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Poefie, mit Declamation und Gehehrdenkunft betrachtet, wird man gern der Tonkunft alle diefe Wirkungskraft einräumen; aber wir glauben dem Vf. nicht zu viel zu thun, wenn wir annehmen, dafs er das, was er hierüber fagt, von der Mufik allein, und für fich, will verftanden wiffen. Auch fagt er S. 28 ausdrücklich:,.Vo,,kal- und Inftrumentalmufik find, pfychologisch betrach ,,tet, ihrem wefentlichen Zwecke, Gebiete und Wirkungs„grunde nach, einander völlig gleich." Und eben dafelbit gelteht er den Tönen, welche die menfchliche Stimme bildet, und denen Inftrumenten, welche fich ihr nahern, nur einen höhern Grad des Intereffe zu.

Ob das Wefen der Dichtkunft durch den darauf angewandten Grundbegriff des Vf. von dem höchften Princip der Künfte beffer, als bisher beftimmt und vollig erschöpft werde, zweifeln wir fehr. Auch hier finden faft alle die Einwürfe ftatt, die man langit wider diejeni gen gemacht hat, welche das Wefen der Poebe, in der Begeisterung fuchen. S. 297 erklärt fich der Vf. am bezm ftimmteften über feine Meynung: Jedes Gedicht, fagt er, ift das Refultat eines in der Seele des Dichters vorhanden gewefenen beftimmten Zuftandes lebhaft gerührter Empfindfamkeit, (eigenthümlicher: einer Begeilerung) und zwar eines folchen, welcher erzeugt worden war durch die Vorftellung eines in logischer Verbindung ftehenden Ideenganzen, welches wegen feiner durch diefe Verbindung beftimmten Beziehung auf das Begehrungsverinögen rühren mufste. Diefes Refultat kann auf keine Weife etwas anders feyn, als eine Darftellung in beftimmten Wortreihen.“ Da der Vi. in der Vorrede fagt, dafs ihm die Ausführung feines Begriffs von der Dichtkunft ein angeftrengtes Nachdenken von einem vollen halben Jahre kofte, nachdem er feit acht Jahren mehrere Wege, ihn zu finden, umfonft verfucht hatte; fo verdienen allerdings die dahin gehörigen Abfchnitte und Stellen feines Buchs eine genaue und umftandliche Prü fung, in die wir uns aber hier unmöglich einlaffen können.

Das Vermögen, durch den Inhalt der Wörter Gefühl und Leidenfchafi zu mahlen, wird von dem Vf. an mehrern Stellen der Dichtkunft fchiechthin abgefprochen; blofs dem Sylhenmafse legt er dies Vermögen bey. Wenn freylich vom Mahlen für die äussern Sinne die Rede ift, fo wird Jedermann mit dem Vf. einig feyn; aber dafs felbft der Inhalt der Wörter, dafs der denfelben unterliegende finnliche Begriff. dafs ein dadurch bezeichnetes Bild, Gemahlde für die Phantafie werde, und darin vornemlich das Mahlerifche der Poefie zu fuchen fey, ift doch fo bekannt als unleugbar. Dafs fich aber dies Mahlerifche wenigftens mittelbar, auf Gefühl und Leidenfchaft erftrecke, fcheint eben fo einleuchtend zu feyn. Selbft wenn der Vf., wie es faft immer fcheint, unter MahLen blofs Nachbilden verfteht, hat er hier fchwerlich ganz Recht. Nach feiner Theorie aber musste der Vf. dem Sylbenmafse eine Kraft und eine wesentliche Nothwendigkeit für die Poefie beylegen, die wohl nur wenige demfelben zugestehen werden. Uebrigens findet man hier über diefen Gegenstand felbft manche richtige und feine Bemerkungen.

