Abbildungen der Seite
PDF
EPUB

ER GANZUNGSBLATTER

ZUR

ALLGEMEINEN LITERATUR-ZEITUNG

Junius 1840.

ANTHROPOLOGIE. BREMEN, b. Heyse: Georg Combe's: das Wesen des Menschen und sein Verhältniss zu der Aussenwelt. Aus dem Englischen übersetzt von Dr. Eduard Hirschfeld. Mit Holzschnitten. 1838. XXII u. 422 S. 8. (1 Rthlr. 16 gGr.)

Durch die Uebertragung des vorliegenden Werks

hat der Uebersetzer die Aufgabe gelöst seine Landsleute in den Stand zu setzen, die phrenologischen Entdeckungen, ihren gegenwärtigen Umfang und ihre Ansprüche kennen zu lernen und sich durch Vergleichung desselben mit den Erscheinungen des gewöhnlichen Lebens ein eigenes Urtheil über ihren Werth zu bilden. Es sind in ihm die Folgen entwickelt, welche hinsichtlich der Geistesphilosophie unmittelbar aus der Phrenologie hervorgehen und es ist auf den Einfluss hingedeutet, welchen dieselbe, sobald sie als wahr allgemein anerkannt wird, auf unsere Kenntnisse und die practischen Einrichtungen des Lebens gewinnen muss.

[ocr errors]

Das Werk selbst zerfällt in eine Einleitung p. 1-28, in welcher wir einen allgemeinen Ueberblick über das Wesen des menschlichen Geistes und die Verhältnisse derselben zu den Gegenständen ausser ihm erhalten, in neun Capitel, von denen das erste p. 29-44 die Naturgesetze beleuchtet, das zweite p. 45-92 über das Wesen des Menschen und seine Beziehungen ausser ihm, das dritte p. 93-106 über die Quellen des menschlichen Glück's und die zu seiner Erhaltung nothwendigen Erfordernisse, das vierte p. 107-119 über die Anwendung der Naturgesetze auf die practischen Einrichtungen des Lebens handelt. Im fünften Capitel p. 120 289 sucht der Verfasser zu bestimmen, in wie weit das Elend unter den Menschen der Uebertretung der Naturgesetze zuzuschreiben ist und geht in drei Unterabtheilungen die Uebel durch, welche a) durch Vernachlässigung physischer b) organischer und c) des Sittenge

[blocks in formation]

Ref. gesteht, dass er vorliegendes Werk mit steigendem Interesse gelesen hat und dass er von der Wahrheit der aufgestellten Grundsätze so durchdrungen ist, dass er, auch ohne Anhänger der Phrenologie zu seyn, es für seine Pflicht hält, die Aufmerksamkeit auf dasselbe zu lenken und deshalb eine etwas ausführlichere Anzeige mitzutheilen.

Jedes Geschöpf, jeder Gegenstand der Natur, sagt der Vf. in den einleitenden Bemerkungen, hat, wenn wir die Welt um uns betrachten, eine ihm eigenthümliche Beschaffenheit erhalten und ist zu andern Gegenständen ausser ihm in bestimmte Verhältnisse gestellt worden; es ergiebt sich hieraus, dass eine. erste Ursache dieser Verhältnisse statt gefunden haben muss, es liegt in ihnen der natürliche Beweis der Gottheit, die, da sich Weisheit, Liebe und Macht in den Werken der Schöpfung ausgedrückt finden, offenbar diese Eigenschaften im höchsten Maasse besitzen

muss.

Der Mensch, als das erhabenste Werk der Schöpfung, zeichnet sich durch wunderbare Gaben vor allen übrigen irdischen Wesen aus und doch bietet kein Geschöpf dem Anschein nach so viel Regelwidrigkeiten dar, als eben der Mensch. Die niedern Thiere erscheinen uns als einfachere, geregeltere Wesen und der Lebensgenuss derselben wird durch Einklang ihres Wesens mit ihrer äussern Lage und der verschie

[graphic]

denen Triebe cines Thiers mit einander bedingt. Beim Menschen dagegen sind die entgegengesetztesten Triebe und Begierden vorhanden; der Schöpfer hat ihm aber auch Fähigkeiten verlichen, Ereignisse zu beobachten, Ursachen und Wirkungen zu verfolgen, er hat die äussere Welt so eingerichtet, dass sie den Kräften des Menschen Spielraum gibt. Wir sind deshalb berechtigt anzunehmen, dass wir bestimmt sind, Ursachen, welche uns zu Handlungen antreiben und Folgerungen, welche aus diesen hervorgehen zu erforschen und unser Verhalten dem, was wir ermittelt haben, anzupassen.

