Abbildungen der Seite
PDF
EPUB

überrascht und erschreckt, das überzogene Land sichert er durch Festungen in großem Stile; er ist geneigt seine Gegner lange gewähren zu lassen, und ruhig den Augenblick zu erwarten, wo überlegene Macht ihm die Bürgschaft des Erfolges gibt, so gegen Desiderius, gegen das Herzogthum Benevent, gegen Tassilo; wenn er aber erkennt, daß in der Eile die Rettung liegt, da schlägt er wie ein Blitz gegen die Feinde, Alles wagend, sich selbst nicht schonend, unmenschlich strafend, so in dem unglücklichen Jahre 782 gegen die Sachsen.

Auf seiner Römerfahrt im Jahre 781 war er zu längerem Aufenthalte in Italien genöthigt. Dort empfand er mit der milden und dauerhaften Wärme, welche ihm eigen war, den geistigen Adel, welchen das Verständniß antiker Bildung den besten Römern gab. Er faßte den Entschluß, seine Franken derselben Bildung theilhaftig zu machen. Sogleich warb er die größten Gelehrten seiner Zeit, Alkuin und Peter von Pisa, dazu andere gebildete Italiener und gelehrte Nordländer, unter ihnen den Langobarden Paulus Diaconus, für die Hofschule, die er in seiner Nähe gründete. Er selbst wollte mit seinen Kindern und Hofleuten bei diesen Männern in die Schule gehn. Er hatte die Handschriften, welche das Wissen der Vorzeit bewahrten, mit tiefer Ehrfurcht betrachtet, und er ließ sogleich in demselben Jahre ein Wunderwerk der Kalligraphie beginnen, ein Evangelienbuch auf Purpurpergament mit Gold und Silber geschrieben. Seitdem war er bis an sein Lebensende unermüdlich, alte Bücher der Heiden und Christen abschreiben zu lassen, und zwar sorgfältig verbessert nach den besten Texten, um diese seltenen Schäße in seinem Lande zu verbreiten. Er sah die römischen Prachtbauten und faßte den Entschluß, auch diese Kunst in sein Reich zu verpflanzen, und wieder griff er die Sache in seiner großen Weise an. Seine Baukünstler sollten aus dem römischen Vitruv die Geseze alter Baukunst lernen, er ließ römische Säulen und Ornamente aus Italien nach Deutschland fahren, Kapitäle und Zieraten

nach den Bauten von Rom und Ravenna abformen. So baute er zahlreiche Kirchen und Klöster, sich selbst einen Palast zu Ingelheim, ein Wunder im Frankenlande, und so gründete er sich eine Residenz an den warmen Quellen von Aachen. Dort stand er auf der Stätte, die er gewählt hatte, und bezeichnete selbst seiner Stadt die Straßen und Pläge, den Mauerbezirk und die Stelle des Rathhauses für den Senat. Die Schaaren der Arbeiter zogen heran, sie bauten das große Gotteshaus und den Palast, sie hieben rohes Gestein zu Säulen, gruben den Hafen, legten Grund zum Plaz für Kampfspiele und deckten die Halle mit hohem Balkendach. Andere fingen das Wasser der warmen Quelle ein, faßten sie schön mit Marmor, formten die Size für die Badenden und leiteten Wasser in alle Theile der Stadt; die Lastwagen rollten, Hammerschlag und emsige Arbeit tönte, die Gegend summte wie von ungeheurem Bienenschwarm.*) Auf dem Platz des Palastes aber stellte Karl das eherne Reiterbild des großen Ostgoten Theodorich auf, das er von Ravenna weggeführt hatte.

Seit Einrichtung der Hofschule begann während stürmischen Kriegsjahren im Frankenreich ein neues Leben, dessen Mittelpunkt der Kaiser mit seinem Hofe war. Es ist Absicht, dabei zu verweilen und Einzelheiten hervorzuheben.

Die Jahre 796 bis 800 umspannen die Zeit, wo am Hofe und im Leben des Königs das Neue am schönsten sich darstellte. Karl war 50 Jahre alt, in voller Manneskraft, die Selbständigkeit der Sachsen war gebrochen, die Slaven besiegt, Baiern mit Salzburg und Kärnten dem Reiche einverleibt; gerade jezt war durch einen glücklichen Feldzug des Grafen Erich und des jungen Pippin der große Ringwall des Avarenreiches eingenommen, und ein unermeßlicher Schaß, alter Raub der Völkerwanderung und vieljährige Kriegsbeute

*) Angilbert's und Theodulf's Gedichte sind nebst Alkuin's Briefen die Quellen für das Folgende.

der Avaren, in die Hände der Franken gefallen. Noch stand der König in vornehmer Unabhängigkeit dem Papste gegen= über, noch war seine Politik echt deutsch, seine eigene abfällige Ansicht über Bilderverehrung wurde wie ein Befehl nach Rom getragen, der neue Papst Leo sandte die Schlüssel St. Peter's und die Fahnen der Stadt Rom als Zeichen der Unterwürfigkeit an den König. Seine Kinder wuchsen stattlich heran, die drei Söhne waren wieder einmal unter den Augen des Vaters versammelt. Der älteste, Karl, hatte sich in den sächsischen Kriegen als kampftüchtig bewährt; Pippin, König von Italien, war gerade jezt als neunzehnjähriger Jüngling mit dem Avarengolde und grünem Siegeskranze in der Pfalz von Aachen eingezogen; Ludwig, der 781 als dreijähriger Knabe auf ein Pferd gesetzt und den Aquitanern als König über die Grenze geschickt worden, war schon vier Jahre darauf lustig mit einer Schaar seiner Gespielen in dem sächsischen Lager des Vaters eingeritten, in Baskentracht, mit rundem Mäntelchen, mit Bauschärmeln und Hosen, mit Sporenstiefeln, in der Hand seinen Wurfspeer schwenkend, und der Vater hatte sich seines frischen Knaben gefreut und arbeitete seitdem, ihn in der Fremde, in spanischen Kriegszügen, und zu Hause etwas Tüchtiges lernen zu lassen. Auch auf den blühenden Töchtern ruhte freudig des Vaters Blick; die unmilde Königin Fastrada war gestorben und der Stern der schönen Liutgard war im Aufgehn; die Hofschule Alkuin's hatte ihre Wirkung gethan, aus seinen Geistlichen und den Edlen des Hofes war ein Kreis von jungen Gelehrten heraufgewachsen; das Gefühl irdischer Macht und die Freude an der neu erworbenen Bildung hob die Gemüther zu fast poetischem Schwunge.

