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Wissenschaften, deren Zweck die Realisirung des
Guten sey; als ob jemals in der Wissenschaft und im
Leben diese drei Seiten von einander getrennt werden
könnten. Völlig schwankend und unwissenschaftlich
aber sind nun die Erklärungen, welche er von den drei
Hauptwissenschaften, der Aesthetik, Logik, Ethik
aufstellt; die Aesthetik ist ihm nichts als Kenntniss
des Gefühlsvermögens oder die durch die Betrachtung
der einzelnen Kunst vermittelte Anleitung zur Kennt
miss des Schönen, die Logik die Emporleitung des
Menschen zum Wahren durch die vorbereitenden Wis-
senschaften, die Ethik, was allerdings der Wahrheit
viel näher kommt, die Philosophie des Guten, die nicht
bloss die Sitten- und Pflichtenlehre, sondern auch die
Realisirung des Guten in Recht und Staat umfasst;
aber allen dreien möchte er doch das Prädikat der
strengeren Wissenschaft absprechen, und sie auf jene
discursive, analytisch vom Einzelnen zum Ganzen
fortgehende, populäre Betrachtungsweise des Schö-
nen, Wahren und Guten beschränken, wovon er selbst
uns in seiner Schrift ein Beispiel giebt. Dass allen
Zweigen der Philosophie dieselben Vernunftideen zum
Grunde liegen, und dass diese Ideen die strengste,
systematische Entwickelung in der Form des Begriffes
nicht nur zulassen, sondern nothwendig begründen,
diese ursprünglichste Voraussetzung alles Philosophi-
rens, worüber schon Platon und in noch viel höherem
Grade Aristoteles völlig im Klaren waren, ist dem Vf.
fremd geblieben, weshalb er auch mit einer epigram-
:atischen Wendung am Schluss seiner Darstellung
die Frage aufwirft, was denn wol Metaphysik sey,
diese beschwerliche Frage aber sogleich wieder mit
den Worten von sich weist, dass, wenn man zu hoch
klimme, man endlich über die Wolken rage, und dann
eben nichts als Wolken sehe, auch die Metaphysik
als Uebernaturkunde bezeichnet, die also aus dem
Reiche der Wissenschaft fortan auszuschliessen sey.
Aber es gab eine Zeit, wo Männer wie Aristophanes
auch in der sokratischen Lehre nichts als Wolken sa-
hen; hätte es der Verf. nur über sich vermocht, noch
etwas weiter in die heiteren Regionen der reinen Be-
griffe vorzudringen, er würde in dieser freien Höhe
den weitumschauenden Ueberblick gewonnen haben,
der ihm sein mühsames Geschäft gewiss um Vieles
erleichtert hätte. Denn auch die Darstellung der ein-
zelnen Künste und Wissenschaften erhebt sich doch
durchaus nicht zu der Höhe des Standpunktes unserer
Z.cit.
Zuerst bei der Lehre vom Schönen vermissen

