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aufnehmen worin er auf das Begehren, aus Anlaß des gehörten Pelotonfeuers am Tabor, die Reichstagsmitglieder zu einer abzuhaltenden außerordentlichen Reichstagssitzung am heutigen (6. October) Tage allfällig durch Plakate einzuberufen, erklärte: daß er zwar nicht verhindert sey, die dem Präsidenten obliegenden Berpflichtungen am heutigen Tage zu erfüllen, daß er aber auf keinen Fall eine außerordentliche Sigung auf den heutigen Tag anordnen werde, weil die Feststellung des Tages zur Sigung des Reichstages nur im Einvernehmen mit dem Reichstage selbst geschehen darf, und die Einladung der P. I. Mitglieder zu einer außer ordentlichen Sitzung nicht in der Art erfolgen kann, daß sie in Kenntniß aller Reichstagsmitglieder gelangen könnte, die unterlassene Einladung einzelner Reichstagsmitglieder aber zur Anfechtung der gefaßten Beschlüsse führen würde; übrigens liege auch kein Grund vor, aus Anlaß der eben angeregten Umstände eine außerordentliche Sigung einzuberufen, weil sie wohl die Thätigkeit der Administrativgewalt in Anspruch zu nehmen geeignet seyn dürfte, aber keineswegs jene des Reichstages, als eines constituirenden und legislativen Körpers.

Während der Aufnahme des Protokolls erhielt Präsident Strobach ein Schreiben des Ministers Hornbostel mit der Einladung, in den Ministerrath ins Kriegsgebäude zu kommen, wo ihm nicht unwichtige Mittheilungen gemacht werden würden. Die Mitglieder der Linken verlangten stürmisch die Mittheilung des Schreibens. Die Erklärung Strobach's, er werde in Folge des Schreibens in den Ministerrath gehen, rief unter den Mitgliedern der Linken die höchste Aufregung and die Leußerung hervor, der Präsident habe vom Ministerium keine Weisungen zu erhalten, und ungeachtet Strobach wiederholte, er wolle sich in den Ministerrath bloß zur Einholung offizieller Auskünfte über den Stand der Dinge in der Stadt begeben, ließ sich die Aufregung nicht beschwichtigen, ja man er. klärte kühn, daß man ihn, Präsidenten, nicht fortgehen lasse. Strobach erklärte mit Festigkeit, eine jede derartige Hinderung werde er für ein Attentat auf seine Person erklären, worauf ihm möglich wurde, fortzugehen. Strobach nahm den Vice-Präsidenten Smolka mit, und beim Weggehen haben ihm mehrere von der Linken, von denen bey diesem Vorfalle Löhner, Umlauft, Prato, Zimmer,

Johann Umlauft, R. Brestel, Johann Krause, Dr. Betlowski, Dunin Vortowski, Math. Brandl, Dr. Löhner, Sherzer, Riegler Johann, Joh. Makuch, Johann Micewski, Josef Purker, Ernst Violand ich verwahre mich gegen die, Folgen dieser Verweigerung des Präsidenten Sigung zu halten; Karl Zimmer, Franz Schusella, Durbastevig, Radmilli, Alois Jelen als Zeuge, Dogauer, Stra dal, Sontag, Lazel, Fischhof, Stoda als Zeuge, Hodurek, Trojan als Zeuge, Egid Fritsch, Füster, Josef Fischer, Marin, Mich. Meyer, Georg Meyer, Wazel, Krainski, Longchamps, Carl Wieser, Schriftführer, Carl Ullepitsch, Schriftführer, Richter als Zeuge, Joh. Eichler, Herzig, Bilinski, Hubicki, Smrecker, Giovani a Prato, Hans Kudlich, Jos. Konopka, Felix Stobnicki, Böse, Kanski, Jaruntowski, Skrzynski, Geier, Meindl, Langie, Smarzewski, Noskowski,

Kudlich *), Bilinski, Goldmark, Hubicki, Popiel, Krause, Beckowski vorzüglich thätig waren, mit Hohn nachgerufen: „Gehen Sie! gehen Sie! Sie Präsident!"

