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sich über die gewöhnliche, unhaltbare und unzulässige Ansicht der Juristen von den symbolischen Büchern nicht im Mindesten zu erheben wisse. Unter der Gemeinschaft des Glaubens, welche die Grundbedingung jeder Kirche ist, versteht er einen bestimmten Lehrbegriff, und setzt also ohne Weiteres, was eben zu beweisen war. Die h. Schrift erkennt er zwar als Glaubensnorm an; aber die Symbole sind ihm Lehrnorm; er muss also zwischen Glauben und Lehren einen Unterschied zu machen wissen, den Moral und Religion verabscheuen. Er räumt zwar ein, dass die Verpflichtung auf das Symbol keine buchstäbliche seyn könne, sondern nur auf die eigentlich bekennenden Sätze, das Dogma, die Substanz gehe; dabei sieht er aber nicht, dass, wenn Beweise, Exegese u. s. w. preisgegeben werden, die Dogmen von ihrem allein verbindlichen Grunde losgerissen, also auf menschliche Autorität angenommen werden, folglich die Schrift als Glaubensnorm aufgegeben wird. Er redet von der Vieldeutigkeit der Schrift, und beruft sich bei der Wandelbarkeit der Auslegung auf das ,,hominum commenta delet dies"; so eifrig er dasselbe auch auf Dr. Röhr anzuwenden sucht, so sehr vergisst er, dass es auf die Reformatoren nicht minder, als auf alle anderen Menschen, anzuwenden ist. Die eigentliche Substanz der Augsburg. Konfession findet er in der Lehre von der Rechtfertigung durch den stellvertretenden Versöhnungstod Christi, sieht aber nicht, dass mit dieser die sämmtlichen übrigen Dogmen so genau zusammenhangen, dass, wer an ihr festhalten will, kein einziges der übrigen Dogmen aufgeben darf. Kein Wunder daher, wenn er es zulässig findet, dass die zwischen Lutheranern und Reformirten streitigen Lehrpunkte,, der freien theologischen Forschung" preisgegeben werden, wodurch die von Luther so hartnäckig vertheidigte Abendmahlstheorie nicht mehr zur Substanz der Augsb. Confession gerechnet wird. So weiss sich ein Mann zu helfen, der von dem freien Geiste der Augsb. K., von ihrem Zusammenhange mit der Speierischen Protestation, und daher von dem eigentlichen Wesen des evangelischen Protestantismus keine Ahnung zu haben scheint. Auf eben die leichte Weise weiss er mit den früheren Hessischen Kirchenordnungen fertig zu werden. Der ältesten K. O. von 1526, die durch und durch den Geist der Freiheit athmet, gedenkt er gar nicht. Aus der K. O. von 1539 hebt er Eine an die A. K. bindende Stelle hervor, sagt aber kein Wort von den vielen an die alleinige Auktorität der Schrift verweisenden Stellen derselben, nach denen jene zu erklären ist. Dasselbe

