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liches, d. h. von der Welt verschiedenes und doch in der Welt wirksames zu finden. Durch die Art, wie der Vf. den Logos denkt, wird wahrlich der reine Theismus schlecht bewahrt. Kann man in der nachexilischen Periode von einem wesentlichen Fortschritt in der Gotteslehre reden? (S. 112) es liegen ja darin manche fehlerhafte orientalische Vorstellungen. Gleich merkwürdig ist der Gedanke S. 129, der Logos bedinge durch seine Existenz das Seyn Gottes, und Gott könne ohne diesen nicht einmal als Gott gedacht werden, in so fern er im Logos sich selber offenbare und ,, seiner sich bewusst werde" (S. 134). Klingt das nicht wie Hegelsche Phrasen? Man vgl. eine Stelle S. 137. Damit soll Joh. ", das Problem, den Begriff eines persönlichen über- und ausserweltlichen und doch überall wirksamen Gottes auf eine geistige und Gottes würdige Weise zu construiren, sehr befriedigend gelöst haben" (??). Der Satz S. 183 Anm.: Zwar harret die gesammte xtioiç u. s. w. bis zu Ende ist überspannt. - Da der Vf. bei der Lehre von der Wiedergeburt die menschliche Thätigkeit nicht ganz ausschliesst, so hätte er Joh. 6, 29 9ɛou nicht activ nehmen sollen. Ueber die Idee der Wahrheit hat er sich zu unbestimmt ausgedrückt und die Bedeutungen nicht gehörig geschieden; besser ist die Gerechtigkeit behandelt. Bei dem Schauen Gottes S. 221 hätte er von dem bildlichen ausgehen und das jenseits erst zu erringende zuletzt stellen sollen. Bei der Erklärung von Joh. 1, 5 S. 245 soll die Finsterniss das Ursprüngliche in jedem Menschen, das Element (sic) der Menschheit seyn, und zwar seit dem Sündenfall, weil sie in der Trennung verharren wollte; die Stellen 1. Joh. 5, 19. 8. sind ihm dazu fälschlich Parallelstellen. Der Grund davon soll der Huss gegen Gott (!!) seyn, und doch schliesst die Stelle Joh. 3, 19 nicht alle Liebe aus. Der Grund dieses Hasses ist die Welt; allein wie verworren gegeben sind hier die Bedeutungen von κόσμος! S. 265 soll die Geburt aus Gott nur auf dem christlichen Standpunkte wirklich werden; allein die Idee der Kinder Gottes ist sehr alt, geht schon vor dem Mosaismus hinaus, und Joh. 11, 52 redet Joh. von zerstreucten Gotteskindern. Sonderbar und ganz im Widerspruch mit der geistigen Auffassung des Todes, die der Vf. annimmt, ist das S. 299 Gesagte. S. 322 sieht sich der Vf. an der Klippe, die Quelle der Sünde im Menschen und in Gott zu finden, eine Klippe, die er damit zu vermeiden glaubt, dass er den Reiz der Entstehung der Sünde ausser den Menschen setzt, ohne zu bedenken, dass doch wieder im Menschen Etwas seyn müsse, worauf dieser

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Reiz'wirke. Der Vf. möchte zwar der Menschheit nicht eine ursprüngliche Sündhaftigkeit zuschreiben; allein wie kann man immerfort nur den Gedanken urgiren: der Mensch setze sich absichtlich Gott entgegen und durch den Gegensatz eines Reichs des Bösen und des Guten entsteht immer eine Art von Dualismus, und warum nimmt er ó nоvnoós als Personification, den Satan aber als persönlich und individuelles Wesen? S. 333 ist ihm Satan bei Joh. ein ursprünglich böses Wesen, kein gefallener Engel, besonders wegen ἀπ' ἀρχής. Allein in ἀπ' ἀρχ. kanu recht gut nur der Gedanke liegen post natos homines, seitdem er auch nur ein Menschenmörder seyn kann, und forηzev drückt ein Präsens aus. Mit Mühe dürfte er dem Manichäismus entgehen. Nicht ganz übereinstimmend mit dem Obigen möchte er mit Kern in dem Satan den die Menschen verführenden Weltgeist sehen in concreter Persönlichkeit, das der Welt einwohnende böse Princip. Dadurch aber wird diesem Princip die Freiheit genommen. Der Vf. hat in dem Abschnitt über die Sünde nur die oft einseitigen Schriften von Kern, Krabbe, Klaiber benutzt.

