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Einrenkungen, Umstellungen, Korrekturen und andere Maschinerie, gegen das Recht der Kritik und ohne wahrhaften Erfolg, dem Text nachhelfen: z. B. Letronne im Journ. des Suv. 1839. p. 311 sqq. Und doch hatte derselbe in seinen Observ. sur Scylax p. 25 sq. bemerkt, dass dieses Buch reine Prosa war, die man schlecht versificirte. Der Verf. scheint also privatim die Prosa seines Autors, die überall durchschimmert, in versus memoriales zum Unterricht in der Geographie gegossen zu haben, ohne zum Ziel und zur Herausgabe durchzudringen; die Arbeit gab

einen Kommentar zu den tabulae Dicaearchi. Letz

teres ist auch Hrn. Osann's Ansicht; ob die Zueignung an Theophrast (wofür eine Kombination p. 101 ff.) cigentlich historischen Grund hatte, möchte man bezweifeln; im Wesentlichen steht die 'Araypaq ausser Beziehung zu Materialien des Peripatetikers.

Der Schluss dieser Abtheilung betrifft noch zwei Bücher des Dicäarch, Εἰς Τροφωνίου κατάβασις und beiläufig den Bios Exhudos. Die Tendenz der KatáBuois, welche priesterlichen Trug und Schlemmerei rügte, hat bereits Müller über Orchomenos ausgesprochen; der Vf. fügt nur die Vermuthung hinzu, dass der berüchtigte Parasit Chärephon (Chaerephontis wünscht er statt Chaeronis in Cic. ad Att. VI, 2) darin eine Rolle gespielt habe. Vom Bios wird das Urtheil wiederholt, dass dessen berühmtestes Bruchstück ein Auszug aus dem echten Werke sey; daran schliessen sich Bedenken gegen die Versuche der Kritiker in Cic. ad Att. XIII, 39. Libros mihi, de quibus ad te antea scripsi, velim mittus, et maxime Daidoov Eρισσῶν et Ἑλλάδος.

Doch ist nichts triftiges gegen Φαίδρου περὶ θεῶν einzuwenden; bei Ελλάδος darf man Biov als ausgefallen setzen oder hinzudenken. Endlich ist wie früher vom Verf. die Annahme eines Grammatikers Dicäarch, den Suidas erwähnt, in Zweifel gezogen; jetzt kommt zu dieser Wiederholung noch die Notiz aus einem Traktat über die Aristarchischen Zeichen: τὴν δὲ ποίησιν ἀναγινώσκεσθαι ἀξιοῦ Ζώπυρος ὁ Μάγνης Αιολίδι διαλέκτῳ· τὸ δ ̓ αὐτὸ καὶ Aixaiaoxos. Hr. O. hält letzteren für den Messenier; doch erwartet niemand dessen Namen im Hintertreffen, und keine Analogie überzeugt uns dass der Peripatetiker irgend vom Aeolischen Dialekt Homers gesprochen habe. Wir sind aber ebenso wenig geneigt Azalagxos zu behaupten; vielmehr scheint dieses

Missdeutung einer kompendiaren Schreibart zu seyn, und man könnte sich z. Β. τὸ δ ̓ αὐτὸ Καλλίστρατος ὁ d Aporogúvios gefallen lassen.

Um vicles erspriesslicher ist die zweite Abtheilung: Zur Geschichte der lateinischen Grammatik. Der lateinischen Grammatik, worin die Theorie der Sprach

Verf. meinte Grammatiker: denn eine Geschichte der

wissenschaft unter Römern sowohl in historischer Entwickelung als in ihrem systematischen Zusamwird so lange fehlen, bis die Geschichte, die Methomenhange dargestellt würde, fehlt noch immer und