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gilt von Demjenigen, was aus den K. O. von 1566 und 1572 u. a. m. angeführt wird. In der K. O. von 1573 aber wird, wie Hr. B. selbst citirt, die h. Schrift für die ,, einzige norma iudicii, Regel und Richtschnur erklärt; die alten Symbola werden,,nächst der h. göttl. Schrift" angeführt, und die A. K. wird ausdrücklich nur als ,,dieser unserer Zeit Symbolum" bezeichnet; wornach dann alles Uebrige natürlich zu interpretiren ist. Ja, in dem Hauptrecesse von 1670 werden die Prediger sogar ausdrücklich darauf beeidigt, ihre Gemeinen nach heil. Schrift allein, ohne Zuthun einiger Menschensatzung, Verfälschung oder Verkehrung, zu unterrichten. Aller dieser Zeugnisse ungeachtet, und ohne alle Rücksicht darauf, dass im Westphälischen Frieden von 1618 auch die Reformirten zu den A. K. Verwandten gerechnet werden, ungeachtet sie in einem wesentlichen Artikel von der A. K. abweichen, behauptet Hr. B. dennoch ohne Scheu, dass der Lehrbegriff der A. K. der allein rechtlich gültige in Kurhessen sey, und findet in dem im neuen Revers gebrauchten Ausdruck: Berücksichtigung, dessen leicht durch sich selbst deutlichen Sinn er mit gar vieler unnöthiger Mühe aus Adelung, und sogar aus allerlei juristischen Schriftstellern kommentirt, eine tirt, eine,, Abweichung von dem bestehenden RechWir glauben genug gesagt zu haben, um unbefangene Leser zu einem sicheren Urtheile in den Stand zu setzen. Weniger aber durften wir auch nicht anführen, um den eigentlichen Streitpunkt in helles Licht zu setzen. Bei den meisten der übrigen Schriften werden wir jetzt kürzer verweilen können. In Nr. 2 und 3 fand B. seinen ersten Gegner an einem Manne seines Faches, dem Anwalt Henkel, der freilich mehr rednerisch, als gründlich, aber begeistert, und in der Hauptsache überzeugend spricht. Die erste dieser Piècen ist geradezu gegen B. gerichtet, und weiset ihm nach, dass er einen ganz falschen Begriff vom Protestantismus habe, wenn er das Wesen desselben in ein Dogma setze, da es vielmehr bestehe in dem Protestiren,, gegen alle Unvernunft und gegen alle Tyrannei in Glaubenssachen." So wahr dies im Allgemeinen ist, so würde seine Definition doch noch treffender und zur Abwehr seines Gegners noch schlagender gewesen seyn, wenn er aus der Speierischen Protestation angeführt hätte, dass sie geradezu gerichtet war gegen die Auslegung des Evangelii,, nach den von der Kirche approbirten Schriften." Er fügt hinzu, dass die Verschiedenheit der Ansichten weder so gross noch bedenklich sey, als sie vorgespiegelt werde, dass eine absolute Gleich

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förmigkeit derselben sich nie erzielen lasse, und dass die Gefahren, die uns von der katholischen Kirche drohen sollen, leere Schreckbilder, und wenigstens nicht grösser seyen, als die Gefahren, die uns von unseren eigenen Buchstäblern bereitet werden, welche geradezu im Interesse des Papstthums arbeiten. In der zweiten Schrift sodann hebt er einige Dogmen der A. K. hervor, namentlich das von der Erbsünde, der Rechtfertigung aus dem Glauben an Christi Versöhnungstod, von der Auferstehung und der Ewigkeit der Höllenstrafen, und zeigt durch eine grosse Anzahl neutestamentl. Aussprüche, dass jene Dogmen 'keinesweges mit der Schriftlehre übereinstimmen. Hätte er nun gleich besser gethan, bei der Aufstellung jener Dogmen sich genauer an die eigenen Ausdrücke der A. K. zu halten, und hätten auch unter den angeführten Bibelsprüchen manche minder passende mit noch viel treffenderen vertauscht werden können: so ist doch seine Darstellung im Ganzen wohl geeignet, manchem verblendeten Laien die Augen über das Treiben der Buchstäbler zu öffnen, und so wird sein Wort kein nutzloses geblieben seyn, wenn es gleich keinen wissenschaftlichen Werth ansprechen kann.

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In Nr. 4, gleichfalls gegen Bickell gerichtet, giebt ein Anwalt, der zugleich akademischer Docent ist, eine übersichtliche historische Darstellung der ursprünglichen Gestalt und allmähligen Entwickelung des bald auf die Zeitverhältnisse einwirkenden bald durch dieselben modificirten Christenthums bis auf die Gegenwart, und gelangt zu dem Resultate, dass der Morgen des Lichtes und der Freiheit angebrochen sey, der sich durch die retrograden Bestrebungen der Buchstäbler nicht mehr aufhalten lasse, und dass das Binden an veraltete Dogmen nur den Pietisten und Mystikern in die Hände arbeite, die den politischen Absolutismus mit dem Kirchlichen eng verbinden, . Beherzigenswerthe Wahrheiten, die wohl einen ausführlicheren Kommentar und eine tiefere Begründung verdient hätten.

