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viele schmähliche Aeußerungen. Auf einen Hauptmann von den Bürger-Grenadieren, welcher zufällig über den Hof ging, um über eine Seitenstiege in den ersten Stock zu gelangen, schlug ein Arbeiter mit einer eisernen Stange mit den Worten: auch so ein Schwarzgelber!" welcher Hieb jedoch von einer MilitärKavallerie-Ordonnanz, die sich verspätet hatte, und gerade im Auffißen begriffen war, mit dem Karabiner aufgefangen wurde.

Ein großer Theil des endlich eingedrungenen Volkes stürzte sich unter Anführung des Fizia auf die beiden Kanonen, welche im Hofe standen, und führten fie unter einem wilden Geschrei aus dem Kriegsgebäude heraus, ein anderer Theil stürmte auf der Treppe des rückwärtigen Thores in die Gänge der Stockwerke. Um diese Zeit entfernten sich nach und nach die Minister mit Ausnahme Latours und andere Personen aus dem Kriegsgebäude, und verschwanden unter der Volksmasse.

Als das Thor des Kriegsgebäudes geöffnet wurde, und während die Volksmassen sich in den Gängen herumtrieben, wurden Stimmen der Erbitteterung gegen den Kriegsminister Latour und Justizminister Bach laut, welche die schlechte Presse schon durch mehrere Wochen hindurch auf jede Weise zu verdächtigen suchte, und gegen welche durch die Presse, durch die pangermanistischen, magyarischen und andere Umstürzlinge im Publikum eine bedeutende Erbitterung künstlich erzeugt wurde; kamen die bereits erwähnten Reichstags - Commissionen, darunter die Abgeordneten Smolka, Borrosch, Goldmark, Sierakowski in das Kriegsgebäude, welche die Bürgschaft übernommen, die bedrohten Minister zu beschüßen.

Die Wuth gegen den Kriegsminister Latour gab sich unter dem Volke immer deutlicher kund, ungeachtet der Versicherungen des Abgeordneten Borrosch*), daß er in - - Anklagestand versezt, und der geseßlichen Strafe nicht entgehen werde; nachdem aber das Geschrei des Volkes immer bedrohlicher wurde, hielt er an das Volk eine Rede, forderte es zum friedlichen Auseinandergehen auf, beschwor es, die errnngenen Siege nicht mit Mord zu beflecken, und ließ das Volk durch Aufheben der Hände geloben, daß es das Leben des Kriegsministers schonen werde. Hierauf jubelte die Volksmasse dem Redner zu, Borrosch wurde auf ein Pferd gehoben, und wie bereits erwähnt, im Triumpfzuge durch die Stadt begleitet. - Borrosch war somit nicht mehr im Kriegsministerium. Die andern obengenannten Deputirten jedoch blieben im

Kriegsgebäude noch zurüď. Die erste vom Reichstage abgesendete Commission bestand aus den Deputirten: Bioland, Schuselka, Weznicky und zwei

*) Dieser Deputirte soll ein frisch geschriebenes, mit Sand bestreites Blait mit & atour's Unterschrift in der Hand gehabt haben, woraus der Pöbel geschlossen haben soll, daß der Minister im Hause sey.

anderen Deputirten; die zweite aus den Deputirten Borrosch, Smolka Goldmark, denen sich Sierakowski u. A. anschloßen.

Nachdem jedoch der Lärm des Volkes nur auf sehr kurze Zeit unterdrückt war, und sich neue Volksmassen unter Anführung eines Technikers (...) in das Kriegsgebäude drängten, erblickten die den Kriegsminister umgebenden Generale nur zu deutlich die Gefahr, in welcher sich Graf Latour befand, und baten ihn, sich mit ihnen an das Bataillon Nassau Infanterie, oder an die auf der Hauptwache befindlichen Grenadiere anzuschließen, und sich in eine Kaserne zu begeben, zu welchen sich der Kriegsminister, welcher durchaus keine Gefahr erblicken wollte, nicht herbei ließ.

Endlich riethen die noch anwesenden Reichstags- Deputirten Latour selbst, sich keinen Insulten auszusehen, seine Uniform abzulegen, und sich irgendwo vor dem Volke zu verbergen.

