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ALLGEMEINE LITERATUR- ZEITUNG

E

Montags, den 17. Januar 1791.

SCHOENE KÜNSTE.

Wir führen diefe Strophe nicht an, als glaubter wir, dass fie das Gedicht, worinn fie vorkömmt, eben verunftalte, fondern weil fie uns das paffendfte Bey

GÖTTINGEN, b. Dieterich: Gedichte von G. A. Bür- fpiel zu feyn fcheint, wie ungefähr Hr. B. ideali firti

ger, etc..

(Befchlufs der im vor. St. abgebrochenen Becenfion.)

ine der erften Erfoderniffe des Dichters ift Idealifirung, Veredlung, ohne welche er aufhört, feinen Namen zu verdienen. Ihm kommt es zu, das Vorteffliche feines Gegenstandes, (mag diefer nun Geftalt, Empfindung oder Handlung feyn, in ihm oder aufser ihm wohnen,) von gröbern, wenigftens fremdartigen Beymifchungen, zu befreyen, die in mehrern Gegenftänden zerstreuten Strahlen von Vollkommenheit in einem einzigen zu fammeln, einzelne, das Ebenmaafs ftörende Züge der Harmonie des Ganzen zu unterwerfen, das Individuelle und Locale zum Allgemeinen zu erheben. Alle Ideale, die er auf diefe Art im Einzelnen bildet, find gleichfam nur Ausflüffe eines innern Ideals von Vollkommenheit, das in der Seele des Dichters wohnt. Zu je gröfserer Reinheit und Fülle er diefes innere allgemeine Ideal ausgebildet hat; defto mehr werden auch jene einzelnen fich der höchften Vollkommenheit nähern. Diefe Idealifirkunft vermiffen wir bey Hn. Bürger. Aufserdem, dafs uns feine Mufe überhaupt einen zu finnlichen, oft gemeinfinnlichen Charakter zu tragen fcheint, dafs ihm Liebe felten etwas anders, als Genufs oder finnliche Augenweide, Schönheit oft nur Jugend, Gefundheit, Glückfeligkeit nur Wohlleben ift, möchten wir die Gemälde, die er uns aufftellt, mehr einen Zufammenwurf von Bildern, eine Compilation von Zügen, eine Art Mofaik, als Ideale nennen. Will er uns z. B. weibliche Schönheit malen, fo fucht er zu jedem einzelnen Reiz feiner Geliebten ein demfelben correfpondirendes Bild in der Natur umher auf, und daraus erfchafft er fich feine Göttin. Man fehe 1. Th: S. 124. das Mädel, (?) das ich meine, das hohe Lied und mehrere andre. Will er fie überhaupt als Mufter von Vollkommenheit uns darftellen, fo werden ihre Qualitäten von einer ganzen Schaar Göttinnen zufammengeborgt. S. 86. die beiden Liebenden:

Im Denken ift fie Pallas ganz, Und Juno ganz an edelm Gange, Teepfichore beym Freudentanz, Euterpe neidet fie im Sange, The weicht Aglaja, wenn fie lacht, Melpomene bey fanfter Klage, Die Wolluft ift fie in der Nacht, Die holde Sittfamkeit bey Tage. A. L. Z. 1791. Erfter Band.

