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bild des Platonischen Timäos. Denn dass in jener Stelle unser Timäos Locr. gemeint ist, kann man nur dann bezweifeln, wenn man dem Vf. bestreiten will, dass jenes Diagramm diesem wirklich angehöre, wozu kein Grund ist. Uebrigens schadet der Vf. bei Anführung dieser Stelle seiner eignen Beweisführung dadurch, dass er sagt, sie könnte vielleicht interpolirt seyn. Er hat nicht beachtet, dass nur das s. g. 2te Buch des Manuale Harm. verdächtigt ist, indem es aus Excerpten wahrscheinlich einer ganz andern Schrift des Nikomachus besteht, dahingegen hinsichtlich des 1sten Buches, ursprünglich des einzigen, kein Grund ist, an seiner Integrität zu zweifeln; s. Meibom p. 42; Fabr. p. 630. - Hier haben wir also ein sicheres Zeugniss, von einem Manne, der etwas älter als Clemens Al. ist, woraus hervorgeht, nicht allein, dass unser Tim. Locr. damals schon für ein Werk des Pythagoreers, sondern auch, dass er für die Quelle des Platonischen Timãos gehalten wurde, welche Ansicht man bisher einzig den NeuPlatonikern zugeschrieben.

b) Hier spricht der Vf. von den Schriftstellern, welche den Timäos, wenn er zu ihrer Zeit schon bekannt gewesen wäre, wohl würden berücksichtigt haben. Aristoteles verräth keine Kenntniss von dem Buche (in dem Titel τὰ ἐκ Τιμαίου u. s. w. ist nach Böckh, Ritter u. A. an den Platonischen Timãos zu denken), auch nicht Plutarch, auch nicht Sextus Empiricus. Doch meint der Vf., wenn die beiden letzteren es nicht anführen, daraus könne nur gefolgert werden, dass sie misstrauisch gegen dasselbe gewesen, indem es doch wenigstens zur Zeit des Sext. Empir. sicher im Publikum bekannt gewesen.

Innere Gründe, d. h. solche, die aus der Schrift selbst hergenommen sind: a) die Alterthümlichkeit des Einganges könne nichts beweisen, da sie Affectation seyn kann; b) der Dialekt sey zwar dorisch, aber wenn man den Mss. genau folge, mit vielen Spuren der xový vermischt, so dass man annehmen möchte, der ursprüngliche Dialekt sey eben die xový gewesen. Hier wäre nun wieder eine Vergleichung der Bekkerischen Varianten sehr angebracht gewesen, da in diesen meistens, wenn nicht der eine, doch der andere Codex die Dorische Form giebt; c) der Sprachgebrauch verräth Studium der Grammatiker. Dies ist eine neue Beobachtung des Vfs., welche er nur, möchte man sagen, nicht recht zu benutzen weiss. Er nimmt nämlich einen doppelten Verf. der Schrift an, cinen ersten, der es nicht auf Betrug abgesehen habe,

