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ALLGEMEINE LITERATUR ZEITUNG

Mittwochs, den 2. März 1791.

VERMISCHTE SCHRIFTEN. BERLIN, b. Vofs u. Sohn: Gelehrter Briefwechsel zwiSchen D. Joh. Jac. Reiske, Mofes Mendelssohn und Gotth. Ephr. Leffing. Erfter Theil. 1789. 348 S. Zweyter Theil. Ir Abschnitt, oder: Gelehrter Briefwechfel zwifchen D. J. J. Reiske, Conrad Arnold Schmid, und G. E. Leffing, 2r Abschnitt. Gel. Briefwechsel zwischen F. A. Ebert und G. E. Leffing. 277 S. 8. (1 Rthlr. 18 gr.)

Ebendaf.: Freundschaftlicher Briefwechsel zwifchen Gotth. Ephr. Leffing und feiner Frau. Erfter Theil. 1789. 412 S. Zweyter Theil. 316 S. 8. (2 Rthlr. 2 gr.)

Dafs

afs es dem vertrauten und gelehrten Briefwechsel eines Leffings nicht an Intereffe fehlen würde, dies liefs fich vorausfehen, ungeachtet seine Abneigung für das Brieffchreiben nicht das günstigste Vorurtheil für diefe Sammlung erwecken konnte.

Der erfte Theil des gel. Briefwechsels enthält keine Briefe vom fel. Reiske, wie der Titel fagt, wohl aber von IIn. Nicolai in Berlin, welches der Titel nicht fagt. Er begreift einen Zeitraum von 25 Jahren, worinn Leffing fich erft von Leipzig aus, vom J. 1755-58; dann aus Breslau vom J. 60., aus Hamburg vom J. 68., und aus Wolfenbüttel vom J. 70 bis 80 mit Mendelsfohn, und einige Zeit mit Nicolai, unterhält. Der Inhalt des Briefwechfels ift gröfstentheils äfthetisch-philofophifch, oder betrifft gemeinfchaftliche literarifche Angelegenheiten. Ob der Mendelfohn-Leffingische Briefwechfel vollständig ift, daran darf man wohl zweifeln: nicht sowohl, weil Lücken von ganzen Jahren darin vorkommen, welches von einem fo läffigen Brieffteller, wie Leffing war, keinesweges befremdlich ift, fondern, weil vertraute Freunde Leffings und Mendelsfohns wirklich noch mehrere und andre Briefe gelefen zu haben verfichern. Was aber denen, welche an das engfte Herzensverein zwifchen Mendelsfohn und Leffing glauben, noch auffallender feyn mufs; es fpricht in diefen Briefen falt immer nur die Seele des Veritandes, felten die Seele des Herzens: man findet gar wenig Spuren, dafs fich diefe zwey Freunde, die einander durch vieljährige Bekanntschaft erprobt und bewährt gefunden hatten, ihre Herzen wechselfeitig auffchliefsen, ihre geheimften, innneriten Empfindungen, ihre efoterifchen Ueberzeugungen einander eröffnen: alles, was aus diefen Briefen hervorleuchtet, ift eine Freundschaft von der Art, wie fie fich auf Gleichheit der Studien und Beschäftigungen, auf gewiffe Berührungspuncte in UeberzeuA. L. Z. 1791. Erster Band.

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gungen und Meynungen von philofophifchen Ge genftänden und auf eine von beiden Seiten anerkannte Biederkeit und Rechtfchaffenheit des Charakters gründet.

Man lieft mit Vergnügen, vorzüglich in der erften Hälfte des Briefwechfels, die angestellten Betrachtun gen über verfchiedne Gegenstände der praktischen Philofophie, befonders, infofern fie die Philofophie der Dichtkunft und überhaupt der fchönen Wissenschaften betreffen; noch unreife oder nicht genug geläuterte Ideen werden durch wechfelsweife Austauschung der Gedanken ausgebildet, entwickelt, berichtigt, und fo findet man hier die erften Keime, die nachher in den Literaturbriefen und in Leffings und Mendelsfohns Schriften in einer weit vollkommnern Gestalt als reife Früchte fich zeigen. Von der Art find die Unterfuchungen über den Schmerz, über Perfectibilität, über das Burleske, über Bewunderung, die in einer Reihe von Brie-, fen der Herren Leffing, Mendelsfohn und Nicolai durchgeführten Betrachtungen über den Zweck und das Wefen des Trauerfpiels. Ueber damals erschienene Werke des Geiftes und des Gefchmacks findet man hie und da merkwürdige Urtheile, wovon aber freylich einige den zum Theil noch lebenden Verfaffern jener Schriften wehe thun dürften!

