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fehles, daß nicht geläutet werden solle. Hier geschah das Unglaubliche! - Zum Verständniß dieses wichtigen Momentes, wobei die Garden des Kärnthner-Viertels ihre Dienstpflicht erfüllten, muß erwähnt werden, daß eine Compagnie des Kärnthner-Viertels für alle Fälle, sobald in der innern Stadt Allarm geschlagen werde, den Ober-Commando-Befehl hatte, den Stephansthurm zu beseßen, und das allfällige Sturmläuten mit der großen Glocke und überhaupt zu verhindern. Als an diesem blutigen Tage die betreffende Compagnie ihrer Pflicht gemäß den Thurm beseßte, waren vor 1 Uhr Mittags bereits Individuen am Thurm oben und fingen in dem Momente zu läuten an, als der Pöbel solche durch Pfeifen, Heulen und Bellen infultirte und eine Abtheilung der Wiedner Garden unter Commando des Bataillons-Chefs Moser gegen den Thurm anrückte. Da fiel ein Schuß aus einem der nahe gelegenen Gebäude auf dieselbe, welchen ein Student auf einen Garden des Kärnthner-Viertels abgefeuert haben soll (?), worauf die Wiedner Garden des 2ten Bataillons sich in kleine Plänkler-Gruppen auflösten, dieß als eine feindselige Demonstration ansahen, und auf die am Thurm aufgestellten Garden des Kärnthner-Viertels zu feuern anfingen. Die Stadtgarden wurden zurückgedrängt, fie flüchteten in die Kirche, die Kirchenthüre wurde von den Wiedner Garden eingeschlagen. Dek Kampf war heftig, viele wurden am Plaß und in der Kirche verwundet. Unter leßteren Oberlieutenant Ackermann und Lieutenant Dr. Drechler von der 4 Compagnie 3ten Bezirkes in der Kirche schwer verwundet. Ein Garde, welcher am Eingange zum Thurm, in dem daselbst befindlichen Schilderhaus stand, wurde mit vielen Bajonetstichen ermordet während ein Mann, der sich in dem Schilderhaus hinter den ersteren versteckte — unversehrt davon kam.

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Durch den gräulichen Kampf vor und in dem Dome stieg die Wuth des Volkes und der Vorstadt Garden auf's Höchste. Vom Universitäts-Plage wurde eine von den erbeuteten Kanonen auf den Stephansplaß geschleppt. Man richtete dieselbe gegen das deutsche Haus, aus welchen geschossen worden seyn soll, um beim ersten Flintenschuß mit einem Kartätschenschuß zu antworten. Zum Glück ist solches nicht geschehen; aber es entstanden viele Barrikaden in der Stadt in Folge dieses Kampfes. Gleich nach der am Stephansplaß gemachten Decharge begab sich der Plag - Offizier Dunder, der hier im Feuer der Wiedner stand gegen das Rothethurmthor, welches von rebellischen Artilleristen und Infanteristen der Garde und Bürger beseßt war. Kanonen waren bereits aufgefahren, und als derselbe im Auftrage des Ober-Commando das Feuern untersagte, wurde er von Bürger-Artilleristen insultirt, und nur seine besonnene Rede rettete ihn vor Thätlichkeiten, und vor dem angedrohten Hinabstürzen vom Thore. Eine Kürassier- und Infanterie-Abtheilung stand am Schanzelufer, zog sich aber vor das Neus thor, vor welchem solche in einer Entfernung von etwa 200 Schritten Stand hielt.

In Folge der im Innern der Stadt geschehenen Gräuel, erschien nachfolgende Proklamation:

,,Nationalgarden! Das Ministerium hat mit dem schmerzlichsten Bedauern vernommen, daß Nationalgarden gegen Nationalgarden, Bürger gegen Bürger im Kampfe stehen, ohne daß hiezu auch nur der geringste Grund vorhanden wäre. Aus einem solchen Kampfe kann nur Anarchie hervorgehen.

,,Das Ministerium ist daher fest entschlossen, die Ruhe, Ordnung und geseßliche Freiheit aufrecht zu erhalten, und fordert diejenigen Garden, die das Ministerium in seinem Bestreben unterstüßen wollen, auf, sich gegenseitig durch weiße Armbinden kenntlich zu machen. Wien am 6. Oktober 1848.