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Baukunft und Redekunft werden (S. 214 u. 216.) aus der Reihe der fchönen Künfte gänzlich ausgefchloffen; jene, weil ihr Hauptzweck Befriedigung phyfifchen Be dürfniffes fey; (welches doch wohl nur von der gemei nen, nicht von der schönen Architectur gefagt werden kann;) und diefe. weil fie nie den Hauptzweck habe, einen Zustand der Emp, ndfamkeit darzustellen.- Man fieht hier, und in mehrern Fallen, dafs der Vf. lieber die Künfte und ihre Gattungen, auf die fein erster Grundfatz nicht paffen wollte, fchlechthin verwirft, und nicht für Künfte und Gattungen derfelben erkennt; als dafs er dadurch an der nöthigen Allgemeinheit und durchgängigen Anwendbarkeit feines Princip's zweifelhaft geworden ware. Aber warum follte der eigentliche Redner nie darauf ausgehen. und hauptfachlich ausgehen, den leb haft gerührten Zitand feiner Seele zu fchildern? lít es über irgend einen Gegenftand andern mitzutheilen? If nicht vielmehr fene gewöhnliche Abficht, feine Rührung nicht feine Schilderung, und felbit feine Zergliederung Zweck? Kurz, ift die Redekunft nicht mehr Werk des diefes Gegenstandes gewöhnlich nur Mittel zu jenem

Herzens als des Verftandes?

Lehrgedichts ganz vernichtet, weil Lehren nie der höch
So wünscht der Vf. auch S. 303. den Namen eines
dafs der didaktiche Dichter keine wiffenfchaftlichen Stof-
fe Zweck eines Dichters fey. Wahr ift es allerdings,
fe fürs eigentliche Lernen, Faffen und Behalten bearbei-
tet, fondern vorzüglich auf die Empfindung wirkt; aber
Lehre, moralifeber Unterricht und lebhafte Ueberzeu-
gung bleibt hier doch immer der vornehmle Zweck, den
lebte Gefühl, befördern helfen foll.
felbft die Empfindung und das von den Wahrheiten be

Des Vf. Ideen über die Ivrifche Poefie S. 317 ff. find
doch wahrlich fo neu und unerhört nicht, als er fie felbft
anfah und ankündigt. Man vergleiche z. B. was Hr.
Engel in feinen Anfangsgründen über diefe Gattung fagt,
und man wird vielleicht dann noch weit mehr über das
Charakteristiche derfelben befriedigt werden, übrigens
aber die Hauptideen, nur etwas anders gefafst, fchon
bey diefem, und mehrern Theoriften finden. Auch möch
te es wohl zu eingefchränkt fyn, die Freude zum durch-
gängigen Inhalte des Liedes, und füfse Wehmuth zum
herrschenden Charakter der Elegie zu machen, und nun
jedes fchwermüthige Lied fogleich für elegifch zu neh
men; wenn beide Arten gleich zu der nemlichen lyri-
fchen Gattung gehören. -
Diefe und andere Bemer-
kungen würden wir nicht, blofs fo allgemein andeuten,
fondern umständlich ausführen, und mit Gründen zu be
ftätigen verfuchen, wenn hier Ort und Raum dazu wä-
re, und wenn wir nicht hofften, dafs des Vf. Syftem die
Aufmerkfamkeit und Prüfung mehr als eines ründli
chen Unterfuchers verdienen und veranlaffen werde.

in 8.

SCHÖNE KÜNSTE.

A

HAMBURG, b. Bohn: Johann Arnold Eberts Epifteln und vermifchie Gedichte. 1789. 374 S. u. 69 S. Norr. ,,Es ist gewifs keine leichte Sache, Natur und Kunft fo mit einander zu vereinigen, wie es in diefer Art von Ge

dich

dichten gefchehen muls; einer Kleinigkeit Reiz und Wichtigkeit auch für solche Lefer zu geben, welche nicht unmittelbar daran Theil nehmen, und, wie die Franzofen es nennen würden, ein angenehmes Nichts zu machen!"—— So urtheilt der ehrwürdige Dichter, der in feinem fechs und fechzigften Jahre diefe Sammlung dem Publicum vorlegt, von den poetischen Epifteln, die den grofsten Theil derfelben ausmachen; und fchwerlich wird jemand die Lectüre diefer Gedichte endigen, ohne gestehen zu müffen. dafs jene Schwierigkeiten darinn glücklich überwunden, und die von ihm (Vorr. S. 56.) entworfenen Vorschriften zu einer guten Epiftel möglichft befolgt find. Ein theilnehmender Lefer wird dabey zugleich fich gedrungen fühlen, dem biedern Greife in feinem Herzen für die angenehme Unterhaltung zu danken, die ihm feine fanft colorirten Schilderungen der Freuden des Alters im Genufs der Natur, der Freundschaft und der Dichtkunft, gewährten, und ihm wünschen, dafs er, durch die heitre Laune, die überall aus feinen Gedichten spricht, und (S. 223) felbft vom Grabe Blumen pflückt, gestärkt, noch manches Jahr den 18ten May befingen moge, ehe fein Geist fich wieder mit dem edeln Haufen feiner Jugendfreunde (S. 103) vereint, die vor ihm verblühten.