Tom Kriegsministerium aus theilte Präsident Strobach ́ einverständlich mit Smolka die von Zeit zu Zeit erhaltenen Nachrichten den Reichstagsmitgliedern mit, während welcher Zeit abermals eine Deputation der Linken den Präsidenten zur Anordnung einer Sigung zu bewegen suchte, was er in gleicher Weise ablehnte. Zu dieser Zeit hatte die Studentenschaft mittelst eines von einer Deputation vorgelegten Zettels an das Ministerium Wünsche gestellt, welche wesentlich darauf ausgingen, den sogleichen Rückzug des Militärs aus der Stadt anzuordnen, am Schlusse der Wünsche stand: Hoch dem Kaiser! Hoch den deutschen Interessen! Diese Wünsche wurden jedoch vom Minister Bach im Namen des Gesammtministeriums mit Festigkeit abgelehnt.

Bald darauf erhielt Strobach eine neuerliche Deputation von Reichstagsabgeordneten, die ihm eine von etwa 50 Gliedern gefertigte Adresse mit dem Ansuchen um Anordnung einer Sißung übergaben, und zur Begründung des Begehrens vorzugsweise geltend machten, daß die Versammlung des Reif stages beruhigend auf das Volk wirken werde, daß es der Würde des Reichstages entsprechender, sey, die Nachrichten über die Vorgänge in einer vollen Versammlung entgegen zu nehmen, und daß nicht zu besorgen sey, der Reichstag werde die Administrativgewalt an sich reißen. Da diese Vorgänge nicht geeignet waren, die früheren Weigerungsgründe zu widerlegen, lehnte Strobach auch dieses Ansuchen ab. Allein gleichzeitig erhielt Strobach durch den Minister Bach ein schon gedrucktes, anonymes Plakat, worin die Mitglieder des Reichstages

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*) Dieser Reichsfagsdeputirte sagte bey Gelegenheit, als ihm die Bauern in Wien einen Fackelzug brachten, in einer Rede zu den Bauern: Ihr kennt die alte Geschichte, die sich aufs Neue dort wiederholt, wo man den Kroaten auf den Uugar Heßt; wo der Czeche in blinder Wuth den Deutschen anfeindet. Bauer, reicht euch die starken Hände. Schließt einen Bund von Haus zu Haus, von Thal zu Thal, von Land zu Land! Slawen, reicht die Hand dem deutschen Bruder, tenn euer Nußen und Schade sind gleich! Dann seyd wachsam! Und wenn der Löwe der Aula wieder ruft bei nahender Gefahr, so laßt die Flammenzeichen rauchen von Berg zu Berg! Ihr werdet kommen und ein Landsturm wird sich erheben, und die Söldner der Tyrannei wie Spreu hinwegwehen! Ihr werdet kommen und nicht dulden, daß man die Studenten, eure braven Jungen, überrumple, daß man über ihre Leichen schreitend, eure junge Freiheit im Schlafe morde!" So sprach Kudlich. Charakteristisch ist die ausgesprochene feindselige Gesinnung gegen die czechischen Slawen und gleich darauf die Slawen sollen den Deuts schen die Hände reichen., Hans Kudlich!

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aufgefordert waren, im Reichstage zusammen zu kommen. Da hieraus offenbar ein Umtrieb zu ersehen und zu besorgen war, daß ohne Wissen des Präsidenten und gegen die von ihm abgegebene Protokollar Erklärung, eine Reichstagssigung dennoch und zwar mit dem weiteren Uebelstande abgehalten werden wird, daß fich Glieder blos einer Partei, Glieder der Reichstags-Minorität versammeln möchten, deren Beschlüsse in der Folge von der Majorität angefochten werden dürften; so entschloß sich Präsident Strobach, eine Zusammenkunft auf 41⁄2 Uhr, jedoch mit der Bedingung anzuordnen, daß die Einladung dazu wo möglich allen und jedem der Reichstagsmitglieder zugestellt, und ihm, Präfidenten, vorbehalten bleiben solle, die Sißung zu eröffnen, oder die Eröffnung zu verweigern, worauf die Deputirten Prato, Schufelka, Potocki, bomirski nebst andern etwa um 3. Uhr abgingen.

