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Rec.

ZEITUNG gehen, welche philosophische Bedeutung ein Sichselbstausstossen von sich selbst haben könne, wie die realen Wesen ihr absolutes Ideal erreichen und dann wieder aufhören, wie von da an nur ein wechselloses Seyn seyn soll, in welchem keinerlei Geschiedenheit des Einzelnen besteht, sondern Gott sich allein in allen weiss, ohne dass jedoch die Individuen ihr individuelles Bewusstseyn verlieren, sondern, die Erinnerung an ihr früheres Leben behaltend, ihr Bewusstseyn nur zu Gott erweitern (S. 6.36 und 115) - Alles dieses ist in der That aus des Vfs. Darstellung so wenig be-greiflich, dass es vielmehr unbegreiflich erscheint, wie derlei unmotivirte, zufällige und leere Vorstellungen, solche Widersprüche der Gedanken sich als Philosophie bieten mögen. Man sieht, dass der Vf. sich hier gern auf den rein idealistischen Standpunkt, auf den Standpunkt der absoluten Idee, stellen möchte, sich aber ausser Stande befindet, denselben recht zu gewinnen oder sich darauf zu behaupten. ist ein entschiedener Anhänger spekulativer Konstruktion und bewahrt die Ueberzeugung, dass ohne sie von der Philosophie nur erzählt werden kann; allein eben so fest überzeugt ist er auch, dass eine solche Konstruktion nur dann philosophische Bedeutung haben und sich gegen den Vorwurf leerer Wortrednerei und kühner Anmassung halten kann, wenn sie die Selbstgewähr des Denkens, also die logische Macht, die Waffe der strengen dialektischen Ausführung auf ihrer Seite hat und damit der Willkür sowohl der Phantasterei als der hohlen Abstraction fremd bleibt. Von Gott geht der Vf. zur Betrachtung der Körperlichkeit über und behauptet, dass die gewöhnliche empirische Körperwelt, auf dem Grunde einer bewusstlosen Materie gebildet und als Füllung des Raumes vorgestellt, eine Unmöglichkeit, und damit blosser Schein sey. Dieser Schein entsteht nach dem Vf. lediglich durch unser ungenaues Vorstellen der uns unbekannten Verhältnisse uns unbekaunter Dinge; wie wir denn überhaupt von den Dingen eigentlich nichts wissen sollen, indem nach seiner Meinung alle Prädikate, welche wir den Dingen beilegen, nur unsere eigenen Affektionen sind. Materie im Gegensatze mit dem Geistigen ist dem Vf. ein wahres Nichts, und, wie es scheint, hält er die Materie und Körperwelt nur für eine Entwickelung des subjektiven Bewusstseyns, für ein Hervortreten des Sichselbsterkennens, für eine Art Sichselbstverstehen, als worin ausschliesslich die Bedeutung der Realität beruhen soll. Müssen wir nun auch in diesen Ansichten das Ahnden des Richtigen und Wesenhaften an

