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Fußknecht mit Spieß und Feuerrohr hat ihm den Rang abgelaufen, auch auf den Pferden siten zuweilen leichte Reiter, nicht mehr Söhne und Knechte der adligen Grundherren; selbst im Turnier wird am liebsten nach Ring und Mohrenkopf gestochen, und wenn ja der Junker gegen einen vornehmen Herrn in die Schranken reitet, so findet er nüglicher, sich durch diesen vom Pferde stechen zu lassen, als ihm mannhaft zu widerstehen. *) Der Bauer freilich muß Vieles dulden und Vieles liefern. Die Ahnen des Gutsherrn haben ihn, auch wo er sonst frei war, zum unfreien Manne herabgedrückt, und was er zinjen muß an Getreide, Frohnden und Geld, verschlingt den größten Theil seiner Arbeit. Und doch frommt das dem Gutsherrn wenig, die Landstraßen sind schlecht und unsicher, ein weites Verfahren der Frucht unmöglich, er erhält sich und seinem Haushalt das Leben, aber die baaren Ausgaben sind gering. Alles ist theuer geworden in der letzten Generation, das neue Gold, das aus Amerika nach Europa herübergefahren wird, sammelt sich in den großen Handelsstädten, aber es kommt weniger davon auf sein Gut, als er für sich und seine Familie zum standesgemäßen Schmuck gebraucht.

Eigensinnig steht er auf Allem, was er für sein Recht hält, und sucht seinen Vortheil bald im Anschluß, bald in Widersetzlichkeit gegen seinen Lehnsherrn. Im Gefolge desselben zieht er auch wohl zu einem Reichstage, er arbeitet eifrig unter den Ständen seiner Landschaft gegen die Auflage neuer Steuern, aber ein warmes und stätes Gefühl für sein Land hat er nicht. Er fühlt sich deutsch nur im Gegensatz zu Italienern und Spaniern, die er haßt, und er sieht mit eigennützigem Interesse auf Frankreich, dessen König die verruchten Calvinisten durch die neue Feuerkammer verbrennt, aber

*) So läßt sich Georg von Schweinichen 1564 dem Kurfürst August zu Ehren vom Pferde fallen.

deutsche Lutheraner um gutes Geld zu werben weiß. Auch die Landschaft seiner Heimat ist keine politische Einheit, der Staatsbau seines Lehnsherrn ist noch ein schwaches Gerüst, seine Treue und Anhänglichkeit sind nur zufällig; dauerhaft und fest ist nur der Egoismus seines Standes. Ein nackter, häßlicher Egoismus, der ihn kaum noch zu verwegener That treibt, nicht einmal zu festem Anschluß an seine Standesgenossen. Nur in einzelnen Stunden adelt ihm das Gefühl einer bevorzugten Stellung die Sprache, Haltung und That; aber seine Bildung, sein Verständniß der Welt, ja sein Pflichtgefühl und seine Redlichkeit sind nicht größer, als jezt etwa bei einem rohen Fuhrmann oder Roßhändler.

Ein Jahrhundert ist vergangen, man schreibt das Jahr 1660, seit zwölf Jahren ist der große deutsche Krieg beendigt. Die Mauern des alten Herrenschlosses sind geborsten, oft hat fremdes Kriegsvolk darin gelagert, ihr Feuer hat die Trümmerhaufen geschwärzt, ihre Wuth Speicher und Kisten geleert, allen Hausrath zerschlagen. Jetzt hat der Gutsherr aus den Steinen des alten Gebäudes ein neues errichtet, ein kahles Haus mit dicken Mauern, ohne Zierat. Die großen Fenster sehen herab auf ein ärmliches Dorf, dessen Hütten erst zum Theil aufgebaut sind, und auf eine Flur, die erst seit einigen Jahren wieder in der alten Fruchtordnung bestellt wird. Die Schafherde ist fast ergänzt, aber noch fehlt es an Pferden, die Dorfleute haben gelernt mit Kühen zu rflügen. Der Schloßherr ernährt nicht mehr Reisige und Ritterpferde, in dürftigem Schuppen steht eine Kutsche, ein ungefüger Kasten in Lederriemen, aber der Stolz der Familie. Noch umschließen Mauer und Graben mit Zugbrücke das Haus, große Schlösser und starkes Eisenwerk schützen die Zugänge, denn noch ist die Gegend unsicher, Zigeuner und Räuberbanden nisten in der Nähe, die Tagesunterhaltung sind Einbrüche und gräuliche Mordthaten, die durch Männer mit geschwärztem Gesicht verübt worden. Es ist größere Ruhe

and Ordnung im Hause und große Stille im Dorfe. Der Polizeisinn ist mächtig geworden in Deutschland, und der Gutsherr hat selbst ein scharfes Auge auf Kinder, Dienstboten, Bauern. Die Dorfschule ist in traurigem Verfall; aber ein armer Candidat unterrichtet die Kinder des Gutsherrn. Noch geht manche wilde Gestalt im Schloßhofe aus und ein, nicht mehr fahrende Söldner, aber entlassene Soldaten, die in bürgerlichen Dienst getreten sind, als Förster, Gerichtsboten und Trabanten des Landesherrn. Wenn der Hausherr über die Schwelle schreitet, fällt fremdes Haar in großen Locken von seinem Haupt, statt des Ritterschwertes hängt der schlanke Degen an seiner Seite, steif und förmlich sind, wo er repräsentirt, Bewegung und Sprache, Ew. Gnaden nennt ihn der Bürger aus der Stadt, das unverheiratete adlige Frauenzimmer ist „Fräulein“ und „Damoiselle“ ge= worden. Noch trägt die Schloßfrau das Schlüsselbund an der Seite, sie ist stark an Recepten und abergläubischen Hausmitteln und leidet an Geistererscheinungen in einem alten Schloßthurm, der den Krieg überdauert hat. Aber schon wird. das Spinnrad versteckt, wenn ein Besuch naht; dann wird schnell ein plümerantenes Kleid übergeworfen, der dürftige Familienschat, silberne Becher und Kannen auf den Tresor gestellt, ein Stallknecht oder Diener, befähigt Reverenz zu machen, wird in ein Libereykleid gesteckt und in dem Zimmer ein wohlriechender Rauch" hervorgebracht. Der besuchende Junker erscheint als alamode Galan in Tressenkleid und Perrücke und wechselt mit den Frauen vom Haus weitschweifige Complimente, er ist der unterthänigste Sklave der tapfern ansehnlichen Damen, rühmt die Tochter als englische Gestalt und Herzensbezwingerin und hört mit unwürdigen Ohren. Aber diese gedrechselten Complimente sind schlechte Tünche über rohen Sitten, noch werden sie durch gemeine Stallwörter und Flüche unterbrochen; und wenn die Complimente ausgegeben sind und die Unterhaltung behaglicher läuft, dann richtet sie