wir eine feste und bestimmte Sonderung der einzelnen Künste von einander; es wäre wol recht das Geschäft einer Encyclopädie gewesen, in wenigen, aber scharfen Umrissen Inhalt, Umfang, Maass und Mittel jeder Kunst anzudeuten, einer jeden ihren Platz, den sie sowol im Leben des Geistes als in der äusseren Welt mit innerer Nothwendigkeit einnimmt, anzuweisen, zu zeigen, wie immer eine die andere hervorruft, bedingt, hebt, und auf diese Weise endlich, was ja eben des Verfs. höchstes Ziel war, jene wahrhafte Harmonie der Künste in der Idee des Schönen aufzufinden, die chen nur aus der strengsten Scheidung der einzelnen Gebiete hervorgehen kann. Dann aber ist er auch nirgends auf das Eigenthümliche der christlichen Kunst eingegangen; es ist schon misslich, auch nur eine Theorie der griechischen Kunst zu entwerfen, wenn man lediglich bei Platon stehen bleibt, denn wir wissen ja recht gut, dass grade die reinere und tiefere Erkenntniss der Wahrheit den Platon hinderte, die schönsten Erscheinungen des griechischen Geistes, die doch zuletzt immer wegen ihrer genauen Verbindung mit der Volksreligion mit einem unwahren Elemente behaftet waren, mit unbefangenem Urtheil zu würdigen und anzuerkennen; das unermessliche Gebiet der neueren Kunst aber, welche mehr als einen Zweig der alten Kunst nicht bloss äusserlich vervollkommnet, sondern wahrhaft im Innersten umgebildet hat, in die platonischen Umrisse hineinzwängen zu wollen, dürfte wol nirgends bei uns Nachahmung finden. Ueberhaupt aber trübte es den Blick des Verfs., dass er sich, man weiss nicht ob absichtlich oder weil er des Stoffes nicht genug Meister war, bei seinen Betrachtungen über die Kunst fast durchaus auf das Alterthum beschränkte, und höchstens nebenbei der französischen und seiner vaterländischen Kunst gedachte. Schon, dass er mit der Musik, die er im Sinne der Alten als Grundlage aller Kunst annimmt, anfängt, dann die Poesie, und auf diese erst die bildenden Künste folgen lässt, möchte wol manches Bedenken haben; noch mehr aber fällt es auf, dass er die lyrische Poesie darum als die höchste Gattung aufstellt, weil die dramatische Poesie doch schon mehr zur Rhetorik, die epische mehr zur Geschichte hinneige, und dass er ferner die Wurzel der bildenden Künste, die er übrigens sehr oberflächlich behandelt, ohne die beiden Hauptzweige derselben im Geringsten von einander zu trennen, in der Pocsie findet, was doch nur mit grosser Beschränkung richtig ist. (Der Beschluss folgt.)

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ER GANZUNGSBLATTER

ZUR

ALLGEMEINEN LITERATUR-ZEITUNG

Mai 1840.

PHILOSOPHIE. ERLANGEN, b. Enke: Die sokratische Schule, oder Philosophie für das neunzehnte Jahrhundert, von Ph. W. van Heusde u. s. w.

(Beschluss von Nr. 44.)

sollen, legen zu wollen, indem er hier sogleich mit den Ideen, mit dem wahren Wesen der Dinge im Gegensatze des Scheins, beginnt; aber allzu leichten Fusses geht er doch wieder an den Tiefen und Irrgängen der platonischen Ideenlehre vorüber, die niemals je

Die so höchst wichtige Bestimmung des Ideals fin- maud begreifen wird, der nicht, bei eigenem specula

den wir nur einmal, bei den bildenden Künsten, flüchtig angedeutet, da sie doch der Betrachtung der einzelnen Künste hätte müssen voraufgeschickt werden. Dagegen ist es ein wahrer, wenn auch nicht gerade neuer, Gedanke, dass die schönen Künste ihre wahrhafte Bestimmung erst dann erreichen, wenn sie harmonisch zusammenwirken und in dem Verein aller ihrer Mittel und Kräfte einem grösseren Ganzen, dem Staate und der Religion, dienen; wir erkennen in dieser Ausführung den praktisch tüchtigen, unverfälschten Sinn des Holländers, dem das grossartige Bild eincs öffentlichen, von der Kunst in allen Beziehungen und Momenten veredelten und gehobenen Volkslebens noch nicht, wie den meisten Völkern Europa's, völlig entschwunden ist. Wenn nun zuletzt der höchste Zweck aller Künste in die Realisirung der Idee des Schönen gesetzt wird, so würden wir gern dem Vf. beistimmen, wenn er nur überhaupt hätte zeigen wollen, was denn eigentlich das Schöne sey; so aber führt er uns zuletzt zu der uranischen Muse Platons, also zu dem Sittlichschönen, zurück, womit er denn sofort in das Gebiet der Ethik hinüberschweift, und das Wesen der Aesthetik nach wie vor im Dunkeln lässt. Es wäre überhaupt wol von allen denen, die nun einmal den Platon als den Vater der Aesthetik zu nennen gewohnt sind, mehr zu beherzigen gewesen, dass wir doch nirgends bei Platon eine recht scharfe und klare Bestimmung des Schönen finden, weil er immer, nach der den Griechen so natürlichen Anschauungsweise, das Gute sogleich in das Schöne hinüberführt und umgekehrt. Einen tieferen Grund scheint der Vf. bei der Darstellung der vorbereitenden Wissenschaften, die aus dem erkennenden Vermögen hervorgehend der Idee des Wahren entsprechen