Der Minister ra th."

Diese an sich sehr gute Verfügung hatte keine Folgen, indem man unter den Garden annehmen mußte, daß die Umsturz-Partei keine Mittel scheue, in Wien eine Revolte hervorzurufen und auch die weißen Armbinden mißbrauchen werde, um Verwirrung hervorzurufen.

Der Kampf vor und in der Stephanskirche war die Ursache, daß sich die Stadtgarden größtentheils von jeder Theilnahme an den Ereignissen fern hielten, und somit der Alles überstürzenden Parthei freieren Spielraum überlassen mußten.

In das Spital der barmherzigen Brüder in der Leopoldstadt wurden 15 Todte überbracht; Verwundete 95, wovon zwei Drittheile tödtlich.

Halb 2 Uhr. Beim Schottenthor wurde um halb 12 Uhr Mittags, wie bereits erwähnt, durch die dort wachhabenden Schottenviertler gegen Vorweisung eines Befehls vom Kriegsminister das Militär, bestehend aus drei Compagnien Pionieren, eingelassen. Sie beseßten Anfangs den Plag am Hof, dann den Graben und Stock im Eisen-Plag. Von einer andern Seite rückten Eisenbahnarbeiter mit langen eisernen Spießen ein; das Militär begann zu tirailliren. Am Stock im Eisenplay stand ungefähr eine halbe Compagnie Pioniere. Diese wurden vom Volle und Garden insultirt. Das war das Signal zum Kampfe. Von Fenstern und Dächern, aus den Seitenstraßen, und zu den Kellerlöchern wurde heraus geschossen; Garden, Studenten und Arbeiter rückten mit wahrer Todesverachtung gegen das Militär an; ein wüthender Kampf entbrannte; das Militär wurde zurück gedrängt, und mußte sich auf den Hof zurück ziehen. Gegen das vordringende Volk wurde aus den Kanonen mit Kartätschen, aber hoch geschossen. Die aufgefahrenen Geschüße am Graben wurden ununterbrochen abgefeuert. Die Kartätschen flogen über dem ganzen Platz, und drangen zu Hunderten mit furchtbarer Gewalt durch die eisenbeschlagenen Kaufläden und in die Mauern. Auch in der Bognergasse wurde mit Kartätschen gefeuert. Viele Garden stürzten am Graben und hier als Opfer der magyarischen Banditen-Politik eines Kossuth's, als weitere Folge des meuterischen

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Schußes meuterischer Grenadiere. Die Kanonen wurden vom Volte genommen. Auf beiden Seiten viele Todte und Verwundete. Der Kriegsminister hatte den Obersten Stockau auf den Plaß geschickt, um dem Feuer Einhalt zu thun ; aber es kam zu spät diese Maßregel. Die Wuth des Volkes war aufs Höchste gestiegen. Am Hofe endete der Kampf mit dem Rückzuge des Militärs.

Am Hofe stand der Bürger-Commandant Schaumburg, der Hauptmann Knoth und eine kleine Anzahl Garden des Bürgerregiments. Knoth hat es nämlich auf Aufforderung der betreffenden Behörden für angemessen gefunden, alle öffentlichen Gebäude und Kaffen durch eine Abtheilung der Bürgergarden beschüßen zu lassen, wodurch die Anzahl der am Hof anwesenden vermindert wurde. Das am Hof befindliche Militär wurde unruhig und versuchte eine Flankenbewegung, worauf sich die Bürgergarden, da sie nicht wußten was das Militär beabsichtige, ins bürgerl. Zeughaus zurückzogen. Hierauf begann ein heftiges Kleingewehr- und Kanonenfeuer in der Nähe des Kriegsgebäudes. Die Grenadiere und Pioniere feuerten wie bereits oben erwähnt gegen die Bognergasse, legtere mit Kartätschen. Nach ungefähr zwanzig Kartätschen-Schüssen retirirte das Militär gegen die Freiung. Der Plaß war gänzlich leer; gleich darauf sammelten sich ungefähr hundert Personen, welche bei einem Fenster des Kriegsgebäudes standen, woselbst ein Student eine Schrift herab las. Die Volksmenge machte verneinende Bewegungen es war die Schrift wegen Einstellung aller Feindseligkeiten. Das Volk konnte aber nicht mehr beschwichtiget werden.

