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doret's, Papst Julius habe die Appellation des Athanasius fraft eines kirchlichen Gesezes angenommen, und die Stelle im Schreiben dieses Papstes selbst, in welchem gesagt ist, die Nicäner Bischöfe hätten mit Recht gestattet, daß die Beschlüsse einer Synode von einer späteren wieder geprüft werden dürften, die bedeutendsten. Hefele hat zu dieser Stelle bemerkt, es sei hier nicht gesagt, daß die Nicäner Väter einen Canon in der erwähnten Sache erlassen hätten, sondern wohl nur gemeint, sie hätten durch ihr eigenes Beispiel die Prüfung älterer Synoden erlaubt, indem sie selbst die arianische Sache wieder vornahmen, obgleich sie bereits zu Alexandria entschieden war. Die Aussage Theodoret's, deren Hefele nicht erwähnt, ist wohl aus einer Verwechslung der Synode von Nicäa mit der von Sardica entstanden.

Eine solche Verwechslung hat nicht bloß, wie man bisher bei der Entscheidung des Papstes Zosimus in der Sache des Apiarius angenommen hat, dadurch entstehen können, daß die Canones von Nicäa und Sardica ohne Unterscheidung an einander geschrieben waren, und legtere mit fortlaufender Zahlenreihe gleichfalls als nicänische Canones aufgeführt wurden, sondern wurde auch dadurch begründet, daß sardicensische Canones ohne Verbindung mit den nicänischen Cas nones in alten Handschriften als nicänische bezeichnet wer den. Dieß ist der Fall in einer gegenwärtig auf der StaatsBibliothek zu München befindlichen Handschrift, welche Amort dem achten Jahrhunderte zuschreiben wollte, wie in einer Freisinger Handschrift, welche dem folgenden Jahrhunderte angehört. In beiden ist neben der ersten Synode von Nicäa und der von Sardica noch eine dritte vorhanden.

In beiden finden sich nämlich zweiundzwanzig größtentheils sardicensische Canones unter der Ueberschrift: incipit concilium Nicaenum XX. episcoporum, qui in graeco non habentur, sed in latino esse inveniuntur tantummodo. Dies

XXXVIII.

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ses von Amort in feine elementa juris canonici (Augustae Vindelicorum 1787. 4. T. II. p. 247) aufgenommene Aktenstück hat bisher keine Beachtung gefunden, obgleich es die Verwechslung der beiderseitigen Synodalbeschlüsse von Seite eines Mannes wie Papst Zosimus noch einfacher erklärt, als die oben erwähnte mangelhafte Beschaffenheit der Handschriften. Hinsichtlich der Zahl der Canonen des Concils von Nicäa dürfte die gepflogene Untersuchung mit der Arbeit Hefele's erschöpft seyn, wohl aber ergibt sich andererseits, daß die Verordnungen des Concils, wie die über die Osterfeier, die über Meletius und seine Anhänger, nicht alle in amtlicher Ausfertigung auf uns gekommen sind.

Als Legaten des Papstes auf dem Concil werden die Priester Vitus, Vincentius und der Bischof Osius von Cordova angeführt. Wir möchten dagegen auf die Beiträge zur Kirchengeschichte von Frohschammer verweisen (Landshut 1850 8.), in welchen in einer eigenen Abhandlung über den Vorsit auf dieser Synode mehr als wahrscheinlich gemacht ist, daß Vitus und Vincentius, die beiden römischen Priester, zwar als Legaten des römischen Bischofes bei dem Concil von Nicäa gegenwärtig gewesen seien, nicht aber den Vorfiß führten, dagegen Osius, Bischof von Cordova, zwar den Vorsiß, nicht aber in der Eigenschaft als römischer Legat geführt habe.

LV.

Der Roman:,,Eritis sicut Deus" *).

Schon der Umstand, daß in diesen Blättern von dem genannten Romane die Nede ist, wird genugsam andeuten, daß man es bei ihm nicht mit einem gewöhnlichen literarischen Produkte dieser Art, wie sie für das gemeine Lesebedürfniß zu Dußenden erscheinen, zu thun habe, sondern daß er von anderer Art und anderem Gehalte sei, und ein höherer Zweck ihm zu Grunde liegen müsse. In der That verfolgt dieser Noman kein anderes Ziel als dieß, die Hegelischpantheistische Philosophie in ihrem Einfluß auf das Leben zu charakterisiren, in ihrer Wirkung und Modifikation in vers schieden gearteten Naturen darzustellen. Insbesondere aber schildert er uns das Ringen eines tieferen, ursprünglich religiös gestimmten Frauengemüthes mit der Weltanschauung der Hegel'schen Philosophie, das Unterliegen desselben, das Entwurzeln einer anima naturaliter christiana aus allem religiöfen Glaubensgrund und die endliche Errettung derselben. Alles, nach dem Bekenntniß des Verfassfers, vom Standpunkte eines gläubigen Protestanten.