Obwohl die Schrift,, Zeit und Raum" betitelt ist; so bilden diese beiden Gegenstände doch keineswege den schlechthin alleinigen Inhalt der Darstellung, vielmehr sollen sie zugleich Veranlassung zur Vorlage des metaphysischen Glaubensbekenntnisses des Vfs. überhaupt geben. Der Grundgedanke nun in diesem Bekenntnisse lässt sich wohl dahin aussprechen, dass das Wesen der Dinge, dass überhaupt alles Seyn nur der Geist sey, oder, wie es S. 228 heisst,, an sich giebt es nur eine geistige Entwickelung der geistigen Momente geistiger Wesen." Jene Entwickelung nun, wodurch die wirklichen Dinge entstehen, ist das Sichselbsterkennen des Geistes, und namentlich des göttlichen absoluten Geistes, so dass Gott selbst nur Seinsicherkennen ist. Später wird Gott auch als das absolute Verstehen und hiemit als Inbegriff aller möglichen Realitäten dargestellt. Gott, als der Alles umfassende, mnss also nicht bloss überhaupt Etwas, sondern er muss Alles erkennnen, was es überhaupt zu erkennen giebt, er muss sich ganz verstehen. Hiemit ist er zugleich in seinem Sichverstehen auch sein selbständiger wissbarer Inhalt, wodurch wiederum die Möglichkeit und Nothwendigkeit einer mehrfachen Selbstentwickelung der Idee gesetzt wird. Die endlichen Wesen entstehen nun so aus diesem Sichselbst erkennen und Sichselbstverstehen Gottes, aber nur indem und insofern dieses zugleich ein Wissen ist um einen freien Selbstkampf des Geistes. Gott musste sich selbst ausstossen (!), von sich selbst, als eine Summe schwacher, endlicher, möglichst unwissender Geschöpfe, um von diesem Minimo seiner selbst das Maximum seiner selbst durch einen freien Kampf mit sich selbst wieder zu gewinnen (S. 5). Und so wird denn die Selbstentwickelung des Geistes zu einer reellen und zeitlichen Aufeinanderfolge der freien Thaten endlicher Wesen, welche durch eigne Kraft ihrer absoluten Vollendung entgegenringen. Diese Vollendung, oder die Realisirung des absolut guten Ideals ihres eigenen Selbst, kann und muss von den endlichen Wesen erreicht werden, da es ein bestimmtes ist, und nachdem jeder Einzelne vollendet worden, hören die Mehreren auf, und es schauet sich fortan nur Einer an als ein für ewig wechselloses Seyn. Rec. hat diese Grundansicht des Vf. etwas näher angegeben, theils weil die weiteren Behauptungen sich mehr oder weniger darauf beziehen, theils auch um die mangelhafte Dialektik des Vf. daran aufzuweisen. Wie Gott einen freien Selbstkampf mit sich einzugehen habe, weil er als freie Selbstentwickelung zu erkennen ist, wie vollends aus diesem Kampfe reale Geschöpfe hervor

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erkennen; so ist doch die Weise der Ausführung so schwankend und unbestimmt, dass hierin wiederholt der Mangel an innerer Durchdringung der Sache zu Tage tritt.

Was nun die Begriffe von Zeit und Raum im Besondern angeht, so ist schon bemerkt worden, wie sie, obwohl die Ueberschrift des Buches bildend, doch nicht seinen ausschliesslichen Inhalt ausmachen; vielmehr hat das Bedürfniss, ihre Verhältnisse zu betrachten und abzuleiten, eigentlich nur dazu gedient, eben diese Schrift (nämlich in ihrer weiteren Bezichung) zu veranlassen. (Vorr. III.) Doch ist nicht zu leugnen, dass es dem Vf. darauf angekommen, beide Momente im Zusammenhange mit der speculativen Gesammtheit der Betrachtung zu erklären. Den Begriff der Zeit knüpft er zunächst an den der Freiheit; diese selbst bestimmt er nach seinem Grundgedanken, welchem gemäss alle Wesenheit in dem Sichselbsterkennen und beziehungsweise in dem Sichverstehen gelegen ist. Denn da das Verstehen, indem es lebendig vollzogen wird, wesentlich Thätigkeit ist, diese aber in ihrer, Wahrheit ein Ueberwinden voraussetzt; so muss der Geist, indem er sein Sichverstehen vollziehen will, auf einen Gegensatz, jedoch auf einen überwindlichen, stossen. Diese Ueberwindung geht aber rein vom Geiste selbst aus, und wird von einem freien Selbstkampfe:motivirt, d. h. nach dem Vf., der Geist muss die Macht haben, nach Laune und Willkür entweder das ihm Obliegende zu vollbringen oder sich dem Genusse dessen hinzugeben, was, ohne besser zu seyn, für den Augenblick das Reizendere ist. Sowie hierin nun die Freiheit beruhen soll, so findet darin der Vf. auch zugleich die nothwendige Begründung der Zeit. Denn liesse sich (so ungefähr argumentirt derselbe) das, was unserm Geiste eigentlich zukommt, und ihm gut ist, mit einem Male erlangen, so würde es leicht von Jedem im Augenblicke und ohne Säumniss gethan werden, es würde also Niemand in Versuchung gerathen, das wirklich Gute hinauszuschieben; mit der Möglichkeit einer Versuchung aber würde die der Freiheit, mit dieser die aller wirklichen Thätigkeit wegfallen. Das höchste Gut ist daher nicht sofort zu erreichen, auch nicht mit einem Male, sondern nur theilweise und nacheinander. Die Entwickelung der Vernunft (des Sichverstehens) muss daher in mehrere Akte auseinandergehen, welche sich in einer gewissen Beziehung ausschliessen, in einer andern sich dagegen wieder ergänzen. Hiemit ergiebt sich denn nach der Konsequenz des Vfs. die Zeit, welche nichts weiter seyn soll, als die Aufeinanderfolge jener Akte. (S. 27 ff.