tivem Triebe, der auf diesen wahrhaften Mittelpunkt des Platonismus hingerichteten Polemik des Aristoteles ein ernstes Studium zugewendet hat. Die Reihe der das Wahre darstellenden Wissenschaften eröffnet er mit der Mathematik, deren höhere, selbständige Würde als symbolische Erkenntniss des Wahren und Vorstufe der Philosophie er würdig darstellt, und geht dann weiter zur Dialektik, deren Wesen er in Scheidung und Verbindung der Begriffe setzt, als ob damit ihr Wesen erschöpft wäre, und als ob nicht Platon selbst viel reinere und tiefere Bestimmungen von dieser alles höhere Denken durchziehenden geistigen Thätigkeit gegeben hätte; van Heusde ist hier doch gar nicht in die Tiefen seines Platon cingedrungen, er verwechselt die platonische Dialektik mit der sokratischen Epagoge und Mäeutik, die höchstens ein Anfang jener ist, und über welche Platon in seinen rein philosophischen Dialogen, wenn er auch damit beginnt und sie formell zum Grunde legt, weit hinausgegangen ist zu einer höheren und reineren Methode. Von da führt uns der Vf. noch durch die Gebiete der Rhetorik und der schönen Wissenschaften zu einem Gesammtüberblick über Bestimmung und Zweck der Wissenschaften des Erkennens, und dann zur Logik. Dass die Rhetorik nach Aristoteles als die mehr der Poesie und der Vorstellung zugewendete Seite der Dialektik bezeichnet und darin allein ihre Wahrheit und Berechtigung gesetzt wird, ist ein glücklicher Griff, obgleich in der Vergleichung der Rhetorik, als der Poesie der Dialektik, mit dem Lehrgedichte, als der Dialektik der Poesie, sich jene den Holländern eigene, und längst fremd gewordene Ueberschätzung des Lehrgedichts ausspricht; was aber nun noch die schönen Wissenschaften seyn sollen, denen der Vf. einen eige

nen Abschnitt anweist, wenn es nicht eben wieder die Rhetorik ist, das ist schwer einzusehen; zwar scheint unter jenen Namen das ganze weite Feld der Literatur gehen zu sollen, wie aber gehört doch die Literatur, dieses Aggregat des mannigfaltigsten Wissens, unter die allgemeinen, philosophischen Wissenschaften? Gewiss hat hier das französische Fachwerk, worin die belles Lettres eine so bedeutende Rolle spielen, auf den Vf. eingewirkt. Wenn übrigens der Dialog uns hier noch immer als die höchste Kunstform der Poesie empfohlen wird, weil Platon sich desselben für die Bedürfnisse seiner Zeitgenossen und seinem eigenen Genius folgend, und doch immer nur als Wiederhall und Reproduktion des lebendigen mündlichen Gespräches, bediente, so hat dagegen nun einmal unwiderruflich das im Ganzen und Grossen doch nicht irrende Gefühl der Mitwelt längst entschieden; der wissenschaftliche Vortrag in Schriften wird bei uns immer am meisten wirken, wenn er der bei uns wirksamsten Weise mündlicher Belehrung, dem ruhig entwickelnden, vom Einzelnen zum Allgemeinen fortschreitenden, gewissermassen ein Selbstgespräch darstellenden akademischen Vortrage kunstvoll nachgebildet wird, und nur dann etwa ein dialogisches Element in sich aufnimmt, wenn es darauf ankommt, den Streit der Parteien möglichst mit ihren eigenen Worten zu hören, von welcher Weise wir ja in Lessings polemischen Schriften so hohe, noch unerreichte Muster haben. Zuletzt wird dann die Logik mit Recht von der Dialektik unterschieden und als die höhere, das ganze Gebiet des Wahren umfassende Wissenschaft gesetzt; nur hätte der Vf. hier gerecht genug seyn sollen, als eigentlichen Vater der Logik nicht den Platon zu nennen, sondern den Aristoteles, der weder hier noch sonst irgendwo blosser Fortsetzer Platons war, sondern zuerst die Welt des reinen Begriffes zwar nicht entdeckte aber doch in ihren äussern Umrissen und innern Gegensätzen und Gestaltungen durchforschte und dem erkennenden Geiste aufschloss. Dass nun das Wahre nach der Darstellung des Vfs., die hier nothwendig die Grundzüge der Thätigkeiten des erkennenden Geistes hätte zeichnen sollen, doch wieder in einem blossen Wahrheitssinne seinen Grund haben soll, ist eben so unwissenschaftlich, als es unpassend ist, wenn schon hier, wo von den sittlichen Thätigkeiten des Geistes noch gar nicht die Rede gewesen ist, die Pädagogik, die der Anfang der praktischen Philosophie seyn soll, angeschlossen wird; die Idee des Guten muss ja doch selber erst klar erkannt seyn, che eine Wissenschaft