Empfindungen des Freuden Genuffes im Alter machen den Hauptgegenstand der Epifteln aus, der, auf mannichfache Art behandelt, und mit den verschiedenfen Materien, vorzüglich Schilderungen deurfcher Dichter und deutscher Dichtkunft, verflochten, immer wiederkehrt. ohne den Lefer zu ermüden. Selbit die Neftorische Dehnung einiger Stellen fcheint zu der Haltung des Ganzen fich zu paffen Es würde fchwer feyn, zu bestimmen, ob der Vers mitunter nur fermoni propior, (welches Horaz in diefer Gattung von Gedichten erlaubt) oder bisweilen auch fermo merus fey; wenigftens wird der letztere durch den leichten, gefalligen Reim, womit die kurzen Zeiten durchschlungen find, wieder gehoben, und ist nur da, wo diefer ausbleibt, dem Lefer merkharer, z. E. S. 3. Daher die fonderbare, auffallende Verschiedenheit, nach dem Geburtsjahr meiner Kinder, in Gang, und Ton, und Sitten und Geftalt.

Der Vf. zieht feine jüngern Kinder (Vorr. S. 68 ) den ältern, (worunter wohl die von 1740 bis 49. verstanden werden) vor, und das Publikum wird ihm hierinn wahrfcheinlich beyftimmen; doch mangelt es auch jenen nicht an schönen und ftarken Stellen, und unter den Liedern könnten die Verurtheilung der Thoren und der alte Oheim, vom Jahr 46. noch mit mancher der neuesten Producte in diefer Gattung wetteifern. Unter den Epifteln scheint der an C. A. Schmid, vom Jahr 1772 im Ganzen genommen. der Preis zu gebühren. Ihr Inhalt ift: Vergifs nicht:

-

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Der Dichter beginnt mit den Freuden aus der Betrachtung der Natúr. Bey der anziehenden Schilderung derfelben erinnerte fich der Rec. fehr lebhaft einer ähnlichen Bearbeitung des nemlichen Süjets durch einen franzöfifchen Dichter im Anfange des Richardet, (einer in Deutfchland zu wenig bekannten vortreflichen Umarbeitung des Ricciardetto), die fich mit den Worten ichliefst: La Rofe enfin, que j'aimois à vingt ans Toujours nouvelle uprès trente Printemps, Du même éclat conftamment embellie, N'a rien perdu de fes vives couleurs. Si fon parfum à ma tête affoiblie Porte aujourd'hui de trop fortes vapeurs, En m'abftinant de fes douces odeurs, Je n'en dirai pas moins toute ma vie : L'aimable Rofe eft la reine des fleurs.

Von den Freuden aus der Natur geht unfer Dichter zu den schönen Künften, und von diefen zu der Dichtkunst über, und klagt unter andern über die traurige Orthodoxie, nur die Alten lefen zu wollen,

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Hierauf wendet er fich wieder zu feinem Freund, um die Freuden der Freundfchaft zu mahlen. Dies veranlafst eine rührende Apoftrophe an die Freunde feiner Jugend, denen wir die erften Früchte unfrer schönen Literatur verdanken. Er erfetzt ihren Verluft, fo viel möglich, durch jüngere Freunde, und geniefst mit ihnen der Freuden des gefellfchaftlichen Lebens, des heitern Gesprächs. des frohen Gefangs, des launigten Scherzes.

Denn auch der Scherz beglückt, o Freund,
Wie unfer Hagedorn uns lehret,

Ja felbft mein Young war nicht fein Feind,
Der (wie, durch eignen Wahn bethöret,
So mancher Geck nun fälschlich meynt)
Stets hypochondritch klagt und weint.
Wer kannte mehr die weife Freude?

Nun folgt eine sehr schöne Auseinanderfetzung des Youngfchen Systems hierüber, welche fich endigt:

Bald werden wir in jenen Höhen,

O Freund, ihn fe ber ftrahlen fehen u. f. w.
So lang' uns aber durch die Huld

Des Schickfals diefes Licht noch fcheinet,
Erwarten wir ohn' Ungeduld

Den Ruf, der uns mit ihm vereinet,

Und schmecken mit Erkenntlichkeit

Mm 2

De's

379

Des Lebens mannichfache Freuden
Die Erftlinge, der Seligkeit.

