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ein Erwachen der Lebenskraft zur Bewusstheit und zu Anfängen der Freiheit, also gewissermassen zu einer neuen, von der Tagesseele verschiedenen Nachtseele, welche denn auch den vegetativen, instinctartigen, unwillkürlichen, plastischen Charakter der Lebenskraft nicht verleugnen wird. Dieses Erwachen der Lebenskraft zur Nachtseele wird theils innerhalb des Nervensystems, namentlich des Gehirns und der Sinnnerven, die ja auch ihre von der Tagesseele noch verschiedene Lebenskraft haben, stattfinden und den Gehirnsomnambulismus bilden, theils wird es in andern, dem Tagesbewusstseyn gänzlich verschlossenen, nicht nervösen Organen auftreten und an verschiedenen Stellen der Haut hervorbrechen, um die tiefere und ausserordentlichere Stufe des vegetativen Somnambulismus zu bilden. Beides wird eine krankhafte Lösung der sonstigen, gesunden und wohlthätigen Gebundenheit der Lebenskraft seyn.

Dies sind ungefähr die Grundzüge dieser neuen Theorie des Somnambulismus, wobei jedoch mehrere nicht unwichtige Beweise für die Identität von Seele und Lebenskraft übergangen werden mussten, um nicht dieser Anzeige eine zu weite Ausdehnung zu geben.

Der Gedanke, dass Seele und Lebenskraft identisch seyen, dass dieselbe Kraft, welche in den niederen Organen den Processen der Verdauung, Assimilation, Blutbewegung u. s. w. vorsteht, in den höheren als geistige Kraft auftrete, ist bekanntlich nicht neu und hat von jeher seine Vertheidiger gefunden. Er entspricht im Allgemeinen der weisen Einrichtung der Natur, Alles mit wenigen Kräften zu beschaffen, wo dazu nicht mehrere erforderlich sind und hat mit jener materialistischen Ansicht, welche Alles aus mechanischen und physikalischen Kräften erklären zu können wähnt, nichts gemein. Man vergiebt auch der hohen Würde der Seele eben so wenig etwas, wenn man ihr die niederen Verrichtungen der Vegetation überträgt, als sich ein geistreicher Mann etwas vergiebt, wenn er sich mit Garten- oder Ackerbau beschäftigt. Das willenlose, ununterbrochene Wirken der Seele in den niederen Organen verdient vielmehr eben dieselbe Bewunderung, die wir ihren geistigen Schöpfungen zollen, und die Vorstellung zweier, von einander verschiedener geistiger Bewohner unseres Körpers, die immer zu gleicher Zeit mit einander in denselben eintreten und ihn wieder mit einander verlassen, erscheint, wie der Vf. sehr richtig bemerkt, bei weitem räthselhafter, als wenn wir die Gesammtherrschaft nur einer geistigen Kraft übertragen.

Auch die aus jener Identität von Seele und Lebenskraft hervorgehende Folgerung des Vfs., dass die letztere sich im somnambulen Zustande zum Bewustseyn entbinde und als Nachtseele fungire, ist originell und besticht auf den ersten Anblick durch ihre Einfachheit und durch die scheinbare Uebereinstimmung, in der sie mit den Erscheinungen des magnetischen Lebens steht. Man sieht gleichsam die üppigen Phantasiebilder, wie sie so häufig in diesem Zustande auftreten, aus der entfesselten Productionskraft des Leibes hervorwachsen; man begreift, wie die mündig gewordene Lebenskraft am besten über die Gebrechen der mit ihr verbundenen Organe Bericht zu erstatten und die dagegen anzuwendenden Heilmittel aufzusuchen vermöge, und möchte in dem mechanischen Bestreichen der magnetischen Manipulation gleichsam symbolisch ein Herabziehen der Tagesseele in die tieferen Regionen des vegetativen Lebens, eine Leitung und Vertheilung des geistigen Stoffes auf Theile des Körpers erblicken, die davon eben nur soviel besitzen, als zu ihrer Erhaltung und zu ihren gröbern Verrichtungen nothwendig ist. Auch spricht für diese Ansicht, dass Tagesbewusstseyn und somnambules Bewusstseyn zwei in sich abgeschlossene Zustände bilden, dass von dem Schaffen und Wirken der Lebenskraft im gesunden Zustande nichts zum Tagesbewusstseyn gelangt, wohl aber im Traume sich Gefühle aus der Region des bildenden Lebens zu lebendigen Phantasiebildern gestalten, wie sie auch im somnambulen Zustande vorkommen und dass endlich der gewöhnliche Traum die Brücke bildet, auf der Vorstellungen aus diesem Zustande ins wache Leben übergehen.

