erst Morgens den 7. October gelangte er glücklich in das Hauptquartier des commandirenden Generals Grafen Auersperg im Schwarzenberg'schen Garten, woselbst er mit Jubel empfangen, von den Soldaten auf den Schultern herum

getragen wurde. Dieses war der Lärm, welchen man in der Umgebung hörte, und zu dem Gerüchte Anlaß gab, als sey eine Empörung daselbst ausgebrochen.

Im Reichstage. 5 Uhr. Smolka kam mit der Deputation in den Reichstag zurück, als der Adjutant des Grafen Latour noch in der ReichstagsVorhalle anwesend war. Da sprach Sierakowski: Latour ist todt. Er hängt an einen Laternenpfahl am Hof. (Entseßen befällt die Versammlung).

Hawella sprach zu einem Abgeordneten sein tiefstes Bedauern über jene scheußliche That, daß es so mit der Wuth des Volkes gekommen, deren Opfer Latour geworden ist; erhielt aber zur Abfertigung, wenn der Minister Bach aufgehängt werde, da werde er (der Sprecher zu Hawelka), mit Wonne zusehen, indem Bach stets die Souveränität des Volkes gehöhnt habe.

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In Erwägung nun, daß die Zügellosigkeit der Leidenschaft nicht allein bei der gemeinen Volksmasse, sondern auch schon im Gemüthe der Volksvertreter aufs Höchste gestiegen ist, daß von dem auf den Strassen wahrgenommenen Programm der schauderhaften blutigen Ereignisse bereits ein Theil, die Ermordung eines Ministers, in Erfüllung gegangen ist, und daß bei bestehender Aufregung der Gemüther in der Stadt und bei Reichstagsdeputirten mit höchster Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, es werde auch der übrige Theil des Programms der Schreckensszenen ohne Zweifel in Erfüllung gehen, in weiterer Betrachtung, daß der zu befürchtende Tod des Präsidenten oder sonst eines Abgeordneten durchaus nicht als ein pflichtmäßiger Tod für's Vaterland, sondern nur als ein gemeiner, von keinen heilsamen Folgen begleiteter Mord sich darstellen würde, endlich in Erwägung, daß der Mord des Präsidenten als Hauptes des Reichstages eine Abtödtung des ganzen Reichstages wäre, unternahm es Abgeordneter Hawelka, den Präsidenten Strobach zur Flucht zu bereden.

Strobach befand sich indessen im Ministerrathe im Kriegsgebäude, bis die entfesselte Menge hineindrang, und ging etwa eine Viertelstunde vor dem Tode Latours fort. Er wurde unten schon vom Pöbelhaufen mit der Ansprache: „das ist auch ein Schwarz gelber" angehalten, entkam jedoch mit der abwehrenden Aeußerung:,,dieß sey ein Irrthum.“

Am weiteren Wege ward Strobach von einem betrunkenen Arbeiter mit den Worten angehalten:,,Sie sind auch ein Beamter, und diesen geschieht jest recht," entkam aber, weil er mit Ruhe auf seine Ideen einging. Im Reichstagsgebäude angelangt, hielt sich Strobach, ohne an gar so Schreckliches zu denken, im Präsidialbureau eine Zeitlang auf, und angekommen in der Sigungsvorhalle, hörte er die Warnung des Abgeordneten Hawelka, der ihm ungeachtet der Betrachtung, daß es wünschenswerth wäre, bei den sehr lockern Tagesverhältnissen die Präsidentengewalt in seiner festen Hand zu sehen,

dennoch dringend zur Flucht rieth. Strobach beschloß vor der Hand, dennoch zu versuchen, sein Präsidentenamt weiter zu führen, und abzuwarten wie sich weiter die Verhältnisse gestalten werden.

Er bestieg nun den Präsidentenstuhl und sogleich verlangte Löhner mit aufgeregter Stimme, der Präfident möge die Sigung für eröffnet erklären.

Dieser ließ die anwesenden Mitglieder durch die Schriftführer zählen, und da sich die Anwesenheit von blos 120 Mitgliedern herausstellte, verweigerte er auf Grund der Geschäftsordnung die Eröffnung der Sißung. Löhner begehrte in Anbetracht der äußeren deutlichen Verhältnisse ohne Rücksicht auf die Zahl der anwesenden Mitglieder die Eröffnung der Sizung. Präsident Strobach erwiederte jedoch, er halte es mit seinem Gewissen für unvereinbarlich, bei dieser geringen Zahl der Abgeordneten dem Reichstagsgeseße zuwider die Sigung für eröffnet zu erklären, indem blos der mindere Theil des Reichstages Beschlüsse faffen würde, die für Beschlüsse des ganzen Reichstages gehalten würden, obgleich fie möglicherweise nicht in dem Willen der Majorität des Reichstages lägen; glaube aber einer von den zwei Vicepräsidenten dies verantworten zu können, so sey er erbötig, den Präsidentenstuhl zu räumen. Hierüber verlangte der Abgeordnete Bilinski mit aufgeregter Stimme die Abstimmung.