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desgl. 96 ff.). Uebrigens unterscheidet der Vf. diese wirkliche Zeit von der scheinbaren. Vom Standpunkte Gottes aus betrachtet, leugnet er die Zeit, und da der Standpunkt Gottes (wie schon früher bemerkt) der des wahrhaften Seyns ist; so soll es eben gar keine Zeit geben, diese vielmehr etwas bloss Ideales seyn, d. h. nur für die Vorstellungsweise der in ihr noch befangenen Wesen Geltung haben. Rec. will nicht leugnen, dass in der Ansicht, die der Vf. über Freiheit und Zeit und zugleich über den Zusammenhang beider darlegt, manches Eigenthümliche hervortritt, welches nur bestätiget, was oben schon zugestanden, nämlich dass ihm philosophischer Beruf durchaus nicht abgehe; inzwischen ist doch einerseits der Begriff der Freiheit selbst nicht tief genug von seiner urgeistigen Wurzel aus erfasst, sondern, wie die ganze Idealtheorie des Vfs., zu sehr in abstrakt - formaler Behauptung bestimmt, andrerseits ermangelt in gleicher Weise der Zeitbegriff einer entschiedenen Bestimmtheit und lässt das Schwanken und Unsichere, welches das Ganze charakterisirt, deutlich bemerken. Wie nämlich die Hauptverlegenheit in der Schrift die Erklärung des Verhältnisses des Wirklichen zum Wesen (zu der Idee oder zu Gott), der endlichen Individuen zum absoluten Seyn vom Standpunkte des Vfs. bildet; so erweiset sich dieser Grundmangel auch in allen Ableitungen und Konsequenzen. Das gemeinschaftliche Princip der Freiheit und der Zeit soll die reelle Aktivität des Sich- Verstehens seyn; allein gerade dieser Punkt erscheint in dem Systeme am wenigsten begründet, am wenigsten klar und bestimmt entwickelt und in seiner spekulativen Geltung nachgewiesen. Ausserdem werden hier wie überall in dem Buche zu viele fremde und unerklärte Vorstellungen untereinander gemischt, wodurch die rechte Meinung verdunkelt, und der Gang der Betrachtung alle Augenblicke in das Gebiet von allerlei zufälligen Ansichten hinüber geleitet wird. Unter der Kategorie der Zeit wird im Besondern noch gehandelt von der Weltvollendung, von der Unsterblichkeit und von der Erweiterung des Bewusstseyns Aller zu dem des lebendigen Gottes. Dieser letzte Punkt ist bereits berührt worden und zwar als derjenige, welcher am wenigsten eine reine und scharfe Lösung erhalten hat; vielmehr ist er die empfindlichste Stelle des Buchs, weil er den Widerspruch in sich selbst trägt, dessen Beseitigung dem Vf. keineswegs gelungen ist. Denn wie es geschehn könne, dass, nachdem wir Alle uns der absoluten Vollkommenheit theilhaftig gemacht, Jeder alle Uebrigen erkenne, so wie sie sind, Jeder