den und der innere Bau der von Griechischen Gram

matikern gepflegten Disciplin dem Ziele näher geführt sind; abgesehen vom mannigfaltigen und zersplitterten Material der Lateinischen Theoretiker, welches mit Ausdauer gesammelt und mit Sachkenntniss beurtheilt seyn will. Hierzu kommt kein geringer Uebelstand, die noch unsichere und häufig sehr verdorbene Gestalt der Texte, welche nicht einmal in jedermanns Händen sind; denn das Corpus von Putsch ist schon lange eins der seltenen Bibliothek werke, und das von Lindemann, wenn es ja sein Ende erreicht, wird um nichts verbreiteter seyn. Für diese Geschichte nun hat neulich Lersch im zweiten Theile seiner Sprachphilosophie der Alten einen Beitrag geliefert, der indessen nur auf die sprachlichen Kategorieen sich erstreckt; wofür die Lateinischen Grammatiker, deren Stärke hauptsächlich im Positiven liegt, cine mittelmässige Quelle sind. Gegenwärtig muss also schon eine Forschung über ihre Person und Schriftstellerei den Anfang machen und an sich ein eigenthümliches Verdienst haben; die glänzenderen Figuren bezeichnen in einer gewissen Zeitfolge die Fortschritte des Studiums, und deuten einen Faden an, welcher durch die zerstreuten grammatischen Doktrinen und die rohen Kompilationen dieses Faches hinläuft. Der Verf. hat im Sinne seiner Aufgabe 16 Numern behandelt, ohne Rücksicht auf ihre Chronologie und die Wichtigkeit der Männer; seine Leistung wird der von Lindemann verheissenen kritischen Geschichte der Lateinischen Grammatiker vielfach als Grundlage dienen. Wir begnügen uns die litterarischen Resultate kurz zusammenzufassen, und überlassen spezielles und theoretisches denjenigen, welche vorzugsweise diesem Gebiet ihre Musse widmen, zur Prüfung und Berichtigung.

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(Die Fortsetzung folgt.)

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ALLGEMEINE LITERATUR - ZEITUNG

Mai 1840.

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LITERARGESCHICHTE. CASSEL U. LEIPZIG, b. Krieger: Beiträge zur Griechischen und Römischen Litteraturgeschichte von Dr. Friedrich Osann u. s. w.

(Fortsetzung von Nr. 86.)

Den Reigen eröffnet ein Mann, welcher dem Kreise

Lateinischer Grammatiker fremd ist, aber doch Miene macht sich in die Zuuft einzudrängen. Dieser führt den vielversprechenden Namen Virgilius Maro, eigentlich wol nur Virgilius: mit dem uns Mai ein zweideutiges Geschenk gemacht hat. Anfangs freilich sind einige durch die sonderbare Farbe seiner Notizen überrascht worden; jetzt wird er nur als Curiosum erscheinen, und in müssigen Augenblicken mag man an den ehrsamen Geschichten vom Donatus, der tausend Jahre lebte und in Troja einen Schüler am Virgil zog, qui LXX. volumina de ratione metri scripsit, vom grossen Grammatiker Aeneas, der unter anderen Thaten eine Geschichte des Mithridatischen Krieges hinterliess, von zwölf Latinitates, vom Rothwelsch der inusitatae praepositiones ex quarto philosophicae latinitatis genere (z. B. trasso gegen, farax langs, livim neben etc.), von den Griechischen Benennungen des Zodiakus, und an so vielem das für immer neu bleibt, sich ergetzen. Es ist nunmehr zugestanden, dass aus ihm nichts zu lernen sey: dic Theorie stimmt mit keiner des Alterthums, die citirten Namen der Autoren stehen trotz ihres Geräusches ausser jeder Beziehung zu den vorhandenen Texten. Nur die Sprache dieses Meisters erregt ein Bedenken, auf welchem Grunde sie ruhe und in welchen Zeitraum sie zurückgehe: nun äussert zwar der Vf. p. 126,, sie ist gerade von der grössten Bedeutung für die Geschichte der Lat. Sprache im Mittelalter, liefert uns zugleich aber auch die vollständigste Einsicht in die Barbarei, bis zu welcher die Lateinische Sprache in einer gewissen Zeit des Mittelalters ausgeartet war", und noch bestimmter rückt er p. 134,,auf eine unerwartete Weise" den Virgil, einen Gallischen Provinzialen, ins neunte Jahrhundert; aber vermag er auch solchen Sprachwust und solche Unwissenheit aus jenem Zeit