-Ueber den zweiten Theil bemerken wir Folgendes: S. 348: Gott ist selber im Fleisch erschienen;" weiter oben aber war ihm der Logos nur ein göttliches Wesen? Eben so sind ihm die Ausdrücke: Gott ist im Fleisch erschienen, und der Logos ist Fleisch geworden" synonym. Dass der Gedanke von dem in Jesu Person der Menschheit einwohnenden Göttlichen auch bei Matthäus und Lukas sich finde (S. 352), wird Niemand bezweifeln, allein dies ist nur nicht die Menschwerdung in dem sonst vom Vf. angenommenen Siune. Was er S. 357 ff. über die Bedeutung von vεvua vorbringt, vornehmlich im Verhältniss zum Logos, ist unbefriedigend, und wenn er das Princip der göttlichen Offenbarung auch in der äusseren Natur des лvεua versteht, so ist dies gegen den Geist des Joh. S. 365 will er mit Recht nur eine Personification des vεua gelten lassen. Allein ist dann der Logos dies weniger? Und vor der Schöpfung des All und nach seiner Fleischwerdung vor der Taufe wäre der Logos ohne aveva gewesen?" (!). Nach S. 371 Anm. wäre, die Lehre Jesu im Sinne eines universalistischen (?) Rationalismus überschätzt worden?" (!). · Das Seyn des Logos bei Gott findet auch während seiner irdischen Erscheinung noch Statt" eigentlich? nein, aus den Stellen Joh. 6, 46. 7, 29. 9, 16. 33. 8, 42. 3, 2. 13 lässt sich dies nicht erweisen, und 17, 5 ist offenbar dagegen. Joh. 20, 17 liegt gerade die Einheit des Vaters Jesu und

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der Jünger, nicht die Verschiedenheit (S. 390) 5, 23 sieht er die absolute Ehre Jesu mit dem Vater, 10, 30 Weseneinheit mit dem Vater; 17, 3 schade Jesu göttlicher Wesenheit nicht, da seine Persönlichkeit Gott gegenüber bewahrt werden müsse (wie schwach!). Daher erklärt er auch das μawv Joh. 14, 28 von der Entäusserung seiner doğa, die Jünger mussten sich freuen, dass er die Jóga wiederbekomme." (?) Dies hätten die Jünger gar nicht verstanden. In dem Ausdruck Menschensohn leugnet er die Bedeutung des Messias, was er S. 396 Anm. wie der zugiebt, und schlägt sich zu de Wette, der im Grunde nur die von ihm verworfene rhetorische Figur (Fritzsche) hat, und zu Neander, dessen Ansicht auch halb auf der Deutung vom Ideal der Menschheit steht. Wie willkürlich aber fasst er S. 399 die zwei Momente der Erscheinung Jesu nach 2 Petr. 1, 16 Sivaus und nagovoía, und der dúvajus soll die zápis und aa des Joh. entsprechen (!). So lässt sich Alles heraus exegisiren! S. 416 ist das über den Eingebornen Gesagte übertrieben. Unter den Beweisen, dass Joh. Jesum Gott gleich setze, wird S. 414 auch der Gebrauch des uitós und xevos aufgeführt (!). Wie sich Joh. im Gebrauch des Namens Sohn Gottes an die Sitte seines Volks angeschlossen oder eine eigenthümliche Weise befolgt habe," darüber erfahren wir wenig und der Begriff Sohn Gottes wird S. 417 schwankend dargestellt: ", der ganze Fleisch gewordene Logos in der ungetheilten Einheit seiner göttlichen und menschlichen Natur," und dann wieder, als Gegensatz von Menschensohn, dass er das Göttliche in der Erscheinung darstelle. - Wenn der Vf. ferner S. 426 unter den Prädicaten der Lehre Jesu das Hören und Beobachten unterscheidet, so liegt das Beobachten nach seiner Erklärung schon in úzovεv. S. 433 ist das über das Vorbild Jesu Gesagte unbefriedigend; neben Ullmann's Schrift sollte auch auf die jene gründlich beleuchtenden Programme von Fritzsche hingewiesen seyn. In dem Abschnitt vom Leiden Jesu siehet der Vf. im Blute des Erlösers das Sühnmittel; 1 Joh. 4, 10 stört ihn άnéσt., und er zieht den ihaouós auf das ganze Leiden Jesu; allein warum nicht auch auf Jesu Leben, Vorbild, Lehre? Er nimmt drei Stücke an, als deren Produkt die Vorstellung der versöhnenden Bedeutung des Todes Jesu bei den Aposteln anzusehen sey. a) Das Bewusst3 neuen Heils in der durch den Glauben verseyn des mittelten Gemeinschaft mit dem Erlöser. b) Die in dem alttestamentlichen Glaubensbewusstseyn wurzelnde Erwartung einer allgemeinen Sündenvergebung