Dem Allen ungeachtet lassen sich aber doch dieser Ansicht, wie mich bedünkt, gegründete Einwürfe entgegenstellen. Wenn Seele und Lebenskraft identisch sind, so spricht sich in den intellectuellen Verrichtungen schon eine Entbindung der letzteren zum Bewusstseyn aus, die Kraft, welche auf niederer Stufe verdaut, den Blutlauf betreibt u. s. w., ist auf höherer Stufe schon zum geistigen Erwachen gekommen, was daher im somnambulen Zustande geschehen soll, geschicht schon täglich und stündlich im wachen Leben; eine und dieselbe Kraft betreibt auf der einen Seite die niederen zum Bestand des Lebens erforderlichen, wie auf der anderen Seite die geistigen Funktionen. Es bleibt daher nur die Annahme übrig, dass im somnambulen Zustande die Lebenskraft in Theilen zum Bewusstseyn komme, in denen sie gewöhnlich als bewusstlose, blos bildende Thätigkeit waltet. Uebernimmt sie aber hier die geistigen Functionen, so

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sollte man meinen, ihre Functionen als bildende Kraft müssten suspendirt oder doch gestört werden. Man hat aber bis jetzt nicht bemerkt, dass Blutumlauf, Verdauung u. s. w. im somnambulen Zustande irgend eine Beschränkung erlitten hätten.

Menschen, welche mit viel Lebenskraft ausgestattet sind, haben keine besondere Disposition für den Somnambulismus, im Gegentheil sind meist schwächfiche, reizbare Menschen dazu am geneigtesten, während man glauben sollte, dass da wo ein grosser Fonds von Lebenskraft vorhanden ist, dieser um so leichter zum Bewusstseyn eutbunden werden müsse. Eben so wenig vermögen Mittel, welche die Lebensthätigkeit vermehren, eine Geneigtheit zum Somnambulismus herbeizuführen oder den hellsehenden Zustand zu steigern.

Wenn die Lebenskraft bei körperlich kranken Zuständen nicht einmal mehr fähig ist, die zwischen ihr und den leiblichen Organen stattfindende Disharmonie zu lösen, so sollte man meinen, sie sey noch weniger fähig, sich auf eine höhere Stufe der Wirksamkeit, zur Intelligenz, zu erheben.

Endlich ist es nicht wohl denkbar, dass die Lebenskraft sich in Organen, die im wachen Zustande zu ganz anderen Verrichtungen bestimmt sind, zu einem Grad von Intelligenz und Sinnesfertigkeit entbinden solle, der denjenigen weit übertrifft, mit dem selbst die ursprünglich zu diesen höheren Verrichtungen bestimmten Organen begabt sind.

Ich bescheide mich gerne, dass mit diesen wenigen Einwürfen die Theorie des Vfs. nicht umgestossen wird; vielleicht mögen sie dazu dienen, sie nur um desto fester zu begründen. Sie verdient auf alle Falle eine ernste Prüfung, die ihr übrigens nur von solchen Lesern zu Theil werden kann, welche das Ganze und insbesondere die Anwendung derselben auf die einzelnen Erscheinungen des somnambulen Lebens gehörig erwogen haben. Auf eine specielle Darstellung und Kritik aller dieser Einzelnheiten einzugehen, erlaubt mir der mir hier zugemessene Raum nicht, ich begnüge mich daher nur mit einigen kurzen Andeutungen.

S. 129 heisst es: Das Organ der somnambulen Wahrnehmungen der Aussenwelt muss, wenn es für den Schall, wie für Gesichts- oder auch nur für Tastobjecte zugänglich seyn soll, durchaus an der Oberfläche des Körpers liegen. Es muss sonach die Haut mit den darin verzweigten Gefässen und etwa noch mit den nur mittelbar darunter liegenden Muskeln, wenn auch nicht überhaupt der Sitz des som

nambulen Wachens, doch das Organ der somnambulen Wahrnehmung seyn." Der Vf. substituirt nämlich auch hier die Lebenskraft für die Sinnesnerven, die in diesem Zustande schlafen. Offenbar aber ist eine solche Versetzung der Sinnesfunction auf ein Organ, dessen Nerven dabei gar keine Rolle spielen sollen, bei weitem schwieriger zu begreifen, als cine Versetzung auf das Sinnengeflecht. Entweder man muss sich bei der Wahrnehmung im somnambulen Zustande jede Vermittelung durch körperliche Organe hinweg, man muss sie sich als unmittelbare Eingebung denken, der sic denn auch in Hinsicht auf ihre Ausdehnung auf grössere Entfernungen am ähulichsten sind, oder wenn man eine Vermittelung durch körperliche Organe annimmt, so kann man dabei die Thätigkeit der Nerven nicht entbehren. Sinneseindrücke percipiren ohne Nerven heisst eben soviel, als sitzen, gehen und stehen ohne Muskeln.