alter aufzuweisen, das wohl von den profanen Studien fortwährend zurückwich, allein stets an einiger grammatischer Zucht und an litterarischer Kenntniss festhielt? Man braucht deshalb statt anderer nur in Servatus Lupus zu blicken. Auch liegt hier der Anstoss eben nicht in der formalen Barbarei und in den schon von Mai praef. p. 25-31 ausgehobenen Proben eines aus kirchlichem und Vulgar - Latein verwebten Idiotismus; dergleichen kehrt früh und spät selbst in schlimmeren Gestalten wieder (s. etwa Mai in der älteren Coll. Vatic. praef. T. III. p. 17 sq.); sondern wir wünschen von Kennern der mittelalterlichen Latinität zu erfahren, wann eine solche Mischung von erträglichem Ausdruck mit den unerhörten vocabula exotica (wie sie der Italienische Herausgeber nennt) aufkam und möglich wurde, und wir möchten sie ferner fragen, ob sie auf der immer leidlichen und fliessenden Diktion Virgil's den Hauch des Mittelalters wahrnehmen. Aber wir dürfen auch die Gründe nicht verschweigen, die Hr. O. für seine Ansicht mit achtungswerther Gelehrsamkeit aufbietet. Im Traktat eines auf der Berner Bibliothek handschriftlichen Autors Claudius Clemens Scotus, der unter Karl dem Grossen soll geschrieben haben, kommen namentlich Virgilius Asianus und Galbungus vor, deren im Maischen Virgilius gedacht wird; ferner eine längere Stelle mit der Citation Virgilius, wovon sich die Trümmer auf zwei verschiedenen Plätzen im sogenannten Maro finden. Dies zeugt für ein ziemlich altes Werk und einen angeblichen Grammatiker Virgil, Asiaten von Geburt oder Trojaner; für die Authentie des problematischen Buches zeugt es nicht, so lange noch andere Auskunft gilt. Zweitens erzählt unser Virgil unter anderem Unsinn, über die verba inchoativa sey zwischen Regulus dem Kappadocier (mit den Landsmannschaften geht jener liberal um) und Sedulius dem Römer ein Kampf auf Leben und Tod, funfzehn Tage und Nächte ohne Speise und Trank, geführt worden; nun heisst es, ein Zeitgenosse des Alkuin ist Sedulius Scotus (ein Scotus könne ja wol auch als Romanus gelten), ein Gramınatiker, den man sofort im Virgilischen Klopffechter wieder erkennen müsse,,, was nur die

L

äusserste Skepsis in Abrede stellen wird." Nur der äussersten Harmlosigkeit kann die Aehnlichkeit der Namen als Beweis genügen, um sich ohne weiteres überzeugt zu achten,, dass auf diese Grundlage hin - das Zeitalter des Virgil mit Sicherheit ermittelt worden.' Drittens treffen einige der vom Virgil erwähnten Namen (vorausgesetzt dass man auch vor einigen kleinen Aenderungen nicht allzu sehr sich scheut, wie Etherius aus Metterius, Sulpicius aus Sulpicia) auf mancherlei Litteraten des angenommenen Jahrhunderts, welche zum Theil als Masken einer gelehrten Gesellschaft erscheinen, ähnlich der früher geglaubten Akademie Karls des Grossen; auf jeden Fall ist aber für unsern Virgil die Vermuthung viel zu gut, dass er als Maro versificus an Karls Hofe von Alkuin bezeichnet werde. Viertens stimmen grammatische Excerpte eines MS. Leidensis mit einzelnen (und zwar den erträglicheren) Theoremen des Virgil, dessen Namen der Vf. im voraufgeschickten Vir. wieder erkannt hat; freilich aber mit dem Resultate dass der Maische Text,,jetzt nur in einer sehr verstümmelten Gestalt vorliegt." Indemwir aber hieran anknüpfen und hinzufügen, dass die häufigen Citationen des Gainfredus, eines Britischen Grammatikers aus dem 12. Jahrhundert, mit dem genannten Texte wenig und oberflächlich harmoniren, dass dieser Virgil selbst nur Epitomator war und in seinen Epistolae mehrmals der Epitomue gedenkt: so lässt sich eine ziemlich glaubhafte Lösung der schwebenden Frage finden. Ref. hat früher das ganze Machwerk für eine Täuschung des 15. Jahrhunderts gehalten, und der Angabe dass der Neapolitanische Codex aus Saec. XI oder XII sey misstraut, dafür aber auch hart büssen müssen, indem Hr. 0. ihm mit kräftigen Erinnerungen zuspricht und es gelegentlich nicht verschmäht der neuesten Kritik, die sich an kein diplomatisches Moment gebunden achte, einen schneidenden Seitenblick zuzuwerfen; er ist sogar politisch genug wieder mit seinem Orthographen Apuleius, über den ja die Akten noch nicht geschlossen seyen, ans Tageslicht herauszurücken, ob viclleicht im Publikum eine gläubige Seele Gehör schenkt. Jetzt aber thun wir besser, im Frieden mit den Diplomatikern, vielgedachten Virgil nicht für einen Betrüger sondern blos für einen Ignoranten zu erklären, der die Grundlagen seines Buches auf einen beträchtlich älteren Virgilius (woher ihm zufällig der fremde Name sitzen geblieben) baute, doch darüber ein mittelalterliches Gerüst voll von Schnörkeln und Schrollen seiner Unwissenheit erhob. Weitere Forschungen seyen anderen überlassen.