Es kann nicht fehlen, dafs diefer üppige Farbenwech fel auf den erften Anblick hinreifst und blendet; Lefer befonders, die nur für das Sinnliche empfänglich find, und, den Kindern gleich, nur das Bunte bewundern. Aber wie wenig fagen Gemälde diefer Art dem verfeinerten Kunstfinn, den nie der Reichthum, sondern die weife Oekonomie; nie die Materie, nur die Schönheit der Form; nie die Ingredienzien, nur die Feinheit der Mifchung befriedigt! Wir wollen nicht unterfuchen, wie viel oder wenig Kunft erfodert wird, in diefer Manier zu erfinden; aber wir entdecken bey diefer Gele+ genheit an uns felbft, wie wenig dergleichen Matadorftücke der Jugend die Prüfung eines männlichen Gefchmacks aushalten. Es konnte uns eben darum auch nicht fehr angenehm überraschen, als wir in diefer Gedichtfammlung, einem Unternehmen reiferer Jahre, fowohl ganze Gedichte, als einzelne Stellen und Ausdrücke wieder fanden, (das Klinglingling, Hopp hopp hopp, Huhu, Safa, Trallyrum larum, u. dg. m. nicht zu vergeffen,) welche nur die poetifche Kindheit ihres Verfaffers entfchuldigen, und der zweydeutige Beyfall des grofsen Haufens fo lange durchbringen konnte. Wenn ein Dichter, wie Hr. B., dergleichen Spielereyen durch die Zauberkraft feines Pinfels, durch das Gewicht feines Beyfpiels in Schutz nimmt; wie foll fich der unmännliche, kindifche Ton verlieren, den ein Heer von Stümpern in unfere lyrifche Dichtkunft einführte? Aus eben diefem Grunde kann Rec. das fonft fo lieblich gefungene Gedicht: Blümchen Wunderhold: nur mit Einschränkung loben. Wie fehr fich auch Hr. B. in diefer Erfindung gefallen haben mag, fo. ift ein Zauberblümchen an der Brust kein ganz würdiges, uni eben auch nicht fehr geistreiches Symbol der Befcheidenheit; es ift, frey herausgefagt, Tandeley. Wenu es von diefem Blümchen heifst:

Da theilft der Flöte weichen Klang
des Schreyers Kehle mit,
und wandelft in Zephyrengang
des Stürmers Poltertritt.

fo gefchieht der Befcheidenheit zuviel Ehre. Deru fchickliche Ausdruck: die Nafe fchnaubt nach Aether, und ein unächter Reim: blahn und Schön, verumftalten den leichten und fchönen Gang diefes Liedes.

Am meisten vermifst man die Idealifirkunft bey Hn. B., wenn er Empfindung fchildert; diefer Vorwurf trifft befonders die neuern Gedichte, grofsentheils an Molly

gerich

gerichtet, womit er diefe Ausgabe bereichert hat. So unnachahmlich fchön in den meisten Diction und Versbau ift, fo poetifch fie gefungen find, fo unpoetisch scheinen fie uns empfunden. Was Leffing irgendwo dem Tragödiendichter zum Gefetz macht, keine Seltenheiten, keine fireng individuellen Charaktere und Situationen darzustellen, gilt noch weit mehr von dem Lyrifchen. Diefer darf eine gewiffe Allgemeinheit in den Gemüthsbewegungen, die er fchildert, um fo weniger verlaffen, je weniger Raum ihm gegeben ift, fich über das Eigenthümliche der Umstände, wodurch fie veranlafst find, zu verbreiten. Die neuen Bürgerschen Gedichte find grofsentheils Producte einer folchen ganz eigenthümlichen Lage, die zwar weder fo ftreng individuell, noch fo fehr Ausnahme ift, als ein Heavtontimorumenos des Terenż, aber gerade individuell genug, um von dem Lefer weder vollständig, noch rein genug, aufgefafst zu werden, dafs das Unideale, welches davon unzertrennlich ist, den Genufs nicht ftörte. Indeffen würde diefer Umitand den Gedichten, bey denen er angetroffen wird, blofs eine Vollkommenheit nehmen; aber ein anderer kommt hinzu, der ihnen wefentlich fchadet. Sie find nämlich nicht blofs Gemahle diefer eigenthümlichen (und fehr undichterifchen) Seelenlage, fondern fie find offenbar auch Geburten derfelben. Die Empfindlichkeit, der Unwille, die Schwermuth des Dichters, find nicht blofs der Gegenstand, den er befingt; fie find leider oft auch der Apoll, der ihn begeistert. Aber die Göttinnen des Reizes und der Schönheit find fehr eigenfinnige Gottheiten. Sie belohnen nur die Leidenfchaft, die fie felbft einflöften; fie dulden auf ihrem Altar nicht gern ein ander Feuer, als das Feuer einer reinen, uneigennützigen Begeisterung. Ein erzürnter Schauspieler wird uns fchwerlich ein edler Reprafentant des Unwillens werden; ein Dichter nehme ich ja in Acht, mitten im Schmerz den Schmerz zu befingen. So, wie der Dichter felbit blofs leidender Theil iit, mufs feine Empfindung unausbleiblich von ihrer idealischen Allgemeinheit zu einer unvollkommenen Individualität herabfinken. Aus der fanitern und fernenden Erinnerung mag er dichten, und dann defto befler für ihn, jemehr er an fich erfahren hat, was er befingt; aber ja niemals unter der gegenwärtigen Herrfchaft des Affects, den er uns fchon verfinnlichen foll. Selbft in Gedichten, von denen man zu fagen pflegt, dafs die Liebe, die Freundfchaft u. f. w., felbit dem. Dichter den Pinfel dabey geführt habe, hatte er damit anfangen müffen, fich felbit fremd zu werden, den Gegenitand feiner Begeisterung von feiner Individualität los zu wickeln, feine Leidenfchaft aus einer mildernden Ferne anzuschauen. Das Idealfchöne wird schlechterdings nur durch eine Freyheit des Geiftes, durch eine Selbstthätigkeit möglich, welche die Uebermacht der Leidenfchaft aufhebt.