In einer ähnlichen ungezwungenen Gedanken-Folge liefert jede Epitel (meiftenstheils auf Veranlaffung eines Hochzeits oder Geburts-Tags) eine Gallerie von annuthigen Bildern, bey deren Betrachtung jeder Verehrer des Guten und Schönen fich gern, bald länger, bald kürzer, verweilen wird.

Unter den hinzugefügten Anmerkungen find diejenigen die schätzbarften, welche die deutsche Sprache betreffen, und meistentheils gegen Hn. Adelung gerichtet find. Hoffentlich werden diefe Anmerkungen, verbunden mit den Voffifchen zum Virgil, deffelben Inhalts, bewirken, dafs diefer fleifsige, jedem deutschen Sprachforscher schätzbare Lexikograph der Dictatur im Fach der Sprachkunde und noch vielmehr im Fach der Aefthetik, Wozu ihn feine blinden Verehrer zu erheben anfingen, entfagen wird.

"In der Vorrede ift eine 40 Seiten lange Abhandlung über Hn. Campens Meynung von der fchönen Literatur

eingefchaltet. Wenn auch diefe Abhandlung bey ihrer Erfcheinung nicht überflüfsig war, fo würde es doch eine nähere Erörterung derfelben in diefer verfpäteten Anzeige feyn, da man nach Verlauf zweyer Jahre nicht bemerkt, dafs von jener Meynung befondre Notiz ge

nommen worden. Auch darf man mit Wahrscheinlichkeit vermuthen, dafs Hr. Campe fein Urtheil über diefe Materie nach feiner Zurückkunft aus Frankreich fehr geändert habe, indem er fich dort überzeugt haben wird, dafs auch in der Seele des fogenannten gemeinen Mannes mehr Kräfte verborgen liegen, als zum Spinnen und Stricken erfodert werden, dafs der Redner, der Schaufpieler und der Dichter diefe fchlafenden Kräfte zu we cken vermögen, dafs nur langjährige Bildung des Gefchmacks zu diefer Empfänglichkeit vorbereiten kann, und dafs wir alfo in Deutschland noch weit von einem Zeitpunct entfernt find, wo durch poetische Darstellungen das Schönheitsgefühl bey allen Stauden rege geworden ift, und der Stern der Dichtkunft als Morgenstern eines helleren Lichtes erfcheinen kann.

KLEINE SCHRIFTEN.

GOTTESGELAHRTHEIT. 'Jena. Das Weihnachtsprogramm v. J. enthält obfervationes morales, de obligatione ad normam quandam doctrinae ecclefiae evangelicae. 1790. 8 S. in 4. Der Vf. Hr. D. Döderlein hatte in dem Weihnachtsprogramma von 1789. aus der Reformationsgefchichte bewiefen, dafs die damalige evangelifche Kirche durchaus keine unverletzlich fortdauernde Lehrnorm - den Kirchenlehrern vorschreiben wollen, vielmehr die Hoffnung gelegt und geäufsert habe, dafs ein zukünftiges noch helleres Licht die übrig gebliebene Dunkelheit und Superftition völlig vertreiben werde. Jetzt zeigt er, wie es zwar beklagenswerth fey, dafs ‹der Reformatoren Beyspiel bey denen fo wenig gelte, die mit Vernachläfligung der erworbenen Freyheit lieber auf den menfchlichen Meynungen der Vorfahren ruhig liegen, als felbft, was gewifs und was zweifelhaft ift, prüfen, und fogar ihre Nachkommen in diefelben Schranken ihres Syftems einfchliefsen wollen: indeffen behauptet er doch, es fey nöthig und chriftlicher Klugheit gemäfs, dafs in der Kirche eine verbindliche Vorfchrift, zwar nicht, was zu glauben (denn dazu gehört eigne Ueberzeugung, die nicht befohlen werden kann) aber doch was zu lehren ift, gegeben werde, und zeigt, dafs die fymbolifchen Bücher nur Irrthümern der röm. Kirche und der Fanatiker wiederfprechen, die zu unfern Zeiten wohl niemand hervorfuchen und vorziehen will, nur Lehren enthalten, von deren Uebereinstimmung mit der h. Schrift und der was die zu lehgefunden Vernunft ein Wahrheitliebender fich renden Religionswahrheiten betrifft, meiftentheils gar wohl überzeugen könne, wenn fie auch nicht durch kirchliche Autorität feftgefetzt wären, indem nur fehr wenige Lehrfitze darinn vorkommen, die man mit der Vernunft und Schrift fchwer vereinigen kann; in welchen letztern den freylich keine menfchliche Autoritüt vorfchreiben darf, was aus göttlicher Autorität anzunehmen oder zu verwerfen fey. Einfchränkung der Bekanntmachung feiner Einfichten mafs nicht durch bürgerliche oder kirchliche Gefetze, durch Drohungen oder Verdammungen gefchehen, fondern von dem Geiste des Lehrers felbft, der fich durch die Gesetze