Zweitens, ein ernsteres Problem: über die Lebenszeit des Priscianus. Die bisherige Chronologic pflegte diesen Grammatiker in das Zeitalter Iustinian's zu setzen; der Vf. lässt ihn um ein bedeutendes im 5. Jahrhundert aufrücken, dem er allein angehört habe. Zuerst geht er von jener subscriptio des Theodorus aus, die sich in vielen der ältesten Handschriften Priscian's findet; derselbe erklärt darin dass von ihm die letzten Bücher seines Meisters im Jahre 527 oder kurz vor Justinians Thronbesteigung vollendet worden: woraus folge, dass die Lebenszeit des Grammatikers früher fällt (und allerdings sieht man ihn in verschiedenen Kompendien auf 500-510 gesetzt), ja die Betrachtung dass ein so grosses Lehrgebäude die Frucht langwieriger Studien gewesen seyn müsse, zwinge wohl das 6. Jahrhundert aufzugeben. Zweitens beruft er sich auf ein merkwürdiges Zeugniss des Angelsachsen Aldhelmus bei Mai T. V. p. 599: dieser hält seinem Könige das Beispiel des mächtigen Kaisers Theodosius vor, welcher den ganzen Priscian eigenhändig abschrieb und zugleich den unsterblichen Satz hinterliess, Ego Theodosius totius orbis imperator inter curas palatii hoc volumen propria manu descripsi. Theodosius nämlich der jüngere, der bekannte kindische Regent, verbrachte viele Zeit mit kalligraphischen Arbeiten in der kirchlichen Litteratur; vermuthlich aber auch mit profanen Büchern, da die M. hrzahl von Solin's MSS. die analoge Unterschrift zeigt, opera et studio Theodosii invictissimi principis. Aus beiden Momenten also wird gefolgert, dass die erste Hälfte des fünften Jahrhunderts als eigentliche Zeit von Priscian's Schriftstellerei anzusehen sey, wiewohl er noch lange den K. Theodosius müsse überlebt haben. Fürwahr es ist ein grosser Entschluss, dem Aldhelm zu Gunsten, einem Manne von gar keiner Autorität in philologischen Dingen, der die schlichtesten Gedanken in einen phantastischen Schwall vergräbt, sich in die misslichste Kombination einzulassen. Jener hatte wohl von der Orthodoxie und Frömmigkeit Theodosius des Grossen gehört, dem cr auch richtig eilf Regierungsjahre beilegt (auf Seiten des anderen wäre das ein Irrthum, den Hr. O. ihm gern nachsieht); von dem selten genannten Enkel dieses Kaisers vielleicht nichts oder doch nichts denkwürdiges. Aber räumen wir einstweilen alles ein, was der Buchstab unseres Gewährsmannes aussagt: so können wir der Annahme nicht entgehen, dass Priscian, wenn bereits der Kaiser ein so weitschweifiges profanes Werk sich entschloss abzuschreiben, einen bedeutenden Ruf gewonnen hatte,