Es waren kurze Jahre, wo der gute Geist unserer Nation von dem Hofe des großen Fürsten so helles Licht ausstrahlte, wie niemals seitdem im Hause eines deutschen Herrschers, nicht unter der ritterlichen Umgebung der Hohenstaufen, und nicht unter den französischen Schöngeistern des großen Friedrich.

Auch der Musenhof Weimars, an welchem sich merkwürdig ähnliche Verbindung der Dichter und Gelehrten mit altem Hofbrauch vollzog, war doch nur die Stätte, wo geistige Helden der Nation gastlich gepflegt und eingebürgert wurden. Da= mals aber war es der Fürst selbst, der die Bildung seinem Volke schuf und das Wachsthum der besten Geister mit väterlicher Sorge überwachte. Die Jüngeren alle waren seiner Gedanken Werk, und die an seinem Hofe Verse machten und deutsche Geschichte schrieben, waren zugleich seine Staatsmänner, Gesandte, sogar Heerführer. Der gelehrte Angelsachse oder der gebildete Römer, welcher damals die Pfalz des Königs besuchte und befangen erwartete, vor das Angesicht des großen Königs geführt zu werden, fand in dem Vorzimmer eine Zahl von Männern versammelt, die wohl werth waren, daß er sie mit Antheil betrachtete und ihrer Rede lauschte. Die Blüthe des Hofes, Edle und Gelehrte, Lehrer oder frühere Schüler der Hofschule, bildeten einen vertrauten Kreis, in dem sich der König mit seinen Kindern am freudigsten bewegte; denn diese Vertrauten standen mit der königlichen Familie in einem zwanglosen poetischen Verein zu geselliger Förderung in Wissen und Kunst, der allerdings mit den späteren Akademien wenig gemein hat. Jeder erhielt darin einen oder mehre Beinamen, nach einem Brauch, den Alkuin aus der Schule von York mitgebracht hatte. Der Zweck des Kränzchens war wohl kein anderer als gebildete Unterhaltung, seine Bedeutung für die Gelehrten und die Zeitbildung doch sehr groß.

Schon unter den Merovingern war ein Ceremoniel des Hofes ausgebildet, auf Rang und Hofwürde wurde eifrig gehalten. Aber zwischen den reich gekleideten Hofleuten standen priesterliche Gelehrte in der weißen Dalmatica, angelsächsische Mönche in der Tracht des heiligen Benedict, dunkle Schottenmönche aus Irland, barbeinig mit rohen Ledersandalen. Die Ankommenden empfing der Oberkämmerer Meginfrið, für den Tagesverkehr des Hofes der erste Würdenträger, in der

Akademie führte er den Schäfernamen Thyrsis, ein fluger, gewandter Herr mit kahlem Scheitel, den noch spärlich das röthliche Kraushaar umgab. Immer zum Herrendienst bereit, eifrig und behend, hörte er die Worte der Bittenden, hier überging er, dort neigte er freundlich sein Ohr, er lud zum Eintritt, er empfahl zu warten, leise und in Ehrfurcht that er seine Pflicht, und stand beim Empfange unverdrossen am königlichen Thron, vorzustellen und der Winke gewärtig. Nächst ihm war da der Erzkaplan Hildebold, Bischof von Köln, der seit dem Tode Angilramn's dies wichtige Amt versah, im vertrauten Kreise führte er den Namen Aaron. Freundlich nach allen Seiten grüßend, mit frommem Antlig und treuem Herzen, war er gekommen, bei der Mahlzeit des Königs Speise und Trank zu segnen. Umdrängt von den Jüngern stand der große Gelehrte Alkuin, der sich gern Albinus nannte und in der Akademie Flaccus hieß, ein Angle aus Northumberland, der seit 782 die Hofschule eingerichtet hatte, er, der Vater aller Wissenschaft und Kunst am Hofe, dem auch des Königs Geist bei jeder Lehrfrage sich freiwillig unterordnete. Gerade jezt war er aus England zurückgekehrt, wo ihn die Heimatliebe einige Jahre festgehalten, und der König hatte ihn zum Abt des reichen Klosters von Tours gemacht, das dem heiligen Martinus geweiht und den Franken wie ein Stammesheiligthum werth war. Von einer Zahl Schüler begleitet war der würdige Herr zu Hofe ge= kommen, nicht nur um über die Verse des jüngeren Geschlechtes zu richten, auch als Rathgeber des Königs in Kirche und Schule. Hochverehrt war sein ehrliches, ernsthaftes Wesen, seine Schüler und fast das ganze jüngere Geschlecht des Hofes gehörte dazu achteten ihn wie einen Vater. Und der selbstlose Mann, der jedem seiner Zöglinge die wärmste Theilnahme bewahrte, nahm auch die Rechte eines Vaters in Anspruch, wo es ihm nöthig schien. Er warnte, bat und strafte in seinen Briefen, selbst die Söhne des Königs und

[ocr errors]
« ZurückWeiter »