Die Geologie lehrt uns, dass die physische Welt sich allmählig vervollkommnete und für den Menschen vorbereitete, die Geschichte des Menschengeschlechts thut uns ebenfalls einen, wenn auch schwankenden und langsamen Gang der Verbesserung in moralischer und intellectueller Hinsicht kund und es ist unbedenklich anzunehmen, dass wir auf bedeutende Zunahme der Ausbildung und des Glücks unsers Geschlechts rechnen können. Der Mensch empfing einen organischen Bau und thierische Triebe, er wurde Thier, aber ein gütiger Schöpfer gesellte zur thierischen Natur moralische Gefühle und Denkvermögen, welche ihn über alle Geschöpfe erheben und ihn zu cinem vernünftigen und zurechnungsfähigen Wesen machten, die aber das Eigenthümliche haben, dass, während die thierischen Vermögen an und für sich thätig sind, die Verstandeskräfte erst gepflegt und gebildet werden müssen. Die äussere Welt bietet dem Menschen nicht bloss Anlass, sie zwingt ihn sogar seine höhern Kräfte auszubilden, der Mensch lernte deshalb die Kräfte der Natur beherrschen und ihrem Wirken sein Verhalten anpassen.

Nachdem sich der Vf. über die Unvollkommenheit der Geistesphilosophie ausgesprochen hat, sucht er zu beweisen, dass dieselbe durch fleissiges Studium der Phrenologie grosse Fortschritte und Aufklärung zu erwarten habe, indem er annimmt, dass der Phrenolog, indem er die Welt überblickt, sieht, dass der Schöpfer dem menschlichen Geiste und der äussern Welt Grundvermögen verliehen, und unter denselben gewisse Verhältnisse festgesetzt hat, dass diese Vermögen je nach der ihnen inwohnenden Tendenz unaufhörlich in Wirksamkeit gewesen sind meistens nach dem Guten strebend, stets es wünschend, wiewohl aus Unwissenheit es oft verfehlend, fähig jedoch es zu erreichen. Drei Viertheile der geistigen Vermögen des Menschen sind direct auf diese Welt angewiesen und ihre Verrichtungen scheinen in keiner wahrnehm

baren Beziehung zu einer künftigen zu stehen, das übrige Viertheil bezieht sich zugleich auf dieses Leben und eine höhere Stufe des Daseyns. Um die erste Classe der Vermögen zu lenken und mit Erfolg zur Förderung menschlichen Glückes zu verwenden, ist es nothwendig, dass diese Vermögen selbst, die physischen Bedingungen, von denen ihre Kraft und Schwäche abhängen, die Beziehungen, welche zwischen ihnen und der äussern Welt obwalten und die Verhältnisse, die zwischen ihnen und den höhern Vermögen bestehen, gehörig gekannt seyen. Eine philosophische Kenntniss dieser Welt muss Aufschlüsse über ihren Gebrauch geben und die Weisheit wird eine wesentliche Hülfe darin finden, dass sie ihre Beschaffenheit und die Beziehungen, in welchen sie zu den übrigen Theilen der Werke Gottes stehen, zu erkennen sucht.

Die Naturgesetze der Schöpfung bilden drei grosse Classen nämlich: die physischen, organischen und moralischen. Diese Gesetze sind in ihrem Bestehen und Wirken unabhängig von einander, so dass jedes für sich Gehorsam fordert, jedes auf seine ihm eigenthümliche Weise Gehorsam belohnt, Ungehorsam bestraft und die Menschen in demselben Maasse glücklich sind, als sie sich mit der Gesammtheit derselben in Einklang zu bringen wissen.