Dem Vf. zufolge schlagen sich bei dem Schlafwandler alle somnambul entbundenen Kräfte, welche sich sonst auf die intellectuelle Seite werfen, auf die Gliederbewegung. Seine Intelligenz nimmt nur sehr wenig Antheil an der somnambulen Steigerung. Nur das Gedächtniss soll, insbesondre beim Schlafredner, hiervon eine Ausnahme machen. Den Willen scheint der Vf. ganz ausser Rechnung zu stellen, denn er spricht weiterhin von der Unwillkürlichkeit, die dem Schlafwandler bei seinen nächtlichen Wanderungen noch besonders zu statten kommen soll. Allein willenlos ist er dabei sicher nicht, wie das Ausweichen bei Gegenständen, die ihm im Wege stehen, das Wählen zwischen einem und dem anderen Gegenstande u. dgl. m. beweisen. Es ist der Wille, der ihn bei diesen Handlungen leitet, wenn es auch nicht der Tageswille ist.

Von grossem Interesse ist, was uns der Vf. von dem Geschichtlichen der Vision und den ihr verwandten Zuständen bei den Schamanen u. s. w. berichtet. Er gesteht, wie dies zu erwarten war, den dabei auftretenden Gestalten keine objective Wirklichkeit zu, sondern stellt sie mit den Hallucinationen in eine Reihe. Die Mittheilung der Sehergabe erklärt er durch Ansteckung, entweder durch objective Vermittlung, oder durch psychologische Mittheilung sowohl der Angst, als des Gedankens der Erscheinung; oder durch unmittelbaren physischen Uebergang der Angst, aber blos psychologische vermittelte Gestaltung der hierdurch entbundenen Hallucination, oder endlich durch unmittelbare physische Mittheilung des Gespensterschauers, und unmittelbaren psychischen

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Uebergang der Hallucination selbst. Es giebt inzwischen Visionen, die sich, wie mir scheint, weder auf eine noch die andere dieser verschiedenen Weisen erklären lassen. Namentlich rechne ich dahin das Schauen geliebter Personen auf weite Entfernungen im Momente des Todes, von dem diejenigen nichts wissen konnten, welche das Gesicht hatten. Es gehen von dergleichen Visionen so viele Erzählungen im Volke um, dass ich sie nicht geradehin zu den Erdichtungen rechnen möchte.

Von dem zweiten Gesicht, dieser merkwürdigen Erscheinung Schottlands und Dänemarks, sucht der Vf., obwohl er es nicht geradehin unter die Märchen verweist, soviel abzumarken, als nur immer gehen will, er wird daher auch nur meine Leichtgläubigkeit belächeln, wenn ich ihm erzähle, dass mir mitten in Deutschland drei Fälle von solchen Sehern vorgekommen sind, die in dem Ruf standen, andern Menschen

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Das

schen Dispositionen, unter denen er besonders den Krampf hervorhebt, den er als das zur gesetzlosen Irritabilität gewordene Muskelleben bezeichnet. Verhältniss des Krampfes zum Somnambulismus wird als ein polarisches aufgefasst. In demselben Grade nämlich, als nach der einen Seite die Irritabilität sich von dem gesunden Bande der natürlichen Vereinigung mit der organischen Bildungskraft löst, in demselben Grade und Maasse wird auf der andern Seite die organische Bildungskraft frei, um sich über die körperliche Gebundenheit zu erheben und zum somnambulen BeAuch hier möchte sich das wusstseyn zu lösen. früher geäusserte Bedenken aufdringen, dass die entbundene und zum Bewusstseyn cmporgehobene organische Bildungskraft nothwendig ihre ursprüngliche Function aufgeben müsste, was nothwendig Störungen in den vegetativen Processen zur Folge haben würde, wovon indessen bei Somnambulen während ihres magnetischen Schlafes nichts vorkommt. Auch müssten Krämpfe eine constantere Erscheinung bei Somnambulen seyn, was indessen bei weitem nicht immer der Fall ist, wie ich mich durch eigene Erfahrung überzeugt habe.