Die neuern Gedichte Hn. B. charakterifirt eine gewiffe Bitterkeit, eine faft kränkelnde Schwermuth.. Das hervorragendite Stück in diefer Sammlung: Das hohe Lied von der Einzigen, verlierf dadurch befonders viel von feinem übrigen unerreichbaren Werthe. Andre Kunstrichter haben fich bereits ausführlicher über diefes

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fchöne Product der Bürgerifchen Mufe herausgelaffen, und mit Vergnügen ftimmen wir in einen grofsen Theil des Lobes mit ein, das fie ihm beygelegt haben. Nur wundern wir uns, wie es möglich war, dem Schwunge des Dichters, dem Feuer feiner Empfindung, feinem Reichthum an Bildern, der Kraft feiner Sprache, der Harmonie feines Verfes, fo viele Verfündigungen gegen den guten Gefchmack zu vergeben; wie es möglich war, zu überfehen, dafs fich die Begeisterung des Dichters nicht felten in die Grenzen des Wahnfinns verliert, dafs fein Feuer oft Furie wird, dafs eben deswegen die Gemüthsftimmung, mit der man dies Lied aus der Hand legt, durchaus nicht die wohlthätige harmonifche Stimmung ift, in welche wir uns von dem Dichter verfetzt fehen wollen. Wir begreifen, wie Hr. B., hingeriffen von dem Affect, der diefes Lied ihm dictirte, beftochen von der nahen Beziehung diefes Lieds auf feine eigne Lage, die er in demfelben, wie in einem Heiligthum, niederlegte, am Schluffe diefes Lieds fich zurufen konnte, dafs es das Siegel der Vollendung an fich trage; aber eben deswegen möchten wir es, feiner glänzenden Vorzügė ungeachtet, nur ein fehr vortrefliches Gelegenheitsgedicht nennen, ein Gedicht nemlich, deffen Entitchung und Bestimmung man es allenfalls verzeiht, wenn ihm die idealifche Reinheit und Vollendung mangelt, die allein den guten Gefchmack befriedigt.

Eben diefer grofse und nahe Antheil, den das eigene Selbjt des Dichters an diefem und noch einigen andern Liedern diefer Sammlung hatte, erklärt uns beyläufig, warum wir in diefen Liedern fo übertrieben oft an ihn felbft. den Verfaffer, erinnert werden. Rec. kennt unter den neuern Dichtern keinen, der das Sublimi feriam fudera vertice des Horaz mit folchein Mifsbrauch im Munde führte, als Hr. B. Wir wollen ihn deswegen nicht in Verdacht haben, dafs ihm bey folchen Gelegenheiten das Blümchen Wunderhold aus dem Bufen gefallen fey; es leuchtet ein, dafs man nur im Scherz fo viel Selbftlob an fich verfchwenden kann. Aber angenommen, dafs an folchen fcherzhaften Aeufserungen nur der zehente Theil fein Ernit fey, fo macht ja ein zehenter Theil, der zehenmal wieder kömmt, einen ganzen und bittera Ernft. Eigenruhm kann felbft einem Horaz nur verziehen werden, und ungern verzeiht der bingerifsne Lefer dem Dichter, den er fo gern nur bewundern

möchte.