Merkwürdig find einige zwischen Mendelssohn und Leffing gewechfelte Briefe über die Aehnlichkeit der Leibnitzifchen vorherbestimmten Harmonie mit Spinoza's System. Wenn Hr. Pr. Heydenreich glaubte, Mendelsfohn habe diefe Entdeckung aus Joh. Lange entlehnt; und von Wolf fagt: er habe felir bündig erwiefen, dafs man eher aus Feuer Waffer, als aus Spinoza Leibnitzens Harmonie herleiten könne; fo hat gegen ihn fchon Jacobi üb. d. Lehre des Spinoza S. 381 ff. (neue Ausg.) einige Aehnlichkeit zwifchen diefer Leibnitzifchen Hypothefe und Spinoza's Grundfatzen dargethan. Dafs aber Mendelsfohn die Beweife für seine Meynung auf Stellen in Spinoza's Werken selbst gründete, beweifen diefe Briefe, deren Hauptinhalt wir dar legen wollen. Leffing fetzte dem Mendelssohnischen Winke über die Aehnlichkeit beider Syfteme entgegen (S. 293): Leibnitz wolle durch feine Harmonie das Räthfel der Vereinigung zweyer fo verfchiedner Wefen, als Leib und Seele find, auflöfen, Spinoza hingegen fehe nichts verschiednes, alfo keine Vereinigung, kein Rathfel, das aufzulöfen wäre. Darauf antwortet Mendelsf. S. 301 ff.,,Nach Sp. find L. und S. verfchiedne Modificationen einer Subftanz. Ausdehnung und Denken find zwey verfchiedne Attribute derfelben, deren jedes für fich mufs begriffen werden können, ohne den Begriff eines andern Attributizu involviren. Daraus folgt, dafs fich Zzz

keine

keine Bewegung durch das Denken, und wiederum kein Denken durch die Bewegung begreifen laffe, fondern die Begriffe folgen aus Begriffen, und die Bewegungen aus Bewegungen, doch fo, dafs fie harmoniren." In diefen Briefen, die im J. 1763 gefchrieben find, fieht man noch keine Spur, dafs Leffing fchon dem Spinozismus oder Pantheismus ergeben gewefen, welchem Syftem er fich freylich, nach Jacobi, erft in den letzten Tagen feines Lebens ganz hingegeben haben foll, oh ne feine jüngsten Ueberzeugungen feinem Freund Mendelsfohn zu offenbaren. Indefs, mit einem Theile des Spinozifchen Syftems war Leffing fchon früher bekannt; dies beweit fein Briefwechfel- und es bedurfte nur gewiffer Umstände, die es ihm unter die Anfichten brachte, wodurch es ihm das einzig fichre und überzeugende Syftem wurde!