sich selbst als die Uebrigen und die Uebrigen als sich erkenne, dass und wie alsdann das Bewusstseyn eines Jeden in Eins zusammengehe mit dem aller Uebrigen, und nun statt der früheren vielen Sichselbstgewussthabenden (!) (wie der Vf. sich ausdrückt) fort an nur Einer wisse, und dass in diesem einem Bewusstseyn des Einen das individuelle Bewusstseyn der einzelnen Wesen nicht verloren gehe, sondern nur erweitert werde wie dieses geschehen könne, sagen wir, hat der Vf. eben so wenig dargethan, als er seinen Ursatz, dass das Verstehen Princip und Quelle der Dinge überhaupt sey, irgend wie begründet und aufgewiesen hat. Denn das Beispiel von dem gemeinschaftlichen Eigenthume zweier Ehegatten (S. 115) beweiset so gut wie gar nichts und erinnert nur an mehrere ähnliche äusserliche, oft sehr arg hinkende Gleichnisse, welche der Vf. als Beleuchtung und Erweis seiner Behauptungen anführt, wie z. B. ausser Anderm bei der Erörterung des Raumbegriffes (S. 33), wo der Unterschied des intelligibeln und des mathematischen Raumes durch die Analogie eines Stammbaumes vorstellig gemacht werden soll.

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Die meisten, und nicht etwa nur die unbedeutenderen, sondern die grössten und herrlichsten Musikwerke des 16ten und 17ten Jahrhunderts sind heutzutage theils so selten, theils so völlig unbekannt, Stil und Charakter derselben weicht von dem modernen Musikwesen so bedeutend ab, dass der Geschichtschreiber, ohne sie näher zu charakterisiren und zu kritisiren, dem gröbsten Un- und Missverstande sich aussetzt; ja er wird dennoch an dieser Klippe scheitern, wenn er nicht noch ausserdem in musikalischen Beilagen auserwählte Proben von den behandelten Compositionen mit in den Kauf giebt. Darum ist es auch im Interesse der Geschichte so sehr wünschenswerth, dass die älteren Meisterwerke wieder aus dem Staube hervorgezogen und durch correkte Ausgaben zugänglich gemacht würden, wie diess der Vf. mehrfach versucht hat. Uebrigens ist jener Weg keineswegs so steril, wie er aussieht. Es werden vielmehr nebenher auch manche wichtige historische Kenntnisse gewonnen

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und zu Tage gefördert. So wird, um nur Einiges anzuführen, S. 21 f. zur Evidenz nachgewiesen, dass es keineswegs, wie eine oft wiederholte Meinung behauptet, im 16ten und 17ten Jahrhundert Sitte gewesen, Tänze auch in der Kirche auf der Orgel zu produciren. Es finden sich zwar häufig genug Sammlungen von Tänzen für die Orgel. Allein das darauf gegründete Faktum, als habe man sie zu kirchlichem Gebrauche verwendet, ist eben nur ein falscher Schluss man übersah, dass die Orgel eben so sehr ein Haus als Kirchen - Instrument war, und zwar ein sehr beliebtes, das natürlich auch zu häuslichen geselligen Belustigungen benutzt wurde. S. 35 f. wird wiederum aus vorhandenen Musikwerken ermittelt, dass die eigentliche Clavier – Sonate höchst wahrscheinlich zuerst in Deutschland entstanden ist. Dem Vf. ist es geglückt, eine Sammlung von ClavierUebungsstücken - ein Werk des Johann Kuhnau, Cantors an der Thomasschule zu Leipzig, Vorgängers des grossen Joh. S. Bach (geb. 1667, gest. 1722) zu entdecken, welches bereits 1695 erschienen ist, und in welchem sich unter Anderen auch eine Clavier-Sonate findet, die schon so vollkommen ausgebildet und ihrem musikalischen Werthe nach so bedeutend ist, dass sie, die unbekannte, die berühmten und allbekannten Sonaten des Domenica Scarlatti weit übertrifft. So geht es ja in der Regel mit den deutschen Erfindungen: die Deutschen haben die Arbeit und die Fremden den Ruhm! - Im Kapitel über die musikalische Malerei zeigt der Vf., dass diese Unsitte leider nicht blos modern ist, sondern dass bereits im 16ten Jahrhunderte musikalische Schlachtgemälde, Jagden u. dgl. m. sich finden. Es ist nur Unrecht, solche Spielereien oder vielmehr Nullitäten auf Rechnung der Kunst zu setzen. Sie sind vielmehr der Sittlichkeit zur Last zu legen, moralische Gebrechen, Folge des im menschlichen Wesen wurzelnden Strebens, über die ihm einmal gesteckten Grenzen hinauszugehen.