Gegen den Vorwurf, dass man sein Werk als der Religion zuwider halten könne, indem es sich auf Grundsätze stützt, welche durch Beobachtung und Nachdenken ermittelt werden können und sich auf das menschl. Verhalten in diesem Leben ohne directe Beziehung auf ein zukünftiges beschränkt, entgegnet der Vf., dass ja die menschliche Natur und die äussere Welt beide aus den Händen Gottes hervorgingen und es unmöglich sey, dass, wenn man ihre Beschaffenheit richtig auffasst, man zu Schlüssen gelangen könne, welche einer richtigen Auslegung der heiligen Schrift nicht entsprechen sollten. Die wahre Philosophie ist cine Offenbarung des göttlichen Willens, in sofern er sich in der Natur kund giebt, sie steht mit jeder Wahrheit im Einklange.

Bei der Beleuchtung der Naturgesetze im ersten Capitel theilt der Vf. den menschlichen Vermögen die Kraft zu: zu erkennen was da ist und den Nutzen zu bestimmen, wozu es da ist, glaubt aber nicht, dass dieselben hinreichen die Absicht Gottes, warum es so ist zu erforschen. Seine Untersuchungen beschränken sich deshalb nur auf die Beantwortung der ersten beiden Fragen, der die Erkenntniss- und DenkVermögen des Menschen gewachsen sind. Gesetz ist

[graphic]

eine Regel für die Thätigkeit, es erfordert ein Subject, welches handelt und dass die Handlungen oder Erscheinungen, welche das Subject darbietet, auf eine feststehende und sich gleichbleibende Weise von Statten gehen. Die Freuden und Leiden der Menschen in dieser Welt werden durch Beobachtung der Gesetze und Gehorsam gegen dieselben bedingt. Gott ist der Schöpfer; Natur bedeutet im weitern Sinne die Welt, die er geschaffen, im engern die besondere Beschaffenheit, welche er jedem Gegenstande verliehen. Ein Naturgesetz ist die festgesetzte Weise, in der die Handlungen oder Erscheinungen irgend eines Geschöpfs oder Gegenstandes hervortreten und die hiermit auferlegte Verpflichtung auf jene Acht zu haben. Da jeder Naturgegenstand eine bestimmte Beschaffenheit erhalten, kraft deren er auf besondere Weise wirkt, so muss es soviel Naturgesetze geben, als es verschiedene Wirkungsarten der Stoffe und Geschöpfe an und für sich gibt. Da nun aber Stoffe und Geschöpfe in gewissen Beziehungen zu einander stehen und ihre gegenseitigen Wirkungen auf einander nach diesen Beziehungen sich modificiren, so muss es soviel Naturgesetze geben als Beziehungen unter den verschiedenen Stoffen und Geschöpfen statt finden. Ihre Zahl ist deshalb gross und dem jetzigen Standpunkt unsers Wissens ist es unmöglich sie alle anschaulich zu machen. Die uns zunächst liegenden zerfallen': 1) in die physischen d. h. solche, die alle Erscheinungen der blossen Materie umfassen z. B. die Schwere; 2) in die organischen d. h. solche, die den organischen Stoffen und Geschöpfen ausschliesslich angehören; und

3) diejenigen Gesetze, welche verständigen Wesen eigenthümlich sind; diese umfassen alle Thiere, die ein bestimmtes Bewusstseyn haben vom niedrigsten herauf bis zum Menschen und zwar:

a) als verständige und thierische, und
b) als verständige und sittliche Geschöpfe.

Insofern die geistigen Vermögen eine bestimmte Beschaffenheit erhalten haben, in gewisse Beziehungen zu äussern Gegenständen gestellt sind und regelmässig ihre Wirksamkeit üben, sprechen wir von ihrer Thätigkeit nach Gesetzen und nennen sittlichen moralische, die intellectuellen VerstandesGesetze.

Jedes Naturgesctz:

1) ist unabhängig von den andern,

die

2) bringt bei Gehorsam gegen dasselbe seinen eignen Lohn, bei Ungehorsam seine eigne Strafe mit

3) ist allgemein, unbeugsam und unveränderlich in seiner Wirksamkeit,

4) steht mit dem Wesen des Menschen in Einklang.

Im zweiten Capitel spricht der Vf. über das Wesen des Menschen und seine Beziehungen zu den Gegenständen ausser ihm; es zerfällt in fünf Unterabtheilungen. Zunächst stellt Combe die Behauptung auf, dass die äussere Welt in Beziehung auf den Menschen mit Weisheit und Wohlwollen eingerichtet wurde, dass das Wesen des Menschen nach dem Princip des Untergeordnetseyn des Ganzen unter den Verstand und die höhern Gefühle mit der Beschaffenheit der Aussenwelt im Einklang steht.