Ein paar Briefe über die Wolfenbüttelschen Frag mente verdienen besonders bemerkt zu werden. Der Herausgeber erzählt in einer Anm. von den zum Theil bekannten Schickfalen derfelben folgendes. Leffing Leffing wollte fie anfangs in Berlin drucken laffen; allein die theologische Cenfur wollte den Druck, zwar nicht verhindern noch unterdrücken, aber auch ihr Vidi nicht darunter fetzen. Leffing gab darauf Bruchstücke von der Handschrift heraus, erhielt aber bey dem fich durch diefelben erhebenden Streit vom Braunschweigischen Minifterium Befehl, nichts mehr davon herauszugeben; auch musste er demfelben das ganze Ms. ausliefern. Leffings Bruder foderte es als ein Stück von Leffings Nachlafs zurück, erhielt aber vom Hn. Geh. Rath v. Praun abfchlägige Antwort. Es ift merkwürdig, dafs Mendelsfohn über diefe gegen die Offenbarung gerichteten Schriften weit vorfichtiger, behudamer und unpartheyifcher urtheilt, als der aufbraufende und durch Pfaffenwahn erbitterte Leffing. Es ift unverbefferlich, was jener darüber S. 319 unter andern fagt: „Der Vf. der Fragmente ift eben fo fehr wider gewiffe Charakte re eingenommen, als andre für diefelben. Er leitet alles aus böfen, graufamen, menfchenfeindlichen AbfichWenn alles menfchlich zugegangen feyn foll, fo müffen wir auch den Menschen nehmen, wie er in jenen Zeiten, nach den damals fo fehr eingefchränkten Einfichten vom Völkerrecht, allgemeiner Gerechtigkeit und Liebe zu dem menfchlichen Gefchlecht, hat feyn können! - Wir follten uns der Neigung nicht überlaffen, gewiffe Dinge zu fehr herunter zu fetzen, weil fie andre zu fehr erhoben haben; denn dadurch bringen wir nur die Schalen in ein beständiges Schwanken, und niemals ins Gleichgewicht." Lef Ang dagegen billigt weit mehr das Verfahren des Fragmentisten S. 325 f., obgleich vorzüglich nur, infofern uns die Patriarchen und Propheten als höchfte Tugendmufter, und ihre Geschichte, als in Abficht auf eine gewiffe göttliche Oekonomie aufgezeichnet, aufgedrungen werden.

ten her.

Von einer andern Seite find diejenigen Züge in diefen Briefen anziehend und lehrreich, welche uns mit den Briefftellern als Menfchen, mit ihren Empfindungen, Verhältniffen, Schickfalen, bekannt machen. Mendelsohn erblicken wir als den Weisen, der die Meta

phyfik mit der Philofophie der Grazien vereint, der,
bey einer fehr eingezognen Lebensart, doch der gefelli-
gen Freundfchaft einiger weniger Edlen Opfer bringt,
der mit Kränklichkeit zu kampfen hat, und fich über
feine Pflichtgefchäfte als Buchhalter beklagt. „Die lä-
ftigen Gefchäfte, fagt er S. 297. drücken mich zu Boden,
und verzehren die Kräfte meiner beften Jahre. Wie
ein Laftthier fchleiche ich mit befchwertem Rücken
meine Lebenszeit hindurch, und zum Unglück fagt mir