entstehen kann, deren Zweck es ist, zu zeigen, wie Jugend und Volk zu dieser Idee können herangebildet werden. - Auch bei der Entwickelung der höheren Wissenschaften, welche dazu bestimmt seyn sollen, die Idee des Guten zu realisiren, fehlt es an einem festen Prinzip, weil der Vf. nicht tiefer in das Wesen des wollenden und begehrenden Geistes oder der praktischen Vernunft eingegangen ist; eine Zeile von Kant führt viel weiter, als alles, was wir hier aus Platon zusammengestellt finden, so schön und tief es auch seyn mag, und selbst Aristoteles, dessen Ethik so wenig berücksichtigt wird, wie seine Logik, Physik, Metaphysik, hätte manches richtiger erkennen gelehrt. Dass dann ferner als drei verschiedene Prinzipien das Gute, Gerechte, Heilige angenommen und aus ihnen die Physik, Politik, Theologie abgeleitet werden, ist in mehrfacher Hinsicht befremdend; denn gewiss ist doch das Gute dem Gerechten und Heiligen nicht nebengeordnet sondern übergeordnet; wenn dann aber die Naturwissenschaften, die doch gewiss vor allen in das Gebiet der allgemeinen Wissenschaften gehörten, erst jetzt abgehandelt werden und ihr Prinzip in die Idee des Guten gesetzt wird, nicht etwa, weil sie die Welt als durchdrungen von dieser Idee darstellen, was doch vollkommen im Geiste Platons, dessen Timãos der Vf. kaum erwähnt, gewesen wäre, sondern weil sie doch als Vorübung zur Heilkunde mit dem praktischen Leben vielfach zusammenhangen, so würden es sich diese edeln Wissenschaften in ihrer stolzen Unabhängigkeit wol verbitten, so als blosse Mittel zum Zweck angesehen zu werden; der Vf. wollte hier eben bloss ein Princip für die medicinische Facultät finden, wie er nachher in dem Princip der Gerechtigkeit die juristischen, in der Idee der Heiligkeit die theologischen Facultätswissenschaften zu begründen sucht. Dagegen hat uns nun in einem ganz besondern Maasse die Entwickelung der Idee des Gerechten, die er den juristisch - politischen Wissenschaften zum Grunde legt, befriedigt uud angesprochen; hier finden wir eine Fülle wahrer und guter Gedanken, die der edlen Gesinnung des Vf. nicht minder, als seinem praktischen Blicke Ehre machen; auch hier begegnen wir wieder jener altniederländischen Biederkeit und Vaterlandsliebe, die seinen Worten Kraft und Schwung geben, die daher auch für die Jugend seines Vaterlandes nicht ungehört verhallen werden.