Nr. 5, wieder gegen Bickell, geht von dem richtigen Satze aus: die Entscheidung über die Streitfrage könne nicht den Gesetztafeln des Kirchenrechtes, noch irgend eines anderen positiven Rechtes entnommen, sondern müsse in dem Wesen der Sache selbst gesucht werden, giebt dann allgemeine Erörterungen aus dem Geiste des Christenthums und der Reformation, so wie aus dem Wesen und der ursprünglichen Bestimmung der Bekenntnissschriften,

weiset darauf die Verpflichtung auf sie als auf Glaubens- und Lehrnormen in ihrer Unzulässigkeit, Unnöthigkeit und Verderblichkeit nach, und zeigt endlich die Inconsequenz, die darin liegt, die Verpflichtung nur von dem Geistlichen, und nicht auch von jedem Gliede der Kirche zu fordern. Auch hier nur Andeutungen, aber unläugbare Wahrheiten.

Wir kommen in Nr. 6 u. 7 zu einem philosophischen, und zwar Hegel'schen Gegner Bickell's. Die erste dieser Schriften beschäftigt sich ausschliesslich mit der Kritik der Bickell'schen, Gegen die von Bickell vorangeschickten allgemeinen Betrachtungen finden wir hier eine gediegene Entwickelung des wahren Geistes und Wesens der evangelischen Kirche, als des Geistes der Freiheit, dem nur die heil. Schrift absolute Norm ist, und keine menschliche Auslegung schlechthin verpflichtend seyn kann. So wenig wir hiebei mit der hegelisch- idealisirenden Fassung der symbolischen Dogmen übereinstimmen können, von denen die Reformatoren keine Ahnung hatten und die ihnen nicht untergeschoben werden darf: so müssen wir es doch um so rühmender hervorheben, dass der Vf., obgleich er auf solche Weise mit dem kirchlichen Lehrbegriffe einstimmig zu seyn erklärt, dennoch, über seinen subjektiven Standpunkt sich erhebend, dem freiesten Walten des christlichen Geistes das Wort redet, und jeden echten Protestanten vor der Anmaassung warnt, Den zu verdammen, der seinem Gewissen entgegentrete. In Beziehung ferner auf das von Bickell dargestellte bestehende Recht in Kurhessen giebt der Vf, den ausführlichen Beweis, dass durchgängig in den Kirchenordnungen die Bibel als das einzig normirende Fundament des Glaubens und der Lehre anerkannt werde, also die Verpflichtung auf die Symbole nur bedingt seyn könne; und fügt hinzu, dass, selbst wenn die geschriebenen Gesetze unbedingte Verpflichtung forderten, doch das dagegen sprechende Gewohnheitsrecht in Betracht kommen müsse, da notorisch bei Weitem die Mehrzahl im Widerspruche mit den symbolischen Lehrbestimmungen sey, und selbst die strengsten Orthodoxen nur sich selbst täuschen, wenn sie so allgemein hinreden, sie hingen noch an allen Bestimmungen. Ueber den neuen Revers endlich gelangt der Vf. zu dem wohlbegründeten Resultate: derselbe sey die einzige wahre Verpflichtungsformel nach dem Geiste sowohl und den Gesetzen, als dem gegenwärtigen Standpunkte der evangelischen Kirche.

(Die Fortsetzung folgt.)

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THEOLOGIE.

April 1840.

(Fortsetzung der Rec. über den Hessischen Symbolstreit.)

Die zweite Schrift desselben Vfs. ist (Nr.7.) ganz all

gemein gerichtet gegen jede Hierarchie, sey es die des Papstthums, oder des symbolischen Buchstabens, oder des Rationalismus, oder irgend welcher Philosophie. Erhebung über alle solche Standpunkte abgeschlossener und ausschliessender Bestimmtheiten zur freien Entfaltung und Herrschaft der evangelischen Wahrheit, des Geistes, der ewigen Vernunft ist das Wesen und Ziel des echten Protestantismus. Nur dies ist der Weg zur Einigung in Wahrheit und Liebe. Streit und die Gegensätze, weit entfernt, bedenklich und verderblich zu seyn, wie Bickell meinte, sind dazu uur nothwendige Momente und Uebergangsstufen. Dies sind die Grundgedanken einer Schrift, die zu dem Unbefangensten und Trefflichsten gehört, was uns in dieser Beziehung noch von einem Anhänger der Hegel'schen Schule vorgekommen ist.