Um dem Leser auch die anderweitigen Ereignisse zeitgerecht vorführen zu können, müssen wir einen Blick auf die Mitglieder des Reichstages werfen. Terrorismus und Zerwürfnisse unter den Reichstags-Abgeordneten.

Während an den Taborbrücken geschossen wurde, und in der Stadt und den meisten Vorstädten eine große Aufregung herrschte, und in der Stadt Blut floß, fiel unter den Mitgliedern des Reichstages Folgendes vor, was einen tiefen Blick auf alle Jene gestattet, welche unter den Parteien am geseßlichen Boden wandelten, welche die Umstürzlinge waren, und endlich, welche in offen ausgesprochenem Hasse gegen die slawischen Nationalen Terrorismus übten und Volksvertreter erscheinen.

als

Im Lesesaal und der Vorhalle des Reichstages waren viele Deputirte ver-sammelt, und die Mitglieder der Linken: Löhner, Hubicki, Borkowski, Goldmark u. a. sprachen von der zu haltenden außerordentlichen Reichstagsfizung. Einige Abgeordnete aus Böhmen erklärten sich dagezen, weil unruhige Auftritte in der Stadt wohl die Thätigkeit der Executivgewalt, nicht aber jene des konstituirenden und legislativen Reichstages erheischen. Löhner forderte die andern auf,

zum Ministerium zu gehen, und als Klaudy und auch Rieger und Brauner diese Aufforderung in Gegenwart dcs Abgeordneten Hawelka ablehnten und fortgingen, rief er: „, ihr Czechen! also ihr geht nicht mit! da steht auch ein Czeche, Hawella! Czeche! kommt mit!" Da es hieß, daß man beim Ministerium nur über den wahren Sachverhalt der unruhigen Vorfälle Auskunft einholen wolle, schloß sich Hawelka an, und es gingen um 11 Uhr Mittags Löhner, Pillersdorff nebst mehreren andern Deputirten, zumeist von der Linken, zum Ministerrath. Es wurde am Wege ausgemacht, daß man sich lediglich auf Anfragen über den Stand der Dinge beschränken, nud auf keine Art in eine Debatte einlassen werde. Beim Ministerrath ertheilte der Kriegsminister Latour auf die von Pillersdorf vorgetragenen Fragen die Auskunft, daß dem Krawall eine bloße Widerseßlichkeit eines Bataillons zu Grunde liege. Dieses sey commandirt, an die ungarische Gränze zu marschiren, wolle aber nicht folgen; es sey natürlich, daß eine solche Gehorsams-Verweigerung nicht geduldet werden dürfe, ansonst alle militärische Disciplin vernichtet, und das gesammte Militär dadurch demoralisirt würde; er glaube daher, als General und Kriegsminister innerhalb seiner Verantwortlichkeit und recht zu handeln, daß er ein anderes Militär aufbot, um das widerseßliche Corps zum Gehorsam zu zwingen, und auch jene Rationalgarden, die sich hindernd hineinmengten, abzuschaffen. Hierauf sprachen mehrere Mitglieder der Linken, Brestel, Prato in dem Sinne, als sey es nicht recht, dem Willen des Volkes entgegen zu handeln; das Volk könne es nicht glelchgültig ansehen, daß hierseitige Truppen gegen Ungarn ziehen sollen, daß man den Bruder zwinge, gegen den Bruder zufkämpfen; insbesondere aber sprach Löhner in einem vorwurfsvollen höhnischen Tone in gleichem Sinne und stellte Fra gen an das Ministerium, so daß er von einigen Deputirten erinnert wurde, man stehe nicht im Reichstage, es sey daher nicht am Plaße, Interpellationen zu stellen.