die Eigenlicbe oft ins Ohr, dafs mich die Natur viel
leicht zum Paradepferd gefchaffen hat." Leffing dage-
gen erfcheint überall als der gerade, freymüthige, jovia-
lische, aber auch oft von übler Laune und Hypochon-
drie gequälte, Mann, unruhig, veränderlich, und felten,
oder doch fehr unterbrochen, mit feinem Gefchick und
feiner Lage zufrieden. In gewiffen Anwandlungen von
übler Laune oder in befondern Seelenftimmungen lieft
man auch wohl Urtheile von ihm, die gewifs nicht
bey ihm herrschend und dauerhaft waren. So fchreibt
er an M. S. 245:,,Den fchönen Wiffenfchaften follte
nur ein Theil unferer Jugend gehören; wir haben uns
in wichtigern Dingen zu üben, ehe wir sterben. Ein
Alter, der feine ganze Lebenszeit nichts, als gereimt, und
ein Alter, der feine ganze Lebenszeit nichts gethan, als
dafs er feinen Athem in ein Holz mit Löchern gelaffen;
von folcben Alten zweifle ich fehr, ob fie ihre Be-
ftimmung erreicht haben." Reimen, und mit den fcho-
nen Wiffenfchaften oder mit der Dichtkunft fich be-
fchäftigen, kann ein Leffing unmöglich anders als in ei-
nem Moment des Unmuths und des Verdruffes, der uns
bisweilen auch bey unferm' Lieblingsbefchäftigungen
überfallt, mit einander verwechfelt haben. Eben fo ein-
feitig oder in einem veritimmten Zuftande des Gemüths
fagt diefer gefchmackvolle und philofophifche Alter-
thumsforfcher (S. 311.) .,Ich fchätze das Studium der
Alterthümer gerade fo viel, als es werth ist: ein Ste-
ckenpferd mehr, fich die Reife des Lebens zu verkür-
Mit allen zu unferer wahren Befferung wefentli
chen Studien ift man fo bald fertig, dafs einem Zeit und
Weile lang wird." Eine fehr rührende Stelle, in wel-
cher wir erblicken, was bisweilen in dem Geift eines
Mannes vorging, der fein Leben der Unterfuchung der
verborgenen Wahrheit gewidmet hatte, und oft den Satz
betätigte, dafs Zuwachs an Kenntnifs Zuwachs an
Schmerz ift, wird man hier gern widerholt lefen, und
vielleicht durch Selbfterfahrung beftätigen können.
„Wenn man lange nicht denkt, fagt Leffing S. 324 f.,
fo kann man am Ende nicht mehr denken. Ift es aber
auch wohl gut, Wahrheit zu denken, fich ernstlich mit
Wahrheit zu befchäftigen, in deren beständigem Wi-
derfpruche wir nun fchon einmal leben, und zu unfrer
Ruhe heftändig fortleben müffen? Und von dergleichen
Wahrheiten fehe ich in dem Engländer (Fergufon)
fchon manche von weitem. Wie auch folche, die ich
längft für keine Wahrheiten mehr gehalten. Doch, ich
beforge es nicht erft feit gestern, dass, indem ich gewiffe
Vorurtheile weggeworfen, ich ein wenig zu viel mit weg.
geworfen habe, was ich werde wieder holen müffen. Dals
ich es zum Theil nicht schon gethan, daran hat mich
ur die Furcht verhindert, nach und nach den ganzen