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Nr. 8. und Nr. 15. fassen wir zusammen, als Einem Vf. angehörig, und hier vernehmen wir einmal die Stimme eines Geistlichen, welcher die Verpflichtung vertheidigt. Aber traurig täuscht sich, wer hier mehr als Luftstreiche und Zelotenruf erwartet. Hr. Carl macht sich mit vielen Gegnern auf einmal zu schaffen, und unternimmt es, Henkel, Bayrhoffer, Sternberg und Ludwig aus dem Felde zu schlagen; wir denken aber, sie werden wohl alle stehen bleiben. Sehr freundlich räumt der Vf. ein, bolischen Bücher seyen keine absolute und unbedingte Norm; ihr Ansehen sey bedingt durch die Schrift; nur beliebige und unreife Resultate wolle die Kirche nicht auf ihren Kanzeln dulden; die Forschung aber gebe sic frei. Das klingt recht schön; nur muss man bedenken, dass jedes von der Kirchenlehre abweichende Resultat eben ein unreifes und beliebiges ist, Die Forschung ist frei gegeben, aber das Resultat vorgeschrieben. Was ist das anders, als die alte Taschenspielerei mit einer leeren Schattenfreiheit? Welche Begriffe dieser Vf. von Stillstand und Fortschritt hat, mag man daraus erschen, dass er, nicht

etwa von den starren Orthodoxen, sondern von den rationalen Gegnern der Satisfaktions - Theorie, sagt, sie seyen ,, sitzen geblieben, unbekannt mit aller neueren Wissenschaft" S. 38. Wie er es ferner mit seiner vermeinten Orthodoxie hält, lernt man S. 40 ff., wo er sich die Lehren von Erbsünde, Taufe, Auferstehung, Höllenstrafen zuerst hübsch rational zurecht macht, und sich dann seiner Uebereinstimmung mit der Kirchenlehre rühmt. Dic,, Verläumdung der Kirche aus Unwissenheit", die er Henkel'n vorwirft, ist ein Monstrum von moralischen Begriffen, und wenn er endlich seine Schrift eine ,,scharfe Kritik" nennt, so ist dies die beispielloseste Selbsttäuschung. Nr. 15. stellt Bayrhoffer als den Papst der neuen Kirche in hämischer Satire dar, und bürdet ihm auf, er stelle sich über alle Apostel, über Christus selbst, und verstehe die Sprache der Untrüglichkeit besser als alle Päpste; Behauptungen, die, nach dem, was wir oben von B. vernommen haben, keiner Widerlegung bedürfen. Weiterhin wird der Vf. ernsthaft, und nun kehrt die schon bei Bickell's Schrift beleuchtete Ausflucht wieder, dass die Verpflichtung ja nur auf das Wesentliche gehe! Uebrigens müssen wir bemerken, dass Hn. Carl's Ergiessungen beide aus dem Hanauer Kirchenboten" abgedruckt sind. Dadurch wird sein Ton begreiflich, der allerdings nicht übel berechnet ist, um bei Lesern eines solchen Blattes Beifall zu gewinnen.

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Blos der Vollständigkeit wegen haben wir die an sich völlig bedeutungslose Broschüre Nr. 9. mit aufgeführt, die gegen Henkel gerichtet ist. In ihrer Form ist sie geistlose Nachäffung des weiland Wandsbecker Boten, und um ihren Inhalt zu würdigen, dürfen wir nur anführen, dass, nach S. 11. ,, die symbolischen Bücher das lautere Evangelium enthalten, und wer sie verwirft, auch das Evangelium mit verwirft", und dass,, die Vernunft, wie das Wort Gottes sagt, unter den Gehorsam des Glaubens gestellt werden muss", S. 15.

Unzweifelhaft die gediegenste und am konsequentesten mit wissenschaftlicher Schärfe durchgeführte unter allen gegen Bickell gerichteten Schriften