der Vernunft und durch Regeln der Klugheit zu regieren weifs.
Indeffen da nur Religion und nicht gelehrte Theologie gelehrt wer
den foll, die die Menfchen zum Guten erweckt und ftärkt, fo fal
len von felbft alle fcholaftifcha Hypothefen, Subtilitaten und pole-
mifche Streitfragen weg, und die Wörter 8, xc5αois, quoovoid,
perfona, effentia, confubftantialitas, ronos ungews u. f. w. geho-
ren fo wenig in den Volksuntericht, als ein kluger Baumeilter
die Kunft, die fich zu einem königlichen Pallaft fchickt, an einem
Die Norm, öffentlich zu lek
Bauernhaufe verfchwenden wird.
ren schliefst nur abergläubige Gebräuche, aufrührerische Reden und
eitles Vertrauen auf aufsere Werke aus und beftätigt oder verwirft
übrigens Meynungen der Theologen, und hierinn thut fie nichts
weiter, als was die Regel der Vernunft und chriftlicher Frömmig-
keit thut, von welcher fie allein ihre Kraft erhält. Der Vf. ver-
fpricht diefe Materie fortzufetzen, welches man von einem fo bil-
ligen Theologen gern erwartet.

VERMISCHTE SCHRIFTEN. Leipzig, b. Schwickert: Mirbrauch, Aberglauben und faifcher Wahn. Zweyte Sammlung von D. L. A. Hauenfchild. 152 S. 8. Wie die erfte Sammlung reichhaltig und nützlich, eines Auszugs aber nicht fahig. In 21 Kapiteln wird von abergläubigen Todesvorboten, Aberglauben beym Begraben, bey Kennzeichen des Todes, von unzeitiger Schamhaf tigkeit und Geringachtung venerifchen Uebels, Mutterbefchwerung, Schädlichkeit des Tanzens, etwas für Balbier, Bader und Hebam men, Liebesfucht, Liebestränken, vom Alp oder Nachtmännlein, Stufenjahren, falfchem Wahn Krankheiten zu hegen, Tabaksrau chen, verfchlagenen Winden, Miteffern, Schröpfen und Schmierea bey Ausfchlagen der Haut, Kliftiren und fpanifchen Fliegen, Waitfagen aus dem Urin u. f. w. kurz, deutlich und lehrreich gehandelt. Die Schrift verdient in des gemeinen Mannes Hande befordert

zu werden.

ALLGEMEINE LITERATUR-ZEITUNG

Donnerstags, den 12. May 1791.

VERMISCHTE SCHRIFTEN.

GÖTTINGEN, b. Vandenhök u. Ruprecht: Neueftes katechetifches Magazin zur Beförderung des katechetifchen Studiums. Zweyter Band, oder: die Sokratik nach ihrer ursprünglichen Befchaffenheit in katechetifcher Rückficht betrachtet. Ausgearbeitet von J. F. Ch. Gräffe, Past. zu Obernjesa bey Göttingen. 1791. 427 S. 8.

