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allerdings eine Propaganda bestehe und seit 1835 auf die Rheinlande unaufhörlich influirt habe, um ihnen Juli- oder Septembertage zu bereiten; dass das öffentliche Organ dieser Partei Hrn. Kersten's und Bischof van Bommel's Lütticher Journal gewesen, ben dem eine Kette heimlicher Intriguen und Machinationen nach Preussen hinübergespielt seyen, von denen jedoch mehre, wie der freche Unfug Spinelli's zur Oeffentlichkeit gekommen sind. Wir stehen nun an der Schwelle des Schwarzen Buches selbst.

Dasselbe besteht, wie es uns Hr. R. geliefert hat, aus zwei Theilen, aus der von ihm vorangeschickten historischen Einleitung (I-LXXX) und dem schwarzen Buche selbst. Die Einleitung liefert in gedrängter Kürze eine sehr gediegene Schilderung der belgischen Zustände seit seiner ersten Trennung von den sieben nördlichen Provinzen (1579). Unter die Spanische Herrschaft zurückgebracht, fiel das Land den Jesuiten anheim, die ihm jenen fanatischen Katholicismus und jenen religiösen Hass gegen die holländischen Protestanten einprägten, in dessen Folge auch die neue Union von 1815 auf so schnöde Weise zerrissen wurde. Die Gemüther des Volkes wurden an den unbcdingtesten Gehorsam gegen die Geistlichkeit gewöhnt und dieser ein Spielraum 'gegeben, den entschiedensten Widerstand gegen jede Massregel der Regierung, die das Unglück hatte, ihr zu missfallen, zu organisiren. Dass unter diesen Umständen der Geist des Volkes verdumpfte, dass jede gediegene Wissenschaft zu Boden lag und auch die industrielle Thätigkeit des sonst kräftigen Volkes erlahmte, ist aus der Geschichte des Landes bekannt genug.

So kam das Land im 18. Jahrhunderte an Oestreich, dessen edelster und grösster Kaiser, Joseph II. seine wohlthätigen, aber leider zu sehr beschleunigten Reformen auch auf Belgien ausdehnen wollte. Aber an ihm, dem katholischen Fürsten ging schon im Jahr 1789 das Schicksal in Erfüllung, welches 40 Jahre später aus demselben Grunde dem Könige von Holland bereitet wurde. Die Jesuiten und die höhere Geistlichkeit im Bunde mit demagogischen Advocaten empörten das Volk gegen Joseph, erklärten ihn der Belgischen Herrschaft verlustig und zwangen ihn dadurch, alle seine reformatorischen Verordnungen zu widerrufen. Doch auf dem Fusse folgte dem Frevel die Strafe. Belgien wurde eine Beute des revolutionären Frankreich und; sein Clerus theilte das wohlverdiente Geschick seiner Brüder in Deutschland und Frankreich, d. h. verlor Ansehen, Macht und den unermesslichen

Reichthum, wodurch er zum Theil jene behauptet hatte. Durch den Wiener Congress kam Belgien an Holland. Gestehen wir es, diese Vereinigung zweier Völker, die in allem einen extremen Gegensatz bildeten, war ein grosser politischer Missgriff; sie enthielt von vorn herein den Zündstoff zu der heftigsten Opposition des Belgischen Elements gegen das Holländische, um so mehr, da die Holländer es nicht verstanden, den Schein zu vermeiden, als seyen sie die Beherrscher, die Belgier aber die Beherrschten. Dass die Belgier nicht gerne ja wider ihren Willen holländisch wurden, ist ausser allem Zweifel gestellt, und wie wenig wir auch zugeben mögen, dass ihnen ihre Regierung einen hinreichenden Grund zum Aufstande gegeben habe, so können wir doch auch nicht leugnen, dass sogleich Vieles geschah, was die Belgier verstimmte und zu gerechten Klagen veranlasste. Dahin gehört vorzüglich, dass die altholländischen Provinzen, obwohl eine Million Einwohner weniger zählend als Belgien, doch mehr Deputirte zu den Generalstaaten schickten als dieses; dass die meisten und wichtigsten Staatsämter in Belgien an Holländer und Protestanten gegeben wurden und dass die Regierung den Versuch machte, den Belgiern die holländische Sprache als die amtliche aufzudrängen. Durch alle diese Dinge wurde das Nationalgefühl des Volkes gekränkt und die Regierung gab sich dadurch nach zweien Richtungen eine blosse Seite, namentlich bei den Geistlichen und bei den sogenannten Liberalen, die an jene Puncte ihre Versuche, die Regierung beim Volke verhasst zu machen und dieses gegen sie aufzurcizen, anknüpften.