zen.

Unrath

Unrath wieder in das Haus zu fchleppen. Es ist unendlich fchwer, zu wiffen, wenn und wo man bleiben foll, und Taufenden für Einen ift das Ziel ihres Nachdenkens die Stelle, wo fie des Nachdenkens müde geworden "!!

derfelben, das Publicum mit Producten feines Geiftes befchenkt hat!

Im zweyten Abschnitt befinden fich die zwifchen Leffing und Hn. Hofr. Ebert in Braunschweig gewechselten Briefe vom J. 1768-30. Sie drehen fich grofsentheils Der erste Abschnitt des zweyten Theils enthält den um den Antrag herum, den Leffing erhielt, nach WolBriefwechfel Leffings mit Reiske und Schmid vom J. fenbüttel als Bibliothecar zu kommen, und enthalten die 1769-80. Literärische Bedürfniffe brachten Reisken zu deswegen mit Leffing vom damaligen Erbprinzen von Leffing, die Bekanntschaft gieng durch beider Eifer für Braunschweig gepflognen Unterhandlungen, deffen Gedie Literatur, infonderheit die griechische, durch wech- fchäftsträger Ebert war, der Leffings Sache als die Sache felfeitige Dienstleistungen und durch manche Homoge- eines mit Enthusiasmus geliebten Freundes mit doppelneitaten in beider Charakter in Freundschaft über. Dertem Eifer betrieb. Durchaus erfcheint Ebert, welches zu bängliche Complimentirton und die Steifheit in Reis- feinem Herzen Ehre bringt, als der wärmfte, theilnehkens Briefitil fticht stark gegen Leffings klassische Brie- mendfte Freund Leffings, der fich, bey fo mancher Verfe ab, obgleich Leffing der Reiskifchen Verdeutschung schiedenheit der Grundfätze, in den Ausdrücken schmeldes Demofthenes in Abficht auf feinen deutschen Aus- zender Gefühle und einer begeisterten Gemüthsftimdruck alle Gerechtigkeit widerfahren läfst. Die Haupt- mung, von feinem Freunde vernehmen läfst. Man lefe gegenstände feines Briefwechsels mit Leffing find die alte nur den Brief, worinn Ebert die aufserordentliche ErLiteratur; viele betreffen die Reiskifche Ausgabe der fchütterung mit lebendigen Farben schildert, welche die griechischen Redner, für welche fich Leffing mit Rath erfte Aufführung von Emilia Galotti in Braunschweig in und That verwendete. Auch des fel. Reiske verehrungs- feinem Geift und Körper hervorgebracht hat S. 251-54! würdige Gattin erscheint in diefen Briefen, wie man fie fchon kennt, als thätige Gehüllin der gelehrten Arbeiten ihres Mannes und als Kennerin der alten Literatur. Weit intereffanter waren für uns die Briefe des nun vollendeten Conf. Rth. Schmid in Braunfchweig, der mit Leffing in einer sehr genauen Vereinigung des Geiftes und Herzens lebte, deffen Briefwechfel mit Lefling aber freylich mehr in einer Menge kleiner Blätter und Billets, welche die altdeutfche, vorzüglich die Literatur des Mittelalters, zum vornehmften Gegenstand haben, befteht, als in ausführlichen Erörterungen und wechfelfeitigen Geiftesund Herzensergiefsungen, welche diefe fo nahe bey einander lebenden Männer wohl auf ihre persönlichen Zufammenkünfte veriparten. Den Charakter, den der aufgeklärte und liebenswürdige Schmid in feinem ganzen Leben behauptete, verleugnet er in diefen Briefen nicht. Allenthalben erkennt man den gelehrten und mit hiftorischen Unterfuchungen vertrauten, den behutfamen, gutmüthigen, jovialischen, fanften Mann. Dieter Geift, der in allen feinen Briefen und Brieflein ausgegoffen ift, empfiehlt fie dem Lefer; der Inhalt derfelben mag ihm noch fo fremd oder unintereffant feyn. Der Charakter der Furchtfamkeit in Acufferung feiner hellern, mit Leffing einstimmigen, Grundfätze, der feinem ganzen Wefen eingeprägt war, zeigt fich in verfchiednen feiner Warnungen an Leffing. So bewundert er S. 169 f. Leffings Duplik, mag aber nicht an deffen Stelle feyn, weil ihm gewiffe Herren übel mitfpielen möchten.,,Sie müf,,Sie müffen, fetzt er hinzu, es nicht beforgen, fonft fafsen Sie langft mit mir in einem Maufeloche, und verzehrten Ihre Kaferinde in aller Stille." Desgleichen S. 172:,,Halten Sie fich nur die theologifche Reichsarmee, die fich von allen Seiten gegen Sie zusammenzieht, vom Leibe, oder, wenn Sie Unrath merken, dass das Ding zu arg werden will, fo nehmen Sie bey Zeiten das Reisaus, wie ich längst gethan hätte." Wir find dem Herausgeber für die Bekanntmachung diefer Briefe um fo mehr verbunden, je fparfamer der befcheidne, zu wenig bekannt gewordne, aber von feinen Freunden innigft gefchätzte, Urheber

Der freundfchaftliche Briefwechfel zwifchen Leffing und einer verwittweten Madame König in Hamburg, welche nachmals Leffings Gattin wurde, begreift einen Zeitraum von 4 Jahren, vom J. 1772-76. Diese feine Freundin war eine verftändige, thätige, rechtschaffne Frau; fie drückt fich ganz gut in ihren Briefen aus, fchmiegt fich an Lefling an, und weifs fich in feine Launen zu schicken; fie ist eine zärtliche Mutter und treue Freundin. Diefs und nicht mehr fcheint Lefling von feiner Gefellschafterin und Ehegenoffin gewünscht zu haben, er, der im gefelligen Umgang fich abzufpannen fuchte, und, ohne grofse Anfprüche zu machen, in der Gefellschaft mit muntern, aufgeweckten Perfonen Erhohlang und Vergnügen fand. Man würde es dem Herausgeber fehr gern verziehen haben, wenn er, minder freygebig, einen Theil diefes Briefwechfels befchnitten hatte. Die Erzählungen von Familienangelegenheiten, von den Fabriken der Mad. Konig, die beynahe wöchentlichen Nachrichten über die Zahlenlotterien, in welche fie gemeinfchaftlich zu fetzen pflegten, über Gewinnst und Verluft, können das Publicum keinesweges intereffiren.

WITTENBERG, b. Kühne: Der Zuschauer an der Elbe, von D. K. H. v, Römer, Heft 1, Marz, April; Heft 2, May, Junii, 1790. 8. 256 S.