in der messianischen Zeit. c) Die jüdische Idee eines die Sündenvergebung bedingenden Sühnopfers. Allein a) führt nicht zugleich zu dem Tode Jesu, vgl. Gal. 2, 14-21; b) fällt, da es kaum wahrscheinlich ist, dass man Sündenvergebung durch den Tod des Messias erwartete; c) war auch bei den Heiden. Mit alle dem kommen wir nicht weiter, als auf die Deutung der Apostel (der Vf. meint, sie wären durch Reflexion zu ihrer Vorstellung gekommen, S. 441); ob sie Wahrheit ist, steht dennoch dahin. Daher ist es immer der sicherste Weg, den Tod Jesu nicht zu isoliren von seinem Leben, sondern in ihm den Ausgangspunkt seines Verdienstes zu erblicken. Manches, was der Vf. S. 343 giebt, läuft auf die rohe Ansicht von Gott hinaus, dass er nur durch Blut zu versöhnen sey. Man sollte doch die reineren Vorstellungen im N. T. und selbst bei Classikern nicht so ganz hintansetzen. Bei Joh. 1, 29 wundert sich Rec., die wichtigen Programme des ehrwürdigen Gabler auch nicht einmal citirt zu sehen; an dieser Stelle und 1 Joh. 3, 4 wird dem alour immer noch die doppelte Bedeutung gegeben: tragen und tilgen eine Halbheit, da bei der ersten ein miraculöses Versöhnen zu denken ist, bei der zweiten doch etwas Reineres hinzukommt. S. 451 verwirft er zwar den Gedanken an das Stellvertretende im Tode Jesu, aber kurz darauf spricht er wieder: ", durch das unverschuldete Leiden hat Jesus die Sünden der Welt gebüsst (?), indem er in das niedrige Erdenleben eingetreten ist," und wieder: Christus in seinem Blut am Kreuzesstamme ist das sicherste Zeichen der versöhnenden göttlichen Liebe." Widerspricht denn dies nicht der Idee der Liebe Gottes bei Johannes? Die Stelle Joh. 11, 52 gründet der Vf. ganz falsch auf 1 Joh. 1, 7, und über die Jóga Jesu bei Joh., ihren Umfang, ihre Bedeutung möchte man mehr vernehmen. S. 464 kommt er auf die Frage: warum war vor der Verherrlichung, (in des Vfs. Sinn) der Geist nicht in den Gläubigen? Er verwirft de Wette's richtige Ansicht als eine subjective und nicht zu dem Pfingstfest passende; es müsse ein objectiver Grund obwalten, meint er, der Geist habe einmal in ihnen noch nicht seyn können. Man höre! ,,So lange Jesus im Fleisch wandelte, musste der Geist Gottes an seine menschliche Persönlichkeit gebunden seyn" (warum?). "Nach der Erhöhung zum Vater konnte der Geist, aller kreatürlichen Beschränktheit enthoben, frei walten über alle (?) Creatur" (!!). Dies heisst also erklärt? Dann war es ja besser, Jesus erschien gar nicht, wenn seine Persönlichkeit die Geistesschwingen beschränkte und

hinderte. Nein, nach Jesu Tode schwanden die Vorurtheile der Jünger, sie betrachteten ihn anders und

sich anders.

