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ALLGEMEINE LITERATUR ZEITUNG

Montags, den 10. April 1791.

VERMISCHTE SCHRIFTEN.

LEIPZIG, b. Köhler: Leben des Grafen von Zinzendorf, Stifter der Brüdergemeinen, von Gottl. Benj. Reichel, Kandid. d. Minister. 1790. 343 S. g. (20 gr.)

Graf

raf von Zinzendorf gehört in mancherley Rückficht zu den merkwürdigsten Männern unfers Jahrhunderts. Ein Kavalier, der durch Geburt und Verwandschaft zu den ersten Staats-Aemtern fich berechtigt glauben konnte, und nichts von Jugend auf, fo fehnlich wünschte, als Prediger zu werden; ein Mann, der foviel Geifteskraft mit fo fonderbaren Schwächen, foviel Standhaftigkeit mit Schwärmerey, foviel Ehrgeiz mit Selbftverleugnung vereinte ; der fein ganzes Leben hindurch, bald an einem üppigen Hofe, bald im Kreis von Gefchäften, bald auf der Reife, bald in feinen eignen Anpflanzungen, jetzt verfpottet, jetzt fogar verbannt, jetzt wieder bis zu den Wolken erhoben, immer nach einem Ziele und zwar nach einem religiöfen hinftrebte; mit Priestern und Höflingen, Atheisten und Orthodoxen, gleich unerschüttert ftritt; in feiner Lehre bald allzu indifferent, bald allzubuchstäblich fchien; in feinen Planen jetzt fo befcheiden, und jetzt fo allumfaffend fich zeigte; in ihrer Ausführung weder Mühe noch Schmach, weder Verluft noch Drangfal fcheute; der nach fernen Ländern, nach andern Welttheilen fo gelaffen, wie in die nächste Stadt, oft ohne Geld und Ausficht, reifte; nichts feyn, nichts heissen wollte, und doch foviel unternahm; ein folcher Mann ist auch schon einzeln genommen, gewifs eine merkwürdige Perfon. Wenn man ihn aber vollends als den Stifter einer Gesellschaft betrachtet, die, fo fonderbar wie er felbft, Miffionseifer mit Kaufmannsgeift, Religiofitat mit Speculation vereint; die fich eine Brüdergemeine nennt, und über Verfendung, Haabe, Heyrath und Willen ihrer Mitglieder oft despotifcher, als mancher Fürft über feine Soldaten fchaltet; die in Sibirien und St. Thomas, in Grönland und Aegypten, in Labrador und Afien fich anzubauen wufste, die mit fehr leisem Schritt und mit fehr leifer Sprache doch meistens überall durchdrang; den Namen der proteftantischen Jefuiten fchon oft erhielt, und auch vielleicht verdiente; ja, die noch jetzt das Publikum in Ungewissheit läfst, was ihr angelegentlicher fey: Religion oder zeitlicher Gewinn? - Wenn man fich erinnert, dafs durch eben diefen Zinzendorf Herrn hut gegründet ward; diefer feltfame Flecken, der fchon mehr als manche fürftliche Hauptstadt bewirkte, der fchon in fo mancher Colonie fich vervielfältigte, und jeder gleichfam fein eignes Bild, feinen eignen Zuschnitt initgab; ein Ort, der gewifs einen eigenthümlichen Eindruck auf jeden macht, der ihn zuerft fieht, und auch manche A. L. Z. 1791. Zweyter Band.

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allmählich feffelte, die feiner anfangs fpotteten; ein Handfungsplatz von mehrern Millionen an Waaren und Gelde, und über den man doch noch ftreitet, ob er dem Lande, wo er blüht, schade oder nütze; ein Ort, wo Männer und Weiber aus allen Ländern zufammenfliessen, wo man aber keinen Soldaten, keinen Bettler, kein Freudenmädchen, keinen Stutzer und keinen Müffiggänger findet; wo man nur Mufik bey Gottesdienft und bey - Begrabniffen hört; wo alle Leidenschaften zu schweigen schei nen; aber jede Anstalt von Fleifs, und Ordnung fpricht; Wenn man dies erwägt, und den Urftoff aller diefer Seltenheiten in Zinzendorfs Leben zu entdecken hofft; dann mufs man freylich wünschen, dafs diefer feltne Mann auch einen würdigen und unparteyifchen Biographen finde. Seine Feinde haben ihn cft genug als einen Heuchler, und Schwärmer gefchildert; feine Freunde haben ihn ebea fo oft, als ein auserwähltes Rüstzeug Gottes betrachtet. Aber ein Mann von Kälte und Kenntnifs, von Liebe und Kraft zur Wahrheit, unterrichtet und uneingenommen von allem, hat fich noch nicht an diese biographische Arbeit, fo rühmlich, nützlich und nöthig fie wäre, gemacht; und wir forgen, es wird auch noch lange daran gebrechen.