Der Lärm und die Drohungen nahmen immer mehr überhand, und die Stimmen und Aeußerungen welche vernommen wurden, gaben nur zu deutlich zu erkennen, daß das Volk entweder die vor kurzem gemachten Gelobnisse schon vergessen, und solche als eine einfältige Comödie ohne Eindruck blieben, oder daß das Volk durch neue Aufreizungen wieder aufgeregt wurde.

Ein Techniker, Namens Rauch, welcher angeblich zum Schuße Latours herbeigeeilt war, wurde von dem Pöbel mit seiner eigenen Schärpe im Hofe des Kriegsgebäudes aufgeknüpft. Er war schon blau und verloren, da rettete ihn ein Garde der 3ten Compagnie 2ten Bataillons Mariahilf, Namens Koch, welcher die Schärpe entzweischnitt.

Bei den vielen Korridoren nnd Gemächern des Kriegsgebäudes, eines ehemaligen Jesuiten Klosters, verliefen sich wohl die Massen in denselben, dessen ungeachtet war es geboten, für die Sicherheit des Kriegsministers etwas zu veranlassen.

Die Gefahr wuchs mit jeder Minute, so daß der Kriegsminister endlich den Rathschlägen seiner Umgebung nachgab, und sich, da er in Generalsuniform gekleidet war, von seinem Kammerdiener Michael Fischer in Civil umkleiden ließ, wobei er noch in Eile statt seinen Hut jenen des Kammerdieners auffeßte. Sodann begab er sich aus seiner Wohnung im zweiten Stock in das Dachgeschoß des Gebäudes in eine Kammer, welche zur Aufbewahrung von Geräthschaften bestimmt war.

Kurz, nachdem sich der Minister aus seiner Wohnung entfernt gehabt hat, drang das Volk in dieselbe, suchte ihn daselbst, und da sie ihn nicht fanden, durchsuchten sie seine Appartements, nahmen verschiedene Schriften dann Uniformen, Degen und andere Objekte mit sich *). Daß es nicht allein Arbeiter oder

*) Ein Mann steckte ungeachtet der Heiligkeit des Eigenthums" ein werthvolles Rasirs Jeug-Etui in seinen Sack, welches ihm ein Legionär mit der Bemerkung abnahm: Wir sind nicht hieher gekommen, um zu plündern!

gemeine Leute waren, läßt sich aus dem Mitnehmen der Schriften schließen. Ein Legionär ging durch die Stadt gegen die Universität, und zeigte unter Jubel des Volkes die in einem Tuche befindlichen Papiere Latours.

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Der am Hofe des Kriegsgebäudes befindliche Volkshaufe tobte jedoch immer mehr, und mit diesem wuchs auch die Gefahr für Latours Sicherheit; da kam der Hauptmann und Adjutant des Kriegsministers Niewiadomski mit den Deputirten und Reichstags-Vicepräsidenten Smolka, mit der Erklärung des Leßteren, daß mehrere Reichstagsmitglieder den Kriegsminister unter der Bedingung unter ihren Schuß nehmen würden, wenn er seinen Rücktritt vom Ministerium, dem Willen des Volkes nach, schriftlich gebe.

Dieses Anerbieten wurde einigen Offizieren, welche das Versteck des Kriegsministers wußten, und sich in seiner Nähe befanden, mitgetheilt, welche denselben auch von diesem Anerbieten in Kenntniß seßten, worauf Latour sein Versteck verließ, und in einem Zimmer des vierten Stockes seinen Rücktritt aus dem Ministerium mit folgenden Worten eigenhändig niederschrieb: *)

Mit Genehmigung Seiner Majestät bin ich bereitet, meine Stelle als Kriegsminister niederzulegen.“

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Der Reichstags-Vicepräsident Smolka nahm diese schriftliche Erklärung und ging damit hinab, um sie dem Volke mitzutheilen, und dasselbe zu beruhigen. Während dem, als sich Smolka entfernt hatte, bat Major Borberg den Kriegsminister, seiner Sicherheit wegen das Gemach des vierten Stockes wieder zu verlassen und in sein früheres Versteck zurückzukehren, welchem Rathe er erst nach längerer Weigerung seine Zustimmung gab.