Sehr richtig erkennt er hier, dass die Benthamisten, die alles auf den Nutzen stellen, im Grunde schon, als sophistische Nachgeburt, durch Platon hinlänglich widerlegt sind, und dass alle Theorieen

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und Träume moderner Philosophen, die bald das Bedürfniss und in Folge dessen den gegenseitigen Vertrag, bald den allgemeinen Krieg, immer also ein egoistisches Streben als den Anfang aller Staatenbildung annehmen, verschwinden müssen vor dem klaren Blicke Platons, der einsah, dass nicht Zwietracht, nicht gegenseitiges Misstrauen, sondern das edle Streben nach Harmonie und Eintracht die Staaten gegründet habe. Möchte doch in den Ländern, die mit einer ängstlichen Abwägung der Rechte und Befugnisse der einzelnen Staatsgewalten alles erreicht zu haben glauben, die allein wahre Ansicht des Vfs. Beherzigung finden, dass das Gleichgewicht der Gewalten, das doch immer nur eine mechanisch geregelte Gegenwirkung streitender Kräfte ist, nicht der höchste Staatszweck seyn kann, sondern dass dieser vielmehr in der Eintracht, und der Harmonie des Mannigfaltigen bestehn muss. Freudig überrascht es auch, bei dem Vf. zu lesen, dass es mit der negativen Freiheit, mit der Entfernung dessen, was der Realisirung des Rechtes im Wege steht, nicht abgethan sey, sondern dass sie eine positive werden müsse, wo dann ihr Wesen in nichts anderm bestehe, als in dem Vermögen, nach Recht und Gesetz zu handeln, das Gesetz also nicht Beschränkung der Freiheit, sondern der nothwendigste Ausdruck, die wahrhafte Bethätigung derselben sey. Ueberhaupt, dass Recht und Politik als wesentlich cins anerkannt und der Staat als höchste Erscheinung der Sittlichkeit bestimmt wird, ist ein sehr wahrer Gedanke, der gewiss in der Heimath des Hugo Grotius weiter wird verfolgt und entwickelt werden. Hätte der Vf. sein so richtiges natürliches Gefühl noch mehr auf festere Grundsätze zurückbringen wollen, so würde es ihm freilich nicht entgangen seyn, dass, so verwerflich die Theorie des Gleichgewichts ist, doch die Organisation des wahrhaften Staates den Gegensatz wol in sich tragen, sofort aber durch die ihr inwohnende Kraft wieder zur Harmonie zurückführen muss, mithin allerdings die Regierungsform, wie er anzunehmen scheint, nichts absolut Gleichgültiges ist, da doch die Idee der Gerechtigkeit und Sittlichkeit nun einmal nicht in allen Staatsformen auf völlig gleiche Weise zur Erscheinung kommen kann; und auch das würde er noch klarer erkannt haben, dass die wirkliche Freiheit nicht bloss in dem Setzen und Befolgen, sonderu in dem allgemeinen Erkennen und Anerkennen des Gesetzes besteht. Bei den theologischen Wissenschaften lässt der Vf. seinen Platon nun einmal etwas zurücktreten, oder vielmehr, er weist ihm hier