Dass die Liberalen jede monarchische Regierung hassten, also gewiss die der ihnen auch sonst verhassten Oranier, bedarf wohl keiner Erwähnung. Die Beweggründe, die den Clerus gegen Holland stimmten und zu Reactionen trieben, verdienen eine nähere Erwägung, die ihnen auch Hr. Rh. S. XXVI ff. hat angedeihen lassen. Sie sind kurz diese: 1) dic Holländische Regierung gab den Geistlichen nicht ihre alten Güter und Sinecuren zurück; sie wollte nichts von jenen zahllosen Klöstern müssiger Mönche und Stiftsherrn, namentlich nichts von den Jesuiten wissen, deren Einnisten in alle öffentliche und Privatverhältnisse ihr längst bekannt war. 2) Die Regierung behielt sich die Oberaufsicht über den öffentlichen Unterricht vor, welche der Clerus um jeden Preis wieder erlangen wollte, weil sie der einzige Weg war, um die Herrschaft über das Volk wieder zu gewinnen.

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Endlich 3) gestattete die Regierung allen christlichen Confessionen Freiheit des Gewissens und des Cultus, die den Geistlichen ein Greuel war. Daher ihre Intriguen gegen die neue Constitution, worin diese Grundsätze aufgestellt wurden, daher das protestirende Memoire des Bischofs von Gent, Prinzen von Broglio, der die Frechheit hatte, zu fordern, die Regierung sollte die öffentliche Ausübung des protestantischen Cultus in Belgien verbieten und dem Könige zu Brüssel nur eine Privatkapelle gestatten; daher die dringende Vorstellung, die Jesuiten wieder einzuführen und ihnen die Schulen zu übergeben.

(Die Fortsetzung folgt.) ORIENTALISCHE LITERATUR. BONN, b. Koenig u. van Borcharen: Institutiones linguae Pracriticae. Scripsit Chr. Lassen etc. (Beschluss von Nr. 11.)

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Bei den zusammengesetzten Consonanten ist die Wandlung am stärksten. Hier herrscht das Gesetz, dass alle unähnlichen Consonanten, welche zusammentreffen, geändert werden müssen. Aehnlich sind sich aber nur gleiche Consonanten (g:g) oder ein Consonant und seine Aspirate (g:gh). Dadurch entstehn in den allermeisten Fällen, wo das Sanskrit unähnliche Consonanten verbunden hat, im Prakrit Verdoppelungen, oder andre Umwandlungen. Am wichtigsten sind hier die in der Mitte stehenden Consonantenverbindungen; finale sind schon zum grössten Theile im Sanskrit vernichtet und initiale werden weniger afficirt; hier hilft man sich lieber mit Einschiebung von Vokalen.

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Nach sorgfältiger Auseinandersetzung dieser Lehre von der Lautumwandlung der eigentlichen Angel des ganzen Werks handelt das 4te Kapitel de declinatione, wo denn zugleich die Lehre von der Aenderung der thematischen Form und den Suffixen mit aufgenommen ist. Ueberaus viele Themen welche im Sanskrit consonantisch schliessen, sind, einem Streben gemäss, welches sich in allen dem Sanskrit verwandten Sprachen nachweisen lässt, und in der einen in höherem in der anderen in geringerem Grad herrscht, in die a- Declination hinübergezogen. Die Themen in i, 2, u, u werden in der Declination nicht mehr unterschieden. Die langen Vokale a, i, ú dienen insbesondre als Zeichen der Feminina. Die sanskritischen Themen auf ri ändern diesen Vokal in u oder setzen an die gunirte oder vriddhirte Form (ar) ein a und bilden so ein neues Thema ura oder

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aru. Consonantisch im Sanskrit schliessende The men bewahren bisweilen eine sanskritische Casusform, bloss euphonisch gewandelt, grösstentheils aber liegt das sanskritische Thema durch a gewahrt der Prakrit - Declination zu Grunde, oder das sanskritische Thema, um seinen schliessenden Consonanten verstümmelt, wodurch es ein vokalisches wird. nach constituirt Hr. Lassen 5 Declinationen 1) die der Themen auf a, 2) i, 3) u, 4) ři (sanskritisch) 5) der im Sanskrit auf Consonanten schliessenden. Die Hauptdeclination ist die auf a und diese mischt sich in den beiden letzten mit einer Art sanskritischen.