Hawella erklärte alles Geschehene für bloße Einzelmeinungen, und äußerte seine Gegenmeinung ungefähr dahin: daß jedenfalls das Ministerium die Widerseßlichkeit des Militärs mit allen angemessenen Mitteln zu bewältigen zu suchen hätte, da sonst unabsehbare Wirren daraus entstehen müßten, ähnlich jenen von Spanien, wo das Bajonnet eines Corporals dem Lande die Verfassung die irte, und wo sich dann Revolution auf Revolution häufte. Nach derart gewechselten Reden gieng man in großer Aufregung fort in das Reichstagsgebäude. Daselbst forderten die Mitglieder der Linken mit Ungestüm vom Präsidenten Strobach die Anordnung einer außerordentlichen Sigung.

Strobach wurde schon früher einmal durch einen Reichstags-Deputirten

aufmerksam gemacht, daß die Linke mit der Abficht umgehe, irgend eines schicklichen Tages sich zu einer außerordentlichen Sigung zu konstituiren, und ihn zum Vorfiße dabei zu vermögen, um durch ihre Prävalenz in legaler Art Beschlüsse nach ihren Wünschen zu erzielen.

Am 6. October wurde Strobach schon um 10 Uhr vom Schriftführer Strett eröffnet, daß die Linke eine außerordentliche Sißung des Reichstages haben wolle; Strobach entfernte sich daher, wurde aber von Trojan aufgesucht und darauf aufmerksam gemacht, seine Abwesenheit vom Präsidenten-Bureau würde als Verhinderung des Präsidenten angesehen, und der Zweck der Linken dann durch Eröffnung einer Sißung unter dem Vorfiße des Vice-Präsidenten Smolka leicht erreicht werden. Dieserhalb gieng Strobach wieder in sein Bureau. Als nun um die Mittagszeit das obbesagte ungestüme Begehren von Mitgliedern der Linken gemacht wurde, hat Strobach die Anordnung einer außerordentlichen Sißung standhaft verweigert. Lärmend wurde ihm zugerufen, er werde für alle die schrecklichen Folgen dieser Weigerung verantwortlich seyn. Präsident Strobach beharrte doch bey seiner Weigerung, ließ über diesen Vorgang ein Protokoll *)

*) Dieses merkwürdige Document lautet:

Protokoll, aufgenommen am 6. October 1848 im Bureau des Reichstags-Vorstandes. Anwesende: Die Gefertigten. Es erschienen nachbenannte Reichstags-Abgeordnete: Umlauft, Bilinski, Kudlich, Riegler, Zimmer, Goldmark, Prato, Demel, Hubicki, Janko, Ziemialkowski, Kobilica, Schneider Adolf, Hodurek, Mynarzil Mario, Meindl, Wazel, Smolka, Popiel, Androvich, und stellten aus Anlaß des gehörten Pelotonfeuers am Labor an den Reichstags-Präsidenten Strobach das Begehren, die Reichstagsmitglieder zu einer abzuhaltenden außerordentlichen Reichstogêsißung am heutigen Tage einzuberufen, allfällig durch Plakate.

Präsident Strobach erklärte, daß er zwar nicht verhindert sey, die dem Präsidenten obliegenden Verpflichtungen am heutigen Tage zu erfüllen, daß er aber auf keinen Fall eine außerordentliche Sigung auf heutigen Tag anordnen werde, weil die Feststellung des Tages zur Sigung des Reichstages nur im Einvernehmen mit dem Reichstage selbst geschehen darf, und die Einladung der Reichstagsmitglieder zu einer außerordentlichen Sizung nicht in der Art erfolgen kann, daß sie zur Kenntniß aller Reichstagsglieder gelangen könnte, die unterlassene Einladung einzelner Reichstagsglieder aber zur Anfechtung der gefaßten Beschlüsse führen würde. Uebrigens liegt auch kein Grund vor, aus Anlaß der eben angeregten Umstände eine außerordentliche Sigung einzuberufen, weil sie wohl die Thätigkeit der Administrativ gewalt in Anspruch zu nehmen geeignet seyn dürfte, aber keineswegs jene des Reichstages als eines constituirenden und legislativen Körpers.

Ueber diese Erklärung haben die obigen Herren den Präsidenten für alle Folgen der Verweigerung, eine außerordentliche Sißung einzuberufen, verantwortlich erklärt. Vorgelesen und von den Anwesenden gefertigt.

Anton Strobach, Präsident.

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