Wenigftens entspricht gegenwärtige Lebensbefchreibung diesem Wunfche und Bedürfnifs gar nicht. Sie ift (wie auch der Vf. im Vorbericht felbft anzeigt) faft durchgängig ein blofser Auszug aus dem bekannten gröfsern Spangenbergifchen Werke. Die wenigen eingeschalte ten Zufätze find aus Schriften, die der Spangenbergifchen Biographie nicht widerfprechen. Schon hieraus würde erhellen, wie einfeitig das Ganze ausfallen muss, und (auch ohne die Zuschrift) fieht man auf jeder Seite, dafs Hr. R. zur fogenannten Brüdergemeine felbft gehört. Aber auch als blofser Epitomator von Spangenberg zeigt er diejenige Gedrungenheit im Stil, die ftrenge Ordnung im Zufammenhange, die kritische Auswahl der Sachen felbft, bey weitem nicht, wodurch ein Auszug erft vorzüglichen Werth empfangt, Wichtige Vorfalle, die feinem Helden charakterisiren könnten, find oft kalt und kurz, unerhebliche weitläuftig erzählt worden. Der fonderbare Entfchlufs des Grafen der 1734 unter unbekanntem Namen die Stelle eines Informators bey einem Stralfunder Kaufmann annahm, fteht S. 150. fo flüchtig eingefchaltet, dafs wir diefe Thatfache kaum bemerkt haben würden, wäre fie uns nicht fchon vorher bekannt gewefen. Wenn aber derfelbe 1738. bey der Taufe eines dreyzehnjährigen Mädchens den Teufel auszufahren gebeut, wird es nicht nur weitläuftig erzählt, fondern auch (S. 102) hinzugefetzt: Und man will gefehn haben, dafs diefer Exorcismus nicht in leeren Worten beflanden habe."Es gefehn haben!! S.206, wird der Graf auf einer See

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reife

reife nur einen Tag feekrank, und zwar da er noch vor
Anker lag. Er fagt aber; er hätte foviel zu thun ge-
,,habt und deswegen mit feinem Heilande geredet : Es
"ginge nicht wohl an, dafs er krank wäre, und fo wäre er
,,gefund worden, ehe man noch den Anker gelichtet hät-
„te."
Was denkt man fich bey folchen Anekdoten, und
von der Wahl des Epitoniators, der fie aushebt, da er doch
gewifs nicht Willens ift, feinen Helden lächerlich zu
machen?

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dem Höchften fey Dank, dem guten Grafen kein Feuer vom
Himmel zu Dienften ftand.
Himmel zu Dienften ftand. In der Zueignungsfchrift
macht Hr. R. dem Kurfächf. Konfiftorialpräfidenten eine
Menge Lobeserhebungen über feine anerkannten Verdien-
fte um die Reinigkeit der chriftlichen Lehre.

BERLIN, b. Mazdorf: Tippo Saib und Laura, oder Stra-
fe und Rettung in den Folgen des jugendlichen Leicht-
finns zweyer Militärperfonen. Eine authentifche Ge-
fchichte. 1791. 174 S. 8. (14 gr.)..