sondern aus dem Platonischen Timäos für seinen Privatgebrauch einen Auszug habe machen wollen, und einen zweiten, welcher das Betrügerische dann hinzugethan habe, wie den Dialekt; wiewohl er diese Meinung bei der Erklärung im Einzelnen nicht immer festhält. Dass der erste Vf., heisst es weiter, die Schrift nicht im Dorischen Dialekt geschrieben, kann man daraus folgern, dass er sonst gute grammatische Bildung verräth; er würde den Dorismus reiner bewahrt haben, wenn er ihn überhaupt beabsichtigt hätte. Hier scheint es nur willkürlich, wenn doch zwei Verfasser unterschieden werden, die Spuren eines Studiums der Grammatiker gerade auf den ersten zu beziehen und überdies hätte der Vf., wie bemerkt, um sicher zu urtheilen, auch die übrigen Mss. zu Rathe ziehn müssen; endlich kommt es auf ein paar Dorismen mehr oder weniger nicht an, die Absicht, durch den Dialekt zu imponiren und einen Schein von Alterthum zu gewinnen, ist klar genug. Vielmehr was jene Spuren eines Studiums der Grammatiker betrifft, so glauben wir gerade daran den Betrüger zu erkennen. Z. B. wenn der Vf. р.4 noεoßúτegos in der Bedeutung goоvuwregos gebraucht, wie es wohl nur bei Homer vorkommt, so soll damit offenbar ein alterthümlicher Schein gewonnen werden; und noch deutlicher ist dieses Streben, wenn die Schrift für den gewöhnlichen, ganz allgemein gebrauchten Ausdruck ioórns die alterthümlichen und gezierten looxpatía, toorouía, loodvrauía gebraucht, vgl. Annot. p. 104, wo auch der Vf. bemerkt, gewiss sey doch der gewöhnliche mathematische Ausdruck ioórns dem verkappten Tim. Locr. bekannt gewesen, qui in ceteris Mathematicum prodit haud imperitum, ut dixeris eum fraudis confirmandae studio has voces, tanquam in re Mathematica obsoletas uni huic praetulisse, quam ob iustam significationem suo tempore omnes usurpabant Mathematici. Wir setzen hier noch ein Beispiel hinzu, welches uns besonders charakteristisch zu seyn scheint: p. 6 cine Nachbildung der Stelle, wo Plato dem ovoavós die Prädikate vooos xai úyýews giebt. Tim. Locr. drückt dieses aus durch axýpatos twv ixròç xnov, wo ausser dem Ausdruck xnoes für Schaden, Ucbel noch das Wortspiel dxnoatos xnowv durchaus gesucht und beabsichtigt ist. - Doch weiter d) die häufigen Spuren eines Sprachgebrauchs, welcher viel jünger als der Platonische, in mehrern Beispielen auch jünger als der Aristotelische ist (z. B. otayov, s. annot. p. 105, der Juno - Stern, zuerst bei Ps.-Arist. de mundo, s. annot. p. 85), da sonst viele

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Aristotelische Wörter vorkommen, wie 2n, xarà ovuPeßnxós u. a.; e) das sichtbare Streben, das, was Plato dunkel liess oder blos andeutete, deutlicher auszudrücken und weiter auszuführen, s. Tennemann Syst. d. Platon. Philos. I. S. 105 und de Gelder praef. XI, besonders setzen wir hinzu, das Streben, den Tim. Locr. nach Anleitung der Platonischen Worte Tim. p. 27 Α. Τίμαιον, ὄντα ἀστρονομικώτατον ἡμῶν, als einen recht grossen Astronomen erscheinen zu lassen, so dass er ihm ausführliche astronomische Abhandlungen in den Mund legt, welche Plato absichtlich vermeidet. f) Zahlreiche Abweichungen von der Platonischen Lehre, wie sie schon Meiners, Tennemann und Böckh nachgewiesen haben, hervorgegangen aus dem Bestreben, die Platonischen Vorstellungen viel jüngeren anzunähern, vgl. de Gelder praef. p. XI sq. g) Die charakteristisch Pythagoreischen Dogmen fehlen. h) Deutliche Spuren der Berücksichtigung Aristotelischer Bemerkungen über den Platonischen Timäos, z. B. p. 3 ποταγορεύοντι δὲ τὰν ὅλαν Tónov zai xwwav, vgl. Arist. Phys. IV, 2; p. 4 ¿nolyσεν οὖν τόνδε τὸν κόσμον ἐξ ἁπάσας τῆς ὕλας, vgl. Arist. de Coelo I, 9; und, eine Beobachtung, die wieder dem Vf. eigenthümlich ist, ein sicheres Merkmal, dass dieser Tim. Locr. nach Krantor, wahrscheinlich mit Hülfe des Commentars von Krantor (Procl. in Tim. p. 24) gearbeitet ist, indem die Wurzelzahl des Diagramms, von welchem oben die Rede war, 384 nach bestimmter Ueberlieferung erst vom Krantor angenommen ist, Plato selbst dagegen sich bei diesen Berechnungen der Wurzelzahıl 192 bedient haben soll, s. annot. p. 76 sq.