Wer den großen Einfluß der pantheistischen Philosophie in der Gegenwart kennt, einen Einfluß, der sich nicht nur

*) Eritis sicut Deus, Ein anonymer Roman. 3 Bde. 2. Aufl. Hamburg. Agentur des Rauhen Hauses. 1855.

auf die gesammte Wissenschaft, insbesondere auf die Theologie erstreckt, sondern, zumeist durch die belletristische Literatur, auf die ganze Weltanschauung des größeren Theiles der Gebildeten in negativer, den Glauben zerstörender Weise, der wird ein solches Unternehmen nicht anders denn als ein zeitgemäßes betrachten, und es als sehr dankenswerth erachten, daß es mit so viel Einsicht und Geschick zu Ende geführt ward, wie es im genannten Roman geschehen.

Um eine Vorstellung von der Behandlungsweise des Themas zu ermöglichen, wird es nothwendig seyn, uns die Hauptpersonen und den Verlauf der Geschichte selbst zu vergegenwärtigen.

Der Verfasser beginnt damit, uns zwei Mädchen, eingetreten in's jungfräuliche Alter, vorzuführen, und nach ih ren Eigenthümlichkeiten in einem Zwiegespräche zu kennzeichnen. Es handelt sich dabei vorzüglich um ihre weitere Ausbildung, um die Mittel und Wege dazu, und unter Anderm insbesondere darum, ob man mit Ehren wohl die großen deutschen Dichter der Neuzeit, Göthe und Schiller lesen könne und dürfe. Die Eine, Leonore, eine geschäftige, praktische Natur, nimmt das etwas leichter, die Andere, Elisabeth, die eigentliche Heldin der Geschichte, von tieferem, finnenden Gemüthe, ist in dieser Beziehung ängstlicher, obwohl sie von ihrem Vater, einem ernstgesinnten Philologen, der sie bei seinem Tode als Doppelwaise zurückgelassen, schon vielfach vorbereitet worden für solche Lectüre, da sie durch ihn sogar mit seinen Klassikern einige Bekanntschaft gemacht, und selbst die mythologischen Darstellungen ihr nicht fremd geblieben waren. Dennoch hat sie kein rechtes Zutrauen zu den gefeierten Dichtern. Ueber Schiller äußert sie: „Er ist so ernst in seinem Streben, so würdig, daß er wohl den meisten Menschen zusagen muß. Aber eines unter seinen Gedichten kehrt mir das Herz im Leibe um, und das sind seine Götter Griechenlands. Ich kann jenes Gedicht gar nicht lesen, ohne daß

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mich ein Krampf faßt — ich weiß nicht, ist es Ingrimm oder ein Krankheitsgefühl ein Schreien in meiner Seele um meinen Gott, dem solches Unrecht geschieht." Auch bei Göthe, an dessen Lectüre sie sich mit Zagen gewagt, und der sie durch Einfachheit, Natürlichkeit und Wahrheit so sehr ans spricht, findet sie neben all dem Schönen doch wieder Manches, was ihr nicht so ganz gefällt, ja manchmal nehme das Schöne selbst unvermerkt eine Wendung, vor der sie erschrecke, die fie verwirre und ängstige. Auch Shakespeare", bemerkt sie, „ist mir ein Wunder voller Geheimnisse, voller Herrlichkeiten. Aber vor Kurzem sagte einmal ein Mann, vor dessen Urtheil ich Respekt habe: man hätte allen Grund, den Frauen übel zu nehmen, wenn ihnen Göthe und Shakespeare gefielen. Du kannst dir denken, wie ich erschrack, und wie es mich seitdem quälte, daß sie mir eben doch gefallen."

Das Unglück führt sie bei solchen Bedenklichkeiten mit einem fanatisch- pietistischen Pfarrer zusammen, der in das Haus ihres Dheims und ihrer Tante gekommen war, und der auf ihre schüchterne Anfrage hierüber in roher und vers legend anzüglicher Weise sich hierüber ausläßt, kurzweg die Dichter verwerfend und verdammend. Beide Mädchen fühlen. sich, wie zu erwarten, vielmehr gekränkt, statt belehrt oder gewarnt, und find geneigt zu bestimmter, entschiedener Opposition gegen die Ansichten und Urtheile des unverständigen Fanatikers und schlechten Menschenkenners, mochte ihnen auch immerhin ihr Gefühl sagen, daß doch auch einiges Wahre in seinen Aussprüchen enthalten sei. In solcher Stimmung war Elisabeth, als, nachdem ihre Freundin, die nur auf Besuch bei ihr gewesen, fie bereits wieder verlassen, das Geschick den Helden der Geschichte, Robert Schärtel, in ihre Nähe führte.

Er ist ein junger Philosoph aus Hegels Schule, im Vollbewußtseyn der Höhe seines philosophischen, absoluten Standpunktes, und vor Allem Aesthetiker, der nach manchen

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