Das wäre denn wieder einmal eine Wochenfchrift,eine Gattung die von unfern Monatsfchriften fast verdrängt worden war, und doch auch manches eigenthümliche Gute haben kann, befonders wenn fie auf einen bestimm ten, nicht zu weiten, Wirkungskreis berechnet wird. Indeffen ift diefe nicht, wie die meisten ehemaligen, moralifchen, fondern politifchen Inhalts. Und ob der Hr. Vf. gleich die merkwürdigften neuen Vorfälle in allen Ländern und Staaten erzählen zu wollen fcheint, fo ift es ihm doch wohl weniger um chronikenmäßige Vollstän> digkeit, als um Entwickelung, und Beurtheilung dessen, was er erzählt, zu thun. Hierin und durch die wöchent liche Ablieferung unterscheidet fich fein Blatt vom Ham

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burger Polit. Journale; wozu noch kommt, dafs der Hr. Vf. gänzlich von der unerträglichen Selbftgefälligkeit entfernt ift, welche das Polit. Journal, fo mancher anderer Gebrechen hier nicht zu gedenken, jedem Lefer von Gefchmack ekelhaft macht. Er erzählt kurz und deutlich, feine Vermuthungen find meistens wahrscheinlich, feine Entwickelungen behutsam, feine Urtheile befcheiden. Nur die Schreibart ift nicht richtig genug, und zuweilen zu platt. Hier und da zeigt fich auch zu viel Aengftlichkeit, und der Grad von theologischer und politifcher Denk- und Cenfurfreyheit, welcher in dem Lande herrscht, wo er lebt. Dies fieht man befonders bey feinem Eingange zur Darstellung der Belgischen Unruhen S. 23, bey feiner Erzählung der Lütticher Executionsfache S. 49, und fonft. Auch er feufzt da und an andern Orten über die arme Aufklärung, und fagt: Die Menfchen wären in der Religion zu überklug geworden, (was doch warlich Belgiens Fall nicht ift); daher ihr Widerwille gegen alle bürgerliche Oberherrschaft. Den Lüttichern fchreibt er vor, fie follten ihre Befchwerden, die er, trotz dem Hn. v. Dohm, vorgeblich nennt, auf dem Wege Rechtens fuchen.

Zuweilen giebt der Hr. Vf. auch Anekdoten. Wozu die vom Schäfer, der den Bauern den Klee in den Brachfeldern abhütet, und darüber vom Landesfürften mit hoher Strafe bedrohet wird, da er doch die Hutung der Brachfelder mit im Pacht hat, dienen foll, ift nicht wohl abzusehen; denn es war doch immer ungerecht vom Landesherrn, den Kleebau auf des Pachters Koften zu begünftigen?

Solcher kleinen Mängel unangeachtet kann diefes Wochenblatt in Verbindung mit einer guten politifchen Zeitung für einen grofsen Theil des Publikums in diefer Art von Leferey völlig hinlänglich seyn.

REGENSBURG, b. Montag: Ifaak Alexander, Rabbiners zu Regensburg, kleine Schriften. 1789. 168 S. 8. (12 gr.)

Diefe Schriften find ein redender Beweis, dafs die Aufklärung, die Mendelsföhn zu bewirken fuchte, fich