den bevorstehenden Tod anzusehen. Eine Dame wurde deshalb von ihren Bekannten gemieden; ein Mann aber prophezeite unter andern den Tod eines andern Mannes, der noch in voller Jugendkraft einherging. Die Erscheinung steht in so naher Beziehung zu den vorbedeutenden Träumen und der Fernsicht der Somnambulen, dass man wenigstens kein Recht hat, sie deshalb zu leugnen, weil sie von dem Tagesleben fast ganz verdeckt worden ist und nur hie und da gleichnamiges aber sich abstösst. Die organische Bildungs

einem Bewohner der Meerestiefe auftaucht.

Wenn der Vf. S. 323 daraus, dass bei der Wiederausgrabung der Leiche des Vampyr Arnod Paoles noch Blut aus Ohren und Nase floss und man Haut und Nägel regenerirt fand, schliessen will, er sey scheintodtlins Grab gekommen, so hat er wohl übersehen, dass bei manchen Leichen sich das Blut lange in flüssigem Zustande erhält, und noch Haare und Nägel fortwachsen, während das Leben in seinen Centralheerden längst erloschen ist. Ueberhaupt aber widerfährt dem Vampyrismus zu viel Ehre, wenn er hier unter den Erscheinungen des Somnambulismus

auftritt.

Im zweiten Bande führt uns der Vf. den thierischen Magnetismus selbst näher vor das Auge, zunächst seine Entdeckung und sein Missgeschick und dreimaliges Verhör vor den Schranken der französischen Akademie; dann die magnetische Manipulation und die anderweitigen magnetischen Mittel, Hauch, Blick, Befehl, Wille und Fernwirkung und ihre Wirksamkeit. Hierauf handelt er von den somnambulisti

Die Erregung des Somnambulismus in dem Weibe durch den Mann erklärt der Vf. aus dem Weltgesetz, nach welchem Entgegengesetztes sich anzieht, Gleich

kraft des Weibes werde durch die Lebenskraft des magnetisch einwirkenden Mannes angezogen, zur Sensibilität und zum somnambulen Bewusstseyn entwickelt, ihre abgestossene Lebenskraft und Irritabilität dagegen entweder durch das Uebergewicht der entwickelten Sensibilität gebunden oder aber in andern Fällen zu Krämpfen und Convulsionen entbunden.

kung vermittelnde, Atmosphäre, wie sie, wenn ich Eine animalische, die magnetische Wechselwirnicht irre, auch schon Wienholt annimmt, kann man dem Vf. wohl zugeben; wenn er aber auch eine Lebensatmosphäre der Seele annimmt, ja selbst die Anziehung der Weltkörper auf eine substantielle Atmosphäre zurückführt, und eine substanzlose fernwirkende Kraft als ein Unding bezeichnet; so giebt er damit den Begriff aller und jeder Kraft in der Natur überhaupt Preis und seine Seele mit ihrer Lebensatmosphäre unterliegt dann eben so gut dem chemischen Experiment, als Sauer- und Wasserstoffgas. Schade, dass der Vf. sich ohne alle Noth zu dergleichen paradoxen Ansichten hinreissen lässt!

(Der Beschluss folgt.)

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ALLGEMEINE LITERATUR-ZEITUNG

Januar 1840.

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Auch unter dem besondern Titel:

Indices in Euripidis tragoedias et fragmenta confecit, Scholia Vaticana in Troadas et Rhesum emendatiora adjecit Dr. C. F. Kampmann. 1837. (1 Rthlr. 12 gGr.)

Mit welchen Schwierigkeiten die Gesammtausgabe

eines Schriftstellers von solchem Umfange, wie Euripides, verbunden sey, leuchtet jedem Unbefange