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folglich spätestens in die Anfänge des 5. Jahrhunderts zurückweicht: und wie werden wir dann, nach gemeiner Berechnung, sein Alter mit der Schülerschaft des Theodorus vereinigen? Denn dieses und ähnliches, wenn gleich es innerhalb der Möglichkeiten bleibt, muss jedem zugestanden werden, so lange Hypothese gegen Hypothese kämpft; und Ref. gesteht sogar einen höheren Grad der Walirscheinlichkeit demjenigen zu, welcher in der ganzen Erzählung des Aldhelm nur eine Täuschung erblickt und sie aus der oben gedachten subscriptio des Theodorus herleitet: sey es dass ihn der compendiar geschriebene Name verführte oder seine geringe Kenntniss ihm ein Mährchen vorgaukelte, wie späterhin dem Geographus Ravennas, bei dem Ptolemaeus der Astronom mit dem König Aegyptens sich abenteuerlich verschmolzen hat. Doch lassen wir den sächsischen Bischof in Frieden ruhen, und begnügen uns mit der Frage: gehört der Verfasser des carmen de laudibus Imperatoris Anastasii (welches Hr. 0. gewiss kennt, obgleich er bei seiner Kombination es in keinen Anschlag bringt) in die erste Hälfte des 5. Jahrhunderts? Ist dieses cine der fernsten Möglichkeiten, die niemand ohne Noth versuchen mag, so bleibt es in Betreff Priscian's beim Herkömmlichen, und man kann der neuen Entdeckung sich vorläufig entschlagen.

Anhangsweise vom Eutyches oder besser Eutychius, einem wenig namhaften Schüler des Priscian; der echte Titel seiner Schrift war Ars de verbo, nicht wie jetzt de discernendis coniugationibus.

Da

Den grössten Umfang nimmt die Untersuchung über Probus (p. 166-280) oder vielmehr die Grammatiker Probus ein: welche wir unbedenklich für das beste und zuverlässigste Kapitel dieses Theiles halten. Gewöhnlich betrachtete man den vermischten Nachlass, grammatische Lehrbücher, Scholien und Miscellen, die den Titel Probus vorantragen, als Ueberlieferungen desselben Urhebers, nur dass Zeit und Interpolationen seinen Antheil sehr verkümmert hätten. neben ist die Meinung hergegangen, dass nächst dem von Sueton geschilderten Grammatiker unter Nero später, vielleicht unter Hadrian, ein Probus auftrat: aber die beiden Zeugnisse des Gellius I, 15 und IV, 7 (wo der unzweideutige Zusatz inter suam aetatem praestanti scientia fuit entscheidet) enthalten Merkmale, welche dem alten Probus vollkommen passen. Wenn man nun ferner sich bald überzeugte, dass die beiden Bücher Probi Institutionum grammaticarum kein Werk dieses selben Probus seyn konnten, so cmpfing doch die Kritik erst einen Anhalt durch die weitläufige Formenlehre, welche zuerst Mai, dann unter