1) Der Mensch als physisches Wesen unterliegt den physischen Gesetzen. Unkenntniss derselben oder Ungehorsam gegen sie erzeugt Uebel, diese Uebel sind aber nur Ausnahmen von der Regel, wornach fortdauernd Wohlthaten aus diesen Gesetzen entspringen. Nach dem Gesetz der Schwere strebt jeder Körper dem Mittelpunkt der Erde zu, die Vortheile desselben sind bekannt. Um nun den Menschen mit diesem Gesetz in Einklang zu bringen gab Gott demselben einen Körper, der ihn befähigt das Gleichgewicht zu erhalten und seine Bewegung dem Gesetze gemäss einzurichten und Verstandeskräfte um das Daseyn des Gesetzes, dessen Wirkungs-Art, sein Verhältniss zu demselben, die wohlthätigen Folgen, wenn er es achtet und die schmerzlichen, wenn er es nicht achtet zu erkennen. Fällt Jemand und wird verstümmelt, so ist diess allerdings Folge des Gesetzes, aber gewiss hätte das entstandene Uebel bei gehöriger Thätigkeit und Ausbildung der höhern Kräfte vermieden werden können.

2) Der Mensch als organisches Wesen muss als solches von einem schon früher vorhandenen Organismus abstammen, Nahrung nehmen, wachsen, reifen, abnehmen und sterben. Das erste Gesetz, welches er zu befolgen hat, ist, dass der Keim aus dem der Mensch hervorgeht, vollständig in allen seinen Theilen und von durchaus gesunder Beschaffenheit ist; ein zweites organisches Gesetz fordert, dass er sich mit Nahrung, Luft und allen übrigen zu seinem Unterhalt erforderlichen Stoffen versehen muss; ein drittes Gesetz heischt, dass er die ihm verliehenen Organe gehörig übt. Erfüllt der Mensch diese Gesetze, so ist der Lohn dafür Freude während des Acts der Uebung der Functionen, angenehmes Bewusstseyn des Daseyns und Erlangung vieler Vortheile; Ungehorsam straft sich durch Unordnung und Trägheit in den Funk

3) In Betracht seiner geistigen Eigenschaften
stellt sich der Mensch als thierisch-sittliches und ver-
ständiges Wesen dar. Der Vf. legt nun die Phrenolo-
gie zu Grunde, indem er sie als die richtigste und um-
fassendste Darstellung der menschlichen Natur erkannt
zu haben versichert. Wir übergehen die Beweise, die
er zur Vertheidigung seiner Ansicht beibringt und ge-
ben nur folgende Uebersicht der Vermögen des Men-
schen nach der Phrenologie; sie zerfallen:
I. in Empfindungen und zwar:

A. in Triebe die er mit den Thieren gemein hat, als:
Lebenstrieb, Nahrungstrieb,
Nahrungstrieb, Geschlechtstrieb,
Trieb der Kinderliebe, Einheitstrieb, Anhänglich-
keitstrieb, Bekämpfungstrieb, Zerstörungstricb,
Verheimlichungstrieb, Erwerbtrieb und Bautrieb;
B. in Gefühle:

a. Gefühle die der Mensch mit den Thieren gemein
hat: Selbstachtung, Beifallsliebe, Vorsicht,
Wohlwollen;

b. Gefühle, die dem Menschen allein zukommen:
Ehrfurcht, Festigkeit, Gewissen, Hoffnung,
Gefühl für das Wunderbare, Idealität, Witz,
Nachahmung;

II. in Verstandesvermögen:

sten Gemüther, die zugleich mit den grössten Kenntnissen ausgestattet sind. Der grosse Unterschied zwischen den thierischen Vermögen und den Kräften, die dem Menschen allein angehören, liegt darin, dass die erstern vorzugsweise auf Erhaltung des Individuums und seines Stammes gerichtet sind während der Endzweck der letztern die Glückseligkeit des gesammten Menschengeschlechts und die Erfüllung der Pflichten gegen Gott ist. Wer z.B.allein wegen seines Geschlechtstriebes liebt, ist sinnlich, treulos, bekümmert sich nicht um das Glück seines Objects, während der, welcher mit jener Liebe Wohlwollen, Ehrfurcht, Gerechtigkeit und Verstand verbindet, uninteressirt das wahre Glück des Gegenstands seiner Neigung fördern wird.