nen auf den ersten Anblick ein, zumal wenn die Vorarbeiten theils gänzlich fehlen, theils sehr mangelhaft sind, wie es bei diesem Dichter der Fall ist: denn die früheren Versuche von Barnes, Musgrave und Beck bieten bei dem jetzigen Standpunkte der Wissenschaft verhältnissmässig nur wenig Brauchbares dar, während die einzelnen Tragödien von einzelnen Bearbeitern eine sehr ungleiche Behandlung erfahren haben, obgleich in dieser Beziehung Vieles Vortreffliche geleistet war. Hr. Matthiae, als er sich zu einer neuen Bearbeitung sämmtlicher Tragödien des Euripides entschloss, scheint jedoch die Bedeutung dieser Aufgabe nicht in ihrem ganzen Umfange erkannt zu haben, daher ist denn bei aller Sorgfalt und Genauigkeit, die sich überall im Einzelnen offenbart, doch im Ganzen für Kritik und Erklärung des Dichters weit weniger, als man selbst bei billigen Ansprüchen erwarten konnte, geleistet: vor allen ist dem Gedeihen der Arbeit ein gewisser Mangel an Selbständigkeit hinderlich gewesen; Hr. Matthiae lässt sich zu häufig von vorgefassten Meinungen leiten, bewegt sich nicht frei genug auf dem weiten Gebiete der Kritik sowohl als der Interpretation: über

haupt ist ihm der eigentlich dichterische Genius des Euripides durchaus etwas Fremdes geblieben, und gerade aus diesem Verkennen sind eine bedeutende Anzahl unrichtiger und gezwungener Erklärungen herzuleiten: wie denn Hr. M. überhaupt die Interpretation im höheren Sinne, als eine fortlaufende Darlegung des gesammten Gedankengehaltes gar nicht beabsichtigte; vielmehr erscheint die Erklärung ganz von der Kritik abhängig, nur als ein Subsidium derselben: weil aber Hr. M. wiederum seine Kritik durchaus auf die Ueberlieferung der Handschriften basirte und diese so viel als irgend möglich durch Interpretation zu retten bemüht war, ist auch die Kritik keine freie, aus der schöpferischen Tiefe des Geistes hervorgerufene. Doch es würde ungeziemend seyn, die Arbeiten eines so verdienten Mannes, wie Hr. Matthiae, der bei längerm Leben, unterstützt von einem klaren Verstande und nicht geringem Umfange des Wissens, so wie von einem aufrichtileisten können, an diesem Orte einer genaueren Prügen, edeln Eifer beseelt, noch Vieles Tüchtige hätte fung zu unterwerfen; nehmen wir vielmehr das viele Gute und Brauchbare, was noch jetzt dieses Werk enthält, mit dankbarer Anerkennung hin.

Um die bequemere Benutzung des Matthiae'schen Commentars zu den Tragödien des Euripides hat sich Hr. Kampmann in Oels durch vorliegendes Buch ein lobenswerthes Verdienst erworben, indem er die bisher mangelnden Indices anfertigte. Durch den Titel freilich "Indices in Euripidis tragoedias et fragmenta confecit etc." könnte man leicht über den wahren Inhalt dieser Arbeit getäuscht werden, und ein vollständiges Register aller bei Euripides vorkommenden Redensarten und Worte, etwa den Beck'schen Index vermehrt und verbessert, erwarten, allein Hr. K. hat dabei blos die Anmerkungen Matthiae's so wie die alten Scholien berücksichtigt, alles andere dagegen ausgeschlossen: ein Index, der den gesammten Sprachschatz des Euripides umfasste, in der Art, wie