Diefe allgemeinen Winke, den Geift des Dichters betreffend, fcheinen uns alles zu feyn, was über eine Sammlung von mehr als 100 Gedichten, worunter viele einer ausführlichen Zergliederung werth find, in einer Zeitung gelagt werden konnte. Das längst entfchiedne einstimmige Urtheil des Publicums überhebt uns, von feinen Balladen zu reden, in welcher Dichtungsart es nicht leicht ein deutscher Dichter lin. B. zuvorthun wird. Bey feinen Sonneten, Multern ihrer Art, die fich auf den Lippen des Declamateurs in Gefang verwandeln, wünschen wir mit ihm, dafs fie keinen Nachahmer finden möchten, der nicht gleich ihm und feinem vortreflichen Freund, Schlegel, die Ley er des pythifchen Gottes fpielen kann. Gerne hätten wir alle blofs witzigen Stücke, die Sinngedichte vor allen, in diefer Sammlung ent

behrt,

behrt, fo wie wir überhaupt Hn. B. die leichte fcherzende Gattung möchten verlaffen fehn, die feiner ftarken nervigten Manier nicht zufagt. Man vergleiche z. B., am fich davon zu überzeugen, das Zechlied I. Th. S.142. mit einem anakreontischen oder horazischen von ähnlichem Inhalt. Wenn man uns endlich auf Gewien frag te, welchen von Hn. B. Gedichten, den ernsthaften oder den fatyrifchen, den ganz lyrifchen oder lyrifcherzählenden, den frühern oder fpätern, wir den Vorzug ge ben, fo würde unfer Ausfpruch für die ernsthaften, für die erzählenden und für die frühern ausfallen. Es ift nicht zu verkennen, dafs Hr. B, an poetischer Kraft und Fülle, an Sprachgewalt und an Schönheit des Verfes, gewonnen hat; aber feine Manier hat fich weder veredelt, noch fein Gefchmack gereinigt.

Wenn wir bey Gedichten, von denen fich unendlich viel Schönes fagen läfst, nur auf die fehlerhafte Seite hingewiefen haben; fo ift dies, wenn man will, eine Ungerechtigkeit, der wir uns nur gegen einen Dichter von Hu. B. Talent und Ruhm fchuldig machen konnten. Nur gegen einen Dichter, auf den fo viele nachahmende Federn lauern, verlohnt es fich der Mühe, die Parthey der Kanft zu ergreifen; und auch nur das grofse Dichtergenie ist im Stande, den Freund des Schönen an die hochften Foderungen der Kunft zu erinnern, die er bey dem mittelmafsigen Talent entweder freywillig unterdrückt, oder ganz zu vergeffen in Gefahr it. Gerne geltehen wir, dass wir das ganze Heer von unfern jetzt lebenden Dichtern, die mit Hn. B. um den lyrifchen Lorbeerkranz ringen, gerade fo tief unter ihm erblicken, als er unfrer Meynung nach, felbit unter dem höchften Schönen geblieben ist. Auch empfinden wir fehr gut, dafs vieles von dem, was wir an feinen Producten tadelnswerth fanden, auf Rechnung aufsrer Unftände kommt, die feine genialiche Kraft in ihrer fehönften Wirkung befchrankten, und von denen feine Gedichte felbft fo rührende Winke geben. Nur die heitre, die ruhige, Seele gebiert das Vollkommene. Kampf mit aufsern Lagen undHypochondrie, welche überhaupt jede Geifteskraft lahmen, dürfen amallerwenigften das Gemüth des Dichters belaften, der fich von der Gegenwart loswickeln, und frey und kühn in die Welt der Ideale emporfchweben foll. Wenn es auch noch fo fehr in feinem Bufen türmt, fo müffe Sonnenklarheit feine Stirne umfliessen.

Wenn indeffen irgend einer von unfern Dichtern es werth ift, fich felbft zu vollenden, um etwas vollendetes zuleiten, fo ift es Hr. Bürger. Diefe Fülle poetischer Mahlerey, diefe glühende energifche Herzensfprache, diefer bald prächtig wogende, bald lieblich flötende, Poefieftrom, der feine Producte fo hervorragend unterfagen, aus jeder Zeile fpricht, ift es werth, fich mit immer gleicher äfthetischer und fittlicher Grazie, mit männlicher Würde, mit Gedankengehalt, mit hoher und ftil

Jer

zitat zu erringen,

Das Publicum hat eine schöne Gelegenheit, um die Taterländifche Kunft fich diefes Verdienst zu erwerben.