Besonders dankenswerth sind die dem Werke mitgegebenen musikalischen Beilagen. Sie sind nicht blos historisch interessant, sondern die meisten auch künstlerisch von bei weitem grösserem Werthe als viele von den beliebten Tonstücken, die heutzutage den Markt überschwemmen und von den Musiklustigen Damen nicht blos sehr geschätzt, sondern leider auch gespielt und gesungen werden. Besondere Aufmerksamkeit verdient die obenerwähnte wahrscheinlich älteste Sonate des Joh. Kuhnau, welche vollständig mitgetheilt ist.

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RELIGIONSPHILOSOPHIE.

Mai 1840.

REGENSBURG, b. Reitmayr: Das Christenthum als Welt-Religion betrachtet von Dr. Andreas Neubig, Professor. 1839. XIV u. 210 S. gr. 8. (20 gGr.)

Die Veranlassung zu vorliegender Schrift des durch

scine früheren psychologischen und religionsphilosophischen Arbeiten schon rühmlich bekannten Vf's. ist wohl zunächst in einer verfehlten Auffassung des berühmten von Ammon'schen Werkes: die Fortbildung des Christenthums zur Weltreligion, zu suchen, wie dies aus den Aeusserungen des Vfs. in der Vorrede erhellt. Er geht nämlich von der Annahme aus, dass Hr. v. A., wie schon früherhin Swedenborg, das Christenthum nur für eine Vorstufe zu einer noch höheren Offenbarung erklärt habe. Diese Auffassung des erwähnten Werkes müssen wir aber für eine wirklich verfehlte achten, und wir glauben mit Grund, dass v. A. sich alles Ernstes die Ehre verbitten werde, auch nur in diesem Einen Punkte für einen Swedenborgianer zu gelten. Wenn er sagt, dass die christliche Religion nirgends wie ein Zwölftafelngesetz stehen geblieben sey, so will er dadurch nur den rühmlichen Vorzug derselben hervorheben, dass ihr göttlicher Stifter nie und nirgends einen abgeschlossenen Komplex statutarischer Dogmen aufgestellt und die Seligkeit von deren Annahme abhängig gemacht habe, und dass schon diese negative Eigenschaft sie wesentlich zur Weltreligion qualificire. Wenn er aber auf der anderen Seite behauptet, dass das Christenthum sich in den Gemüthern der Menschen von einem Geschlechte zum anderen bilden, fortbilden und ausbilden müsse: so ist schon aus der Bezeichnung desselben als der Religion der Wahrheit und des Lichtes klar, dass er die Unwandelbarkeit und Unvergänglichkeit des eigentlichen geistigen und sittlichen Kernes des Christenthums unangetastet lässt, und nur von der durch alle Zeiten hin fortschreitenden und selbst in die Ewig

