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zelnen Balken herüberschritt, wäre er von einem Manne beinahe in die Donau geworfen worden, wenn ihm nicht ein Rittmeister vom Kürassier-Regiment Mengen und der Plazoffizier Reisser beigestanden wären.

10 Uhr Vormittags. Nationalgarden und Studenten beseßten den Eisenbahndamm. In der Tiefe stand die Infanterie vom Regiment Nassau, dann Pioniere und Kürassiere. Sie führten drei Kanonen mit sich. Die Generale Bredy und Frank langten mit denselben an. Das Bataillon deutscher Grenadiere stand auf der großen Taborbrücke inmitten von zahlreichen Nationalgarden. Sie waren gegen 1020 Mann stark.

Auf die erfolgten aufrührerischen Studentenreden schrieen die Massen, es müßten die Grenadiere, die bereits zur zweiten Taborbrücke voranmarschirt waren, zurückgeholt werden. Diese Mission muthete man Braun zu, die er aber ablehnte, worauf Studenten und Garden solches zu thun übernahmen.

Das Militär, welches am rechten Donauufer aufgestellt war, erklärte offen nicht marschiren zu wollen, daher nichts anders erübrigte, als den Rückmarsch anzutreten.

Unterdessen war die Legion am Eisenbahndamme heranmarschirt, um das Militär in die Stadt zu geleiten; allein jener Theil des Militärs, welcher fortmarschiren wollte, vereint mit den Garnisonstruppen, wollte den Weitermarsch erzwingen.

Das Militär, welches den Befehl des Kriegsministers befolgen wollte, die Nationalgarde und die Legion waren am linken Donauufer und der Rückmarsch war bereits beschlossen; allein ein Stabsoffizier, Major Richter, welcher mit einer Abtheilung Grenadiere mit der Fahne vorausgeeilt war, mußte erst berufen werden, indem die anderen Grenadiere ohne ihrer Fahne den Rückmarsch durchaus nicht antreten wollten.

Der besagte Stabsofficier mußte daher erst zum Rückmarsch bewogen werden, welches eine bedeutende Verzögerung herbeiführte, indem sich derselbe durchaus nicht dazu herbeilassen wollte, aber sich endlich doch dazu entschloß.

Am Damm standen, als der Plaß-Offizier Dunder dahinkam, ungefähr 200 Legionäre bewaffnet *) vor der Eisenbahnbrücke aufgestellt, darunter Lieutenant

*) Am Tabor standen an diesem Tage unter Waffen gegen 2000 Mann Militär, die meuterischen Grenadiere inbegriffen. Die bewaffneten Garden und Legionäre zählten weit über 3000 Mann, die bewaffneten Arbeiter nicht mitgerechnet. In Leipzig erschien eine Broschüre: Ursache und Geschichte der Octoberereignisse, von einem Augenzeugen"; dieser Leipziger Auger zeuge erzählt, es hätten sich an der. Taborbrücke am 6. October 150 Mann Nationalgarde, Akademiker und Arbeiter zusammengefunden, von welchen jedoch nur die Akademiker bewaffnet waren. Den Leipziger Augenzeugen muß ich als wirklicher, genannter Augenzeuge auf die zahlreichen Unwahrheiten und Unrichtigkeiten seiner Broschüre mit dem Bemerken aufmerksam machen, daß er durch den Titel „Augenzeuge" als Lügner erscheint. Anmerkung des Verfassers.

Dr. L. A. Frankl. Auf den Allarmschlag in der Leopoldstadt um 7%, Uhr eilte Frankl auf den Sammelplaß seiner Compagnie in die Stadt in den Margare thenhof. Kein Garde da; er ging auf die Aula, wo Legions-Commanda nt Aigner nicht an die Taborbrücke rücken wollte, und erst als die mittlerweile Erschienenen sämmtlich erklärten, allein hinziehen zu wollen, indem die Nationalgarde es als feig und perfide ansehen würde, wenn die Legion nicht erschiene, führte er zu Pferde etwa zwei gemischte Compagnien in den Nordbahnhof, dann bis an die Taborbrücke an. Hier übergab er das Commando dem prov. Corps-Commandanten der Mediziner Dr. Graf, und ritt in die Stadt zurück, wie es hieß, Befehle beim Kriegsminister einzuholen. Jenseits der Brücke, vor derselben war die bereits erwähnte schwache Barrikade erfuhr Frankl erst, daß die deutschen Grenadiere zum Abmarsch nach Ungarn beordert, von den Nationalgarden zurückgehalten werden, und sich zurückhalten lassen. Die Grenadiere standen auf der großen Taborbrücke, die Schienen waren, wie bereits erwähnt, herausgehoben und die Telegraphendrähte zerrissen.