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Das 5te Kapitel '(S. 333-367) handelt: De Conjugatione; diese hat im Prakrit bei weitem mehr eingebüsst, als die Declination. Die Flexionsformen, welche auch im späteren Sanskrit sehr selten sind (dieses, neben dem Prakrit hergehend, richtet sich nämlich in überaus vielen Fällen nach diesem, oder wird vielmehr von ihm influenzirt, daher das von Hn. Lassen so sehr oft mit Emphase angewandte iam in lingua Sanscrita nicht selten gar keine Bedeutung hat), Conditionalis, Aorist, Futurum I fehlen ganz; ausserdem Imperfect und Perfect. Im Gebrauch sind Präsens, Imperativ, Futurum II und einige als Trümmer erhaltne Personalformen des Precativs und Potentialis. Die vergangene Zeit wird periphrastisch bezeichnet. Das Atmanêpadam ist sehr selten und es fehlen noch mehr Flexionsformen; die meisten Verba, welche im Sanskrit als Atmanep. flectirt werden, sind in die Conjugation des Purasmaip. übergetreten. Das Passiv ist geblieben. Neben der gewöhnlichen sanskritischen Causalform hat die im Sanskrit auf wenige Fälle beschränkte durch p, eine besondre Ausbildung und eine grosse Herrschaft im Prakrit erhalten. Der Dual fehlt auch hier. Die Nominalformen sind geblieben; Gerundium, Infinitiv und Parti

cipia. Die Flexion betreffend, so ist die Einschie bung des a zwischen Wurzel und Endung - Flexion mit Bindevokal-fast Regel; die ohne Flexionsvokal hat sich nur in wenigen Ueberbleibseln - gleichsam als Anomalie, wie im Griechischen, jedoch in noch geringerem Umfang erhalten. - Das 6ste Kapitel (367 370) enthält unter der Ueberschrift Parerga noch einige allgemeine Bemerkungen über die übrigen Theile der Grammatik, in denen die Pracrita principalis der Dramen nach Angabe der Grammatiker und Bestätigung durch den dichterischen Gebrauch im Wesentlichen mit dem Sanskrit übereinstimmt. Adverbia haben die sanskritischen Formen nach den phonetischen Gesetzen des Prakrit umgewandelt. Zuletzt ein Verzeichniss und die Erklärung einiger Partikeln.

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Wir haben den Vf. durch den wichtigsten und umfassendsten Theil seines Werkes begleitet, um dem Leser ein Bild seines Verfahrens zu geben. Wir fühlten bisweilen das Bedürfniss anzuhalten, um mit demselben über einiges zu rechten. Wir haben es unterdrückt, um diese Anzeige nicht zu sehr auszudehnen. Nur im Allgemeinen möchten wir die Aufmerksamkeit auf S. 84 zurücklenken: De augmento syllabae nasali, wo uns der Wechsel zwischen dem rund n höchst unzulänglich behandelt zu seyn scheint. Er erscheint schon im Sanskrit wo z. B. banhu oder vielmehr vanhu viel, entschieden von vřih wachsen kömmt und gewissermassen ein ursprünglicheres varh-u voraussetzt und selbst in den mit dem Sanskrit verwandten Sprachen, dem Griechischen, Deutschen u. s. w. sehr häufig. Eine Anmerkung, wie die S. 123: themata Latina gravi-s levi-s etc. oriuntur a femininis antiquioribus garvi laghvi etc. hätten wir von dem Vf. auch nicht erwartet. Sie klingt ganz wie die längst von gründlichen Sprachforschern verbannte Annahme, dass die italiänischen Nomina wie virtute u. s. w. aus dem lateinischen Ablativ von virtus u. s. w. entstanden seyn. Die S. 239 erwähnte Prakritwurzel kamp welche den Grammatikern nach identisch mit der sanskritischen Kark seyn soll, ist ihr nicht wesentlich gleich und nur phonetisch verschieden, sondern flexivisch verschieden. Kark ist eine Reduplicationsform, gebildet nach dem in dem Griechischen Wurzellexikon von Theodor Benfey I, 204 bemerkten und in der Folge mehrfach nachgewiesenem Gesetz; kamp dagegen scheint eine von den alten p- Bildungen zu seyn (deren ehemaliger reicher Umfang ebenfalls im Griechischen Wurzellexikon

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übergegangen, wie im Prakrit so oft.