Als allgemeines Resultat stellt der Vf. praet. p. XIII die Ansicht auf, virum quendam ingenii acumine praeditum et in mathematicis haud mediocriter versatum, saeculo post Christum secundo, Platonis Timaeum in compendium redegisse: quod utrum lucri fecerit aliosque fallendi consilio, difficilis quaestio est, de quo in utramque partem disputari posse videatur. Hier unterschreiben wir gerne, dass die Schrift von Fleiss und Sachkenntniss zeuge, wie sie denn für das Studium des Platonischen Timãos gewiss von grossem Nutzen ist, möchten aber die Schrift, so wie sie jetzt vorliegt, ohne Bedenken für auf Betrug berechnet halten, dahingegen die Zeit ihrer Veröffentlichung lieber etwas früher, namentlich in das Jahrhundert um die Geburt Christi, setzen. Was den ersteren Punkt betrifft, so könnte man sagen, so könnte man sagen, einmal, die Schrift sey zu gut, zu mühsam, um gemeine

fraus zu seyn, und ausserdem, sie halte sich gar zu genau an ihr Original, als dass ein Betrug beabsichtigt seyn könnte; allein allerdings mögen ältere Arbeiten, etwa die Commentatoren zum Platonischen Timãos, oder des Aristoteles Schrift darüber bei ihrer Abfassung benutzt seyn, nichts desto weniger ist die letzte Absicht deutlich genug Betrügerei; und was die zu grosse Abhängigkeit von dem Platonischen Timãos betrifft, so mochte der Vf. denken, wie Bardili räsonnirt, gab es eine Schrift vom Timaeus vor dem Plato, so musste sich doch dieser, wo er den Timaeus redend einführte, jedenfalls doch genau an jene eigne Darstellung seiner Lehre halten. Was aber die angegebene Zeit der Publikation betrifft, so kann man für die übereinstimmende Beobachtung Vieler, dass besonders im letzten Jahrh. vor Chr., wo die Pythagoreische Philosophie von neuem die Aufmerksamkeit der Gebildeten auf sich zu ziehen anfing, das Meiste der Pythagorcer - Literatur, welches jetzt theils in ganzen Stücken, theils in Fragmenten vorliegt, zuerst ans Licht gestellt sey, für diese Beobachtung kann man nun auch eine bestimmte Notiz von um dieselbe Zeit geschehenen Fälschungen in diesem Literaturgebiete anführen, die ihr ein Bedeutendes mehr von Sicherheit giebt, eine Ueberlieferung bei David in Categ. Aristotelis, in der Scholiensammlung von Brandis p. 28a, wo fünf verschiedene Anlässe zu literärischen Fälschungen aufgeführt werden: vodevovται γὰρ τὰ βιβλία πενταχῶς· — ἢ διὰ φιλοτιμίαν βασιλικήν Ἰοβάτους γὰρ τοῦ Λιβύων βασιλέως συνάγοντος tà Пv9uyógov Πυθαγόρου τινὲς καπηλείας χάριν τὰ τυχόντα συγγράμματα λαμβάνοντες ἐκέδρουν καὶ ἔσηπον διὰ παραθέσεως νέων πυῤῥῶν (?), ἵνα σχοῖεν δῆθεν τὴν ἐκ τοῦ χρόνου ἀξιοπιστίαν: wo Ιοβάτης doch wohl kein Anderer ist, als der bekannte Schriftsteller und König von Mauritanien Jobas oder Jubas (die verschiedenen Formen des Namens s. bei Dindorf Grammatici Graeci praef. p. X), welcher vom Caesar, weil er es mit Cato Uticensis gehalten, entthront und im Triumphe nach Rom geführt wurde, wo er, wie Plinius sagt Hist. Nat. V, 1; VI, 27, factus est studiorum claritate mirabilior etiam, quam regno; vgl. Voss. Hist. Gr. II, 1.