der Ueberschrift Probi Ars minor die Wiener Analecta grammatica bekannt machten. Aus Beziehungen dieser Ars (minor ist fremdartiger Zusatz) auf ein zugehöriges Elementarwerk, das mit Prosodie oder Quantitätlehren und Versmassen sich beschäftigte, auf einen Titel de metris vel structuris hat der Vf. scharfsinnig gefolgert, dass dieser Beiläufer zur Ars kein anderer als die gedachten Institutiones sey, und zugleich aus letzteren selber dargethan, dass das erste Buch Instituta artium, das zweite Catholica ars richtiger überschrieben werde. Ref. glaubt nur einen einzelnen Punkt anders beurtheilen zu müssen, den Hr. O. vermuthlich besser gefasst hätte, wenn er sich entschloss, seine früher beendigte Darstellung mit den Wiener Analecta (dass er sie zu rechter Zeit erhielt zeigt p. 167) in Einklang zu bringen. Er nimmt (p. 190) cine Ueberschrift de metris et (vielmehr rel) structuris an; aber die zahlreichen Citate treffen weder völlig zu (man wird z. B. umsonst die Erörterung suchen, wie und warum der Genitiv Danaum statt Danaorum, propter metra vel structuras laute), noch liegt in ihnen ein andrer Sinn als dass die Quantität in Dichtern oder prosaischer Komposition variire. Nun schliessen die Catholica mit einem (frühzeitig gelesenen, Anal. grammat. p. 508) Kapitel de structura, das in der Haupthandschrift einen abgesonderten Platz einnimmt, und noch zum Ueberfluss emen verwandten Anhang bekommt, eingeführt mit den verdächtigen Worten: Item alio modo. Hr. O. hält p. 196 dieses Kapitel für echt, obwohl der Gegenstand viel zu kurz abgefertigt sey; aber sogleich der Anfang, Quoniam de pedibus disyllabis et trisyllabis necnon et quattuor syllabarum in primo docuimus libro, wo findet jener Anwendung auf die Instituta artium? Allein das erwähnte Kapitel steht als Schlussstück des Wiener Sacerdos p. 70 sqq., ist ihm auch keineswegs fremd, da sein Abschnitt über die Metra gegenwärtig an der Spitze des Codex fehlt; dagegen wird man in so vielen Fragmenten des Probus bei den alten Grammatikern umsonst die Spuren eines Traktats über Metrik und deren Elemente suchen. Dieses also samt dem problematischen Titel und Kapitel (worüber nochmals p. 227 ein Bedenken erhoben wird) dürfen wir uns billig entledigen. Im weiteren beweist der Vf. (mit Spengel zusammentreffend) aus einleuchtenden Gründen, dass die Institutiones, denen es ohnehin vielfach an Ordnung und innerem Zusammenhange gebricht, ein dürftiger Auszug sind, der nicht blos den Vortrag wesentlich umgestaltet (vgl. p. 209), sondern auch eine Menge der von alten Grammatikern citirten Thatsachen ausgestossen hat. Wir müssen aber doch hia

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zufügen, dass auch die Ars, trotz ihrer breiteren Form und der Uebereinstimmung mit vielen grammatischen Citationen, manchen Wandel erfahren und sogar in der Anordnung (wie das Zeugniss des Pompejus gegen die p. 225 gemachten Einwände darthut) erhebliche Neuerungen aufgenommen hat. Dies mag als Resultat der Untersuchung genügen; denn die einzelnen Materialien, welche den Umfang und Plan des ursprünglichen Lehrbuchs ahnen lassen, unter ihnen die Trümmer einer Schrift de differentiis (p. 252 ff.), ferner die Frage wegen des prosodischen in der Ars verheissenen Werkes, ob es wirklich erschienen sey, (worüber p. 239), und anderes Detail liegen ausserhalb unseres Kreises. Doch haben diese Momente ihren Werth, wenn es sich um das Zeitalter des unter den Lateinischen Artigraphi bedeutenden Probus handelt. Hr. 0. nimmt dafür die erste Hälfte des vierten Jahrhunderts an, demgemäss er etwas älter als Donat wäre. Zuletzt erörtert er die Authentie des Büchleins de notis und der verschiedenen Scholien, welche den Namen des Probus tragen. Was zuerst die Erklärung der diplomatischen notae anlangt, die sich im Corpus der Grammatiker unmittelbar den Catholicis anreiht, so besitzt sie unter manchen Spuren der jüngern Zeit (wofern sie nicht durch Interpolation gelitten hat) auch eine Citation des Boethius; dass aber Petrus Diaconus in seinem Vorworte diese Saminlung verschweigt, möchten wir weniger in Anschlag bringen, da er keinen nach dem Seneca nennt. Es wäre daher wohl möglich, dass der Name Valerius Probus ganz zufällig sey; sonst lassen einige lokale Beziehungen auf eine Abfassung in Italien schliessen. In einem andern Falle erscheinen die Scholien, vorzüglich über Virgil. Theils bestehen sie in Notizen des Servius und der Veroneser Scholien, theils in einem fast vergessenen Kommentar zu den ländlichen Gedichten; durchgängig leuchtet die Mittelmässigkeit hervor, und zwar betrifft das meiste triviale Punkte der formalen und sachlichen Erklärung, nur auf wenigem haftet ein besserer Duft und einige Fragmente verlorener Alten erregen Aufmerksamkeit. Niemand wird blos deshalb eine Zweitheilung gestatten oder die Hypothese wieder aufnehmen, dass ein ursprünglich guter Grund in allen Hauptstücken aufgelockert scy. Hr. O. hat vielmehr Recht gegen die ganze Sammlung ein Misstrauen zu äussern, und schwerlich befreundet er sich mit der von Lersch in Zimmerm. Zeitschr. 1840. N. 14 als überraschendes Resultat vorgetragenen Ansicht, dass Probus ein revidirtes