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An der Eisenbahnbrücke redeten Magyaren zu tem Volke: die Kroaten find geschlagen, der Jellačič gefangen, laßt die armen Grenadiere gegen die Ungarn nicht marschiren, denn alle werden niedergemacht von den mächtigen Ungarn.

Die etwa 200 Mann starke Abtheilung Legionäre und die NationalgardeCompagnien der südlichen Bezirke waren ohne eigentliches Commando, eine hinund herziehende Horde. Die Legionäre stellten sich auf den Damm zwischen dem Bahnhofe und der ersten Bahnbrücke in der Nähe derselben auf. Hier fand der Plazoffizier Dunder den Lieutenant Dr. Frankl, und_konnte als Freund nicht unterlassen leßteren darauf aufmerksam zu machen, daß es ein Unsinn sey, den dichten Haufen der Studenten, ohne höheren Befehl, am Damm aufzustellen, um daselbst für eine schlechte Sache wie doch die eidbrüchige Abmarschweigerung der deutschen Grenadiere genannt werden muß zusammengeschossen zu

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werden. Dr. Graf übergab das Commando der Legion weiter an den Hauptmann Kaiser, der einen Zug über die Brücke schickte, um die Grenadiere aufzufordern, mit den Legionären und Nationalgarden nach der Stadt zu ziehen. Kürassiere hielten die Linie besetzt, und außerhalb derselben nahe an der ersten Taborbrücke stand das Bataillon von Nassau Infanterie mit einem Stabsofficier und Adjutanten, dann der General Bredy und einige Kürassiere um ihn. Das Volk haranguirte mit drohenden Fäusten den gedachten vor der Gewehr bei Fuß stehenden Infanterie zu Pferde sigenden Stabsoffiizer Oberstlieutenant Klein, und in der Nähe waren Pulverkarren zu sehen. Der Plazoffizier Dunder sprach sowohl mit General Bredy, als auch mit dem Oberstlieutenant Klein über den Stand der Sache. Dieselben ahnten, in welch' furchtbarer Situation sie sich befinden; gegen das Volk, sagten sie, wollten sie nicht einschreiten, aber die meuterische Abmarsch

Verweigerung der Grenadiere könnten sie noch weniger angehen lassen, es wäre ihnen lieber feindliche Batterien zu stürmen, als hier zu stehen und sich insultiren zu lassen. Eine furchtbare Situation!

Legions-Hauptmann Wutschel kam zu der Legion aus der Stadt zurück, es wurden Patronen ausgetheilt und die Gewehre geladen.

Blutiger Kampf an den Taborbrücken.

Als die voranmarschirte Abtheilung Grenadiere mit ihrem Major zurückkehrte, hieß es allgemein, vom Ministerium sey der Befehl gekommen, daß das Grenadier-Bataillon wieder in Wien bleibe. Nun jubelte Alles und war froh, daß die Sache so gut abgelaufen sey. Alles ordnete sich frohen Muthes zum Rückmarsch. Ein Unteroffizier der Nationalgarde kam zu Braun und sagte: Nun geht doch Alles gut, troß ihrer schlechten Prophezeihung; es war doch gut, daß wir ihnen nicht nachgaben, denn sonst hätten die armen Grenadiere wegmarschiren müssen. Braun gab keine Antwort. Der Rückmarsch begann; Arbeiter voraus, dann Grenadiere, Garden und Volk.