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Bemerkenswerth ist noch, dass in dem vom Vf. neu verglichenen Cod. Par. Nr. 963 die Ueberschrift des Buches ist: τοῦ Πλάτωνος Τιμαίω Λοκρῶ περὶ xóouw xai quoios. Der Vf. bemerkt mit Recht, man könne daraus folgern, dass, wenn auch die Neu - Platoniker allgemein den Tim. Locr. als Quelle des Platonischen Timacos angesehen haben, doch iam ineunte

saeculo decimo sexto fuisse nonnullos, qui de auctoritate et fide huius libelli dubitarent, nec Platonem ex Timaco Locro profecisse, sed Timaeum Locrum e Platone desumtum esse statuerent. L. Preller.

RÖMISCHE LITERATUR. JENA, b. Frommann: Blumenlese der Römischen Dichter. Erste Abtheilung: Anleitung zum Lesen der lateinischen Dichter von Friedr. Jacobs. 2te verb. Auflage. 1839. XVIII u. 166 S. kl. 8. (8 Ggr.)

Die erste Auflage dieser Blumenlese ist 1827 Nr. 57 bis 59 unserer A. L. Z. recensirt worden. Die neue Ausgabe ist rücksichtlich des Materials und der Anordnung unverändert geblieben; dagegen ist in den Anmerkungen Manches berichtigt und verbessert worden.

Dass diese Blumenlese eine günstige Aufnahme, welche ihr schon der Name des gefeierten Herausgebers verbürgen musste, gefunden, bezeugt hinlänglich die Erscheinung einer neuen Auflage. Indem daher der Unterzeichnete auf die den Werth derselben

gebührend anerkennende Anzeige der ersten Auflage verweist, fügt er nur den herzlichen Wunsch hinzu, dass es dem hochverehrten Herausgeber vergönnt seyn möge, noch viele Jahre in rüstiger Kraft und ungestörter Heiterkeit den Studien zu widmen, welchen Wissenschaft und Schule so viele gediegene Philipp Wagner.

Werke verdankt!

SPRACHKUNDE.

STUTTGART, Druck und Verlag von Imle und Liesching: Spanisches Lesebuch zum Schul- und Privatgebrauch von P. A. F. Const. Possart. 1839. (21 gGr.)

Die gute Aufnahme, welche die vor zwei Jahren von dem Vf. herausgegebene Grammatik gefunden, veranlasste denselben, wie er sagt, auch die Hand an ein wohlfeiles spanisches Lesebuch zu legen, und er hofft damit den Freunden der spanischen Sprache um so mehr eine willkommene Gabe zu reichen, als er manches aus weniger bekannten Schriftstellern gegeben habe. Er bemerkt in der Vorrede, dass er absichtlich Bruchstücke aus vielen andern (?) Classikern mittheile, weil manche noch nicht so bekannt seyen, als sie es verdienen. Er bezwecke daher nicht, mit seinem Buche eine Anleitung zum Sprechen zu geben,

denn sonst hätte er mehr von der neueren Literatur, namentlich aus Komödien und aus dem Fache der Novellen und Romane mittheilen müssen.

Diesen Principien gemäss sind denn auf 148 Sedezseiten nicht weniger als 43 Abschnitte aus verschiedenen Schriftstellern sämmtlich in Prosa gegeben, und ein Theil jeder Columne ist immer noch von Noten ad modum Minellii eingenommen, z. B. S. 1 hase de usar man muss gebrauchen, se contiene sich hält, alcanzan erreichen; S. 102: mur de lágrimas; mar hier tropisch gebraucht, wie es auch im Latein. und Italienischen vorkommt u. dgl. Dabei wird hin und wieder. auf des Vfs. Grammatik verwiesen. Die letzten 116 Seiten des Buchs nimmt ein,,Wörterbuch" und das Druckfehlerverzeichniss ein. Was die Ordnung der Stücke unter sich betrifft, so sind sie, wie der Vf. hinter dem Inhaltsverzeichniss nachträglich bemerckt, ,,meistens nach den verschiedenen Stylgattungen" gestellt. Hr. Possart hätte wohl gethan, seine Theorie von den verschiedenen Stylgattungen etwas anzudeuten, denn sonst möchte es in der That schwer werden, den Eintheilungsgrund ausfindig zu machen.