Mittlerweile waren jedoch schon mehrere der in das Kriegsgebäude eingedrungenen Menschen, welche sich in allen Gängen desselben vertheilt hatten, Latour suchend auch auf jenen Gang des vierten Stockes gelangt, den der Kriegsminister passiren mußte, um in sein früheres Asyl zu gelangen, daher er sich nicht mehr unbemerkt dahin zurückziehen konnte; er trat daher durch einen kleinen finsteren Gang in ein geheimes Gemach des vierten Stockwerkes. Hierauf kamen die Reichstags-Deputirten Smolka und Sierakowski in Begleitung jenes Legions*Offiziers, welcher einen Arm in der Schlinge trug, eines Nationalgarde-Offiziers und eines bewaffneten Arbeiters zum Major Borberg, und erklärten, daß das Volk sich mit Latours Abdankung durchaus nicht zufriedenstelle, sie sehen daher gekommen, ihn unter ihren Schuß zu nehmen, und sie wollten ihn in das bürgerliche Zeughaus in Sicherheit bringen, bis sich die Gemüther etwas beruhigt haben werden.

*) Die Adankungs- Urkunde Latours kam erst nach mehreren Tagen zur Kenntniß des Publikums weil Smolka darauf vergessen habe.

Es war gegen 4 Uhr, der Volksauflauf wurde immer größer, das Toben lauter und ungestümer, die Gänge waren voll beseßt, man mußte sich durch dieselben drängen; Hauptmann Adjutant Niewiadomski suchte durch das Volk zu kommen, da er für Latours Leben alles befürchtete, hatte ein Blatt Papier in Händen, die Abdankung Latours betreffend, und wollte in den Reichstag, um denselben von der Gefahr, in welcher sich der Kriegsminister befinde, in Kenntniß zu sehen, und Hilfe von demselben begehren; aber er wurde, nachdem die ihn Umrtngenden den Inhalt des frisch mit Sand bestreut Geschriebenen gelesen hatten, von denselben gepackt, angehalten, und unter Androhung des Todes gezwungen, den Aufenthalt des Kriegsministers anzuzeigen, welches er verweigerte, und nach langem Zögern, unter immerwährender Androhung, endlich eine ihm beliebige Lokalität als Zufluchtsstätte des Kriegsministers bezeichnete, um nur los zu kommen.

Ein Theil stürzte sofort nach dem bezeichneten Orte, ein anderer Theil hielt ihn als Geißel gefangen; er wurde in ein Zimmer gedrängt, und selbes förmlich von Volk und Garden bewacht. Hauptmann Niewiadomski ging einige Zeit scheinbar unbefangen in diesem Zimmer, welches einen verborgenen Ausgang durch eine Tapetenthüre hatte, auf und ab, und benüßte einen glücklichen Augenblick durch diese Thüre zu entkommen, kam troß der Verfolgung von Seite seiner Wächter glücklich in die Reichsversammlung, stellte, wie bereits erwähnt, den Reichstagsmitgliedern die Gefahr vor Augen, in welcher sich der Kriegsminister befinde, und bat dringend um Schuß für denselben. Während sich Obiges in den unteren Näumen des Kriegsgebäudes zutrug, hörte der Kriegsminister im 4. Stockwerke die Worte Smolkas und den von ihm gemachten Antrag, worauf er selbst aus dem finstern Gang hervortrat und sich in Schuß Smolkas, Sierakowskis, des Nationalgarde-Offiziers und des Legionärs stellte.

Die kleine Stiege rechts im Kriegsgebäude, die bei dem Brunnen im Hofe ausmündet, und über welche Latour von den Obbezeichneten geleitet wurde, ist sehr schmal, und bei jedem Stockwerke ist dieselbe des Luftzuges wegen mit einer Doppelthür versehen, sein Hinabführen vom 4. Stockwerke aus auf dieser Stiege ging ohnedieß sehr langsam vor sich, und wurde dadurch noch erschwert, daß sich in jedem Stockwerke immer mehr und mehr Individuen von dem in den Gängen vagirenden Volke zugesellte; die Gruppe wurde daher von Stufe zu Stufe immer größer, und der ganze Knäul bewegte sich nur langsam, unter dem fürchterlichsten Geschrei und Drohungen, bis zum Erdgeschoße an den Brunnen. Latour war zwar hart bedrängt, aber bisher unverlegt geblieben.