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Der Vf. geht zur Fürsprache Jesu bei dem Vater über, die er als ein Stück des priesterlichen Amtes. Christi (Hebr. 7, 25. 9, 24) in alter Weise behandelt; aber Joh. 16, 26. 27 hätte er gar nicht anführen sollen, da hier von Fürbitte nicht die Rede ist. Einverstanden mit dem Vf. erklärt sich Rec. über das, was er S. 474 ff. über die Wiederkunft Jesu sagt; allein bei dem Unterschiede von κηρύσσειν und κατηχεῖν hat der Vf. nicht bedacht, wie synonym diese Wörter im N. T. oft gebraucht werden, und damit den Gebrauch dieser Wörter bei Kirchenvätern vermischt. Ferner: soll znovσoa nicht den Zweck des Glaubens an Jesum haben? 2 Cor. 5, 19 erklärt er von der zeitlichen Gegenwart Gottes in Christo (oben Parusie genannt), nach der lutherischen Uebersetzung; allein ἦν καταλλάσσων gehört zusammen. Aus περίψ. und yugiouto Phil. 2, 9 schliesst er, Gott habe Jesu eine grössere Herrlichkeit gegeben, als seine Präexistenz, durch das Sitzen zur Rechten Gottes (?). S. 524 solí der Streit, ob Paulus Jesu den Namen 9tós beilege, von geringer Bedeutung (?) seyn; die neuere Theologie, um es zu verneinen, habe den Stellen Gewalt angethan, und in der Beziehung der Worte o v ini núvτwv Jeós Röm. 9, 5 (de Wette, Meyer) sieht er eine dogmatische Kupidität" (sic.). Den Grund der satisfactio vicaria findet der Vf. in der Gerechtigheit Gottes (die also durchaus Blut und nichts als Blut erheischte?), und das Harte dieser Vorstellungen schwindet durch das S. 357 Gesagte keineswegs. Er bedenkt nicht, dass Röm. 3, 25 ff. dixαιoovrn avtov objectiv zu fassen ist und dass reinere Vorstellungen im N. T. gefunden werden über die Versöhnung mit Gott. In der schwierigen Stelle Joh. 6, 48-58 findet er dieselbe Sache einmal bildlich, das andere Mal eigentlich (); V. 51 folgt er der gewöhnlichen Auffassung nach Joh. 1, 14, so dass der Gedanke des Todes mit inbegriffen sey. 1 Joh. 5, 6 uinmt er Io. χριστ. zwar richtig als Apposition von οὗτος, aber der Sinn?,,Jesus, der durch sein Kommen sich als Christ darstellte, sey auch der Sohn Gottes," als ob bei Joh. überhaupt Christus und Sohn Gottes nicht identisch wäre, Was er über Wasser und Blut und deren Zeugniss beibringt, ist dunkel, verworren und grenzt an des Spielende. 1 Joh. 2, 2 ist ihm zóσuos die ganze Menschheit, in so fern sie aus Christen und Nichtchristen besteht (S. 655 Anm.); allein bei Joh. werden die Christen gesammelt ἐκ τοῦ κόσμου, wor unter also Juden und Heiden zu verstehen sind. Dass bei Joh. der Einfluss des Fürsten dieser Welt auch noch auf die Gläubigen sich erstrecke, möchte dem Vf. schwer werden zu beweisen, da Joh. die Christen schildert, wie sie seyn sollen, z. B. 1 Joh. 3, 6. 9. 5, 18, womit auch vielleicht die ao des Paulus übereinkommen. Wie ferner durch das Gericht der Rathschluss der Liebe realisirt werden soll, der Vf. klarer angeben sollen. Bei Joh. offenbart sich Gottes Liebe dadurch, dass er den Sohn gesandt hat,