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ist Nr. 10. Ernstlich rügt der Vf. gleich Anfangs die Behauptung B.'s, dass die von ihm besprochene Frage in neueren Zeiten selten ernstlich in's Auge gefasst sey, und verweiset ihn auf Johannsen's bekanntes und noch nicht widerlegtes Werk, welches B. offenbar so wenig gekannt hat, dass er in einer einmaligen Anführung desselben nicht einmal den Titel richtig citirt; welches dagegen der Vf. gründlich studirt hat. Zuerst beleuchtet er B.'s Argumentation aus dem kurhessischen Kirchenrechte. Die alten Kirchenordnungen beziehen sich insgesammt auf die ungeänderte A. K. Nun aber ist bekanntlich schon Landgraf Philipp von derselben abgewichen. Also entweder er war ketzerisch, oder die unveränderte A. K. ist es, oder die Abweichung in einer wesentlichen und viel bestrittenen Lehre ist ein Adiaphoron, und man ist, ungeachtet derselben, ein wohlberechtigter A. K. Verwandter. Will man die buchstäbliche Verpflichtung festhalten, so hat diese Symbololatrie die bedenklichsten, selbst von einem Krummacher anerkannten Folgen, indem sie nicht blos die Union hindert, sondern die Orthodoxen selbst in das grösste Gedränge bringt. Stellt man aber, wie B. will, den Kanon auf, dass nur an der Substanz, an dem Wesentlichen der symbol. Bücher festgehalten werden soll, so geräth man, eben bei der Bestimmung dieses Wesentlichen, unvermeidlich wieder in das,, subjektive Ermessen", welches B. perhorrescirt als einen Ruin der Kirche. Dass B. nun diese Inkonsequenz begangen, und den rechtlichen Boden, auf den er selbst sich stellt, willkürlich verlassen habe, wird ihm unwiderleglich gezeigt, und die Vergeblichkeit aller Milderungsversuche der Verpflichtung nachgewiesen. Darauf wird aus den von B. selbst angeführten Gesetzstellen ein schlagender Gegenbeweis geführt, und gezeigt, dass, wenn auch das geschriebene Recht für die strenge Verpflichtung spräche, doch das Gewohnheitsrecht, dessen Gültigkeit aus Böhmer deducirt wird, durch eine vieljährige kirchliche Observanz dagegen zeuge, und daher der neue Revers kein unbefugter Eingriff in das bestehende Recht sey. Zuletzt wendet sich der Vf. zu den von B. vorangestellten allgemeinen kirchenrechtlichen und protestantischen Grundsätzen, und führt, in einem gedrängten Auszuge aus Johannsen den Beweis, dass das Binden an einen stabilen Lehrbegriff sich aus keinem einzigen der hier in Betracht kommenden Gesichtspunkte rechtfertigen lasse, und dem sowohl in der Speierschen Protestation, als in der A. K. stark und deutlich hervortretenden evangelisch-protestanti

schen Princip schnurstracks zuwider laufe, und das Wesen unserer Kirche total alterire. Hr. B. hat, so viel uns bekannt ist, auf diese gründliche Gegenschrift nicht geantwortet. Wir sind aber der Meinung, dass es ihm, bei unbefangener Prüfung, schwer werden würde, seine Theorie zu retten.

Nr. 11. enthält keine wissenschaftliche, und am wenigsten eine kirchenrechtliche Erörterung, aber eine klare, populäre Darstellung der einfachen ursprünglichen Christuslehre, die schon von den Aposteln verschieden aufgefasst ward, und der die Kirchendogmen erst allmählig aufgedrungen wurden; woraus dann der Beweis abgeleitet wird, dass der Symbolzwang nicht blos dem Geiste des reinen Christenthumes widerspreche, sondern auch ein ganz vergebliches Mittel zur Herbeiführung der angeblich nothwendigen Glaubenseinheit sey.

Der Vf. von Nr. 12. will mit herzlichem Wohlmeinen ein Wort zum Frieden reden, schwankt aber haltlos in der Mitte, hält den symbolischen Lehrbegriff für das Wesentliche, von dem alle Protestanten ausgehen müssen, denkt sich aber Trinität, Erbsünde u. s. w. auf eine Weise, die etwa auch ein Rationalist anerkennen würde; will weder Abschaffung des Eides, noch unbedingte Verpflichtung, und ist am Ende mit dem neuen Reverse recht wohl zufrieden. Mit solcher gutmüthigen Halbheit ist keiner Partei, und der Sache selbst am allerwenigsten gedient.