Dennoch sprechen wir dem Buche nicht alles Intereffe ab. Der Mann, von dem uns hier erzählt wird, hat- Das erfte, was an diefem Büchlein zu tadeln wäre, ift te allzuviel Merkwürdiges, als dafs wir felbft in diefem der gezierte Titel. Wer follte wohl auf den erften Anmittelmässigen Auszug nicht manches von ihm gern gele- blick denken, dafs Laura hier der Name eines indifchen fen, und wieder manches andre wenigftens bemerkungs- Fleifchers wäre; und dafs er hier paradirte, weil er zwey werth gefunden hätten. Zu diefer letztern Art rechnen europäischen Gefangnen Beyhülfe leiftete, als fie aus den wir das Gespräch, das Zinzendorf 1726 mit dem berühm- Feffeln des Tippo Saib entflohen? - - Jedoch der Titen Thomafius zu Halle hatte. Thomafius äusserte gegen tel ift eine Kleinigkeit. Was aber den Inhalt des Buches den Grafen: „Wenn er in feinen Unternehmungen, wie felbft betrifft, fo ift es die Gefchichte zweyer jungen preu,,zu vermuthen ftünde, die Geiftlichkeit wider fich habe, fsifchen Officiere, die aus Leichtfinn dem vaterländifchen ,,fo würde es ihm fehr fchwer fallen, durchzudringen; Dienft entflohen; sich nach verfchiedenen Unfällen und ,,ihn, für feine Perfon reue es fast, soviel vergeblichen Ler vorhergegangner Trennung, unter einem Hannoverifchen men gemacht zu haben. Der Graf aber erwiederte: Er nach Indien bestimmten Regiment wieder fanden, in Inftelle es fehr dahin, ob dem Hn. Geh. Rath das Wort dien gefangen und allerdings fonderbar genug an eine ,,vom Kreutz annoch bekannt fey; mit diefem könne man Kette gefchmiedet wurden; nach dreyzehn-monatlicher ,,gar weit um fich greifen und gewiffe Arbeit machen.“ — Sklaverey aber auch zufammen entflohen, und wieder zu Charakteristischer konnten beide fo himmelweit von einan- Europäern, nach Pondicherey, fich retteten. - Diefe der unterschiedne Männer wohl nicht fich ausdrücken. Gefchichte ift merkwürdig genug; vorzüglich ift ihre Auffallend ist uns auch S. 109. das Geftändnifs des Vf. Flucht u. die Trübfale, die fie auf ihr ausgeftanden, interefgewefen dafs der Graf in feinen Streitschriften,,zuweilen fant zu lefen: auch finden fich von Tippo Saib, feiner "Thatfachen, die ihm gerenen mochten, abgeleugnet habe. Graufamkeit, feiner Macht, und dem Indifchen KriegsSelbft wenn er feinen Gemeingliedern feine Fehler ein- dienste überhaupt verschiedene nützliche Bemerkungen. „gestanden, habe er es bey feinen Gegnern nicht thun Dennoch glauben wir, hätte fich das Merkwürdigte und „mogen; und es fcheine: er habe recht vorfetzlich ge- Lefenswertheite wohl auf einen kürzern Raum, als auf ,,fucht, in keine Harmonie mit ihnen zu kommen." eilf Bogen, bringen laffen. Die Briefform ift hier fichtOb fich hier der Vf. auch die Folgerungen dachte, die ganz lich nur der Erweiterung wegen gewählt, und die meiungezwungen aus diefen Worten fliefsen? Thatlachen ften Befchreibungen der unterwegs und in Indien gefeheableugnen? Vorfatzlich die Harmonie mit feinen Gegnern nen Thiere und Pflanzen enthält auch nicht das geringfte vermeiden? Dies verträgt fich doch äufserft fchwer mit Neue. Was lernt man z. B. wenn man S. 169 lieft: „Under Lauterkeit eines Biedermanns und ächten Religions-,,ter den Vögeln ist vorzüglich der Straus merkwürdig, Lehrers. - Faft eben fo feltfam ift die Stelle, S. 186.,,,deren es viele (auf dem Kap) giebt. Sie haben die Gröwo der Graf einen feiner Gegner, der ihm Zweifel vor- ,,fse eines Menfchen, können zwar wegen ihrer Schwe legte, voll Entrüftung drohte:,,Wenn er fo fortführe,,,re wenig fliegen, aber defto gefchwinder laufen. Ihre ,,würde er noch dies Jahr ein Mann des Todes feyn;" und ",Eyer legen fie im Sand, wo fie die Sonne ausbrütet. Von fich nachher in einer eignen Schrift über diefe Drohung,,den Schaalen diefer Ever macht man Trinkgeschirr; mit Ausdrücken entfchuldigte, die faft noch tärker, als viele werden auch als eine Seltenheit von den Fremden jene ersten Worte find, und die wir der Seltfamkeit we-,,mitgenommen.“ Das kann man nun wohl in fein Reigen hier ausheben wollen. Wenner fehe, dafs Seelen, fejournal zu eignen Gebrauch schreiben; aber man mufs ,,die in der Gnade, oder auf dem Wege dazu wären, von es nicht gleich drucken laffen. S. 142. fteht eine Anekdo ,,andern geargert oder verführt würden, fo ergrimme er te, die ein abscheuliches Licht auf den auch jetzt in of im Geift, und stünde in dem Fall keinem Menfchen für das, fentlichen Blättern fo oft vorkommenden Tippo Saib ,,was er feinethalben mit dem Heiland rede. (!!!) Es könn- wirft. - Er verlangte die Tochter eines vornehmen te auch feyn, dafs er einen folchen Menfchen ausgerot-,,Indiers, der felbft Nabob eines kleines Gebiets, und al„tet wünsche; aber er warne ihn, und ehe er zum Hei- „fo von ihm unabhängig war, unter die Zahl feiner Wei,,land gienge, bekenne er feinen Vorfatz allen, die es an- ,,ber. Diefer verfagte fie ihm. Der wüthende Tyrann "ginge, ganz aufrichtig, damit fie fich befinnen und wif-verheerte nun das Gebiet des Nabobs, nahm ihn gefan„ien könnten dafs er nicht spiele. Er würde fich auch "gen; liefs ihn in Bengalour in eine tiefe Grube werfen, „vergeblich bemühen, fich in diefer Sache frömmer zu be- und täglich zweymal mit fliefsender Butter tränken. Diefe „ich eiben, als er wäre, denn fein Vorfatz fey am Tage, feltfame Art von Marter hielt der Unglückliche neun und er habe nicht den geringsten Willen, fich darinn zu an,,Tage aus. Der Ort feines Leidens war nicht weit von . — Ganz die Sprache Elias des Thisbiten; nur das, den englischen Gefangnen, und fein Klagegefchrey (das