sich am liebsten auf Dinge, die nicht mehr zweideutig sind; auch die Frauen sind gewöhnt darauf zu hören und zu antworten, nicht mit der naiven Unbefangenheit früherer Zeit, sondern mit heimlichem Vergnügen an dem Gewagten solcher Unterhaltung, denn es gilt, schmutzige Anekdoten modisch zu erzählen oder durch Räthselfragen mit arger Lösung die Frauen zu artig affectirter Verlegenheit zu bringen. Aber auch solches Gespräch ermüdet, bald übt der Wein seine Wirkung, die Lustigkeit wird lärmend, das Ende ist ein,,dichter“ Rausch auf alte deutsche Manier. Und dazu wird aus Gipspfeifen Tabak geraucht, und ist der Grundherr ein Cavalier von Education, so schnupft er aus silberner Dose. Wieder ist das Waidwerk die männlichste Unterhaltung des Gutsherrn, er führt den letzten Vertilgungskrieg gegen die Wölfe, welche während des Krieges zahlreich und frech geworden sind, und er zeigt unter seinem Jagdzeug Pürschröhre und gezogene Röhre. Aber er steigt nicht mehr als bewaffneter Reitersmann zu Pferde, sein Harnisch ist verrostet, sein Unabhängigkeitssinn ist gebrochen, die Soldaten des Landesherrn führen den Krieg, vielleicht wirbt noch ein jüngerer Sohn des Hauses um eine Fähnrichstelle in des Kaisers Heer, der Schloßherr selbst fährt zu Hofe als seines durchlauchtigsten Herrn getreuer Diener.

Noch ist er ein gläubiger Mann, der streng auf kirchliche Bräuche hält, er ist gewöhnt in Arndt's wahrem Christenthum zu lesen, vor der Mahlzeit wird nie das Gebet vergessen; aber schon sieht er auf das theologische Gezänk der Geistlichen mit der Ironie eines Lebemannes herab. Es ist ihm nicht mehr unerhört mit solchen zu verkehren, welche wenig Glauben haben, er fühlt einen Widerwillen gegen leidenschaftliche Sectirer, aber er ist der katholischen Kirche und den Jesuiten gegenüber sehr wohlwollend. Sein Dorfpfarrer ist devot geworden, in dürftiger Lage unter verwilderten Beichtkindern hat auch dieser von seinem geistlichen Hoch

muth verloren, er versucht sich kümmerlich durch Ackerbau zu nähren, betrachtet als Ehre, an der Tafel des Gutsherrn zu speisen, und hat dann die Aufgabe, die starken Scherze seines Patrons zu belächeln und die Tagesneuigkeiten christlich zu beleuchten. Bei Festen im Schloß wird ihm wohl die Ehre, ein schwülstiges Gedicht in harten Alexandrinern zu überreichen, worin er Venus, Musen und Grazien auffordert, den Geburtstag der Schloßfrau festlich im Olymp zu begehen. An solchen Tagen wird auf dem Schlosse auch eine Musik gemacht, dann ist die Kniegeige, Viola da Gamba, das modische Instrument.

An Markttagen sendet der Krämer aus der Stadt dem Gutsherrn die Postzeitung, welche mit ihren Beilagen aus mehren kleinen Blättern besteht; sie geht aus dem Schloß zur Pfarre, dann wohl zum Schulzen und Förster. Was sonst im Schlosse gelesen wird, sind langweilige Romane, in denen edle Liebende des tartarischen, römischen oder eines nie dagewesenen Volkes sich mit Perrücke und Schönpflästerchen über die Annehmlichkeit ihrer Neigung unterhalten; oder Geschichten von Abenteurern und groben Schelmen, vor Allem Anekdotenkram, Curiositäten, Geistererscheinungen, gefundene Schätze, Mordthaten, aber auch schon Erörterungen über Naturereignisse, die ersten Anfänge der Aufklärungsliteratur. Der Grundherr politisirt; er mißtraut dem Schweden; er bewundert den seligen Cardinal, Pariser Perrücken, Degen und Complimente. Schon längst hat die Abhängigkeit von französischer Münze und Sitte begonnen, wer von Paris erzählen kann, ist ihm ein geehrter Gast. Er spricht mit Abscheu von dem königsmörderischen Wesen in England, aber fast mit Gleichgiltigkeit von den Türkenkriegen des Kaisers, sofern nicht ein Sproß seiner Familie dabei betheiligt ist. Als Mitglied der Landschaft reist er noch zum Ständetage, aber es sind nur die Privilegien seines Standes, die er in schwacher Widersetzlichfeit gegen die fürstlichen Räthe zu erhalten sucht; er beugt

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