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vnd der sun. vnd der h. gaist. amen,« ist immer derselbe oder ein ähnlicher. Die Erklärungsweise des Evangeliums und die Beweisführung sind, wie jene Zeit sie liebte, meistens allegorisch *). Nemlich schon in den Evangelien, in den an Christus in Erfüllung gegangenen Vorbildern des alten Bundes, und in den Schriften der Apostel ihre christliche Grundlage habend war diese Erklärungsweise später durch Clemens von Alexandrien und vorzüglich durch den sogenannten Vater der Mystik, Origenes, zu besonderm Ansehen gelangt, und hatte bei den Orientalen in Hippolytus, Makarius, Basilius, Gregor von Nazianz und Andern, bei den Occidentalen dagegen in Ambrosius, Augustinus, Leo, Gregor dem Grossen, Beda, Alkuin, Hrabanus Maurus, Otfrid von Weissenburg und Williram, Abt zu Ebersberg, um auch aus der deutschen Literatur einige Beispiele anzuführen ihre Verehrer gefunden. Und Wer möchte behaupten, dass diese Sprache der Allegorie nicht auch schon tief in der Menschennatur gegründet sey? Sprechen und verstehen wir sie denn nicht Alle diese Sprache, wenn wir auf unsern täglichen Spaziergängen mit der Natur Gottes über tausend und aber tausend Formen ihrer Reiche und mit dem gestirnten Himmel ober uns in ein geistiges Zwiegespräch uns einlassen? Sprechen wir sie nicht oft, und verstehen wir sie nicht diese Sprache, wenn wir das grosse Buch der Geschichte vor uns aufschlagen, nicht um einen reichen Vorrath von einzelnen Fakten in der Vorrathskammer unseres Gedächtnisses zu unserer und Anderer Belustigung und Ergötzung aufzuspeichern, sondern um heilige Prophetenworte aus dem geweihten Munde dieser ernsten Lehrerin und Richterin zu vernehmen? Von dieser allegorischen und mystischen Deutung macht also der Verfasser unserer altdeutschen Homilien beinahe überall Gebrauch, und freilich mehr, als wir nach unsern heutigen Ansichten über den

*) „Litera gesta docet, quid credas allegoria, Moralis quid agas, quo tendas anagogia," waren die damaligen Gedächtnissverse zur Andeutung der verschiedenen Interpretationsarten. S. Alzog, Universalgeschichte der christlichen Kirche, Mainz 1841. 8vo. S. 410.

Werth des Wortsinnes es wünschen. Besonders beruft er sich häufig auf Ereignisse des alten Bundes, die er sodann in diesem Sinne deutet. Bei solchen Berufungen auf Begebnisse des ́alten Bundes citirt er mitunter eine poetische Bearbeitung derselben in lateinischen Distichen unter dem Titel Aurora. Z. B. Dominic. III. post Epiphan., bei Erwähnung der göttlichen Bestrafung David's wegen seiner Hoffarth, kommen drei Stellen daraus vor:

»Aurora: Ecce trium rerum tibi rex datur optio: septem
Annis vexabit teque tuosque fames;

Aut tribus instantes patiuntur mensibus hostes;
Aut per tres currit pestis ubique dies."

Und bald nachher: »Davon stet gescriben in aurora:
Milia multa ruunt terque quaterque decem;"

und gleich darauf:

„In me verte malum; scelus hoc, opus hoc, onus istud.
Rex, non grex; pastor, non mea fecit ovis."

Dominic. XVII. post Pentecost. heisst es: »vnd davon stât da gescriben:

Moyse levante manus Josue victoria cedit;

Dumque remittit eas victus ab hoste redit."

Diese Aurora, ich gestehe es, kenne ich nicht.

Auch die Theophilussage

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S. darüber Mone im Anzeiger 1834. Sp. 266. ffg. kennt unser Prediger, wie folgende Stelle aus der Homilie Dominic. V. post Pascha beweis't: »Ez waz etlicher sunder der gotez niht allaine ferlovgent. er ferlovgenti och der zarten kuneginne. S. Marien. vnde dar zuo allez himelschen hêres. als Theophilus. sich der hat gotez. vnde siner zarten muoter. vnd alliz himelschez hêres ferlovgent. vnd dar zuo hat er fersworn dac er si niemmer noch niemmer angeruofti vmbe chainer sclahte nôt. vnd dez hater dem tiefel brief und hantuesti gegeben. vnd die waren gescriben mit sinem aigen bluot. sich der chom dez och wider. vnd ferdienet vmbe Mariam gotez muoter. dac si ze sinem ende chom. vnd dac si sin sele enphie.<< Diese Bevorwortung der Herausgabe von Proben alter Predigten, welche dem Sprachforscher auch manches, in den bisherigen Glossarien noch nicht