Das Eigenthümliche und Vorzügliche der Sokratischen

as Eigenthümliche und Vorzügliche der Sokratischen Lehrart auseinander zu fetzen, und Anwendungen davon auf die Vorträge der Philofophie und andrer Wiffenfchaften zu machen, haben fich Philofophen und Phi-lologen der ältern und neuern Zeit angelegen feyn laf fen. Doch ift man in den meiften Fällen bey einzelnen Bemerkungen und zerstreuten Betrachtungen darüber, oder bey Nachahmungen des Sokratifchen Dialogs, ftehen geblieben, und die bisherigen Verfuche haben eine ausführ liche Bearbeitung diefes Gegenstandes nicht unnütz gemacht. Eine folche Bearbeitung haben wir von einem fachkundigen Manne vor uns, die in katechetischer Rückficht unternommen, aber für jeden Freund Sokratifcher Weisheit ihren Werth hat. Um zu dem wahren Begriff der ächten Sokratik zu gelangen, war es nöthig, da wir feine Stimme nicht in feinen Schriften vernehmen, fie in den Schriften feiner Anhänger und Schüler, welche ihres Meifters Lehrart überkommen und ausgebreitet haben, aufzufuchen, diese einzeln erft zu verhören, und aus dem, was fie mit einander gemein haben, den Begriff von dem, was Sokratik war, abzuziehen. Es verräth daher Einficht in der hiftorischen Kunft, dafs der Vf. feine Quellen nicht vermischte, fondern in drey Abschnitten 1) die Sokratik nach Plato, 2) nach Xenophon, und 3) nach Aefchines abhandelte, obgleich diefer Methode die Unbequemlichkeit anklebt, dafs eine und eben diefelbe Sache mehrmals wiederholt wird. Wir dürfen daher nur zu einer Uebersicht des Ganzen den Inhalt des ersten Abschnitts verzeichnen, indem die zwey folgenden faft diefelben Rubriken enthalten, wobey wir zugleich erinnern, dafs der Vf. jeden feiner aufgeftellten Sätze mit mehr oder weniger ausführlichen Belegen aus Plato, Xenophon und Aefchines bewiefen, und durch die ausgehobenen und übersetzten Stücke die Darstellung der Sokratik noch mehr verfinnlicht hat. §. 1. der Sokratik nach dem Plato fetzt den Hauptendzweck (Endzweck oder Hauptzweck) des Sokrates darinn, Sittlichkeit, Tugendhaftigkeit, Selbfterkenntnifs und ernfte Sorge für eine frohe Unfterblichkeit in die Herzen feiner Mitbürger zu pflanzen. §. 2. Allgemeine Anzeige, wie S. feinen Endzweck zu erreichen fuchte. Die Ausführung gefchieht in dem FolgenA. L. Z. 1791. Zweyter Band

den. §. 3. 4. Kunft des S., die Unterredungen einzuleiten, die Aufmerkfamkeit zu erwecken, die Gemüther der Zuhörer zu feffeln und feinem Unterricht geneigt zu machen. §.5-7. S. nahm keinen Begriff oder Satz in feine Unterredungen auf, der nicht mit Klarheit in der Seele des Unterredenden lag, und von ihm eingeftanden wurde. Er wandte daher feine Beobachtungskunft und Menfchenkenntnifs an, die Vorftellungen und Neigungen seiner Schüler oder Gegner auszufpähen. Auf diese einmal zugegebnen Sätze pflanzte er dann neue Begriffe und Sätze, die fein Schüler noch nicht wusste, und schritt nicht weiter fort, bis er auch diefe ganz zum Eigenthum deffelben gemacht hatte. §. 8. Sokrates kettete Begriff an Begriff, und leitete einen Satz im ftrengften Zufammenhang aus dem andern her. §. 9. Er zergliederte die Begriffe, und löfte fie in ihre Beftandtheile auf. §. 10. Um einen Begriff zu bilden, machte er viele einzelne Individua, die darunter enthalten waren, und, bey Gattungsbegriffen, mehrere Individua von mehrern Arten, anfchaulich. §. 11. Er liefs feine Lehrlinge felbft den Beweis inden, und durch mannichfaltige Folgerungen den zu beweifenden Satz herausbringen und zufammenfetzen. §. 12. Abficht und Nutzen der Einkleidung feines Unterrichts in Frage und Antwort. §. 13-15. Befchaffenheit feiner Fragen und Antworten. §. 16-19. Hülfsmittel zur Belebung feines Vortrags, Vergleichungen und Inductionen, Gleichniffe, Allegorien, Analogien, Scherz, Fabeln, Mythen, Gemälde und Schilderungen. §. 20. Sprache und §. 21. Ironie des Sokrates.