Ir. B. beforgt, wie wir hören, eine neue verschönerte Ausgabe feiner Gedichte, und von dem Maafse der Un

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terstützung, die ihm von den Freunden feiner Mufe widerfahren wird, hängt es ab, ob fie zugleich eine verbef ferte, ob fie eine vollendete feyn foll.

FREYBERG U. ANNABERG, in der Crazifchen Buchh.:
Gedichte von Gustav Schilling. Erfler Band. 1790.
IV. S. Vorr. und 180 S. 8. mit lateinifchen Lettern,
(12 gr.)

Hr. S. hatte allerdings triftige Urfache, eine vollständige Sammlung feiner Gedichte zu veranstalten, wenn feine Freunde ihn dazu ermahnten, und fogar einige derfelben eines Platzes in der Thalia gewürdiget wurden. Wie Recht aber feine Freunde hatten, und wie viel von fei-, nen Gedichten in der Thalia zu ftehen verdienten, beurtheilen unfre Lefer felbft. In der Kunft, fchwer zu reimen, übertrifft er fast Voffens fchwergereimte Oden; ihm fcheint natürlich zu feyn, was Vofs mit Fleifs mühfam zufammenfuchte. Auf wenigen Bogen über ein halbhundert Reime, wie folgende: Himmelstochter, unterjochter; Seelengeangst, vom wiehernden Hengft; Gottes, Todes; Herz, himmelwärts; verfchwindet, flinket; Krieg, Blick; Geier, Feu'r; ewig, leb' ich; Rader, fat er; u. f. w. Indeffen hat der Vf. noch weit bemerkenswerthere Vorzüge in originellen Bildern, Wörterzufammensetzungen und Formen, Vergleichungen, Gemählden, Combinationen und dergl. Befonders fcheint er fich felbft zu gefallen, in einer bildlichen Anwendung des Walzens. Er fpricht von Walzern des Sturmes und Walzern der Strudel, vom Tarandelwalzer, walzenden Welten, Walzern der Wonne. und von Walzern der kraffen Verzweiflung! Eben folche Lieblingsausdrücke find: der Strahlenlohn, das Strahlenlaub, der letterfirahlenkranz und die Strahlenfohle; das Stirnband der Welt, das Stirnband der Verklärung und das Stirnband der Wahrheitsfonne; der fchwanige Schoofs, die rofige Entfaltung, der rofige Pfirfich, das kufsliche Getön, der 'ürgerzug und der Gottesgriffelzug. In dem Samariterbekenntnifs S. 31. drückt der Vf. den Gedanken, dafs er gegen die aufsere Convention fich fträubte, aufscrit poetisch und annehmlich also aus:

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Grimmig käute ich die roftigen Gebiffe
Der Verhältnißse,

und in dem Gedicht an den Hn. Referendar Lindemann fagt er in einem lüiternen Bilde von der Natur, wenn wir anders das Subject errathen haben:

Ach! fie hült (!) dem Weifen wie dem Rangen (?)
Unter ihrer Accoucheure Zangen,

17 indet tundlich unter graufem Schmerze

Sich ein Kindlein ihr vom wunden Herze. (n) Alle Vollkommenheiten der Poefie aber scheint 11t. Sch. in der Ballade, Alfons und Agnes, verfammelt zu haben. Er ringt mit dem Vf. von Lenardo und Blandine um den Preis, und ift gleich das Mährchen weit fimpler, so find doch feine Ausdrücke viel frappanter und fchauerlicher. Gleich in der zweyten Strophe fchrumpft dem Reichsgrafen Ewolf das morfche Geäder ein, das ist

unerhört! und

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Das find entfetzliche Freuden! Man kann leicht denken, wie toll es erft im Verfolge der Gefchichte zugeht, Als bey der Tafel:

Hochfchäumend Champagner im Bogen entlang
In ftolzer Parabel die Lüfte durchsprang,