5) Betrachten wir das Verhältniss der Vermögen des Menschen zu den Gegenständen ausser ihm, so finden wir, dass alle Vorkehrungen zu ihrer Befriedigung getroffen sind. Wir besitzen z. B. Bekämpfungstrieb und es sind physische und moralische Hindernisse zu überwinden; Gewissen, sein Wirkungskreis ist die Regulirung der Rechte und Interessen des Individuums im Gegensatz zu andern Menschen und zu der Gesellschaft; Gegenstands- und Thatsachen - Sinn und alle Wahrheiten, die die Physik uns lehrt beruhen

A. Aeussere Sinne: Gefühl, Geschmack, Geruch, auf Thatsachen, die nur durch Beobachtung und VerGehör, Gesicht;

B. Erkenntnissvermögen, welche das Dascyn und die Eigenschaften äusserer Gegenstände wahrnehmen: Gegenstandsinn, Gestaltsinn, Grössensinn, Gewichtsinn, Farbensinn;

C. Erkenntnissvermögen, welche die Beziehungen äu serer Gegenstände wahrnehmen: Ortsinn, Zahlensinn, Ordnungsinn, Thatsachensinn, Zeitsinn, Tonsinn, Sprachsinn;

suche crmittelt, aber nie durch blosse Vernunftschlüsse entdeckt werden können.

Das dritte Capitel handelt von den Quellen des menschlichen Glücks und den zu seiner Erhaltung nothwendigen Erfordernissen. Jeder Genuss wird nach dem Vf. durch die Thätigkeit der verschiedenen Systeme, die das menschl. Wesen zusamensetzen, bedingt und die Einrichtungen der Schöpfung sind vorzugsweise darauf berechnet, die körperlichen und

D. Denkvermögen: Vergleichungs- und Schluss- geistigen Kräfte des Menschen zur Thätigkeit anzuvermögen.

4) Die Vergleichung der Vermögen des Menschen untereinander ergibt ein grosses Uebergewicht der moralischen Gefühle und des Verstandes, denn das richtige Verhalten ist dasjenige, welches durch die Gesammtheit der völlig aufgeklärten und harmonisch zusammenwirkenden moralischen und intellectuellen Vermögen gut geheissen wird. Bei den meisten Individuen sind eins oder mehrere der moralischen oder intellectuellen Organe im Verhältniss zu den Organen der Tricte gering an Grösse, es sind deshalb nicht die Gebote der moralischen und intellectuellen Kräfte eines jeden Individuums, welche als Gesetz für dasselbe dienen sollen, sondern die Gesammtaussprüche der edel

regen. Wir können zwei Wege annehmen, die zur Befriedigung der dem Menschen verliehenen Geisteskräfte dienen, nämlich: 1) den Verstandeskräften bei der Geburt unmittelbare Kenntniss jeder Sache, die sie überhaupt zu begreifen im Stande sind, einzuflössen und jeden Trieb jedes Gefühl mittelst eines unfehlbaren Instinkts zur besten und höchsten Art der Befriedigung zu leiten oder 2) den Verstandeskräften nur die Fähigkeit zu verleihen durch Fleiss und Uebung Kenntnisse zu erwerben und sie nur mit äussern Dingen zu umgeben, die in Verhältnissen zu ihnen stehen, dergestalt, dass wenn diese Dinge und Beziehungen berücksichtigt werden Genuss hervorgeht, wo nicht Ungemach die Folge ist.

(Der Beschluss folgt.)

ERGÄNZUNGSBLATTER

ZUR

ALLGEMEINEN LITERATUR ZEITUNG

ANTHROPOLOGIE.

Junius 1840.

BREMEN, b. Heyse: Georg Combe's: das Wesen des Menschen und sein Verhältniss zu der Aussenwelt. Aus dem Engl. von Dr. Eduard Hirschfeld u. s. w.

Gewiss

(Beschluss von Nr. 46.)