die gewiss richtigste und würdigste Stelle an, dass er die Herzen der Jugend erwärmen und auflockern, ihren Geist erleuchten und aufschliessen müsse, um sie zu der höhern Wahrheit der Offenbarung, die er schon vorahnend in sich trug, vorzubereiten. Ja, wenn der Vf. erklärt, dass hier, wo die Offenbarung beginnt, das Gebiet der Philosophie aufhöre, und somit die Philosophie gleichsam um den schönsten Lohn ihrer sauren Arbeit, um die Erkenntniss des Heiligsten und Höchsten bringt, so hätten wir wol gewünscht, dass er, wenn auch nur an der Hand Platons, es doch einmal gewagt hätte, in die Tiefen der Offenbarung einzudringen, wozu uns ja so manches schöne Schriftenwort nicht allein berechtigt sondern auch ausdrücklich auffodert. Seine in kurzen Worten zusammengefasste Darstellung der Grundwahrheiten und des höchsten Zweckes der Offenbarung ist so wahr, so rein, so entfernt von allem todten Buchstabenglauben und von allem Mysticismus, dass er wol ein Recht hat, dieser einfach schönen und doch so unendlich tiefen Lehre gegenüber den Rationalismus und den Supranaturalismus, wie man beide häufig versteht, als einseitige, nur halbwahre Richtungen zu betrachten und die Studirenden zu ermahnen, dass sie, um den wahren Weg zur Religion zu finden, zuerst den Weg der wahrhaften Philosophie durchmachen mögen. Wäre doch der Verfasser noch einen Schritt weiter gegangen, und hätte, statt sich vom Eingange in dies Heiligthum abschrecken zu lassen, jene von ihm selbst so richtig erkannte Offenbarungslehre mit dem Lichte der Wissenschaft tiefer zu begründen versucht, und vor jenen einseitigen Richtungen nicht eben bloss gewarnt, sondern dem studirenden Jüngling, der nun einmal heutzutage ohne eine wirklich wissenschaftliche Theologie nicht mehr auskommt, selbst gezeigt, wie er die rechte Mitte zu finden habe. Dass übrigens der Vf. der Ethik die würdigste Stelle anweist, indem er nicht bloss die Lehren vom Recht und Staat, sondern auch die theologischen Wissenschaften in das Gebiet derselben zieht, ist um so mehr anzuerkennen, da auch bei uns Deutschen die wissenschaftliche Ethik noch keinesweges genügend bearbeitet und in ihrer wesentlichen und nothwendigen Einheit mit der christlichen Ethik erkannt und dargestellt ist; man hat hier die Spuren Kant's zu bald wieder verlassen. Auch über die sittliche Freiheit finden wir bei dem Vf., wie über die politische, reine und wahre Ansichten. Wenn nun derselbe zuletzt, am Schlusse seiner Darstellung, auch richtig einsieht, dass die Vernunft keine von den andern verschiedene Seelenkraft sey, sondern

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vielmehr die höhere Einheit, die Harmonie aller, so stimmt doch damit sehr wenig die gleich darauf folgende Bestimmung überein, wonach die Vernunft wieder nichts als der Wahrheitssinn seyn soll, nur bereichert durch das Studium der Künste nud Wissenschaften, und besonders im Vergleichen und Schliessen sich bewährend; somit wird sogleich die höchste Thätigkeit des Geistes entweder zu einem bloss positiven Wissen des Mannigfaltigen oder zu einer einseitigen, untergeordneten, dem Verstande zu überweisenden Funktion, worüber das reine Denken sich eben erheben soll, herabgesetzt. Auch hier, wie an manchen andern. Stellen, ist doch van Heusde seinem Platon nicht treu genug gefolgt, der ihn gewiss die Vernunft als das Vermögen der Ideen, also als etwas ganz anderes und höheres würde gezeigt haben, als jener blosse geläuterte Wahrheitssinn ist. Vernunft nun ist die Mutter der Philosophie, und mit Recht gibt er daher hier erst, nachdem er auf dieser Höhe angelangt ist, weitere Bestimmungen über Inhalt, Umfang, Zweck der Philosophie, wobei wir wieder darin ein sehr richtiges Gefühl bei ihm anerkennen müssen, dass er den Begriff der Philosophie, als einen wesentlich concreten fasst, und ihr keinen andern Inhalt anweist, als den in den einzelnen Künsten und Wissenschaften bereits betrachteten, so dass die Philosophic nicht allein über allem Wissen sey, sondern auch in und mit allem; soll aber die Philosophie, wie der Vf. dann weiter will, in alle Ewigkeit nichts weiter seyn, als das Streben nach Wahrheit, und soll in dieser ewigen Unruhe der Mensch seine Befriedigung finden? Hier konnte nur die so unsanft zurückgewiesene Metaphysik ein noch höheres Ziel zeigen. Der Philosophie lässt der Vf. nun noch, als höchste Spitze des Ganzen, die Geschichte folgen, und auch hierin zeigt sich ein richtiger Blick; denn, wie er selbst entwickelt, die Geschichte kann wesentlich keinen andern Inhalt haben, als die Philosophic, sie umfasst alle Kunst und Wissenschaft, sie weist in der wirklichen Welt an Beispielen nach, was die Philosophie aus der Natur des Menschen ableitet; aber lag nicht -hier ein noch höherer Standpunkt ganz nahe, die Geschichte selbst als die stets fortwirkende Offenbarung Gottes und der ewigen Ideen zu fassen? Dass übrigens nicht Thucydides, sondern Herodot als das Ideal eines wissenschaftlichen Geschichtschreibers aufgestellt wird, möchte wol manchen befremden. Diese Bemerkungen mögen hinreichen, um darzuthun, dass diese Encyclopädie allerdings der Höhe deutscher Wissenschaft nicht entspricht, dass sie aber gewiss,