keit hinüber reichenden Entwickelung des unerschöpflichen Reichthums redet, der in diesem Kerne, wie in einem ewig fruchtbaren und immer neu treibenden Saamenkorne, verborgen liegt. So gewiss wir nun glauben, hierin die v. Ammon'sche Idee richtig aufgefasst zu haben, so können wir doch nicht bergen, dass dieselbe, durch Mangel an Präcision des Ausdrucks, dem Missverstande allerdings ausgesetzt war, und dies mag der verfehlten Auffassung derselben bei Hn. N. zu einiger Entschuldigung gereichen. Wie aber so oft in der Welt auch durch den Irrthum der Weg zur Wahrheit angebahnt ist, so ist es auch hier geschehen. Denn indem Hr. N. hier das Christenthum als Weltreligion darstellt, im vermeintlichen Gegensatze gegen v. A., hat er eine so treffliche Arbeit geliefert, dass wir sie allen unbefangenen Freunden geläuterter christlicher Einsicht nicht genug empfehlen können, und dass wir im Voraus überzeugt sind, auch v. A. werde in der Hauptsache völlig mit ihm einverstanden seyn. Es hat uns wahrhaft wohlgethan, hier einmal wieder eine recht klare, rein biblische und vernunftmässige Auffassung und Darstellung des echten Christenthumes zu finden, die sich weder mit dem hyperspekulativen, den christlichen Grundlehren schnurstracks zuwiderlaufenden Hegelthum, und dem verwerflichen Synkretismus, der dasselbe den Aussprüchen der christlichen Urkunden sophistisch unterzuschieben sucht, noch mit der in's Unbestimmte hinein so genannten Schleiermacher'schen Richtung befreundet und befasst, welche unstatthafter Weise ein Gefühlsprincip an dic Spitze der Religionswissenschaft stellt, und die Formeln der kirchlichen Dogmatik auf eine Weisc verficht, die, wenn man sie genauer analysirt, am Ende jeder rationale Theologe unterschreiben kann. Bei dem vielfachen Nebeln und Schwebeln, welches in unscren Tagen den philosophischen und theologischen Horizont verdunkelt, ist es um so erfreulicher, hier einer klaren und besonnenen Forschung, und bei aller Tiefe und Gründlichkeit doch zugleich einem leicht fasslichen, wahrhaft populären Vortrage zu begegnen, der

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sich aller sinnverwirrenden Verschrobenheit der jetzt beliebten spekulativen Kunstsprache geflissentlich ent→ hält. Der Gang der Untersuchung, den wir hier nur in der Kürze darlegen können, ist folgender. Der zu beweisende Hauptsatz ist: dass das Christenthum der Fortbildung, um Weltreligion zu werden, weder bedarf, noch fähig sey; denn es ist seinem Wesen und seiner Bestimmung nach Weltreligion. Diese Behauptung stützt sich auf der aus der Menschheit und namentlich der sittlichen Natur hervorgehenden Idee einer Weltreligion, und sodann auf dem Geiste des Christenthumes, der vollkommen jener Idee entspricht. So schreitet der Vf. in regelrechter syllogistischer Form von dem allgemeinen Obersatze durch Subsumtion des Untersatzes zum sicheren Schlusssatze fort. Bei dem Untersatze aber, wo der Geist des Christenthumes darzustellen war, hält er sich frei von allen dogmatischen und kirchlichen Voraussetzungen, und hält sich, nach echt evangelischem und protestantischem Grundsatze, nur und unmittelbar an die Urquelle, wie sie zunächst in den Evangelien und sodann in den Aussprüchen und Vorträgen der Apostel fliesst. Der erste Theil des Buches hat es nun mit dem Obersatze zu thun, und hier wird ausführlich von dem Menschen und seiner Bestimmung gehandelt. In einzelnen Abschnitten wird der Mensch betrachtet als ein geistiges, (denkendes und fühlendes) sittliches, (wollendes, freies) der Religion bedürftiges, und persönlich unsterbliches Wesen. Nach allen diesen Kategorien wird endlich an eine Weltreligion die gegründete Anforderung gemacht: dass sie die geistige und sittliche Würde des Menschen anerkenne und fördere, seine religiösen Bedürfnisse befriedige, und die Aussicht in ein künftiges Leben mit persönlicher Fortdauer und Bewusstseyn eröffne. So wahr und richtig nun auch dies Alles ist, so fehlt hier doch das Eine, was ganz besonders hätte hervorgehoben werden sollen, dass nämlich eine Weltreligion in ihren einfachen und ewig wahren Grundlehren zugleich die Keime und Anknüpfungspunkte aller künftigen geistigen und sittlichen Entwickelung des Menschen auch für alle höheren Stufen seines Daseyns in sich tragen müsse: denn nur durch diese Eigenschaft kann sie ihre Ansprüche auf allgemeine Geltung und ewige Dauer völlig rechtfertigen. Der zweite Theil des Buches subsumirt nun das Christenthum unter die bisher entwickelte Idec, und betrachtet dasselbe als Weltreligion, indem er nachweiset, dass es den Menschen als ein geistiges Wesen behandelt, seine Würde als ver