Was den übrigen Theil des anzuzeigenden Werks betrifft, so wollen wir nur erwähnen, welche Dialekte noch behandelt werden. Die Ordnung und Art der Behandlung bleibt im Wesentlichen dieselbe. Doch wird sie immer kürzer, da der Vf. den Grammatikern folgt und diese bei den der Reihe nach später behandelten Dialekten immer nur bemerken, in wiefern sie sich von dem, aus welchen sie ihn ableiten, unterscheiden.

Das 7te Kap. (S. 371-379) ist überschrieben: De Discrimine inter sermonem poeticum et prosaicum atque de Dialecto Caurasenica. Letzterer ist nämlich in der Prosa im Gespräch der herrschende. S. 379 bis 386 De Dialecto Çaurasenica.

Das 3te Buch (S. 387-488) handelt: De Dialectis Prâcriticis inferioribus; das 2te Kap.: De Dialecto Mayadhica (391401), welcher als der des Sitzes des indischen Reiches den Hofmännern in den Mund gelegt wird. Ihm untergeordnet sind Ardhamâyadhica (Halbmayadhisch), Daxinatja (in Berar), Avantica (von Oujein); Çabarica, Chandalica et Çakkarica. Das 3te Kapitel (439 — 448) handelt: De Dialecto Paiçâchica. Dieser hat die besondre Eigenthümlichkeit, dass er die tönenden Consonanten in dumpfe verwandelt. Das 4te Kapitel bespricht die lingua Apabhrançica (449 473). S. 473 484 folgt der Beweis, dass dieser Dialekt im dem Drama Vikramôrvaçi (Act 4) gebraucht sey. S. 485 488 Conclusio.

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Hierauf folgen noch 7 Excurse. I. (S. 1-8): De Dialectis Vibhashis et Apabhrançicis in Kalpataru memoratis; II. (S. 9—16): De linguis Dekhanicis; III. (S. 17-26): Linguarum provincialium Indicarum, quae Sanscriticae originis sunt, catalogus; IV. (S. 27—39) ad Librum II Catalogus personarum, quae in fabulis adhuc notis utuntur dialecto Scenica praecipua; V. (S. 39 — 49) ad Librum II. Nachträge aus Kramadicvoras', während des Drucks erhaltener, Grammatik; VI. (S. 49-58) ad Librum II. Caput Vararuchis XII et locus S. (anxipta) S.(âra) de dialecto Çaurasenica; VII. (S. 58-64) Specimina dialectorum Mayadhicarum. Dann folgen Addenda et Emendanda (S. 65-70) und 4 Indices: I. Nominum propriorum insigniorum, rerumque magis memorabilium; II. Index elementorum Pracriticorum; III. argumentorum grammaticorum; IV. vocabulorum Pracriticorum notatu digniorum. Th. B.

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ALLGEMEINE

LITERATUR-ZEITUNG

Januar 1840.

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(Fortsetzung von Nr. 12.)

Als die Regierung die frechen Anmuthungen des Bischofs abwies, reizte derselbe förmlich zum Ungehorsam; bestimmte durch Libelle, die im Lande umher verbreitet wurden, Volk und Clerus, den Eid auf die Constitution zu verweigern, organisirte revolutionäre Clubbs und verband sich mit den Demagogen, die unverschämt aber auch schlau genug waren, in öffent

Da machte

lichen Blättern die Priester zu vertreten. die Regierung ihm endlich den Process, verurtheilte den Flüchtigen in Contumaciam und liess sein Bild zu Gent öffentlich an den Galgen schlagen. Es würde uns zu weit führen, wenn wir Hr. R's interessanter Darstellung der Intriguen, Ränke und Machinationen folgen wollten, wodurch jene Clerical-Faction die besten Absichten, das geistige Wohl des verwahrloseten Volkes zu fördern vereitelte, und demselben alle Massregeln der Obrigkeit, um diesen Zweck zu erreichen, aus dem Gesichtspuncte des Hasses und der Unterdrückung der katholischen Religion und Kirche durch ein protestantisches Gouvernement darstellte. Die Sache ist ohnehin aus den neuesten Tagen bekannt, wo, seit der Erscheinung des Rothen Buches bis auf heute dieselbe Faction in Preussen dasselbe verderbliche Spiel begonnen hat, um jenes bekannte Belgische Endresultat vom September 1830 auch am Rhein und in Westphalen herbei zu führen. Genug, die Geistlichkeit im Bunde mit den Demagogen, führte die Revolution vom Jahre 1830 herbei; auf ihrer Fahne stand:,, Für die katholische Religion und Kirche gegen die ketzerischen Holländer, die beide unterdrücken!" Aber das war nur eine Redensart. Die ei