Da fprach den Reichsgrafen

Ein Bube von grauem Geftamm,

Schaa, grau (der unnachahmliche Wohlklang!) ift meis
Schidel, gespalten ist er,

Doch bict' ich noch Fehde zu Sibel und Speer!
Wir können, ohne unfere Anzeige zu weit auszudeh-
nen, deŋ Faden der Ballade nicht weiter folgen, wür
den aber doch zu wenig Achtung gegen die Verdienfte
des Vf. verrathen, wenn wir nicht noch ein Paar mei-
fterhafte Stellen aushöhen. S. 82, als der Vater heim-
kommt, und ein Verrather ihm die Liebeshiflor entdeckt,
heifst es:

Doch Bube von Herz, um fein Töchterlein an. Und diefer Bube hiefs Freyherr von Abeltern. Indeffen war Fräulein Agnefe fchon mit dem Ritter Alfons verftrickt, der gerade in der nemlichen Nacht vom Kriege zurückkommt, und fogleich von ihr verlangt: in ihrem Schoofse zechen zu dürfen. Agnele geftattet diese Foderungen nicht, fagt aber, indem fie ihm die Lip- Gewifs der originellite Gedanke von einem alten Reichs

pe reicht:

da fchlürfe fie ein

Die Vonne des Mädchens vom rofigen Keim,
da fchlürf' in der Schaale der Liebe dich fatt,
du durftiger Junge! der nimmer fatt hat.

Der Ritter,,fchmollt," und darauf entfchliefst fich das Fräulein, ihm auch die verlangte Schoofszeche zu erlauben. Nachdem die That gefchehen ift, will fie fliehen, and der Ritter hält fie mit diefen Worten zurück:

Was fliehft du mein Liebchen? du flieheft zu spät Schon ift ja der Zeuge der Liebe gefüt! Spricht bey Gelegenheit auch von dem allerliebsten Zauberguckauglein. Sie hingegen nennt ihn einen graufamen Rauber der heiligten Pflicht, (!) bleibt aber doch auf feine Verfchwörungen geduldig bey ihm. Unterdeffen als nun bey Abelstern ihr Vater, der Reichsgraf,,,verfchniebet den Wein," fprach ihn der Bube von grauem Geftamm abermals um fein Töchterlein an; und Ewolf fagt:

Es fchnaubte der Alte mit Schrecklichem Ton,
Da uimm ihn, Verführer, da nimm ihn den Lohn;
Und bohrte den Litter mit knirfchendem Zahn
Und zahllofen Stichen im Fussboden an.

grafen, einen Ritter mit dem Zahn und mit Stichen an zubohren! Solcher Schönheiten find indefs unzähliche in diefer Ballade. Schade, dafs uns der Raum fehlt, fie alle anzupreifen. Nur noch diefe: S. 86, wie der Ritter jach hereintrabt, und jach fragt;,,lit Fräulein Agnefe daheim?" antwortet der Vater :

Daheim? Ja, tief unten im Moder und Tod! Der fliehenden Seele erbarme fich Gott! Und darauf erwiedert (vermuthlich) der Ritter: Das lügft du, grauköpfiger Bube! du! dy! Diefs Dudu nebft dem Satthat und Schaugrau, verdie nen wahrlich allein einen Lorbeerkranz, und die Lefer werden nun fchon ohne unfere Erinnerung einfehen, wie unrecht es von dem Vf. ift, dafs er in dem Hochzeitliede S. 114 auch nur im Scherze fagt:

Ich bin ein Dichter! Mit mir fteht
Hanns Sachs in Parallele.

Der gute Hanns Sachs!