der

der Vf. felbft mit anhörte),,liefs urtheilen dafs diefe Mar-,,würdiges Gefchöpf!" fo follte fich nicht das ganze Stück ,,ter nicht geringe fey. Die Grube war auch fein Grab; mit dem Ausruf des Mannes fchliefsen: „Auch in der ,,man verfcharrte feinen Körper darinn, und gönnte ihm,,Reue überspannt!" Die Horatier und Curiatier im nicht einmal einen Scheiterhaufen. Die unglückliche 2ten Qu. haben Imagination und gute Scenen; aber kei,,Prinzeffin, die nun wider ihren Willen die Zahl der Wei- nen römischen Geift, und oft die unnatürlichfte Sprache ,,ber des Tibbo Saib vermehren musste, wollte fich in der von der Welt. Z. B. S. 51, „O zieh nur iminer einher, vom ,.Folge mit Gift an dem Mörder ihres Vater rächen, ward,,Blute gefättigt, wie der Tieger von der Jagd, mit dei*,,aber entdeckt und lebendig verbrannt." Fürchterlich ift,,nen Siegskränzen und Jubel! Juliens Thranen lofchen auch die Befchreibung von der Hungersnoth. (S. 84), die zu Madras und überhaupt in den Englifchen Befitzungen unter den Indianern herrschte. Von den Ereigniffen des Krieges felbft aber findet man weit weniger aufgezeichnet, als man dem Anfchein nach hier erwarten könnte. WEISSENFELS, b. Severin: Museum für Frauenzimmer, von einigen ihrer Mitschwestern. 1790. 12. 1ftes Quartal. 292 S. 2tes Quart. 279 S. 3tes Quart. 305 S. (aufs ganze Jahr 3 Rthlr.)

Das Aeufserliche diefer Quartalfchrift. Lettern, Format Papier, Vignetten, Kupferftiche (bis auf einen Einzigen) kurz, alles ist vortreflich. Das Innre hingegen aufs gelindefte gefprochen, nicht ganz, wie das Aeufserliche. Zwar geben fich auf dem Titel und in der Vorrede, Frauenzimmer als Verfafferinnen an; und es fcheint ungefittet zu feyn, auch aufs fchöne Gefchlecht den Ernst der männlichen Kritik zu verbreiten. Doch da zwey männliche Freunde (laut S. IX.) die Auffeher machen; da überdies Schriftstellerey diefer Art etwas fo freywilliges ift, dass man von demjenigen, der damit vor den Augen des Publikums (zumal in einem fo netten und theurem Gewande!) auftritt, allerdings auch etwas Auszeichnendes fodern kann, fo mögen uns die Damen verzeihen, wenn wir, mehr der Wahrheit als der Galanterie zu Folge, geftehn den gröfsten Theil diefer periodifchen Schrift mittelmafsig, einige Auffatze fogar kaum mittelmäfsig und nicht viel über drey oder vier des Drucks ganz werth gefunden zu haben. Sie wechseln forgfaltig verlificirte Auffatze mit profaifchen ab, nur leider ift unter den erftern auch kein einziges wahrhaftes Gedicht; ein paar artige Lieder von der Karschin, eines von Jeannette Bland (S. 134) und ein paar Tandeleyen von Luana find leicht verfificirt; aber das ist es auch alles. Wer wird auch nur einen Funken Poelie in Stanzen, wie folgende (1.75. von eben diefer Linna auf ein Dachshündchen) ift, entdecken?