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Mittlerweile wurde es in den Straßen tumultuarisch. Massen von Arbeitern mit Krampen, Stangen, Spießen, Gewehren und allerhand Waffen versehen, durchliefen die Gassen und Pläße. Am Stephansplaße schoß Garde auf Garde, der Kampf dehnte sich bis auf den Wildpretmarkt und die Tuchlaubengasse aus, Studenten und Garden von der Wieden hielten förmliche Jagd auf Stadtgarden, das Gewehrfeuer war beiderseits heftig. Studenten *) beseßten, nach Bestätigung des Abgeordneten Tomiček, die Fenster im ersten und zweiten Stock der Häuser gegenüber dem Musikvereinslokale, und Lauerten mit angelegtem Gewehre, wie Menschen in jener Gegend ausdrücklich äußerten, auf die böhmischen Deputirten, deren viele in dem Gasthofe zum Igel zu Mittag zu speisen, und daher das Musikvereinsgebäude durchzugehen pflegten. In den Tuchlauben wurden Barrikaden gebaut, und ein ordentlich gekleideter Mann haranguirte im Angesichte Tomičeks die Bolksmassen, indem er offenen Aufruhr und Haß gegen alle Stawen predigte, hinweisend auf die Begebenheiten im Banate und die Bewegungen der Serben und Kroaten; deutlich war aus seinen Reden seine magyarische Mission zu erkennen.

Der Kampf griff weiter und weiter um sich, am Hofe hörte man Kanonenund Pelotonfeuer, am Kohlmarkt und in vielen andern Straßen wurden Barrikaden gebaut; das bewaffnete Proletariat wuchs zusehends.

Dem Abgeordneten Hawelka wurde durch seine Hausfrau die Kunde gebracht, auf den Straßen herrsche eine außerordentliche, eine schreckliche Aufregung gegen die Czechen, denen man Verrath an der Freiheit zur Last lege; er selbst hörte auf der Straße, wie ein Proletarier dem andern mit Hinweisung auf

*) Sollten das wirklich Studenten gewesen seyn, oder Kossuth's Freunde in akad. Uniform? Legions Uniform und Calabreser trugen verschiedene Subjekte.

einen Zettel vertraulich mittheilte:,, Die Minister müssen aufgehängt werden, der Präsident werde erschossen, und die Rechte werde gesprengt, zu welchem Behufe man mit Waffen auf die linkseitige Gallerie in die Reichstagssigung dringen werde."

Indessen wurden Barrikaden fleißig gebaut und zur Mithülfe alle Kräfte aufgefordert, Präsident Strobach selbst hörte, wie Jemand einen Arbeiter zum Barrikadenbau unter Verheißung einer Belohnung von 10 fl. C. M. aufgefordert. Rieger wurde vom Schriftsteller Lambl gewarnt, indem dieser einen Arbeiter an den Barrikaden sagen hörte, wenn wir nur den Rieger bekommen fönnten, den möchte ich abfrageln.

Aber nicht allein das Proletariat, auch die Nationalgarde äußerte offen ihre Mißstimmung über böhmische Abgeordnete. So hat ein Nationalgardist, Wachtposten beim Reichstage, auf die von mehreren Menschen an ihn gestellte Frage, ob die soeben vorbeiziehende Abtheilung der Nationalgarde gutgesinnt sey, zur Antwort gegeben: Wer kann das wissen? Der Reichstag hat zu wenig Sympathie in der Nationalgarde, und dies nur deßhalb, weil er sich von der Rechten terrorisiren (!) läßt. Verlassen wir indessen die Straßen und sehen wir, was im Reichstagsgebäude vorgeht.

Ordner des Hauses, Jelen, publizirte in der Vorhalle das im Vorstandsbureau aufgenommene Protokoll in Betreff der Nichtabhaltung einer außerordentlichen Szung und ließ den Sißungssaal schließen. Aber Hubicki, polnischer Abgeordneter von der Linken, ließ den Saal wieder öffnen mit dem Rufe, Jedermann habe nun freien Eintritt in den Saal, und Jelen habe nichts weiter zu befehlen. Dazu kommt Scherzer, gleichfalls ein Abgeordneter der Linken, und raisonnirt: Was liegt Strobach daran, daß die Stadt zu Grunde gerichtet und Bürgerblut vergossen wird, wir werden Sißung halten, wir wissen schon, was Ihr Böhmen gegen uns vorhabt*) – Hiebei stand Dr. Schilling mit einem Haufen bewaffneter Fremden und äußerte:,,Ich weiß von Frankfurt her, wie man in einer sol chen Lage zu handeln hat; rechnen Sie ganz auf uns, wir wollen Alles niederschlagen **).“

*) Es wäre doch interessant zu wissen, was denn die Böhmen gegen Scherzer und seire Partei vor hatten? Ohne Zweifel wollten die Böhmen nicht den Sturz der Dr. Gesammtmonarchie.