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GOTTESGEL. Jena, b. Strankmann: In dem akadem. Ofterprogramın 1789. 12 S. 4. von In. D. Schmid wird zur Fortsetzung des vorjährigen von der Uebereinstimmung des Kantischen Princips der Moral mit der Sittenlehre Jefu, über Matth. XXII, 36 bis 40 gezeigt, dafs Liebe Gottes nicht eine leidentliche, leidenfchaftliche, eigennützige, fondern eine vernünftige und thätige feyn müffe, die, darinn bestehe: 1) dafs man Gott als das unendlich vollkommene, gute und heilige Wefen, nicht nur um feiner Wohlthatén, fondern um fein felbft willen nach deutlicher Erkenntnifs verebre. 2) Dafs man feine Vorschriften als unfrer freyen Natur vollkommen gemäfs erkenne, werthfchätze, und fich gern und willig beftrebe, mit möglichster Ueberwin. dung der Sinnlichkeit und irrdifcher Lüfte, feinem Sinne ähnlich zu werden, und feinen Willen um feiner innern Vortreflichkeit willen zu erfüllen; und 3) da die Vernunft gebie

tet,

uns durch Tugend der Glückfeligkeit würdig machen, Gott, dem weifen Geber alles Guten und gerechten Vergelter, alles Gute und die Belohnung unfrer verdienstlofen Tugend

feft zuzutrauen. Hiebey werden noch mehr hieher gehörige Schriftftellén gut erläutert.

Der

SCHÖNE KANSTE. Ohne Druckort: Das Lindenfeft, oder das Feft der Freundschaft, eine ländliche Operette in zweyen Aufzügen für gefellschaftliche Bühnen. 1790. 8. 64 5. Vf. fagt, dafs er eine alte Erzählung modernifirt, und, unter obiger Benennung, in diefe Operette verwandelt habe, theils we gen,,der liebevollen Zurückerinnerung an einige Freunde, de ren kühle Gräber von Philyraens Linden befchattet werden theils aus dankbarem Andenken an einen hohen Mäcen, deiler adliches Geschlecht einen Lindenzweig im Wappenfchilde führt. Der Name wäre alfo zur Genüge gerechtfertigt, aber wart liefs er diefe Modernifirung drucken? Rec. zweifelt, ob gefeli schaftliche oder andre Bühnen fie wählen werden. Wenigften mag er fie eben nicht empfehlen. Die Verfe find zuweilen ziem lich gerathen, aber die Profa ift fteif und unnatürlich. S. 36 fagt ein Kerkermeifter:,,Böfewicht, du wirft bald die lang

Nacht fchlafen."

ALLGEMEINE LITERATUR-ZEITUNG

U

Dienstags, den 18. Januar 1791,

NATURGESCHICHTE. LISSABON, auf Koften der königl. Akademie: Flora eochinchinenfis fiftens plantas in regno Cochinchina nafcentes. Quibus accedunt aliae obfervatae in Sinenfi imperio, Africa orientali, Indiaeque locis variis. Omnes dispofitae fecundum Syftema fexua le Linnaeanum. Labore ac ftudio Joannis de Lou reiro - Regiae Scientiarum Academiae Uly fliponenfis Socii: olim in Cochinchina Catholicae fidei praeconis: ibique rebus Mathematicis ac Phyficis in Aula Praefecti. Juffu Acad, R. Scient. in lucem edita. Tomus I. XX. und 353 S. Tomus II, S. 357-722. 1790. gr. 4.

nfer Vf. verdient den Namen eines oftindifchen Plumier, und fein Werk ift ein wahrer Schatz für die Wiffenfchaft. Mit dem innigften Vergnügen las Rec. die Vorrede des Buchs, worinn der Vf. feine Lage in Oftindien und die Entstehung diefes Werkes fchildert aber fie war es nicht allein, die ihn für das Folgende einnahm; felbft wenn man durch fie mit den Schwierigkeiten, die der Vf. überwinden mufste, und mit dem anhaltenden Eifer, ja zum Theil auch mit der fchätzbaren Denkart des Vf. nicht bekannt geworden wäre, fo würde fchon die Ausführung felbft für den Kenner befriedigend feyn, und die Hochachtung fodern, die feinem Verdienfte gebührt. Langfamer, als bey uns, mufs der Druck portugififcher Werke vor fich gehen, das fieht man auch aus diefem Beyfpiel, da die Zueignung an die Akademie fchon 1788 gefchrieben ift; aber die Verzögerung fcheint der Vollendung im Aeufsern fogar günftig gewefen zu feyn.