Gut war ich ihm, weil er mit fefter Treue
Mich einzig und alleine ftets geliebt,

die Fackel deiner Afterehre, und verwandeln deine Lorbern in Dornen, die fich einft marternd in dein Felfenherz gra,,ben werden. Die Art, wie die Mutter ihre erfchlagne Tochter (S. 55) findet, ift, wo möglich, noch unnatürlicher; und dafs am Ende die Losfprechung des jüngern Horatius vom Volke fehlt Wiewohl das Ganze war keine Frauenzimmerarbeit! - Eine grofse Anzahl von Auffätzen ift nicht eigne Erfindung, fondern Ueberfetzung oder Nachahmung aus dem franzöfifchen. Z. B. Leiden und Liebe (I. 3.) Cornelie Sedley. (I. 137) Aspafia und Ismenias (I. 196) u. a. m. Auch hier ift die Auswahl nicht auszeichnend glücklich gewefen. Das Erftere enthält Situationen, die Arnaud, u. a. bis zum Eckel benutzten. Das zweyte ift der Auszug eines (ganz artigen) Romans, nur ift es unbequem, dafs er durch alle Theile läuft, und folglich fo oft abgebrochen wird. Die dritte Erzählung ift gefällig vorgetragen; aber nicht fehr wahrfcheinlich. Am beften gefallen uns Friederike Hagenau, (1.283.) die Speculution aus einer Philofophie für Frauenzimmer (II. 239), wo nur der Eingang etwas gefchwätzig ift, u. allenfalls das Gebet um Weisheit (III. 19.4.) Wozu aber ein Reisejournal, wie III. 249-290.) fteht, nützen foll, das können wir nicht begreifen.

in

LEIPZIG. b. Weygand: Galanterien der grofsen Welt in
England nach der eigenhandigen Befchreibung der
Mijs Anne Sheldon. I. u. II. Th. 1790. 1 Alph. 19 B. 8.
London und eine Lebensbefchreibung, die ihren Na-
Mifs Aune Sheldon war ein bekanntes Luftmädchen

men führt, mufste dafelbft viele Lefer anziehen. Da man kannten Männer ohne Schonung darin verfährt, fie fammtin Abficht vieler vornehmen auch auswärts nicht unbelich bey Namen nennt, und ihre Schwachheiten oder La fter ans Licht zieht, fo mag diefes leicht den Ruf des fen feyn, der gerne von feinen Bekannten etwas Böses Buchs vermehrt haben, und es mag von jedermann gelehöret. Für den deutfchen Lefer hat es von diefer Seite vielweniger Interesse, befonders nicht für diejenigen, welche auch nicht einmal mit den Namen der Perfonen bekannt find, die auch auf andre Art als durch Herumtummeln in der vornehmen oder in der liederlichen Welt die Aufmerksamkeit der Menfchen an fich gezogen haben. Da das Buch übrigens befcheiden geschrieben ist, und In diefem Tone find die meisten abgefafst. Unter den man durchaus keine Darstellungen von Scenen, welche profaischen Auffätzen hat im Iften Bändchen der modische die Sinnlichkeit reizen, darinn antrifft; fo kann feine LeHut gute wahre Stellen; aber auch viele, die es nicht fung einen jungen Mann lehren, was er von der Denkungsfind. Wenn z. B. eine Frau, die von ihrem Mann um- art folcher Perfonen zu erwarten hat, wenn er fich in ihre fonit gebeten und gewarnt, mit ihrem Liebhaber, einem Arme wirft, und fein Vermögen und feine Gefundheit ihelenden Gecken, allein auf den Ball geht, und alle ihre nen aufopfert. Mifs Sheldon war, als fie diefes Buch Ehre (im ganzen Verftande des Wortes) preisgiebt; wenn fchrieb, (denn fie redet wenigftens darinn in der ersten diefe auch des andern Tags, aus den Armen ihres Man- Perion) alt, krank, verlaffen, busfertig und reuevoll. nes sich losreifst, und fagt: „Ich bin ein häfsliches, un-,,Ich habe den höchften Glanz der feinen Verführung ken

Drum ift ers werth, dass ich ihm Thränen weihe,
Denn nie hat er durch Falfchheit betrübt.