Exemplar des Dichters mit Randglossen hinterlicss:
annotare geht doch allein auf kritische Nachweisun-
gen. Am rathsamsten wäre wohl völlig vom Berytier
Probus abzusehen und beim Verfasser der Ars, deren
Lehrsätze hier bisweilen unterlaufen, stehen zu blei-
ben; auch wegen Macrobius (der nach p. 269 unbe-
dingt für den alten Probus zeugen soll), denn in den
Worten Sat. V, 22 in hoc loco Valerius Probus vir
perfectissimus notat nescire se hanc historium sive fa-
bulam quo referat auctore, kann doch der spätere Ti-
tel vir perfectissimus kein Mitglied des ersten Jahr-
hunderts bezeichnen. Ferner finden sich in den Scho-
lien zum Terenz kritische Bemerkungen des Probus,
deren Farbe gänzlich an den ersten dieses Namens
erinnert, dessen Hauptgeschäft distinguere et annotare
war. Endlich hat eine lange, wiewohl unbezeugte
und schon von Pithöus (in Schol. Crum. p. 634) abge-
wiesene Tradition den Probus zum Urheber von Scho-
lien über Iuvenal gemacht. Umsonst sucht man nach
Spuren desselben, welche mehr als die Autorität des
Georg Valla verriethen; und es lohnt kaum auf einen
künftigen Zuwachs an Scholien zu warten, da selbst
diejenigen, welche Buttmann bei Cramer vermisst
(auf diesen Defekt baut gerade der Vf.), wirklich in
der Mantissa
der Mantissa p. 571 nachgetragen sind.

Hierauf folgt ein Streifzug über Virgil's Kommen-
tator Iunius Philargyrius. Person und Zeitalter des-
selben galten bisher für unbekannt, sogar sein Name
ist zweifelhaft. Hr. O. benutzt nun zweierlei Thatsa-
chen- oder wie er sagt Entdeckungen. Erstlich faud
Suringar in Leidener Scholien zum Virgil Noten oder
Auszüge de commentariis maxime Iunilii Flagri
(d. h. jenes Philargyrius), auch beginnt dort ein Vor-
wort, Iunilius Flagrius Valentiano Mediola.; ferner
erwähnte schon Ursinus, dass Philargyrius ad Valen-
tinianum scine Kompilation richtete. Hieraus folgert
der Vf., dass der fragliche Mann unter Kaiser Valen-
tinian III. schrieb. Zweitens hatte Dübner bemerkt:
eine grosse Zahl der allegorischen Erklärungen, ge-
gen welche Servius eifert, ohne den Urheber zu nen-
nen, bewahre der Auszug aus Philargyrius in einem
Pariser Cod. Sacc. X. zugleich mit allen schon edirten
Scholien; denn für einen Auszug hält er das Mach-
werk, weil die starke Ungleichheit und das Lücken-
hafte der Behandlung nicht füglich an einen vollstän-
digen Kommentar denken lasse; daraus sey auch zu
schliessen, dass Philargyrius und Servius, die ein-
ander nicht nennen, ungefähr gleichzeitig waren.

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(Der Beschluss folgt.)

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