Дewiss ist die im Vorigen zuletzt angeführte Ansicht die richtige; wäre sie es nicht, so wären die Grenzen unserer Erfahrung schnell erreicht, jeder Gegenstand würde etwas Altes und Bekanntes seyn, der Anlass zum Gebrauch in Erwerbung, Bewahrung und Mittheilung unserer Kenntnisse würde uns fehlen, das Kind wäre so klug wie der Weise und Vergessen könnte nicht statt finden. Dadurch, dass uns nur die Fähigkeit verliehen wurde, ist für endlose Thätigkeit gesorgt, wir werden in Unwissenheit geboren, wir müssen fortwährend lernen, denn die Naturgesetze sind von unendlichem Umfange in Vergleich zur Fassungskraft des einzelnen Individuum, die erworbenen Kenntnisse müssen gebraucht und angewendet werden, wenn wir sie nicht verlieren wollen; kurz wir sehen überall Aufforderungen zur Thätigkeit, sie ist die Quelle des Genusses. Wollen wir uns aber den Genuss in grösster Fülle und dauernd erhalten, so müssen unsere Vermögen harmonisch befriedigt werden und die äussern Naturgesetze selbst müssen mit den Aussprüchen der geistigen Vermögen im Einklang stehen; der Verstand muss befähigt seyn die Natur und die Verhältnisse beider zu entdecken und unser Handeln ihnen entsprechend zu lenken.

Mit der Anwendung der Naturgesetze auf die praktischen Einrichtungen des Lebens beschäftigt sich der Vf. im vierten Capitel. Seiner Ansicht nach müsste jeder Tag so eingetheilt seyn dass er zuliesse: 1) körperliche Bewegung, 2) nützlichen Gebrauch der Verstandeskräfte, 3) Ausbildung und Befriedigung der moralischen und religiösen Gefühle, 4) Zusichnahme von Nahrung und Schlaf. Die thierischen Kräfte bedürfen keiner besondern Uebung, weil sie in obigen Beschäf

[ocr errors]

tigungen schon genügende Nahrung für ihre Thätigkeit finden.

Das fünfte Capitel in welchem der Vf. zu erklären sucht in wie weit das Elend unter den Menschen der Uebertretung der Naturgesetze zuzuschreiben ist, zerfällt in drei Abtheilungen, in denen von den Uebeln, welche aus Vernachlässigung 1) physischer, 2) organischer und 3) der Sitten-Gesetze entspringen, die Rede ist. Combe führt einige Uebel, welche das Menschengeschlecht heimgesucht haben an und untersucht, ob sie aus Vernachlässigung von an sich weisen und wohlwollenden Gesetzen, die gehörig beobachtet zur Förderung des menschlichen Glücks hätten beitragen müssen, entsprungen sind oder aus so mangelhafter oder verderbter Naturbeschaffenheit, dass der Mensch weder ihren Unvollkommenheiten abhelfen, noch ihre Eigenschaften zu läutern und zu verbessern im Stande ist.

Durch Uebertretung des Gesetzes der Schwere z. B. entstehen viele Unglücksfälle; es fragt sich: ist die menschl. Natur mit Schutzmitteln gegen die aus demselben entspringenden Uebel versehen? - Die andern Thiere sind diesem Gesetze ebenfalls unterworfen und doch finden wir höchst selten Unglücksfälle unter ihnen, die in Folge desselben eintreten, und zwar deshalb, weil die Natur sie mit vermehrten. Sicherheitsmitteln gegen dasselbe ausstattete. Durch ihren Instinkt sind sie von der Natur mit der Schwerkraft in Einklang gebracht und gegen Verstoss gegen dieselbe geschützt. Die Schutzmittel, die der Mensch besitzt, sind anderer Art, aber nicht weniger vollkommen; das Ungemach, was er durch Uebertretung des Gesetzes der Schwere erleidet, ist gewöhnlich dem Vorherrschen der thierischen Triebe oder dem vernachlässigsten Gebrauch der Verstandeskräfte zuzuschreiben. schreiben. Wird der Mensch durch blosse Ausbildung des Verstandes es nicht dahin bringen können, sich gegen jeden Unfall sicher zu stellen, so steht es doch fest, dass er je unwissender und sorgloser er ist, er um so mehr leidet.

« ZurückWeiter »