Hr. L. lebte 36 Jahre in Cochinchina als Miffionär, und man kann fich vorstellen, dafs er „,omnes Prudentiae, Conftantiae et Charitatis vires" anwenden mufste, um fich nicht nur eine fo lange Zeit im Lande zu erhalten, fondern es fogar dahin zu bringen, dafs er eine anfehnliche Stelle am königlichen Hofe erhielt, da der heidnifche Aberglaube feinem Gefchäffte ungünfig war, und die Gefetze des Reichs keinem Europäer verftatten, fich dafelbft niederzulaffen." Der König that, als wüfste er von dem Bekehrungsgefchäfte nichts, dal, klug genug war, um es behutsam zu treiben, und auf der andern Seite das Volk für fich zu gewinnen. Ein Hauptmittel zu dem letztern Zweck war die Austheilung von Arzneyen; aber fich europäischer zu bedienen, wäre zu koftbar gewefen. Der entfchloffene Millionär that etwas, wozu mancher europäische Arzt kein Gefchick befitzt, und fammelte einen Arzneyvorrath des Landes felbft. Hiezu musste er Pflanzen kennen, und fo entstand feine Botanik. Er war fo glück A. L Z. 1791. Erfter Band.

lich, Linné's vorzügliche und unentbehrliche Schriften über Canton von einem englifchen Capitain, Riddel, zu erhalten, und machte fich, wie der Erfolg zeigt, die Kenntnifs derfelben vollkommen eigen. So fehr er auch die Mängel des Sexualfyftems einfieht, fo ertheilt er ihm und feinem Stifter doch die verdienten Lobfprüche, die in dem Munde eines folchen Mannes, der gewifs fo gut Beobachter war, als irgend einer, kein geringes Gewicht haben müffen. Er behält alle Claffen des Sexualfyftems bey, vertheidigt die Gynandrie, Monoecie und Diöcie; blofs die Polygamie, meynt er, könne allenfalls aufgehoben werden, und die feltene Aus nahme könne die Regel nicht verwerflich machen. Se genau fich auch unfer Vf. an das Linneische System. und fogar an feine Definitionen von Gattungen und Arten hielt, fo getreu und aufmerksam zeigt er auch alle ihm in der Natur vorgekommenen Abweichungen an, die er jedoch fehr befcheiden der Zukunft zur Beftätigung überläfst. So hält er auch die grofse Menge von Gattungen und Arten, die er mit einem + bezeichnet hat, nicht unwiderfprechlich für neu, fondern begnügt fich damit, die Gründe darzulegen, warum fie mit den bekannten fich nicht vereinigen laffen. Das ift gewifs das lobenswürdigfte und zweckmässigte Verfahren, den Fortgang der Wiffenfchaft zu befördern; aber mit vollem Recht hat der Vf. auch wieder jedem aus Gründen für neu gehaltenen Körper oder Begriffe einen eigenen Namen für die künftige Erinnerung beygelegt. Ausserdem find auch die Benennungen der Landeseinwohner angeführt, mit eigenen Accenten verfehen, und vielleicht ist auch dadurch demSprachforfcher ein angenehmes Gefcheak gemacht. Der Vf. hat fich beym Vergleichen der Schriftfteller vorzüglich an unfern verdienftvollen Landsmann, Rumph, gehalten, übrigens auch noch hin und wieder andere Schriften angeführt, wobey es nur zu bedauern ift, dafs er von den neueften Bemühungen der Botaniker, befonders in der Cryptogamie, noch keinen Gebrauch machen konnte. So hat er auch ferner aufser den Gewächfen von Cochinchina, noch die um Canton betindlichen, die er fich durch einen chinefischen Kräutermann bey feinem dreyjährigen Aufenthalt dafelbft fammeln liefs, dann die bey einem dreymonatlichen Aufenthalte auf Mozambique gefammelten dortigen Gewächfe u. an dre aus verfchiedenen benachbarten Gegenden mit in diefes Werk in einer fortlaufenden Reihe aufgenommen. Wenn er auch diefe Zufammenftellung fchon durch die merklich genaue fyftematische Anordnung gut gemacht hätte, fo wäre die treue Beschreibung des Einzelnen verdienftlich genug. Die Standörter find auch hinläng lich bestimmt; aber die Blühzeit hat er gar nicht, und den Unterfchied zwischen Bauin, Staude und Kraut nur

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