10 Uhr Vormittag. Von Seite des Ministeriums langten mittlerweile die Aufträge an den Ober-Commandanten ein, ungesäumt genaue Mittheilungen über die Sachlage dem Ministerium zu erstatten, zu welchem Behufe der PlagHauptmann Br. du Beine dahin beordert wurde.

Halb 11 Uhr Mittags. Derselbe fand auf dem Hofe vor dem Kriegsgebäude eine Compagnie Infanterie, Pioniere, die gewöhnliche Hauptwache, und innerhalb des Kriegsgebäudes ungefähr zwei Züge Grenadiere vom Bataillon Schwarzel, in den Vorzimmern eine bedeutende Zahl Adjutanten aller Waffengattungen und einige, Staabsoffiziere; in den Zimmern des Kriegsministeriums aber den gesammten Ministerrath versammelt, nämlich den Minister des Aeußern v. Wessenberg, des Innern V. Doblhoff, der Justiz Dr. Bach, des Krieges Grafen Latour, des Handels Hornbostel, den Ministerialrath Dr. Fischof u. a. m., dann die Generale Grafen Auersperg, Csorich, Cordon, Frank u. x.

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Nachdem der Plaß-Hauptmann mehrere an ihn gerichtete, auf die Tagesbegebenheiten Bezug habende Fragen beantwortet, und den abverlangten Bericht erstattet hatte, stellte noch der Kriegsminister die Frage, in wie fern man sich im äußersten Falle auf die Garde verlassen könne, und wie stark dieselbe sey; Fragen, deren Beantwortung auf die weiteren Ereignisse des Tages einen wesentlichen Einfluß zu haben schienen.

In möglichster Kürze brachte du Beine jene Begebenheiten, welche seit den Maitagen auf die Garde nicht nur entmuthigend, sondern sogar demoralifirend eingewirkt haben, dem Kriegsminister in Erinnerung, wies auf die Ereig

nisse des heutigen Tages hin, als Beleg des Mangels aller Disciplin, und sprach sich dahin aus, daß seinem Erachten nach, auf eine kräftige Mitwirkung der Nationalgarde wohl kaum zu rechnen seyn dürfte.

Was die Stärke derselben anbelange, so wiesen die May-Register über 40,000 Mann, die September-Register nur mehr 18,000 Mann nach, und wirklich ausrückende, für die gute geseßmäßige Sache einstehende Garden dürften kaum 6000 gerechnet werden können, und diese in kurzer Zeit konzentriren zu machen, dürfte in Folge der auf die Sarde einwirkenden, sie zerseßenden Einflüsse, eine Unmöglichkeit seyn.

Diese Aeußerung machte auf die ganze Versammlung einen Eindruck, der dem Auge des Gefragten nicht entgieng, worauf nach einer Weile der Kriegsmister sich dahin äußerte, daß ihm somit vor der Hand nichts erübrige, als das Militär vor der Stadt zu konzentriren, bis jene Truppen eingelangt seyn werden, welche er für nöthig gehalten hat, hieher zu beordern, um die gefeßliche Ordnung wieder herstellen zu können.

Kurz nach Beendigung dieser Verhandlung erschien auch eine Deputation der Nationalgarde, Studenten und Bürger mit dem Ansuchen an den Kriegsminister, er möge den Abmarsch-Befehl des deutscher Grenadier-Bataillons zurücknehmen, welches er jedoch entschieden zurückwies, und der Deputation erklärte, daß wenn sie nur einige militärische Kenntnisse besäße, sie einsehen müßte, daß dieses zu thun nicht in seiner Macht stehe, indem er wohl einer Truppe nach befolgtem Befehle Contre-Ordre geben könne, aber aufständischem Militär einen Befehl wegen Weigerung des Vollzuges zurück zu nehmen, würde alle Bande der Disciplin vernichten.