Nachdem diefe einzelnen Beftandtheile der Sokratik im 2ten und 3ten Abschnitt nach Xenophon und Aeschines erörtert und erläutert worden, liefert der intereffante vierte Abschnitt eine allgemeine Schilderung der Sokratik. Der Vf. macht es wahrscheinlich, dafs jene Schüler des Sokrates im Befitz der reinen und lautern Sokratik gewefen, und dafs fich folglich aus ihnen der Begriff derfelben beftimmen lasse. Er bringt daher das, was fich in diefen Erkenntnifsquellen übereinstimmendes findet, unter allgemeine Gefichtspuncte, und fetzt aus den gefundnen Merkmalen die Definition der Sokratik zufammen, mit welcher er dann die Urtheile einiger Neuern über diefen Gegenftand vergleicht. Dem Sokrates wird, wie billig, die Erfindung und Ausübung diefer LehrmeDer letzte Paragraph oder Verhältnifs thode zuerkannt. der Sokratiker unter einander und Ehrenrettung des Plato zeichnet fich vortheilhaft durch neue, einer weitern Prüfung würdige, Gedanken aus. Ein jeder Schüler des Sokrates modificirte das Gemeinschaftliche des Sokratismus (der Sokratifchen Philofophie) und der Sokratik nach feiner befondern Seelenftimmung. Xenophon, für keine Speculationen gemacht, hebt nur diejenigen Charak

Nn

terzüge,

terzüge, Reden und Handlungen aus, welche Sokrates
als den Beförderer des Guten und Edeln darftellen; Pla-
to aber verbreitet fich über alle Theile der Sokratischen
Philofophie, und wendet in allen die Sokratik mit dem
glücklichsten Witz, in taufend fachen Abanderungen, und
mit dem gröfsten Reichthum an; er fpinnt die Sokrati-
fchen Ideen weiter aus, wendet fie auf wiffenfchaftliche,
oft tiefer liegende, Gegenstände an, und führt die So-
kratik bis zu einem noch unübertroffenen Grade der Voll-
kommenheit hinan. Man hat gegen die hiftorische Wahr-
heit des Platonifchen Sokrates angeführt, dafs er fich,
ganz gegen Xenophons Charakterfchilderung, mit hoch
Hiegenden, transcendenten Speculationen befaffe; allein,
erwiedert unfer Vf., er macht doch von allen diefen fpitz-
findigen, dogmatifchen Unterfuchen die Anwendung auf
Sittlichkeit, auf Pflicht und Tugend; der herrfchende
Gefchmack des Zeitalters, und der Geift der Sophiften
nöthigten ihn oft wider Willen zu Accommodationen; er
liefs fich fcheinbar gern mit in ihre Speculationen verwi-
ckeln, um fittliche Nutzanwendungen davon zu machen,
oder feine Gegner mit ihren überfchwenglichen Kennt
niffen in ihrer ganzen Blöfse darzustellen. Wo aber Pla-
to den Sokrates freywillig metaphyfifche Unterfuchungen
anftellen läfst, da meynt er den jungen Mann, der in den
frühern Zeiten fich an der Hand des Anaxagoras in phy-
fifchen und hyperphyfifchen Träumen verlor, und deffen
in der Jugend vorgetragne Sätze Plato vielleicht aus fpä-
tern Geständniffen des Sokrates oder aus der allgemeinen
Sage kannte. Wenn man aber auch alles, was Plato vor-
trägt, für fein Eigenthum ausgeben wollte, fo bleibt doch
zweifelsfrey, dafs die von ihm dem Sokrates beygelegte
Lehrart ächt fokratifch fey.

erlernt waren, bediente er fich ihrer, um aus dem Gege benen weitere Schlüffe und Anwendungen auf Objecte über der Erfahrung machen zu lehren. Die Anwendung der Sokratik in unfrer Katechetik wird fich also ebenfalls innerhalb diefer Grenzen erhalten müffen; und, wenn vom Religionsunterricht die Rede ist, fo wird fie bey dem Unterricht in der natürlichen Religion und noch mehr in der Moral ftatt finden, da hingegen der Theil unfers Reli gionsunterrichts, der fich auf pofitive Dogmen und pofitive Sitten vorschriften gründet, keinesweges die Sokratifche Methode zulafst. Wie man demungeachtet auch pofitive Sätze für die Aufklärung des Verftandes und Ver edlung des Herzens benutzen könne. lehrt eben diefes Sokrates Beyfpiel, fo wie es in dem Gebrauch, den der Platonifche Sokrates von den Mythen macht, erfcheint. Ueber diefe Platonifchen Mythen, deren Abficht Garnier in den Schriften der Akademie der Wiff., und nach ihm mit mehrerm philofophifchen Geist Eberhard in den vermischten Schriften unterfucht haben, hätten wir einige Bemerkungen, und eine Beyspielfammlung derfelben erwartet. Plato bediente fich, abgerechnet, dafs fein dichterifcher Geist diefe fchönen Fictionen liebte, der Volksfabel oder der Volkstheologie, unbekümmert um die Wahrheit oder Nichtigkeit derfelben, um an und bey Gelegenheit derfelben allerhand philofophifche Ideen zu entwickeln; auch wohl, um unvermerkt jenen rohen, finnlichen Begriffen, würdigere und reinere, unterzulegen. Eine Vergleichung diefer Art, die Volkstheologie zu benutzen, mit dem klugen und vernünftigen Beiragen des chriftlichen Katecheten beym Vortrage gewiller kirchlichen Dogmen, würde nicht ohne Nutzen feyn.