Da man in Deutschland nicht im Kindesalter und

in Schulen Spanisch lernt, so ist kaum einzusehen, wozu ein spanisches Lesebuch, dessen erklärter Hauptvorzug die Wohlfeilheit ist, und das aus den nächsten besten sogenannten Classikern einzelne Bröckelchen aufs Gerathewohl zusammenreiht, eigentlich dienen soll. Ein spanisches Lesebuch, wenn es eins seyn soll, muss nothwendig die Aufgabe haben, ein Bild der spanischen Literatur im Ganzen oder einzelner Zweige oder Perioden derselben vor Augen zu führen. Ist diese Hauptaufgabe anerkannt, was zu thun man wohl nicht wird umhin können, so kann auch über die Auswahl und Anordnung der einzelnen Stücke kaum ein Zweifel mehr übrig seyn. Ein solches spanisches Lesebuch haben wir bereits, das von V. A. Huber. Wenn daran noch etwas zu wünschen übrig bliebe, so möchte es die chronologische Reihenfolge der Stücke seyn. In dieser Beziehung ist W. Wackernagels deutsches Lesebuch ein classisches Vorbild für alle ähnlichen Arbeiten in allen Sprachen.

Von Druckfehlern bemerke ich noch S. 73 Il gran Tacaño. S. 86 aborecimiento.

Es wäre zu wünschen, dass Hr, Possart seine allzu latitudinarische Thätigkeit mehr concentrirte und seine vielseitigen Kenntnisse auf einem beschränkteren aber würdigeren Gebiete wirken liesse.

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ein grösseres Publikum ansprechen werden, als dasjenige für welches sie ursprünglich bestimmt waren, und dass solche demnach auch noch ausserhalb dem Weichbilde der alten Hansestadt Leser finden, und diesen Unterhaltung und Belehrung gewähren möchten. Um aber unserer Seits zur Erweiterung des Kreises dieser Leser mitzuwirken, dürfte es genügen, um bei einigen der in der Sammlung enthaltenen Ab

Von den zwanzig Abhandlungen, welche diese handlungen so lange zu verweilen, als erforderlich

Sammlung bilden, gehören bei weitem die Meisten der Specialgeschichte Lübeck's an; auch waren dieselben dort, bis auf wenige Ausnahmen, keinesweges bis zur Herausgabe der gegenwärtigen drei Bände unbekannt geblieben. Fünf waren nämlich erschienen als Programme bei Rathswahlen oder bei Schulfeierlichkeiten, bei welchen, einer alten Sitte gemäss, eine von einem der Professoren des Catharineums verfasste Gelegenheitsschrift vertheilt wird. Sieben andere sind Vorträge, die in den wöchentlichen Versammlungen der Gesellschaft zur Beförderung gemeinnütziger Thätigkeit, in welcher G. eine Zeit lang das Amt eines Vorstehers bekleidete, von demselben gehalten wurden. Es füllen ferner die grössere Hälfte des zweiten Bandes sieben Vorlesungen über die Lübecker Reformationsgeschichte, die der Vf. im J. 1830 hielt, um das Interesse der kirchlichen Feier, die daselbst begangen wurde, zu beleben. Drei Aufsätze endlich entstanden bei Gelegenheit amtlicher Fragen, zu deren Lösung seinen Beitrag zu liefern G. sich bemüssigt fand. Mit diesen flüchtigen Andeutungen beabsichtigen wir jedoch nicht, das Verdienstliche des Unternehmens des Herausgebers von G's Nachlass zu beeinträchtigen, viel weniger dasselbe zu einer blossen Buchhändler - Speculation herabzuwürdigen. Nach der Einsicht, die wir von dem Inhalte der Sammlung genommen, theilen wir, mit jenen Litteraten, O. G. Prokurator J. Cossel, Prediger Dr. Heller und Coll. Dr. Ernst Deeke, recht gern die Erwartung, dass die von ihnen hier veröffentlichten Aufsätze auch