hätte

nicht dass er die Welt richte; dann aber hat er über die Ungläubigen dem Sohne das Gericht übergeben (Joh. 5), aber nicht in dem Zorne offenbart sich seine Liebe, der in und mit seiner Liebe bestehe." Auch S. 676 sagt er mehr darüber, allein nicht befriedigend; den Fall, dass auch die Juden, im Fall des Unglaubens, gerichtet werden, hat er ganz übergangen, gerade den Satz, der dem Stolze der Juden so entgegenkämpfte. S. 670 bei der Frage nach der Sünde zum Tode und S. 678 bei der Frage: warum Jesus auch jenseits richte? hätte der ethische Grund nicht vergessen seyn sollen. Joh. 9, 39 sind o un Bhen. und of Bhen. nicht nur die dafür gelten, sondern auch subjectiv, die sich dafür halten. S. 682 f. theilt der Vf. eine Masse von jüdischen Ansichten über Eschatologie mit, die der weiteren Forschung noch sehr bedürfen möchte, da manche Vorstellungen wahrhaft träumerisch, manche in der That lächerlich sind. In Luk. 14, 14. 20, 35. Joh. 6, 39. 40. 44. 54 liegt kein Widerspruch mit der Joh. 5, 29 vorkommenden allgemeinen Auferstehung, da in den genannten Stellen eine blosse Accommodation in Bezug auf die Ansicht vorkommt, dass nur die Guten vom Messias auferweckt würden, wonach auch die Ansichten in der Note S. 685 zu berichtigen sind. Rec. hätte noch Manches auf dem Herzen; z. B. dass 1 Joh. 1, 5 der ganze Inhalt der Verkündigung Christi ausgesprochen sey, dass onéqua 9to das Wort Gottes sey; doch es ist genug!

In Betreff der Darstellung bemerken wir nur noch den oft wiederkehrenden Ausdruck,, Rechnung tragen" st. berücksichtigen; S. 492,,das latitirende Subject;" S. 600 die Wahrheit bestimmt sich fort;" 600,,die S. 657,, nicht verwirklicht worden," richtiger: noch nicht verwirklicht worden, da die Wahrheit sich nur allmälig Bahn macht. S. 471 Anm. +++ ist die Regel auf eine Art ausgedrückt, dass man sie kaum versteht. Eben so auffallend ist S. 3 der Satz: ", in welchen das prophetische Bewusstseyn vor dem gesetzlichen entwickelt war." Der Druck ist grösstentheils rein und gut; nur einige Fehler wollen wir herausheben: Verflichtung S. 434; xósu S. 269; Tekεvódy. étεkevár. S. 643 st. rekawn; hier S. 665 st. 9hip ἐτελειώθη; θλίψιν θλίψιν ψευδαδέλφοις S. 694 st. ψευδαδελφοῖς.

Blicken wir auf einzelne Stellen des Buchs hin, die freisinniger lauten, z. B. S. 161 die Aeusserung über die Vernunft, S. 171 über die Bekenntnissschriften, so drängt sich der Wunsch auf, dass der Vf. sich immer auf dieser Linie behauptet haben möchte, um uns ein Werk zu liefern, dass den Anforderungen der Wissenschaft mehr genügt haben würde. Durch das immerwährende Schwanken und eine überwiegende Neigung zu einer schiefen Richtung der Theologie unserer Zeit hat er sich selbst den freieren Blick versperrt und keineswegs einen Lehrbegriff des Joh. geliefert, der ein getreues Bild uns aufstellte. Uebrigens war bei dieser ganzen Beurtheilung auch des Rec. Wunsch und Bemühen nur darauf gerichtet, dass, woran dem Vf. gelegen war, die Wahrheit immer reiner an das Licht komme.

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V.

ER GANZUNGSBLATTER

ZUR

ALLGEMEINEN LITERATUR-ZEITUNG

RECHTSWISSENSCHAFT.

April 1840.

LEIPZIG, b. Wigand: Rechtslexicon für Juristen aller deutschen Staaten enthaltend die gesammte Rechtswissenschaft. Bearbeitet von Adv. Bopp in Darmstadt; Reg.-Rath Buddeus in Leipzig; Adv. Gans in Celle; Prof. Dr. Gaupp in Breslau; Domherr, Ordinar. u. s. w. Dr. Günther in Leipzig; Dr. Heimbach in Leipzig; Prof. Dr. Jacobson in Königsberg; Prof. Dr. Jordan in Marburg; Prof. Dr. Luden in Jena; Prof. Dr. Maurenbrecher in Bonn; Reichs- u. Staatsrath v. Maurer in München; Prof. Dr. Michaelis in Tübingen; Geh. - R. Mittermaier in Heidelberg; Hofrath Dr. Puchta in Leipzig; Prof. Dr. Reyscher in Tübingen; Prof. Dr. Richter in Leipzig; k. k. Appellat. - Rath Dr. Tausch in Klagenfurt; Canzler Dr. v. Wächter in Tübingen; Prof. Dr. Weiss in Giessen; Prof. Dr. Wilda in Halle; Prof. Dr. Witte in Halle; 0. J. Rath v. Zirkler, Mitglied des K. W. Staats- Gerichtshofes in Tübingen, und Anderen (,) redigirt von Dr. Julius Weiske, Prof. in Leipzig. Erster Band. Erste und zweite Lieferung. (Abusus bis Appellation). 1838. S. 1 bis 384. gr. 8. Geh. (Jedes Heft 16 gGr.)