Die Anwendungen von diefer Abhandlung wird der Vf. in der Folge machen, wo er ausführlichere Betrachtungen über das Verhältnifs der jetzigen Katechifirkunft zur ächten alten Sokratik zu liefern denkt. Uns drängten fich mancherley Betrachtungen bey Lefung diefer Schrift auf, wovon wir nur einige der erwanigen genauern Beftimmung des Vf. überlaffen. Der wefentliche Charakter der Sokratik, alle Begriffe aus dem Menfchen herauszulocken, und das gleichfam fchon einmal in einem andern Leben erlernte nur wieder hervorzurufen, nichts aber in den Menfchen hineinzulegen, was nicht in ihm liegt, fetzt diefer ganzen Lehrart ihre bestimmten Grenzen. Demnach kann diefe Lehrart nur für alle reine Verftandes- und Vernunftbegriffe gelten, felbft für die reinen Begriffe von Recht und Pflicht, von Tugend und fittlichem Gefetz, fo wie für die Sätze der reinen Mathematik, die fich auf reine Anfchauungen a priori gründen; von allen diefen Begriffen konnte man mit Sokrates fagen, dafs fie gleichfam aus einer andern Welt mit uns herübergekommen, d. h., dafs fie aller Erfahrung vorhergehen. Alles, was erft durch Erfahrung erlernt wird, alles Pofitive, liegt nicht vor der Ertahrung in dem Menfchen, kann alfo durch keine geistige Hebammenkunft aus ihm entbunden werden. Daher hel es auch Sokrates nie ein. hitorifche Wahrheiten oder Glaubenslehren, die fich auf alte Mythen gründeten, feinen Lehrlingen abzutragen; nur, da diefe hiftorifchen, mythifchen und überhaupt poliuven Kenntniffe durch Erfahrung fchon

STOCKHOLM, b. Lange: Kongl. Vetenskaps Academiens nya Handlingar. T. XI. för månaderne Jamuar, Februar, Martius år 1790. mit 2 Kupfertaf. Dies erite Quartal enthält 1) S. Fahlberg's Anmerkun gen über die Anpflanzung der Baumwolle auf den ameri kanischen Inf In, befonders auf St. Barthelemi. Hr. F., der fich felbft auf St. Barthelemi aufgehalten hat, zeigt, dafs fie fich nicht zum Anbau des Cacao wegen der heftigen Winde und Sonnenhitze, nicht des Caffee, wegen des Mangels der Schwarzerde und des Regens, nicht des Indigo. der ein ebenes Land und einen feinen feuchten Boden verlangt, noch des Zuckerrohrs, das eine lofe und etwas felte Sanderde, frey von Salpeter und öftern Regen fodert, fchicke. Die Baumwolle dagegen konnt beffer im fteinigten Sande als lofer und ferter Erde fort, gebraucht wenig Regen, fodert weniger Neger und Koften, und kann zu allen Zeiten dafelbft gezogen Zu einem Quarré von 36 franz. Fufs gebraucht man nor 2 Neger, und folch ein Quarré liefert ungefahr 400 Baumwolle, jeder Bufch giebt etwa Pf. Die ganze Art der Anpflanzung und Bereitung wird hier gewiefen. Al le 2 Jahr kann man aufs Aerndten rechnen 2) 0. Swarz ho anifche Anmerkungen über die Baumwollenar

ten.

werden.

Pf.

bauet wird, hat die obern Blätter dreylappicht, die un Goffypium barbadente L., das amh meilten ange tern fünflappicht, den Stainm glatt, der Samen ist leicht von der Wolle zu trennen. Seltener wird gebaut Gof fypium hirfutum, die obern Blatter find eingetheilt, herz

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