um darzuthun, dass G. in seinem Fache und innerhalb der objectiven Grenzen seiner Berufssphäre ein wahrhaft gründlicher Forscher, ein scharfsinniger Beobachter und ein helldenkender Kopf war.

Zu dem Behufe nun wollen wir fürs Erste einen Blick auf die „Abhandlung über den Zustand der öffentlichen Unterrichts – Anstalten in Lübeck vor der Reformation" werfen, die zur Kategorie der Programme gehört und welche die so eben erwähnten Eigenschaften des Vfs., wie auch dessen Tendenzen ausser Zweifel zu setzen ganz geeignet ist. Gleich im Eingange wird der durch alle geschichtliche Erfahrung bewährte Grundsatz aufgestellt, dass sich Priestergewalt in jedem Lande nur in so fern gründen und befestigen könne, als sich die Priesterkaste selbst fast ausschliesslich in den Besitz der wissenschaftlichen Kentnisse ihres Volks zu setzen vermochte; so wie dass umgekehrt die Geistlichkeit nirgends schneller ihre Macht und ihr weltliches Ansehen einbüsste, als wo sie in der gelehrten Bildung hinter andern Ständen zurückblieb. „Je planmässiger daher, sagt der Vf., schon im sechsten und siebenten Jahrhunderte die Priester der christlichen Kirche nach unbeschränkter Herrschaft strebten, desto angelegentlicher suchten sie auch die wenigen mühsam geretteten Reste des früheren wissenschaftlichen Lebens unter ihre Sorge und Aufsicht zu ziehen, und je weniger sich hier der Mitbewerber fanden, desto leichter wurden sie auch wirklich die alleinigen Inhaber der gelehrten Bildung ihres Zeitalters, durch welche, wie

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ärmlich sie auch an sich selbst blieb, doch immer eine merkliche geistige Ueberlegenheit gewonnen war." Durch diese Ueberlegenheit, die sich in Angelegen heiten des bürgerlichen Lebens geltend machte, geschah es auch, dass sich die Hierarchie während des Mittelalters erhielt und noch fester begründete, nicht aber, wie solches in gewöhnlichen Geschichtskompendien wiederholt behauptet wird, durch die selbstsüchtige schlaue Entstellung einzelner Lehren des Christenthums." Denn niemals hätte sich die Obergewalt der Priesterherrschaft lange erhalten können, wären nicht zugleich die Völker, wie in der Zeit des klassischen Alterthums für und durch den Staat, so im Mittelalter nur zunächst für und durch die Kirche erzogen, und dazu die wenigen wissenschaftlichen Kenntnisse unter ihnen fast eifersüchtig von der Geistlichkeit bewacht und beaufsichtigt worden. Dass aber diese Ansicht die richtige, dafür spricht die historische Thatsache, dass die Hierarchie keinesweges schon in dem Augenblick gestürzt wurde, wo die Völker begriffen, es werde von ihr absichtlich das lautere Wort des Evangeliums verkehrt, indem das Christenthum, das nur Demuth predige, niemals der, weltlichen Macht das Schwert entreissen wolle und dürfe. Vielmehr war diese Wahrheit schon Jahrhunderte hindurch erkannt und ausgesprochen, als das Reich der katholischen Priesterherrschaft noch fortdauernd nur so lange bestand, bis endlich die Glieder des geistlichen Standes, zu träge, um dem jetzt schneller fortschreitenden Zeitalter in ihrer Bildung voranzueilen, allmälig weit hinter demselben zurückstanden." Der Vf. entwirft nun eine flüchtige Schilderung der von der Geistlichkeit befolgten Taktik, um sich zu Anfung des Mittelalters das Monopol der Wissenschaften zu sichern. Er weiset nach, wie die Männer, die zuerst die Saat der Wissenschaft auf deutschen Boden ausstreuten und unter ihnen namentlich Allwin (Alcuin), der erste Gründer deutscher Schulen, Alles, was sie für die geistige Entwickelung des Volks beschafften, nur im Sinne der Kirche und unter ihrer Aufsicht thaten. Eben daher waren auch die neu entstandeneu Lehranstalten nur für die Bildung der Geistlichkeit berechnet; und mochte es auch nicht in der Absicht Carls des Grossen liegen, wissenschaftliche Kenntnisse zum ausschliesslichen Eigenthume Eines Standes zu machen, so wusste doch die eifersüchtige Kirchengewalt, was von ihm, oder später von Andern zu allgemeinem Zwecke gegründet war, bald einseitig nur zu ihrem Vortheile umzugestalten. So blieben, beispielsweise, die Schulen in