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cyclopädische Richtung unserer Literatur im höchsten Grade missfällig ist. Denn fast alle derartige Werke mit gar wenigen ehrenvollen Ausnahmen wie z. B. des Nationalwerkes von Ersch und Gruber leiden an dem Grundübel, dass sie durch kein wissenschaftliches Bedürfniss hervorgerufen sind, und mithin auch keinen wissenschaftlichen Zwecken dienen; ihre Veranlassung und Bestimmung ist durch Verhält nisse bedingt, mit welchen die Literatur nichts zu schaffen haben sollte. Der Nutzen, welchen man durch sie zu erzielen wähnt, und hier und da auch wirklich erzielt, wird durch den Schaden, welchen sie stiften, vollständig paralysirt, ja sogar noch überDies ist schon vom Anderen so oft und so gründlich nachgewiesen worden, dass Rec. sich beruhigen kann, wenn ihm der Raum hier eine weitere Ausführung seiner Ansicht nicht gestattet. Nur auf einen Nachtheil der Encyclopädie fühlt er sich gedrungen, besonders aufmerksam zu machen, weil gerade dieser gewöhnlich übersehen wird und doch die grösste Beachtung verdient. Man bezieht das Verderbliche solcher Werke meistens auf das Publikum.

boten.

Allerdings wirken sie hier auf eine schr schädliche Weise, wenn gleich man sich damit trösten kann, dass an einem Encyclopädieen-Publikum nicht viel zu

Noch bei keinem Werke ist es dem Rec. in gleicher verderben ist. Weit grösser scheint aber dem Rec.

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der Nachtheil zu seyn, welchen die encyclopädische Behandlung der Wissenschaften für die Schriftsteller, mit deren Hülfe sie erfolgt, und dadurch auch für die gesammte Literatur hat. Denn indem Gelehrte, welche durch freie, aus eigenem wissenschaftlichen Trieb unternommene Werke die Wissenschaft fördern könnten, sich dazu verstehen, auf Bestellung Artikel für ephemere Erscheinungen zu arbeiten, gewöhnen sie sich nicht blos, besonders die jüngeren unter ihnen, zu sehr an solche leichte Arbeiten, sondern, was die Hauptsache ist, sic entziehen ihre Kräfte dem heiligen Dienste der Wissenschaft, welchem sie geweiht

seyn sollen, und verlieren eine kostbare Zeit, in welcher ihr Geist für höhere Zwecke aus Selbstbestimmung thätig seyn könnte. Der Nachtheil, welcher hieraus für die gesammte Literatur entsteht, lässt sich leicht berechnen. Je häufiger die Encyclopädieen sind, welche ihre Erscheinung keinem höheren wissenschaftlichen Zwecke verdanken, desto seltener werden die gediegenen, echt wissenschaftlichen Werke, welche der Literatur Ehre bringen. Daher kommt die Erscheinung, welche sich nöthigen Falls statistisch nachweisen liesse, dass in Disciplinen, welche mit mehreren Encyclopädicen gesegnet sind, zur Zeit der Entstehung der letzteren und noch geraume Zeit nachher bedeutendere Werke, durch welche tiefere Forschungen veröffentlicht werden, nur in ganz geringer Zahl ans Licht treten, und dass an Orten, an welchen industriöse Verleger viel auf Bestellung arbeiten lassen, überhaupt grössere und die Wissenschaft weiter bringende Produkte zu den Seltenheiten gehören. Diese Industrie der Verleger ist überhaupt der Krebsschaden unserer Literatur, auf welchen bei jeder Gelegenheit aufmerksam zu machen sich Jeder, der es mit der Wissenschaft gut meint, für verpflichtet halten sollte. Dixi et salvavi animam meam!