nünftiges Wesen anerkennt und in Anspruch nimmt; dass es ihn ferner als ein sittliches Wesen behandelt, seine Freiheit und Fähigkeit voraussetzt, und seine Kraft zur regsten Thätigkeit weckt, um im Allgemeinen das höchste Ziel der Vollendung anzustreben, und im Besonderen alle Lebenspflichten mit steter Rücksicht auf dieses höchste Ziel zu erfüllen; dass es weiter dem echt religiösen Bedürfnisse des Menschen mit voller Befriedigung entgegenkommt, und ihm Gottvertrauen, Trost und Ruhe in allen Lagen des Lebens cinflösst; dass es endlich den Menschen für ein persönlich unsterbliches Wesen erklärt, welches im künftigen Leben zu höherer Vollendung, vollständiger Vergeltung und seligem Wiedersehen der Geliebten hinangeführt werden solle. Alle diese Sätze sind im Ganzen auf sehr befriedigende Weise ausgeführt, und der Vf. hat hier, in eben so guter Auswahl, als vollständiger Zusammenstellung der Aussprüche Jesu und der Apostel, eine populäre biblische Glaubens- und Sittenlehre entworfen, die wir jedem denkenden und gebildeten Laien mit voller Ueberzeugung empfehlen können. Nur einen wesentlichen Mangel glauben wir in dieser Darstellung zu finden, und dieser besteht darin, dass der Vf. von der Gnade Gottes gegen Sünder nur sporadisch und wie im Vorbeigehen geredet, und namentlich nicht genügend gezeigt hat, wie siegreich das Christenthum die schwierige Frage über die Vereinigung der göttlichen Gerechtigkeit und Gnade löset. Wie dies nun ein positiver Mangel ist, so müssen wir es auf der anderen Seite als negativen Mangel ansehen, dass der Vf. sich nicht darauf eingelassen hat, zu zeigen, dass die kirchliche Trinitäts-, Erbsünden und Satisfaktions- Theorie dem reinen Christenthume durchaus fremd ist. Es geht dies allerdings indirekt aus der gegebenen Darstellung der Lehre vom Wesen Gottes, und von der Natur und Bestimmung des Menschen hervor; aber in unseren Tagen, wo diese Grundpfeiler des Pietismus von Neuem ihr Haupt erheben, thut es Noth, sich bestimmt und entschicden dagegen auszusprechen, und auch in dieser Hinsicht der Auffassung des Christenthumes nicht blos cinen evangelischen, sondern auch einen protestantischen Charakter zu vindiciren. Eben so wenig

können wir es gut heissen, dass erst, nachdem aus den obigen Prämissen der Schluss: das Christenthum ist Weltreligion! gezogen ist, gleichsam wie in einem nachträglichen Anhange, der beiden heiligen Handlungen des Christenthumes, der Taufe und des Abendmahles, und des Lebens Jesu als Musterbildes vollen

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