gentliche Devise war: „Für die Geistlichkeit und den Ultramontanismus!" Dass die katholische Religion nicht unterdrückt war, wird heute auch in Belgien eingestanden, geht aber noch deutlicher daraus her

vor, dass die 700000 Katholiken, die im übrigen Holland wohnten, namentlich das ganze katholische Nordbrabant mit 400000 E., weil sie von jenem Religionsdruck nichts wussten, und zugleich die revolutionären Principien der demagogisch-democratischen Partei verabscheuten, nicht nur von dem Aufstande sich fern hielten, sondern auch im August 1831 an dem ruhmvollen Feldzuge gegen Belgien mit Enthusiasmus Theil nahmen.

Kaum war durch Frankreichs Bemühungen der Revolution Beistand zugesichert, als die Geistlichkeit auch die Früchte derselben für sich erndten wollte.

Belgien sollte ein katholischer Staat im echt ultramontanen, mittelalterlichen Sinne werden. Durch die Constitution wurde garantirt: Völlig freie Uebung des Cultus ohne jede Einmischung des Staates; beliebige Ernennung und Anstellung der katholischen Kirchendiener; ungehinderter und unbeaufsichtigter Verkehr mit Rom; ausschliessliche Leitung der geistlichen Bildungsanstalten durch den Clerus; Freiheit für die religiösen Orden und Sicherung der Mittel für ihr Bestehen; ausreichende Dotirung der Geistlichen nebst allen Vortheilen. Daneben wurde die katholische Religion für die alleinige des Landes erklärt.

Das war das Gerippe der geistlichen Privilegien, um die sich bald eine Menge Anwüchse, gleichsam die Consequenzen aus jenen Principien festsetzten. Die wichtigsten geistlichen Stellen kamen an die Coryphäen der ultramontanen Partei; das Wichtigste aber war, dass sie die Regierung von aller Sorge und Theilnahme an dem öffentlichen Unterrichte entfernte, d. h. nicht nur die Seminarien, sondern besonders auch die Gymnasien und Volksschulen an sich brachte. Die frères ignorantains wurden die Lehrer des Belgischen Volkes, worüber Gregor XVI dasselbe im vorigen Jahre glücklich genug gepriesen hat. Bald folgten ihnen die Jesuiten mit all ihren alten Machinationen und Kunstgriffen um das Volk zu beherrschen; sie vorzüglich waren es, die das Missionswesen wieder auffrischten, eine Anstalt, die in einem Lande, wo das Pfarrwesen vollständig organisirt ist, nicht nur keinen

vernünftigen Zweck haben kann, sondern offenbar Thatsachen bestätigt, dass die Reaction gegen die ganz geeignet ist, dasselbe zu Grunde zu richten. Clerocratie in Belgien in vollem Gange ist. Eben so wichtig, ja fast noch wichtiger für die Geistlichkeit war die Wiedererlangung ihres ehemaligen grossen Reichthumes, dessen Restituirung sie am 7. Juni 1834 erlangte. Hierdurch verschaffte sie sich solchen Einfluss auf die Bevölkerung, dass sie die Wahlen fast ganz in die Hände bekam, dadurch die Kammern, und durch sie auch die Minister beherrschte, deren Haupt (de Theux) ohnehin ihre Creatur war. Es stellte sich heraus, dass Belgien ein von der Geistlichkeit beherrschtes Reich war, an dessen Spitze, als eine bittere Ironie, ein protestantischer König stand.