**) Darunter wurde wohl gemeint, die bedeutendsten Capacitäten der Rechten, so wie Lichnowski und Auerswald zu beseitigen; für einen Gesezgeber etwas zu

Dr.

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Während dessen schickte Scherzer Reichstagsdiener aus, um Deputirte und Stenographen in den Reichstagssaal zu holen, und übergab dem Abgeordneten Mayer eine Vorladung (nämlich jene, die abgedruckt im Kriegsgebäude, wie oben erwähnt, dem Präsidenten Strobach wieder in die Hände kam, um selbe drucken und vertheilen zu lassen.) Jelen, der die Zeit durch anwesend war, hielt Scherzer die gegen die Böhmen gefallenen Vorwürfe vor, und schloß mit den Worten: „Unter solchen Drohungen, da bewaffnete Fremde im Vorsaale sind, kann ich und kein Böhme mit Beruhigung beiwohnen." Allein Scherzer läugnete Dr. Schilling zu kennen. Noch bevor die auf 41⁄2 Uhr vom Präsidenten angeordnete Versammlung der Reichstags-Deputirten Statt fand, war eine große Zahl der Deputirten im Vorsaale versammelt, und Jelen mußte die Aeußerung ruhig anhören: Die Böhmen seyen Verräther, Strobach sey ein Lump; was Scherzer mit dem Beisage bekräftigte, bevor nicht drei von ihnen hängen, sey keine Ruhe zu erwarten! - Hierauf begaben sich die Deputirten, etwa 60 an der Zahl, in den Sißungssaal. Viele forderten, es solle gleich eine wirkliche Reichstagssißung gehalten werden. Da aber weder der Präfident, noch einer von den Bicepräsidenten anwesend war, und mehrere Abgeordnete deshalb auf die offenbare Unmöglichkeit einer wirklichen Sizung hinwiesen, betrat man den Ausweg, sich als eine Privatversammlung anzusehen, und es wurde durch einen verworrenen Ruf Pillersdorff zum Präsidenten und Goldmark zum Schriftführer erwählt, worauf Pillersdorff mit ausdrücklicher Berwahrung, daß die Versammlung kein Reichstag sey, den Präsidentenstuhl einnahm. Jemand von der Linken stellte den Antrag, Journalisten und Galleriegäste zuzulassen; dagegen opponirte Tomek, indem dies keine öffentliche, sondern eine Privatversammlung sey. Sogleich eiferten aber dagegen mehrere von der Linken auf einmal, man sey den Völkern darüber, was da verhandelt wird, Rechenschaft schuldig.

Borrosch insbesondere äußerte: Allerdings sind wir die ordentliche(?), Sißung des Reichstages; denn der Reichstag ist vom Präsidenten einberufen, wir find die ersten Anwesenden u. s. w. Hierauf wies Tomek auf die Uhr hin, welche erst /. auf 4 Uhr zeigte, während vom Präsidenten die Versammlung der Deputirten erst um 41⁄2 Uhr bestimmt sey. Zu dieser Zeit brachte der Publizist Häfner die Nachricht, daß Garden gegen Garden kämpfen. In Anbetracht solcher Zustände, wo ein schrecklicher Bürgerkrieg heftig aufzulodern begann, stellte der böhmische Abgeordnete Weznicky den Antrag, sechs Glieder der Versammlung abzusenden, welche sich mit weißen Fahnen, als Mahnungszeichen der Versöhnung an die Standpunkte des Kampfes zu begeben, und durch ihr Einschreiten dem Bergießen des Bürgerblutes Einhalt zu thun hätten — indem

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