I 2

nen

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nen gelernt, fagt fie. Ich habe alle jene wirbelnde Freuden, welche mit den erkauften Befriedigungen wollüftiger Leidenfchaften verbunden find, genoffen. Ich erhielt Bewunderung, man machte mir den Hof, ich ward fogar geliebt, aber ich fühle nun, auf welchen schwachen hinfalligen Stützen das Glückfeligkeits-Gebäude der Freudendi nerinnen beruht. Wenn die Schönheit, welche den Verführer lockte, zu verfallen anfängt; fo ziehen neue Gegenstände feine Bewunderung an fich die Leidenfchaft fucht nach, andern Quellen ihrer Befriedigung, Gleichgültigkeit, Verachtung und Armuth treten an die Stelle derfelben. Diefe Stelle mag zu gleicher Zeit beweifen, das die Ueberfetzung keinem Stümper in die Hande gefalden ift, und dafs fie fich ziemlich gut lefen laffe. Mifs Sheldon war die Tochter von dem Schiffsbaumeister Holland; eine Kupplerin lockte fie von ihren Aeltern weg und ei ne Reihe von unbegreiflichen Handlungen, die fic bis zu ihrer wirklichen Verführung erzählt, beweift uns, dafs Mifs Sheldon verführt feyn wollte. Ihr erfter Liebhaber war der bekannte fehr brave Schiffscapitain Walfingham, der fie bis an feinen Tod liebte, und es gut mit ihr meynte, ungeachtet ihre Treulofigkeiten, und das fchändliche Leben, in welches fie bald verfiel, ihn, oft von ihr trennte. Sie ging nun aus dem Arm eines vornehmen oder reichen Liederlichen in den andern; heurathete ohne die Abficht ihre Lebensart aufzugeben, und wider ihren Willen; prü gelte ihren Mann aus dem Haufe, und blieb Luftmädchen. Mifs Sheld n war aus Neigung und aus Hang zu einem frölichen, ausfchweifenden und ungebundenen Leben lieder lich.

Reichlich von jemand unterhalten fehen wir fie öf ters in ein fogenanntes Bad gehen, um die Freuden der grenzenlofesten Frechheit zu kosten. Ihr launichter Cha.

rakter verhinderte, dafs fie nicht lange mit einem Liebhaber auf gutem Fufse blieb. Doch waren darunter einige, von denen fie Mishandlungen ertrug, da fie andre oft felbft mit Schlägen angriff. Bey einer kolbaren I ebensart und finnlofen Verfchwendungen war fie oftmals blutarm und wurde Schuldenhalber arretirt. Man merket, dass eine eigne Kutsche der höchfte Wunsch diefer Gefchöpfe ift. Allerdings find unter ihren Handlungen viele, die ein fanftes gefühlvolles Herz verrathen. Sie fank allmählich immer tiefer, befonders nach Wallinghams Tode. den fie damals heftig liebte. Am Ende hot einer ihrer Liebhaber, mit dem fie taufende verzehrt hatte, ihr eine Guinee als ein Almofen an.,,Mehr als vierzig taufend Pfund, fo fchliefst fich die Erzählung, den Lohn meiner Freudendienste habe ich verfchwendet, und wie fich mein gegenwärtiges Elend auflöfen werde, er warte ich von der Zukunft.“

MÜNCHEN, b. Strobl: Freundfchaftliche Briefe - ein Pendant zu den Vertrauten Briefen eines Geilli chen in Baiern. Erfler Theil an Freunde. 168 S. Zweyter Theil an Freundinnen. 120 S. g. 1790. Diese Briefe verrathen einen Mann von geläutertèn Gefchmack, und enthalten fehr gefunde Urtheile über allerley Gegenstände der Religion, über Gottesdienst und Philofophie. Die Briefe (S. 155. I. Th.) an einige Herrn Alumnen in dem KK. Generalfeminar zu P. in U. zeu gen von einem eben fo aufgeklärten Theologen als klu Die Briefe im II. Th. find mehr tängen Volkslehrer. delnd; nur der letzte an ein empfindelndes Frauenzim mer ist ernsthaft.