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Diese Bemerkungen enthalten die Ansichten des Rec. über Encyclopädieen überhaupt, ohne Rücksicht auf eine bestimmte einzelne Erscheinung dieser Art. Es ist nun nöthig, zu untersuchen, in wie weit sie auf diejenige Encyclopädie anwendbar sind, welche uns hier für die Rechtswissenschaft, zum ersten Male in der neueren Zeit, geboten wird. Hierbei entsteht vor allen Dingen die Frage: giebt es gerade in der Jurisprudenz ein wissenschaftliches Bedürfniss, welches das Erscheinen eines solchen Werkes rechtfertigen könnte? Rec. kann, er mag sich die Sache überlegen, wie er will, keinen Grund zur Bejahung dieser Frage finden, und er will nicht bergen, dass er in diesem seinem Urtheil nicht wenig dadurch bestärkt worden ist, dass auch der Herausgeber selbst kein inneres Bedürfniss der bezeichneten Art, sondern lediglich ein äusseres, der Wissenschaft fremdes zur Rechtfertigung des von ihm geleiteten Unternehmens angegeben hat. In der Ankündigung nämlich, in welcher das Publikum mit dem bevorstehenden Erscheinen des Rechtslexicons bekannt gemacht wurde, - und an diese müssen wir uns in Ermanglung einer Vorrede halten, heisst es: "Für die meisten Theile des menschlichen Wissens sind lexikalische Werke ähnlicher Art schon vorhanden, und wurden,

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wenn sie das Erforderliche leisteten, mit Beifall aufgenommen; für die Rechtswissenschaft fehlt aber ein solches noch, da das, was in dieser Art sich vorfin det, den Ansprüchen der Gegenwart nicht genügen kann. In dem jetzigen Zustande der Jurispruden liegt aber das Bedürfniss sowohl, als auch die Möglichkeit, in einem Werke dieses so reich und sorgfältig angebaute Feld zu überschauen. Die einzelnen Zweige jener sind durch zahlreiche Arbeiten verschiedener Art sehr gefördert und theilweis umgestaltet worden. Nicht Alle sind aber vermögend, sich mit dem gegenwärtigen Zustande dieser Literatur allseitig bekannt zu machen, und für jedes einzelne Fach besondere Schriften anzuschaffen. Daher das Bedürfniss eines Werks, welches wenigstens in mehrfacher Hinsicht Ersatz dafür zu leisten verspricht. Der hohe Grad wissenschaftlicher Ausbildung, den die Jurisprudenz jetzt erreicht hat, macht es aber auch möglich, ein Werk der beabsichtigten Art zu Stande zu bringen." Hier wird also die Nothwendigkeit eines Rechts lexicons einzig und allein darein gesetzt, dass nicht Alle Vermögen genug besitzen, um sich die Werke anzuschaffen, aus welchen sie den jetzigen Zustand der Jurisprudenz in ihren verschiedenen Theilen kennen lernen würden. Man wird die wohlwollende und mildthätige Gesinnung keinen Augenblick verkennen, aus welcher der Herausgeber, ähnlich dem bekannten Magister Vacarius, einen liber ex universo enucleato iure exceptus et pauperibus praesertim destinatus herauszugeben sich entschlossen hat. Aber man wird nichts desto weniger zugeben müssen, dass auf diese Weise das Werk nicht auf ein Bedürfniss der Wissenschaft gegründet sey. Man wird es ferner bedenklich finden, ob um Dürftigen eine Erleichterung in dem Ankauf von Büchern zu gewähren, so schöne Kräfte, wie sie hier vereinigt sind, aufgeboten und rein wissenschaftlichen Bestrebungen entzogen werden mussten. Man wird endlich selbst zweifeln können, ob denn hier wirklich den ärmeren Juristen, welche nach einem ungefähren Ueberschlag wenigstens zwölf Thaler für das Rechtslexicon werden bezahlen müssen, eine so grosse Hülfe werde geleistet werden, dass der Zweck dieses Werkes nicht mehr oder weniger für einen illusorischen zu halten sey.

Kann sonach Rec. das Fundament, auf welches dieses Werk gegründet ist, nicht gut heissen, so ist er dagegen schon mit dem Plane für die Bearbeitung desselben, wenn auch nicht ganz, doch weit mehr

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