Allein auch hierbei zeigte sich wieder die Wahrheit des Sprichworts, dass nur Gemässigtes Bestand habe. Es ist moralisch unmöglich, dass das 19. Jahrhundert jene mittelalterliche Priesterherrschaft tragen kann. Die Intelligenz des Zeitalters, die ganze Richtung desselben, die Resultate der nächsten, so gewaltigen Vergangenheit können kein anderes Resultat geben, als jene Clerocratie zu untergraben, die sich überhaupt nur dadurch festsetzen konnte, dass in der Richtung der geistlichen Bestrebungen auch die Nationalselbstständigkeit der Belgier lag, die also an dem Klerus eine Stütze fand, der dieselbe jetzt nicht mehr bedarf. Die belgische Clerocratie ist ein Resultat der Revolution und ruht somit auf morscher Grundlage. Denn wenn es wahr ist, was schon zu Sallusts Zeiten galt, dass jede Herrschaft nur durch dieselben Künste behauptet werden kann, wodurch sie gewonnen ist: so ist zweierlei klar, zuerst, dass die belgische Geistlichkeit, um ihre Herrschaft zu behaupten, ihre revolutionären Künste auch ferner fortspielen musste, und da ist der Schlüssel zu ihren Umtrieben gegen Preussen; dann dass jene Priesterherrschaft in Belgien ihren Einfluss auf das Volk und ihre Macht in dem Masse verlieren muss, als die revolutionären Elemente im Lande allmählig neutralisirt und am Ende ganz vernichtet werden und jemehr die Macht der Bedürfnisse die Menschen von dem Interesse der Geistlichkeit ab, auf die des Landes und des eigenen Heerdes wendet.

Schon die Herstellung des guten nachbarlichen Verhältnisses Belgiens mit Holland muss der Geistlichkeit schaden und vielleicht ist die Zeit nicht mehr fern, wo ihnen der Beweis geliefert wird, dass sie sich irrte, indem sie glaubte, das Volk würde auf die Dauer sie und ihre Interessen mit der katholischen Kirche und deren Interessen identificiren. So viel ist gewiss und wird durch die unzweideutigsten

Diese Reaction konnte nicht ausbleiben, sobald der Clerus seine wahren Absichten entfaltete; er musste dann mit den Liberalen brechen und die Opposition dieser wurde um so heftiger, je kühner und schroffer er den Bruch aussprach. Dieser begann mit dem Jahre 1834; die Liberalen sahen sich schnöde um die Früchte ihrer Allianz mit dem Clerus betrogen, ja wie verächtliche Werkzeuge, deren man nicht mehr bedürfe, behandelt. Sie setzten der Geistlichkeit gleich einen wohlberechneten, entschiedenen Widerstand dadurch entgegen, dass sie den Geistlichen das Monopol des Unterrichts verkümmerten, welches am meisten durch die Errichtung sehr wohl organisirter Freischulen und der „freien Universität" zu Brüssel (1835) geschah, die sich bald eines lebhaften Besuches erfreuten. Vorzüglich nahm die Thätigkeit des in Belgien sehr gliederreichen Freimaurerordens, zu dem eine grosse Anzahl der reichsten und geistreichsten Bürger gehört, eine entschieden antihierarchische Richtung an, die zu einem organischen Widerstande sich bildete, seitdem die Geistlichkeit die Thorheit beging, den Orden mit dem Kirchenbann zu belegen. Dass Belgien der Priesterherrschaft noch nicht ganz und gar verfallen ist, geht am besten daraus hervor, dass seit der Verdammung des Freimaurer - Ordens die Zahl seiner Mitglieder sich verdoppelt und seine Thätigkeit sich offen gegen die Geistlichkeit gerichtet hat. Der lebhafte und entschiedene Widerstand, den die Missionen zu Tilf und Lüttich, unter Hrn. v. Bommels Augen erfuhren, mag beweisen, wie stark diese Opposition geworden und wie sie auch in der Masse wurzelt. Die Freimaurer durften das Mandement gegen sie kühn verachten und dem allgemeinen Spotte hingeben. Endlich aber that die clerocratische Partei selbst Alles, um ihre eigene Sache zu Grunde zu richten; die Machthaberei der Geistlichen, ihre Umtriebe bei den Wahlen, ihre durchaus weltliche Richtung, der von ihnen gepredigte kirchliche Servilismus, ihr Despotismus: Alles dieses hat beigetragen, nicht nur einem Theile des Volkes die Augen zu öffnen, sondern auch erleuchtete Männer im Clerus selbst, die die Autocratie eines van Bommel und Consorten nicht ertragen konnten, zur entschiedenen Opposition hervorzurufen, deren kühnstes Glied, der Abbé Helsen in Brüssel, die Ultramontanen mit Wort und Schrift geisselt, und eine Polemik eröffnet hat, die täglich mehr um sich greift und wie an Schärfe zunimmt, so auch des Beifalls der Nation sich immer mehr erfreut

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