-

immer mehr bey feiner Nation verbreitet. Zwar leuchtet aus diefen Abhandlungen nicht fo viel philofophifcher Scharffinn hervor, als aus den Mendelsfobnifchen; aber der Vf. wollte auch, wie es fcheint, nicht fowohl tiefe philofophifche Unterfuchungen anftellen, als vielmehr feinen Landsleuten Begriffe von nützlichen Gegenständen in einem rednerischen Vortrage mittheilen. Daher drückt er fich z. B. über die Freyheit des Menfchen, von welcher die erste Abhandlung handelt, alfo aus: Die Freyheit ist die Königin unter den Kräften und Vermögen des Geiftes. Sie führt das Scepter über Verftand und Vernunft und fetzt dem Wil len Grenzen. Die wahre Freyheit des Geiftes ift eine aus freyer Entschliefsung bestimmte Wahl des Guten. Der Vf. folgt auch der, bey den Juden immer gewöhnlichen, Methode, alles aus dem alten Teftamente zu erläutern, welches an fich betrachtet, fehr zu billigen ift. Auch für uns würden diefe Abhandlungen unterhaltend feyn, wenn Hr. A. nicht noch zu fehr der Auslegungskunft der alten Rabbinen folgte. Z. B. S. 21. 28. 155. Daher kommen auch noch folche Behauptungen vor: Die ganze Sprache ist ein Abdruck von den wefentlichften Eigenschaften der Dinge, und mit Recht heifst fie die heilige. Defswegen wird man fich auch nicht wundern, dafs er Hn. Michaelis mofaifches Recht zu widerlegen fucht. S. 136. f. In der zweyten Abhandlung, welche überschrieben ist: Wahrheiten zur gottli chen Weisheit fucht, Hr. A. vorzüglich den Vorzug der Offenbahrnng vor der Vernunft darzuthun. Die dritte enthält Anmerkungen über die erfte Gefchichte der Menschheit nach dem Zeuguifs Mofis. Die Schreibart ift blühend uud gewählt. Nur felten werden ganz verfchiedene Tropen zufammengeftellt, z. B. S. 34. Eben fo felten kommen, ungewöhnliche Redensarten vor, z. B. S. 32. keinesweges ift der Schöpfer daran die Urfache. Auch ftöfst man nicht fogar oft auf grammaticalifche Unrichtigkeiten, wie S. 24. gleich einem Tyrann. Kurz, diefe Abhandlungen werden bey Juden viel Nutzen ftiften. Und die allegorifche Erzählung S. 59-72. wird jeder Lefer unterhaltend finden.

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Eine

GESCHICHTE. Prag, b. Walenta: Regentenabficht und Völ kerglück in einer rührenden Gefchichte aus dem gegenwärtigen Zeitalter. 1791. 66 S. 8. (4 gr.) Wer follte unter diefein Titel wohl das vermuthen, was man im Büchlein felbft findet? Biographie Kaifer Jofephs II! Aber freylich ift es auch eine Biographie, wie Preis, Titel, Löfchpapier, und Umfang es vermithen laffen. Ein elender Zeitungs-Auszug, ohne Saft und Kraft, hier und da mit Reflexionen verwebt, die fentimentalifch klin gen follen, und fo fade als möglich find. Alle Reifen des Kaifers z. B. vor dem Tode feiner Mutter fafst er in die einzige Zeile zufammen.,,1777. reifste Jofeph nach Frankreich unter ,,dem Namen eines Grafen von Falkenftein." fses Lob ohne Unterfuchung. Gegen das Ende von Jofephis Leben ist der Vf. noch am weitläuftigften; weil ihm — naturlicher weife die letzten Wiener und Prager Zeitungen noch am besten im Gedächtnifs fchwebten.

Alles ift blo

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PHILOLOGIE

GÖTTINGEN, b. Barmeyer: Anweifung zur englischen Ausfprache, von K. Fr. Chr. Wagner, Doctor der Philofophie. 1789. S. 60 8. (4 gr.)

E

twas vollständiges, oder auch nur vorzügliches mufs man hier nicht finden wollen. Der Vf. erinnert felbft in der Vorrede, dafs er diefe Tabellen nur zu feiner eignen Uebung und Anweifung aufge fetzt habe. Wenn wir fie mit andern, bereits exiftirenden vergleichen, fo finden wir freylich nicht, dafs ihrem Vf. viel eignes übrig bleibt, nicht einmal das Verdienst der deutlichen Auseinanderfetzung und des leichten Vortrags der Regeln. Dafs er zu fchnell gearbeitet, beweifen häufige Nachlässigkeiten, die zwar hernach zum Theil für Druckfehler ausgegeben wer den; und vorzüglich die Nach!efe - von 10 Seiten zu einem Text von 40! Als neu, wenigftens als auffallend bewerken wir, dafs der Vf den Buchstaben W bald zu den Konfonanten, bald zu den Vocalen zählt; letzteres zu Ende der Wörter, wenn er nicht ausgefprochen wird. Z. B. in bow, law, new. (Auf diefe Weife könnte h auch für einen Selbstlauter gelten. Er hätte fagen können: w (doppelt u) besteht eigentlich aus u und v; und in den Wörtern, die auf w ausgehen, wird bisweilen nur der Vocal u ausgefprochen). Als Ausnahmen führt er oft Wörter an, wie fie in gemeinen Leben ausgefprochen werden. Ueberhaupt follte, bey einer Anweifung zur englifchen Ausfprache, forgfältig auf die doppelte, vollfländige und abgekürzte Ausfprache Rücklicht genommen werden, weil wohl keine Nation verschiedener ausfpricht, als die englifche. Daher weifs fich der Vf. bey den verfchiedenen Ausfprachen von creature, of, either und neither und vieler andern, nicht zu helfen. Doch am auffallendften ift wohl das, was er über die Ausfprache des Artikels the fchreibt. Er nennt ihn, den geglaubten (?) Stein des Anftof fes in der englifchen Sprache, obgleich d (?) und "g(?) ohnweit mehr Aufmerksamkeit erfodert. " Ein beygefügter Anfang von Regeln für den Accent, aus Johnfon und Sheridan gezogen, enthält das allge meinfte über diefe Materie, nur dafs es hier, wie in der ganzen Anweifung, gut für den Anfänger gewe fen wire, neben den englifchen (fchwerern) Wörtern die deutsche Ueberfetzung zu finden, welches eben keinen Raum genommen haben, und dem Gedächtnifs fehr zu Statten gekommen feyn würde. Nützlich kann diefes Werkchen für den Anfänger, als Bepertorium für die Ausfprache feyn; es ist aber bey AL Z. 1791. Erfter Band.