Gleichzeitig trat Borrosch mit einer weißen Fahne ein, und ein rauschendes Bravo und Bivat auf der Linken begrüßte ihn. In demselben Augenblicke aber erschienen mehrere Bewaffnete auf der linkseitigen Gallerie und Abgeordneter Pribyl machte darauf aufmerksam, mit dem Rufe, die Bewaffneten sollen fich sogleich entfernen. Allein statt daß die Versammlung zur Wahrung ihrer Sicherheit und Meinungsfreiheit diese Forderung unterstügt hätte, entgegnete Abgeordneter Zimmer: „Diese Waffen haben vor wenig Augenblicken die Freiheit dem Volke auf den Strassen erkämpft, sie haben daher auch das Recht hier zu erscheinen; Ihr habt die Freiheit verrathen, Ihr müßt daher jezt dulden!"—

Unter solchen Verhältnissen war wohl nicht weiter zu zweifeln, daß das ganze Programm der Schreckensszene, wie es an den Barrikaden unter den Pöbelhaufen zu hören war, in Erfüllung gehen werde; denn Latour war be reits aufgehängt, und Bewaffnete befanden sich auf den Gallerien, an der Seite gegenüber der Rechten, zwei davon richteten ihre Gewehre geradaus gegen die Reichstags-Bänke der Rechten, und dieß Verfahren wurde von einem Volksvertreter gebilligt, ja überdies befanden sich, nach der Bestätigung mehrerer Abgeordneten, Bewaffnete auf den Journalistenbänken.

In diesem Augenblicke, der keine Hoffnung zu irgend einem heilsamen Wirken gewährte, verließ der Präsident Strobach den Sigungssaal, und ergriff in Begleitung des Abgeordneten Hawelka unter äußerst gefährlichen

Straßenverhältnissen die Flucht. Die bisher angedeuteten Umstände sind wohl genugsam geeignet, die Abfahrt des Präsidenten und aller böhmischen Deputirten zu motiviren. Allein auch nachträgliche Ereignisse rechtfertigen dieses Verfahren. Denn gleichzeitig mit dem Abgehen des Präsidenten wurde im Reichstage der Tod Latour's gemeldet, und der Abgeordnete Sierakowski, der eben vom Orte der an Latour verübten Unthat gekommen war, rieth Jelen, für Strobach und Rieger zu sorgen, weil ihr Leben in Gefahr sey.

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Ebenso hörte Prediger Hodza an den Barrikaden, wie sich Arbeiter unterredeten, falls sie Rieger und der übrigen böhmischen Depu tirten habhaft werden, daß sie mit ihnen wie mit Latour verfahren werden. Als überdieß ein Abgeordneter der Linken den Abgeordneten Jelen dringend erinnerte, seine Landsleute in Sicherheit zu bringen, erklärte ein Anderer: „Jeßt seyd Ihr auf dem Plaße, den Ihr längst verdient habt."- Jelen erbat sich hierauf die Bewilligung der Kammer, für die Sicherheit seiner Landsleute sorgen zu dürfen und, hört Völker Desterreichs, hört Männer Böhmens, der Reichstag gewährte ihnen zwar die Bitte, und gab ihm den Abgeordneten Zimmer zur Ausführung dieser Sicherheitsmaßregeln bey, ließ solches aber über ausdrückliche Bemerfung des Borsigenden Smolka nicht in die stenographischen Protokolle aufnehmen, damit dieß nicht zur Kenntniß des Volkes komme, weil sonst die persönliche Sicherheit der böhmischen Deputirten erst gar gefährdet wäre. Und während dieser gräßlichen Vorgänge fand in dem Restaurations-Lokale des Reichstages, das für Reichstagsglieder eröffnet ist, ein freudiges Champagner-G elage Statt! Und während dieser gräßlichen Vorfälle fiel ein Schuß in das Präsidenten-Bureau durch's Fenster, geradaus auf den Tisch und Siß zu, wo Präsident Strobach zu sigen pflegte!!

Nachdem Sierakowski den Tod Latours gemeldet, rief im Reichstage der Abgeordnete Scherzer mit donnernder Stimme. „Am meisten handelt es sich jezt darum, was nun geschehen soll. (Drohend) Es gibt Mitglieder in der Kammer, denen das Blut der Wiener Bürger eine Bagatelle ist. Ich kenne Mitglieder, welche hier gesagt haben, sie wollten die Kammer nicht betreten." (Furchtbarer Tumult-Kammermitglieder drängten sich um die Tribune — man ermahnte den Redner versöhnender zu sprechen). Ich will also alle Anklagen bei Seite seßen. Ich war an mehreren Punkten der Stadt, und habe dahin gewirkt, daß weiter keine Barrikaden gebaut werden, unter der Bedingung, die der Reichstag beschließt und die Minister proklamiren:

1. Das Militär ziehe aus der Stadt und von dem Glacis weg;

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