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Fulda, Weissenburg, Hirschau, St. Gallen u. s. w. ausschliesslich nur für die Geistlichkeit bestimmt. Als in der Folge aber andere Stäude des deutschen Volks so weit zur Mündigkeit gelangt waren, dass auch sie Anspruch auf einige wissenschaftliche Bildung machten, so konnten sie diese doch nur wieder von den Geistlichen entnehmen, die alle gelehrten Kenntnisse wie unter ihrem Beschlusse hielten. So kam es denn, dass, anstatt den Laien den Zutritt in die schon bestehenden Lehranstalten zu verstatten, nachdem die Anforderungen des Adels des Landes und der Bürger der freien Städte unabweisbar geworden waren, für deren Söhne in den Abteien uud Domstiftern besondere Schulen errichtet wurden, die im Gegensatze zu jener höhern geistlichen Unterweisung (schola interior oder schola claustri) als äussere Lehranstalten (scholae exteriores) mehr für die Bedürfnisse der heranwachsenden Jugend berechnet waren und sowohl künftige Geistliche für jene innere Lehranstalt vorbereiten, als auch den Laien aus höhern Ständen den ihnen nöthigen Unterricht geben sollten. Erhiclten nun auch diese äusseren Schulen, mit den immer steigenden Bedürfnissen der Zeit, eine weitere Ausdehnung, so konnten sie dessen ungeachtet den dringendsten Forderungen nur selten genügen. Somit aber entstanden schon im zwölften Jahrhundert die Lese- und Schreibschulen, die, hatten sie auch mehrentheils nicht ihren Sitz im Stiftsgebäude selbst, doch wieder als Institut des geistlichen Hauptstiftes galten und daher unter die genaue Aufsicht des Scholasticus, d. i. desjenigen Stiftsherrn gestellt waren, dem, seinem Range und Alter nach, die Leitung der äussern Lehranstalt zufiel. Aus dieser dreifachen Gliederung der Unterrichtsanstalten im Mittelalter leitet G. die zur heutigen Epoche bestehende Einrichtung des Schulwesens ab. Den so eben erwähnten Lese- und Schreibschulen, meint er, haben unsere jetzigen Bürger- und Elementarschulen ihre Entstehung zu verdanken. Je ungestörter, nach der Trennung von ihnen, die äussern Lehranstalten an den Abteien und Domstiftern ausschliesslich den wissenschaftlichen oder gelehrten Unterricht betreiben konnten, desto sicherer wäre in diesen wieder der Ursprung der heutigen Gymnasien oder lateinischen Schulen nachzuweisen. Endlich aber seyen die innern geistlichen Lehranstalten, als weder die Kräfte noch der Eifer der Stiftsgeistlichen sie weiter in frischem, fröhlichem Gedeihen erhalten konnten, glücklicher durch die neu begründeten Universitäten ersetzt worden, wie durch blosse akademische Gymnasien, zu

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