11 Uhr. An den Taborbrücken. Nachdem die Pioniere die Barrikade abzureißen und die Brücke herzustellen begonnen hatten, bemerkte der Plazoffizier Reisser am Standpunkte der Legion einen alten Mann (Grigner), mit einem Calabreser auf dem Kopfe, wie er einige Arbeiter anstiftete, und dabei auf die Kanonen mit der Hand hinwies. Daraus besorgte Reisser einen Anlaß zu einem Conflicte mit dem Militär, und zog sich in Folge dessen über die Eisenbahnbrücke zurück; während dem aber sah Reisser schon einige Arbeiter und anderes Volk auf die Kanonen zustürzen und mit einem Pulverkarren davon eilen. Der commandirende Artillerie-Offizier eilte ihnen eine Strecke nach, kehrte aber wieder um, und die Arbeiter wiederholten den zweiten Angriff, um dem Militär eine Kanone wegzunehmen; als sie aber die Kanone pakten und damit davon rennen wollten, kommandirte General Bredy, Feuer! Nassau- Infanterie gab eine Decharge; im Nu lagen Verwundete und Todte am Plag und am Damm. Die Legionäre erwiederten die Decharge. Bei dem ersten Dechargieren fiel General Bredy vom Pferde, welcher mit dem Rücken gegen die auf der hölzernen

Brücke stehenden Grenadiere gekehrt war, durch einen Schuß eines unter ihnen stehenden Studenten von rückwärts durch den Kopf, und einen Schuß in die linke Seite.

Alles floh mit Geschrei theils über die Brücken zurück, theils rechts von der Brücke gegen den Eisenbahn-Damm, die meisten rückwärts zu den Holzhütten und Bäumen, und es begann ein mörderisches Plänkeln. Ein unbewaffneter Volkshaufe, der zwischen diesem Feuer stand, entfloh und warf die auf dem Damme stehenden Garden der akad. Legion in den Graben. Hinter dem Damme, durch denselben geschüßt, unterhielten die Garden der akad. Legion ein heftiges Feuer gegen das Militär. Ein Mann (angeblich der ehemalige Offizier Unter...) feuerte eine der genommenen Kanonen mittelst eines Zündfidibus gegen das Militär ab.

Das Militär wollte den Damm mit Sturm nehmen, wurde jedoch zurückgeworfen, und gleichzeitig im Rücken von den vom linken Ufer der Donau über die beiden Brücken heranrückenden Nationalgarden und Grenadieren angegriffen. Ein Legionär fank neben Frankl todt nieder, ein zweiter ward zweimal durch den Arm geschossen, und während die Feuer kreuzten, wurde Frankl von zurückdringenden Garden vom Damme heftig hinunter geworfen. Sein linker Arm war gelähmt. Ein Mann lag ohne Uniform durch die Brust geschossen todt. Ein Grenadier lag da von einer Kugel getroffen, Frankl rief seinen Kameraden Windberg, der zog die Kugel, die zwischen Rippen und Haut gefahren war, heraus. Ein Theil der jenseits der Brücke befindlichen Grenadiere, ungefähr zwei Züge bildend, zogen sich, sowie auch der Plaß-Offizier Reiffer in die Au zurück, um am Kampfe keinen Antheil nehmen zu müssen. Leßterem wurden zwei Kugeln nachgesendet. Die deutschen Grenadiere, Garden und Legionäre unterhielten eine halbe Stunde lang ein so lebhaftes Feuer, daß sich das Militär mit Verlust dreier Kanonen zurückziehen mußte.

Die Nachricht verbreitete sich blißschnell in der Stadt. Gleich nach Beginn des Feuers fuhr ein Mann in Legions-Kleidung in einem Fiaker in Cariere durch die Jägerzeile und Bischofgasse und schrie, mit der einen Hand eine Kanonenkugel herauszeigend:,,Sie schießen mit Kanonen, Volk von Wien, akademische Legion, zu den Waffen!"

Gegen 30 Todte lagen am Plage zwischen den Brücken am rechten Ufer der Donau. Oberstlieutenant Klein stürzte tödtlich verwundet vom Pferde. Nassau erlitt einen bedeutenden Verlust, und es wurden den Gefallenen viele Gewehre abgenommen. Ebenso bedeutend war der Verlust der Garden und Legionáre. -Eine Kanone wurde von Arbeitern ins Wasser gestürzt. Schaudervoller Anblick! Der Plaß war mit Leichen und Verwundeten der Soldaten, NationalGarden, Studenten und Volk bedeckt! - Gräßliche Folgen der Aufwieglung

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