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Sage entstanden, und enthalten Wahrheit und Dichtung untereinander gemengt." Das vierte dagegen ,,ist von einem Augenzeugen der Wahrheit gemäss geschrieben, es muss als lautere historische Quelle betrachtet werden." Jedermann erinnert sich, mit welchem Geschrei diese,, neue Entdeckung" in die Welt neue Entdeckung" in die Welt hinausposaunt wurde: selbst politische Zeitungen mussten davon berichten, und um so eher kann Rec. es sich ersparen die auch im Buche wiederholten Tiraden der Art nachzuschreiben. Was ist nun aber aus der Geschichte des Urchristenthums geworden? Sie ist in zwei Stücke auseinander gefallen, die nothdürftig durch prunkende Titel zusammengeleimt werden: eine jüdische Dogmatik aus der Zeit Jesu (ein Christenthum ante Christum) und eine Kritik der vier Evangelien. Dem Vf. selbst muss während des Drucks der Mangel an Zusammenhang der Theile seiner Arbeit klar geworden seyn, denn die Bogen sind durchgängig so bezeichnet, dass die vorliegenden Bände als Fortsetzung vom ,, Philo" erscheinen (II, 1. II, 2. II, 1. III, 2. IV.), während die Collectiv Titel der drei letzten Bände im Widerspruch mit der Norm der einzelnen Bogen die Nummern „IIг.” „IIIг. Hptthl." tragen, mithin den Philo ausschliessen. Wir könnten vielleicht ohne grosse Beeinträchtigung des Ganzen auch noch weiteres fallen lassen, und uns mit dem letzten Buch entschädigen, worin Hr. Gf.,, mit blos der Geschichte entnommenen Gründen den vollständigen Beweis führt, dass Johannes Augenzeuge war, dass er Geschichte erzählt, dass der christliche Glaube auf sturmfesten Boden ruht"; und das er selber ,, als die Krone seiner mühseligen Arbeit" betrachtet. Allein Rec. würde eine Pflicht versäumen, wenn er es dem Leser erlassen wollte, mit ihm den Weg durch die talmudische Wüste zu nehmen, ehe wir in jenes gelobte Land gelangen.

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,,Das Jahrhundert des Heils" ist näher bestimmt (S. XIX) der Zeitraum zwischen Augustus und Ve spasian. Aus dieser Zeit verspricht der Vf. wiederholt, uns ein,, möglichst genaues Bild der Zustände des Volks", eine klare Anschauung der Verhältnisse Judäas", eine Darstellung des bürgerlichen Zustandes der Juden" zu geben. Das Einzige aber, was hier einschlägt, ist ein Kapitel über „, die Erziehung der Juden zur Zeit Jesu und die gelehrte Kaste", fast durchaus nach dem Talmud. Doch Hr. Gf. hat sonst Gelegenheit, Mancherlei anzubringen. Es ist das Eigenthümlichste seiner Darstellung, überall hinauszulangen, überzugreifen, auch auszufahren:

man wiederholt sich, ruht aus, geht weiter, rechts und links, kreuz und quer, über Stock und Stein, bald ist man mitten nach China hineinversetzt, bald unter das mittelalterliche Papstthum, von da zu Napoleon, zu Kant, zum Rabbi Akiba und Don Carlos. So ist es auch in dem angeführten Kapitel. Die Schilderung der Jüdischen Erziehung geht ganz unter in dem Panegyricus der Rabbinen und ihres Talmud, und am Ende weiss Hr. Gf. von der Erziehung zur Zeit Jesu soviel als wir aus dem N. Test. wissen. Ueber die Gewalt der Synedrien und Patriarchen auf 3-4 Seiten, was aus dem Talmud bei Ugolini und in Jost's jud. Gesch. zu finden war (der übrigens hier [S. 185] aus der gründlichen Abhandlung von Gans, Verm. Schriften I. S. 300 fg., zu berichtigen ist); dann sogleich wieder in die Jahrhunderte herab bis auf das neue würtemb. Judengesetz! Und das Alles blos zum Beweise, - dass der Talmud eine glaubwürdige Quelle für die Kenntniss des Zeitalters Jesu sey. Man könnte fragen: wird denn nicht der Beweis dafür schon vorausgesetzt, wenn man den Talmud als Hauptquelle für die genannte Untersuchung zum Grunde legt, und gehört dieser Beweis nicht in das erste Kapitel, das von den Quellen handelt? Gewiss: aber im ersten ist nur vom Alter der Quellen die Rede, und das zweite, welches diesen Beweis enthalten soll, trägt nur eine unrichtige Aufschrift. Damit verlieren wir aber das Versprochene gänzlich, und das Buch hört auf, eine Schilderung des Heiljahrhunderts zu seyn.

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Sehen wir nun, wie der Vf. einerseits das Alter, anderseits die Gültigkeit des Talmud als Geschichtsquelle für die Zeit Jesu beweist. ,, Zum Glück" für ihn, wie er selbst gesteht,,,haben neuere jüdische Gelehrte sehr gute und gründliche Untersuchungen über das Alter ihrer gottesdienstlichen Bücher angestellt." Es war ihm daher „vergönnt, aus fremder Ernte einzuheimsen." Hier nennt er den Rabbi Rapoport und den Dr. Zunz. Diese setzen die Abfassung des Talmud zwischen die Jahre 160 und 530 n. Chr. und lassen die Mischna mit dem J. 220, die jerusalemische Gemara mit dem J. 300, die babylonische mit dem ersten Drittel des sechsten Jahrh. geschlossen seyn. Es kann uns an diesen Zeitbestimmungen nicht viel gelegen seyn; wenn man aber sieht, dass der Hauptbeweis für die so frühe Abschliessung der Mischna (I, a. 16) der ist, dass sie nacheinander den Krieg mit Vespasian, den Krieg mit Titus, und,, den letzten Krieg" nennt, so muss man billig ihre Richtigkeit in Zweifel ziehen. Der letzte" Krieg kann

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THEOLOGIE.