weitem nicht das, was es bey den vielen vorhandenen Hülfsquellen zur englifchen Sprachkunde, hätte werden können.

LITERARGESCHICHTE.

BRIXEN, b. Weger: Verzeichniss typographifcher Denkmaler aus dem funfzehenten Jahrhundert, welche fich in der Bibliothek des regulirten Korherrenstiftes des heil. Auguftin zu Neuftift in Tyrol befinden. 1789. 269. S. 51 Bl. Reg. mit 6. Kupfertaf. 4.

Ebendafelbft: Verzeichniss einiger Büchermerkwürdig keiten aus dem fechzehenten und fiebenzehenten Jahrhunderten, welche fich zu Neuflift in Ty rol befinden. 1790. 282. S. 3. Bl. Reg. mit 6. Kupfertaf. 4.

Dafs man feit einiger Zeit auch in dem katholifchen Deutschland, befonders in den Klöstern, angefangen hat, den rühmlichen Vorfchritten der Proteftanten, auch in Rücklicht der ehehin nur gar zu sehr vernachläfsigten Literatur nachzufolgen, indem verfchiedene würdige Männer, die unter ihrer Aufficht stehenden, bisher faft völlig vergeffenem Schätze, fur fich, und auch für andere durch die dem Publikum vor Augen gelegten Verzeichnisse derfelben, gemeinnütziger zu machen gefucht haben, verdient gewifs allen Beyfall. Und diefen kann fich auch der Vf. des gegenwärtigen doppelten Verzeichniffes, Hr. Franz Grafs, regulirter Chorherr und Bibliothekar zu Neustift in Tyrol, ficher verfprechen. Es war zwar schon ein folches Verzeichnifs, was 1777 (nicht 1779. wie es in der Vorr, heilst) unter dem feltfamen Titel: Raritas librorum in bibliotheca Novacellenfi delitefcentium luci publicae propofita zu Brixen in 8. heraus kam, vorhanden. Allein, ungerechnet, dafs daffelbe nur die blofsen Titel der Bücher anzeigte, nicht ganz zuverlässig, auch nicht vollständig war, hatten fich auch die Exemplare davon völlig vergriffen. Der Entfchlufs war alfo fehr lobenswürdig, diefes Verzeichniss, bey einer wiederholten Ausgabe, noch brauchbarer zu machen. Das erfte, welches die Bü cher aus dem 15ten Jahrhundert enthält, hat zwey Abfchnitte. In dem erften find diejenigen Bücher, die eine Anzeige des Druckjahrs haben, bis 1499 nach chronologifcher Ordnung angezeigt worden. Der Zweyte enthält diejenigen, die ohne Bemerkung des Jahrs erfchienen find. Im erften Abfchnitt find die Schlufsanzeigen genau angegeben, auch das nöthig fte, in Anfehung der Typen, des Papiers, der Bogenzahl u. d. beygebracht worden. Die beygefügten lite. rarifchen Anmerkungen würden vielleicht etwas reich

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