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wegen des gesunden Sinnes und des klaren unverfälschten Gefühls, das uns auf jeder Seite entgegentritt, sowie wegen des reichen Schatzes, der schönsten platonischen Aussprüche, üherhaupt wegen der milden, behaglichen Wärme der Schreibart des Vfs., wegen seiner frommen Gesinnung und der reinen Luft des klassischen Alterthums, die in seinen Darstellungen weht, wenn nicht als Lehrbuch, so doch als Lesebuch unserer heranreifenden Jugend verdient empfohlen zu werden.

Zum Schluss müssen wir noch mit gebührender Anerkennung des Fleisses gedenken, den der Uebersetzer seiner Arbeit zugewendet hat; ob aber die holländischen Wörter, mit denen er unsere Sprache bereichern möchte, wie Denkbild, Sinnschnitt (Periode), Beweisredekunde (Dialektik), Rechtfertigkeit, das deutsche Bürgerrecht wirklich verdienen, darüber mögen andere entscheiden. C. S-t.

VERMISCHTE SCHRIFTEN.

CASSEL, b. Krieger (Theod. Fischer): Statistisches Handbuch der Deutschen Gymnasien. Herausg. von Dr. August Theobald, ord. Hauptlehrer am Kurf. hessischen Gymnasium zu Cassel. Zweiter Band. Für die Jahre 1837, 1838 und Anfang von 1839. XVI, 344 u. 285 S. 8. (Subscript. Preis 2 Rthlr. 16 gGr.)

Der erste Band dieses Handbuches, den Hr. Dr. Th.in Gemeinschaft mit Prof. Brauns besorgt hat, ist zu seiner Zeit in diesen Blättern angezeigt worden; der vorliegende zweite von Th. allein bearbeitete gibt das rühmlichste Zeugniss von der unermüdlichen Thätigkeit und dem durch keine Schwierigkeit erkaltenden Eifer des Vfs. Dass ein solches Unternehmen nicht ohne die grösste Anstrengung und vielseitige Unterstützungen vollendet werden könne, liegt in der Sache selbst; Hr. Th. ist durch reichliche officielle und Privatmittheilungen in den Stand gesetzt worden, eine Vollständigkeit zu erreichen, die nur wenig zu wünschen übrig lassen dürfte, und wir erhalten sonach einen Reichthum des Materials, wodurch die mannigfachsten Vergleichungen u. Zusammenstellungen nach allen Richtungen hin möglich werden. Nur durch einen sehr ökonomischen Druck und die wohl im Uebermaasse angebrachten Abbreviaturen konnte eine solche Fülle von Notizen in Einem Bande zusammengedrängt werden. Möge der Vf. überall die verdiente Anerkennung finden und sich dadurch aufgemuntert fühlen, seine Musse und Kräfte ferner einem so nützlichen Unternehmen zu widmen.

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S.

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