STUTTGART, b. Schweizerbarth: Geschichte des Urchristenthums durch A. Fr. Gfrörer u. s. w. (Fortsetzung von Nr. 1.)

Ein förmlicher Beweis zwar, den er übrigens nur

wie einen Haufen Plänkler vorschiebt, wäre folgender: Ohne (schriftlichen) Talmud würde es seit dem 6. Jahrhundert kein Judenthum mehr gegeben haben; die Juden hatten aber ihre Nationalität auch in der Zwischenzeit vom Untergang des Tempels bis zur Annahme des geschriebenen Talmuds aufrecht erhalten; folglich muss damals der mündliche (d. h. der jetzt noch vorhandene T, ungeschrieben) in Kraft gestanden haben und somit reicht der Talmud in die Zeit Jesu hinauf: " Dies ist", sagt Hr. Gf.,,, ein politischer Schluss, dessen Bündigkeit Jeder zugestehen wird, der etwas von den geheimen Gesetzen des Fortbestandes von Völkern und Staaten versteht. " Ein Schluss von der Nothwendigkeit des schriftlichen Talmuds auf die Zulänglichkeit des mündlichen zur Erhaltung der Nationalität wir wissen nicht, ob er in die Logik,,vom Sohne des Olorus" oder in die historische Mathematik gehört. Hr. Gf. selbst widerspricht aber seiuem Obersatze, denn nach ihm hatte schon Moses (und zur Mosaischen Institution gehörte doch der Tempel nicht),, hinreichend dafür gesorgt", die ganze Eigenthümlichkeit seines Volkes in ihrer völligen Abgeschlossenheit zu erhalten (I, a 114, 128, 197); also war kein Talmud mehr dazu nöthig. Auf der andern Seite war auch der geschriebene Talmud, nach Hrn. Gfs. eigenem Geständniss, nicht im Stande, die Juden überall und immer gegen den Eindruck fremder Nationalitäten, Institutionen, Bestrebungen zu verschliessen. Er führt das Beispiel Julians und alle milderen Juden - Edicte und Gesetze an, um daran zu zeigen, wie leicht der Jude durch humane Behandlung seinem finstern Rabbinismus und seinem Talmud entrissen werden könne (I, a 200 fg.). Doch wem der politische Beweis nicht genug seyn sollte, gegen den zieht Hr. Gf. mit der historischen Analogie zu Felde.

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Wenn er an die Stabilität der Chinesen erinnert, so geschieht es zwar, was Sitten und Gebräuche betrifft, mit Grund; in dieser Hinsicht läugnen wir die Stabilität auch unter den Juden nicht. Auch von den Künsten und Wissenschaften der Chinesen mag dasselbe gelten; von ihren Dogmen aber ist wenigstens soviel bekannt, dass unter den drei dort herrschenden religiösen Systemen nicht eines unverändert geblieben. Ein näher liegendes Beispiel sind dem Vf. die Schlüsse des Tridentiner Concils. „Ich frage Jeden (heisst es I, a. 110) der die Geschichte der Kirche kennt: sprechen jene Schlüsse wirklich die Lehre der älteren katholischen Kirche aus? Ja gewiss! sie sind, vielleicht geringe Ausnahmen abgerechnet, ein treuer Spiegel des katholischen Glaubens, wie derselbe aus den echten Quellen fast bis zu Constantin zurück verfolgt wer– den kann." Nur zehn Seiten weiter unten lässt uns der Verf. von dem Erstaunen über eine solche Entdek

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kung zurückkommen. Die katholische Kirche, sagt Derselbe, hat Nichts versäumt, um die Ueberlieferung aufrecht zu erhalten, dennoch ist in ihrem Schosse ein Copernikus erstanden, und wie schädlich wirkte die kühne Entdeckung dieses Mannes auf den Kirchenglauben ein!" Bekanntlich ist Copernicus vor dem Anfang des Tridenter Concils gestorben. Wir überlassen die weiteren Schlüsse dem Leser, der sich beim Weiterlesen noch an andere Inconsequenzen gewöhnen muss. Der Vf. schreibt die Erhaltung der jüdischen Stabilität der Gelehrtenkaste, den Rabbinen zu, und vergleicht diese mehrmals mit dem katholischen Clerus.,, Die römische Clerisei schleicht seit der Reformation ihrem Tode entgegen" ,,die Adelskaste der Juden, die Pharisäersecte, dauert noch jetzt, nur unter anderem Namen fort", sagt er I, a, 196. Dagegen Vorr. XV hören wir ihn über die erstere ausrufen: ,, welche prachtvolle Gliederung, welche Kraft ist noch vorhanden!" Doch der Vf. hebt ganz unzweideutig und ehrlich das Gesetz der Stätigkeit, das er im rabbinischen Dogma entdeckt haben will, wieder auf. Sobald der Neuling zum Rabbinen geweiht war, übernahm er durch diesen Act stillschwei

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