Im Hofe nächst dem Brunnen stürzte aber das in demselben befindlich gewesene Volk auf die Gruppe los, dieselbe wurde hin und her gedrängt, vergebens gaben sich Smolla und Sierakowski, so wie der vorerwähnte Legions- und der Nationalgarde-Offizier alle Mühe das Leben Latours, der unterhalb eines Gitter

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fensters stand, zu schüßen, sie wurden von ihm weg gedrängt; ein Arbeiter schlug dem Kriegsminister den Hut vom Kopfe, andere fingen an, ihn bei den Haaren zu reißen, er suchte sich mit den Händen zu wehren, welche bereits bluteten; der Hauptmann Leopold Graf Gondrecourt deckte ihn mit seinem Körper, und blutete an den Händen, - endlich gab ihm ein als Arbeiter gekleideter Magyar einen tödtlichen Schlag mit einem Hammer von rückwärts auf den Kopf, und ein Mann in einem grauen Rock mit einem Pioniersäbel einen Hieb über das Gesicht, ein anderer einen Bajonettstich durch die Brust, und so empfing er noch viele Wunden mit allerlei Instrumenten, unter denen er mit den Worten: „Ich sterbe unschuldig!" seinen Geist aufgab. -- Ein Vollsjubel hallte durch die Luft über diese That! — Wiens glorreiche Geschichte ward mit ewiger Schmach gebrandmarkt! So fiel der unglückliche Minister, ein Opfer der durch Magyaren künstlich erzeugten Bolkswuth! — Hierauf knüpften ihn die Mörder mit einer Schnur auf das Fenstergitter. Hier hing der Leichnam etwa zehn Minuten. Die Schnur riß in Folge der mit dem Leichnam verübten Schändlichkeiten. — Darauf schleiften sie ihn, — mehrmal liegen lassend, und auf den Ruf: Militär! entfliehend, dann wieder zurückkehrend, - aus dem Hofe auf den Plaß am Hof vor das Kriegsgebäude, wo sie ihn abermals mit einer Schnur am Gaskandelaber vor der Hauptwache aufknüpften. — Sie stachen und schossen nach ihm, er fiel herab, sie rissen ihm die Kleider vom Leibe und schändeten den Leichnam auf eine unerhörte kanibalische Weise, indem sie ihn entkleidet wie er war verspotteten, verhöhnten und damit alle Gräuel verübten, sie tauchten ihre Sacktücher in sein Blut, und sprangen jubelnd herum.

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Die Grenadiere standen, Gewehr bei Fuß, auf der Hauptwache. Der wachhabende Hauptmann hielt sich an den lezten Befehl des Ministers, nicht einzuschreiten. Ein blonder, etwa 17-20 jähriger Bursche mit aufgestreiften Hemdärmeln in einer weißen Jacke und quadrillirten Beinkleidern, dem Aussehen nach ein Schank- oder Fleischerknecht, verrichtete diesmal das Aufknüpfen mit Zuhilfenahme zweier Militär-Mäntelriemen. So hing er da, Anfangs in Frack und Blouse, dann im Hemd, Unterkleidern und Socken, endlich ganz nackend bis in die späte Nacht. Sie schnitten ihm die Waden und den Hinterleib auf, durchstießen ihn und schoffen mit mehr als hundert Schüßen nach ihm. *) — In den benachbarten Spelunken wurden desselben Abends einzelne Objekte, die Latour trug, als Andenken verkauft.

*) Die Tochter eines Kreishauptmannes soll aus einem Fenster am Hof die entsegerterregende Szene gezeichnet, und keine innere Bewegung des Abscheues zu erkennen gegeben haben. Unglaublich Der intimste Freund des Verfassers verließ seine Geliebte, weil sie jenen Mord billigte. Legtere war aber eine Ungarin,

wenn auch wahr!!

Dr.

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