vorkommende, Wort darbieten, schliesse ich am Besten mit Mone's *) Worten: »Man liest kaum die neuen Prediger, wie mag man die Lesung der alten empfehlen? Das kann aus Gründen geschehen, die nicht zu verachten sind. Während die jetzigen Predigten sich nur durch Inhalt und Darstellung Leser erwerben, verdienen die alten nicht nur dadurch, sondern auch aus andern Rücksichten unsere Beachtung. Was nemlich die alten Predigten vor den neuen voraus haben, ist ihre einsame Stellung in der Geschichte unserer Volksliteratur. Heute zu Tage ist die deutsche Prosa zu jedwedem Gebrauche gebildet, es hat ihr nicht an Gelegenheit gemangelt, durch Philosophie eine syntaktische Vollkommenheit zu erreichen, und die Anlässe zur rednerischen Darstellung mehren sich überall. Beides hat dem frühern Mittelalter fast gänzlich gefehlt, und war auch im spätern selten: es gab keine deutsche Philosophie und keine deutsche Rede als die Predigt; in dieser war die Philosophie und Beredsamkeit in deutschem Gewande vereinigt, und die Darstellung musste volksmässig werden, weil die Predigt für das Volk bestimmt war. In diesen wenigen Bemerkungen liegt die ganze Bedeutung der alten Predigten für die Bildung der deutschen Prosa und diese Bedeutung ist wahrlich nicht gering zu schätzen. Zur schriftlichen Prosa kamen wir erst durch das Christenthum, die ältesten Versuche waren Uebersetzungen, und zwar der Bibel, die Treue forderte und der teutschen Sprache nicht immer den natürlichen Lauf liess. Besser dafür geeignet waren dogmatische Schriften, und der altdeutsche Isidor ist ein schöner Beweis der freiern Bewegung des Ausdrucks. Notker und die St. Galler Erklärer der Alten lieferten hauptsächlich Scholien und waren noch nicht im Stande, mit ihrer Sprache den Stoff zu beherrschen, sondern mussten zu lateinischen Mischungen ihre Zuflucht nehmen, wodurch die deutsche Satzstellung unvollständig und darum oft zweifelhaft blieb. Eine andere Bewandtniss hatte es mit den altdeutschen Predigern, sie mussten zwar auch einen lateinischen Kirchentext (die Perikopen) zu Grund

*) Im Anzeiger 1838. Sp. 268. fg.

legen, konnten sich aber weder mit einer Uebersetzung begnügen, noch darüber mit einigen Scholien in gemischter Sprache wegkommen, sondern mussten über den Text einen deutschen Vortrag halten, und sich auf Untersuchung und Beweisführung in ihrer Art einlassen. Dadurch wurde die Sprache zur Dialektik herangebildet, das Verhältniss ihrer Sätze, die Beziehungen ihrer Satztheile erhielten zum Behufe der Forschung und des Beweises eine festere Bestimmung als es bei der dichterischen Darstellung thunlich war u. s. w.«

Den Schluss dieser hier mitzutheilenden älteren deutschen Sprachdenkmale soll ein Gedicht machen, »dass geistliche Vogelgesang (No. IV.). Es ist dasselbe in eine alte Ausgabe von Friedrich von Spee's Trutznachtigall, welche mir Herr Rechtskandidat Gustav Wittmer, Sohn meines Herrn Collegen Professor Wittmer, freundlichst zum Geschenke gemacht hat, mit noch andern religiösen Gedichten hinten eingeschrieben. Im Tone hat es, einige spasshafte Züge abgerechnet, manches Aehnliche mit Spee's Dichtungen. Da die von Aug. Stöber aus Strasburg im Morgenblatt 1833. gelieferte Mittheilung nur unvollständig ist, so theile ich es hier ganz mit. Nach Strophe 16 zu schliessen war der Verfasser jedenfalls kein Schwabe. Uebrigens heissen die Ackerfrösche heute noch beim gemeinen Volke unserer Gegend »Schwaben.« Woher? Etwa von der untern gelben Haut der Froschschenkel, die an die gelben ledernen Beinkleider der schwäbischen Bauern erinnert? So musste der edle Volksstamm der Schwaben, auf den Deutschland von jeher besonders stolz seyn durfte, früher in ähnlicher Beziehung manche Missachtung erdulden. Ich erinnere beispielsweise nur an Geiler's von Kaisersberg christliche Pilgerschaft S. CCVII. Col. 3 und 4, und S. CCVIII. Col.1. der Basler Ausgabe. - Den Text gebe ich getreu nach der Handschrift, doch mit beigefügter Interpunktion, welche, den Endpunkt jeder Strophe ausgenommen, darin fehlt.

I.

(S. Marci Evangelistae.)

di buch heizint pestem igwinariam 1). er bestunt 2) di lute umbe di hegetruse 3). und an dem dunnen also der steche mit eime spere. oder mit eime pfile. und also schire so siz bestunt. so musten si sterben. Di not di was michel 4). unde daz lut uil nider alse ez uul were. Do vur der babist zu. der vor sancte gregori in was. der hiz pelaius. unde was ein redelich man. und ein gut man. unde manete daz lut. unde hiz beide paffin unde leien. muniche unde nunnen mit den crucen gen. unde mit deme heilicduome. unde hiz si got biten daz di groze not gestillet wuorde. daz inhalf 5) alliz nit. under des daz si mit den crucen gingen. wullin unde baruuz so quam ein wetir und ein durneslac. unde sluc den babist selben zv tode. unde diz lut wart zestovbit. also di schaf so si den hirthe verlisent 6). Jdoch nach der wisen herren rathe di da zv rome warin. So geuilen si gemeinliche daran daz si sancte gregorium kuren zu einem babiste. der waz ein edil man. und ein gut

1) Verschrieben statt inguinariam. 2) Bestên: treffen, befallen. 3) Schamseite. 4) Gross. 5) Das in vor half gehört noch zur Negation, ähnlich dem Französischen ne. 6) VerlieDiese ausserordentliche Sterblichkeit schreibt Jac. Twinger von Königshoven (S. 169. edit. Schilt.) einer ungeheuren Ueberschwemmung in Italien zu, welche die Leute an Noe's Zeiten erinnerte.

ren.

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