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GOTTESGELAHRTHEIT. Ohne Druckort (Ulm, b. Wohler): Ueber die deutfche Mefs- und Abendmalilsanstalten in der katholi ein Sendjchreiben zu Belehrung fehen. Hofkapeile zu Stuttgart der Mainzer Journalisten in geiftlichen Sachen. 1787. 98 S. 8. Auf Befehl des Herzogs von Wirtemberg wurde in der Mefs- und Abendmahlsliturgie die Acnderung getroffen, dafs einige Stücke der Meffe und die Anrede bey der Austheilung des Abendmahls, von den kath. Hofpredigern zur grössern Erbauung deutsch gefprochen werden follten. Diefe heilfamen Reformen wurden in dem II. Jahrg. der Mainz. Monatfchrift von geift. Sachen unrichtig dargestellt, und fchief beurtheil. Der Vf. diefes Sendfchreibens berichtiget zuerst das Factum; dann zeigt er fehr bundig, dafs die in der kath. Hofkapelle eingeführten Reformen kein kirchli ches Gefetz verletzen; dafs fie durch die Schrift und Vernunft, felbft durch das Bedürfuifs unfrer Zeiten, gerechtfertigt würden; dafs den katholischen Landesherrn das Recht zuftehe, ohne Dazwifchenkunft einer bifchöflichen Autorität dergleichen nützliche Anflalien zu treffen. Er bemerkt, dafs diefe Aenderungen in Rückficht auf das, was gefchehen follte, noch fehr kleinfügig, dafs fie nur sein öffentlicher Aufruf eines grofsen Kirchengliedes zu betrach als ein welches die Geiflichkeit erinnert, dafs die bisherige Mefsanftalt zur Beförderung der Andacht in unfern Tagen nicht mehr hinreiche. Sehr merkwürdig ift S. 22 das freye Geständniss

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des Hn. Vf., dass es der Wunsch und die Abficht fowohl des Her. zogs als feiner Hofprediger fey, dem äussern Gottesdienfte eine folche Einrichtung zu geben, dafs die chriftlichen Parteyen fich wechfelsweife an den Vorträgen ihrer Prediger ohne Unterfchied der Confeflionen erbauen, und eine Art von liturgifcher Gemeinfchaft pflegen können. Nach diefer Abficht ift die Vorbereitungs rede zum Empfang des h. Abendmahls, das katholifche Gefang buch, das neue allgemeine Gebet nach der Predigt, und der gans ze Nachmittagsgottesdienft, welcher in der Erklärung der Bucher des neuen Teft. und in Gefängen befteht, eingerichtet. Wenn fick nun der proteftantifche Prediger gleichfalls hutet, die eigentlichent Controverfen auf den Predigtftuhl zu bringen, fo hätten die Wirtembergifchen Chriften das Glück, nur die wefentlichften und erbaulichften Wahrheiten der Religion zu vernehmen, und in jeder Kirche an dem Gottesdienfte Theil nehmen zu können. Nur fe tzen die Katholiken diefer durchgängigen wechfelfeitigen Gemein.. fchaft noch fo lange, als fie bey der Meffe den Begriff von Opfer als wefentlich, und die Lehre von der Tranfubflantation und die daraus erfolgende Anbetung der Euchariftie beybehalten, ein un übersteigliches Hindernifs entgegen. Wie diefes zu heben fey, dies wäre eine dem gelehrten Vf. diefes Auffatzes ganz augemale.

ne Unterfuchung.

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ALLGEMEINE LITERATUR ZEITUNG

Dienstags, den 11. April 1791.

STAATSWISSENSCHAFTEN.

BASEL, bey Turneifen: De l'Amelioration du fort des Militaires. Ovrage où l'on expofe les moyens de doubler le nombre et la force de nos troupes, de perfectionner la Religion et les moeurs, l'inftruction et la formation des Officiers et des Soldats, de leur procucurer une meilleure nourriture, un fort plus doux, une retraite plus agréable, etc. (fans nuire à aucun individu, et mème en diminuant confidérablement les dépenfes de l'Etat.) par Mr. de Larue, Chanoine R. de l'ordre de la Trinité Redemption des captifs, Bachelier de Sorbonne et Auinonier Br. (vermuthlich Breveté) du Roi, au Régiment de Bourgogne Infanterie. Tom. I. 274 S. Tom. II. 232 S. kl. 8. 1788. (22 gr. 6 pf.)