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Wellauer's Index zum Aeschylus, oder noch besser, wie Ellendt's treffliches Lexicon Sophocleum, wäre freilich wünschenswerther gewesen; doch wird dem Vernehmen nach auch diesem Bedürfnisse recht bald auf eine angemessene Weise abgeholfen werden. Hn. Kampmann's Arbeit verdient, soweit Ref. sie geprüft hat, durchaus das Lob einer sorgfältigen und fleissigen Zusammenstellung, wo nur hie und da kleine Versehen sich eingeschlichen haben, die auch bei einer so abspannenden und im Ganzen geistlosen Beschäftigung, ungeachtet des besten Willens und der grössten Aufmerksamkeit nicht gänzlich vermieden werden können. Auch hat Hr. K. selbst hie und da ciniges theils zur Erklärung des Euripides, theils zur Berichtigung der Erklärung bei Matthiae beigetragen, so z. B. p. 11 unter dлó22vua zu Andromache v. 455; ebendaselbst unter únoravoovuar findet Medea v. 192 eine richtige Erklärung; desgleichen p. 12, wo Hr. K. sich gegen die Verbindung 'Aŋs nóyzovoos erklärt; p. 40 unter zarahcino, wo Hr. K. zu Iphig. Aul. 1166 xaraλeinev noòs dóuovs auf Dindorf's Anmerkung verweist; p. 58 wo über nuoridos und naendos, so wie ähnliche Formen gesprochen ist; p. 80 wo das Scholion zu Hecuba v. 962 verbessert wird u. S. W. Irrig aber ist, was Hr. K. p. 29 unter naΌλον (nicht ἔπαδλον, wie durch einen lässlichen Druckfehler dort steht) bemerkt, dass der Scholiast zu den Phoenissen v. 52 behaupte, nahov finde sich bei keinem Schriftsteller des Alterthums, während es doch gar nicht selten vorkommt: allein die Worte des Scholiasten: in' ovdevì (Schr. nag' ovdevi) κεῖται τὸ ἔπαθλα ἢ μόνῳ τῷ Εὐριπίδη sind wie gewöhnlich nur von den Attischen Schriftstellern zu verstehen, oder wohl gar nur auf den Sprachgebrauch der Tragiker zu beschränken: und in sofern war der Zweifel jener Grammatiker allerdings begründet, da nahov sich bei keinem älteren Schriftsteller, am wenigsten bei den Tragikern nachweisen lässt, während es sich bei Späteren gar häufig findet. P. 33 wird aus Fr. 251 ó eλuç und zwar als cin Indeclinabile angeführt, was schr bedenklich scheint, auch geht dieses ganz und gar nicht aus den Worten des Grammatikers bei Bekker Anecd. T. III. p. 1187 hervor: "Eoti yoq o Çekãs toð seλá τῷ ζελά (οὕτω δὴ λέγεται κατὰ Θρᾷκας ὁ οἶνος) και τούτου ἡ δοτικὴ εὑρίσκεται παρ' Ευριπίδῃ χωρὶς τοῦ τ. συστεῖλαι γὰρ βουλόμενος τὸ α οὐ προςέγραψε τὸ τ, οἷον· Ταὐτὸν ποιεῖ τό τ ̓ ἀττικὸν τῷ ζελά· σὺν γὰρ κε quvvois. Der Wegwerfung des subscriptum beruht

παρ'

auf einer ganz ungegründeten Annahme, und das Wort scheint allerdings als ein Indeclinabile betrachtet werden zu müssen, aber dann ist vielmehr Çɛλά oder besser Cɛλλά als die richtige Form anzunehmen, neben der es noch eine andere Çelas oder Selhus gab, die declinirt ward.

(Die Fortsetzung folgt.)

MEDICIN.

BASEL, Druck u. Verlag d. Schweighauser. Buchh.: Der Somnambulismus. Von Prof. Friedr. Fischer u. s. w.

(Beschluss von Nr. 7.)

Den Rapport bezeichnet der Vf. als eine förmliche Lebens- und Seelengemeinschaft der Somnambule mit dem Magnetiseur, ein Zerfliessen ihrer Seele mit der seinigen, so dass der Magnetiseur willkürlich und unwillkürlich in ihr somnambules Leben übergreift und es mitbedingt. Er leitet dies sehr schön aus einem inneren, lebendigen Zusammenhang ab, in dem die Individuen schon im normalen gewöhnlichen Zustand, innerlich und unsichtbar, theils mit der Natur, theils unter einander stehen. ,, Die Menschheit, die Nation, der Volksstamm, obgleich in Individuen gesondert, bilden einen lebendigen und wesenhaften, durch die Individuen hindurchgehenden Zusammenhalt; denn Menschheit, Nationalität, Stammesverwandtschaft sind keine blossen Namen zur Bezeichnung der ausserlichen Aehnlichkeit und Verbindung der Individuen, sondern die gemeinschaftliche Substanz, woraus diese nur hervorgesprosst, und den gemeinsamen Geist, der sie zusammenhält." Rec. stimmt ganz dieser Ansicht bei, und findet für sie auch noch in manchen für das Forum des Arztes gehörenden Erscheinungen Bestätigung.

Wenn der Vf. den eigenthümlichen Geschmack leugnet, welchen die Somnambulen dem magnetisir– ten Wasser zuschreiben, so beweist dies, dass er selbst wenige dergleichen Kranke beobachtet haben muss, denn die Erscheinung gehört zu den constantesten des ganzen thierischen Magnetismus, und ich selbst habe sie in Fallen beobachtet, wo an keine Τäuschung gedacht werden konnte und die Kranken sich über den fremdartigen Geschmack beschwerten, ohne dass sie von dem Magnetisiren des Wassers das Mindeste erfahren hatten.

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