De

er Titel des Buchs könnte verführen, es für das Werk eines fchimärifchen Projektmachers zu halten, da es viele neue und koftspielige Einrichtungen verfpricht, und doch verlichert, dafs alles weit weniger koften foll, als vorher. Man muss aber bedenken, dafs die franzöfifche Landarmee nach dem completen Stande an die 30000 Mann weniger halte, als die preufsifche, eigentlich aber, da fie niemals complet war, wohl 36000 Mann, und dafs fie dabey 20 Millionen Rthlr. mehr zu unterhalten koftet; obgleich der Sold der Soldaten und der Subalterns in beiden Armeen fait völlig gleich it, und obgleich die preufsifche Armee alle Jahre, die franzöfifche aber nur alle drey Jahre gekleidet wird, ohne mehrere andere, zum Vortheil der Preufsen ausfchlagende geringere Unterfchiede zu rechnen. Alsdann kann man fich wohl vorftellen, dafs bey einem beffern Haushalten dasjenige, was der Vf. im Titel verheifst, nichts weniger, als unmöglich ist. Wir wollen zwar damit nicht geradezu behaupten, dafs fich alles, was er hier vorfchlägt, leicht ausführen liefse, und dafs es nicht, wie alle Projekte, viel gröfsern Schwierigkeiten unterworfen feyn dürfte, als ihr Angeber meynt. Von allen dergleichen Schriften glauben wir überhaupt, man müffe die Vorschläge, die fie enthalten, und wenn fie fchon als Panacäen angegeben werden, niemals gänzlich und ununterfucht von der Hand weilen. Es kann jemand feine Vorschläge zu sehr anpreifen, und fie können doch gut feyn. In denfelben kann oft das, was unmöglich fcheint, nur ein wenig fchwer feyn, und fich dennoch asführen laffen, wenn nur thätige Menfchenfreunde mit Ernft die Hand ans Werk legen wollen. Immer zeigen folche Bücher reelle Gebrechen in der menschlichen Gefellschaft, und können wenigftens immer Anlafs geben, darüber nachzudenken, und beffere Mittel zu ihrer AbA. L. Z. 1791. Zweyter Band.

ftellung zu erfinden. Am gewöhnlichsten aber läfst fich von folchen Projekten zum grofsen Vortheil des Staats und der Menschheit ein Theil zur Wirklichkeit bringen. Diefe Betrachtung findet ihre Anwendung ganz eigentlich und vorzüglich bey gegenwärtigem Werke, und es kann für Lefer in unferm Vaterlande einen gedoppelten Nutzen haben, weswegen wir auch noch fo fpät es nachholen und fehr empfehlen, es mit Aufmerksamkeit durchzulefen. Einmal hat der Militärstand aller Nationen von Europa, oder beffer zu fagen, aller Nationen in der Welt, bey denen er einen besondern Stand ausmacht, eben fowohl gemeinfchaftliche Tugenden, als gemeinschaftliche Gebrechen. Da nun diefer Vf. die Gebrechen des Militärftandes in Frankreich fehr gut kennt; ob er fchon ei gentlich nicht dazu gehört, fo fchildert er auch die Fehler, welche diefer Stand in unferm lieben deutfchen Vaterlande mit jenem gemein hat. wohl feyn die oft fchlechte Wahl der Recruten und die Dergleichen dürften falfche Art, fich welche zu verfchaffen, die wenigen Aufmunterungen, die es im Dienfte giebt, wodurch diefer dem Soldaten doch fo ehrwürdig und angenehm gemacht werden könnte; die elenden Ausfichten bey demfelben'; der Müfsiggang; die daraus entstehende Unmoralität und der Mangel an aller Aufficht auf die Moralität des Soldaten; der gar zu fchlechte Sold und der gar kümmerliche Unterhalt, u. dgl. m. Diefe Gebrechen existiren in allen Diensten, in einigen mehr, in andern weniger. Ia allen liefsen fich mit den gehörigen Modificationen einige Vorschläge des Vf. zu ihrer Abftellung anwenden. Der zweyte Punct, der diefem Buche für einen deutfchen Lefer noch einen andern Nutzen giebt, ift die Darlegung des wahren innern Zustandes des franzöfifchen Dienftes, und befonders des bisherigen Haushalts in demfelbén. Er übertreibt dabey nichts, im Gegentheil, er fchildert alles mit grofser Schonung, welches man fich leicht vorftellen kann, da er Th. I. S. 11 in der Note felbft fagt: ,,er habe nicht wollen bekannt machen, was dem Hofe misfallen könnte, und deshalb habe er den ganzen Inhalt feines Werks hingefchickt, und darüber den Beyfall def felben erhalten." Alfo ift alles, was er fagt, buchftablich wahr. Nun kann aber wohl nichts Nützlicheres feyn, als die Kenntnifs aller Umstände über den Dienst folcher Nationen, mit denen oder gegen die man meiftens dienen kann. Wenn nun auch gleich die jetzige Staatsveränderung in Frankreich fich auch über das Militär erstreckt fo wird doch nach allen Reformen noch manches bleiben; die Wirkung alter Gebrechen wird fich noch spät äussern, und aufserdem wird es alsdann leicht seyn, wenn man die Gesetze, die die Nationalverfammlung in diefem Fache theils abgefafst hat, theils noch abfaffen wird, gegen diefes Buch hält, zu beurtheilen, was diefelben im

K

Mili

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