In Nr. 13. tritt ein Gegner Henckel's auf. Er beginnt und schliesst mit einem breiten und weinerlichen Geseufze über den Ton in H.'s Schrift, der doch durchaus kein bitterer und absprechender ist. Er tadelt den von H. aufgestellten Begriff des Protestantismus, und doch entwickelt er denselben ganz richtig und auf eine von H. gar nicht wesentlich abweichende Weise aus der Speierischen Protestation. Jedoch meint er, hier sey eben nur der formale Grundsatz ausgesprochen, der materiale aber sey die in der A. K. aufgestellte Rechtfertigungslehre; wobei ihm denn freilich das rechte, historische Verhältniss der A. K. zur Protestation, — das der subjektiven Anwendung der objektiven Principien, gar nicht klar geworden ist. Einige Ahnung freilich hat er davon, indem er weiterhin die ursprüngliche Bedeutung der Symbole als Zeugnisse und Bekenntnisse des damals vorhandenen Glaubens anerkennt: dabei aber verkennt er gänzlich ihre Bedeutung für spätere Zeiten, wo jener Glaube nicht mehr, wie damals, als Gemeingut vorhanden ist, wo also das Symbol faktisch aufgehört hat, Zeugniss des vorhandenen Glaubens zu seyn.

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Ja, seine Inkonsequenz geht noch weiter. Er will an das Lächerliche grenzender Unwissenheit", oder die Dogmatik der A. K. im Wesentlichen festgehalten, nakter Unerfahrenheit", als ,, Schulknaben, welche wissen, und doch bekennt er sehr naiv, dass er selbst in manchen Stücken von der Kirchenlehre abweiche, dass er z. B. die imputable Erbsünde, die Höllenfahrt Christi, die Ewigkeit der Höllenstrafen, und die Bestimmungen über Taufe und Abendmahl nicht für wesentlich, ja zum Theil nicht einmal für biblisch halte. So rächt sich die Vernunft an den Buchstäblern selbst, und sie wissen nicht, was sie wollen und thun!

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Der Vf. von Nr. 14. ist ein 74jähriger Greis, dessen Gedächtniss schon so schwach geworden ist, dass er das bekannte: opposita juxta se positą" in: „,seposita juxta seposita" alterirt, und Karl V. mit Ferdinand verwechselt. Trotz dieser kleinen Gedächtnissfehler aber ist seine Geisteskraft ungeschwächt, und er kämpft rüstig mit Henckel gegen Bickell. Er geht von vier unläugbaren Sätzen aus, die er einzeln erhärtet: 1) Subjective Ansicht bürgt nicht für objektive Wahrheit; 2) die symbolischen Bücher sind Urkunden des Glaubens der Reformatoren; 3) die Wahrheiten der christlichen Religion (die er S. 12. rein biblisch in 9 Punkten aufstellt, in denen natürlich wenig kirchliche Dogmatik vorkommt,) sind in dem Unterrichte Jesu und der Apostel, so wie in dem Handeln dieser göttlichen Gesandten, deutlich und klar; 4) die heil. Schrift ist unbezweifelt Wegweiser der Lehre, des Glaubens und des Lebens. Nach diesen echt evangelischen und protestantischen Grundsätzen verwirft er mit Ernst alle Bevormundung des Gotteswortesdurch das Menschenwort der Symbole, und versichert offen, worin ihm gewiss jeder Unbefangene beistimmen wird, er möchte, wenn einmal Auktorität gelten solle, lieber mit dem lebendigen Papste, der doch möglicherweise seine Meinung ändern könne, zu thun haben, als mit dem todten papiernen Papste, der in ewig starrer Regungslosigkeit dasteht, wie ein versteinertes Medusenhaupt.

Nur mit innerem Widerstreben des empörten Schicklichkeitsgefühles wenden wir uns zu Nr. 16. Denn ob es gleich ein Gymnasialdirektor ist, der hier zu uns redet, so haben wir doch nie, so lange wir uns auf dem Gebiete der Literatur umgesehen, einen solchen Ausfluss der gemeinsten und niedrigsten Schimpfreden gesehen. Der Vf. verficht die unbedingte Verpflichtung auf die Symbole, und bezeichnet die Gegner gleich von vorne hercin als „,verblendet bis zu völliger Verwirrung, oder unehrlich bis zum gemeinen Betruge", als Leute von ", knabenhafter,

noch nicht einmal die Elemente überwunden haben"; wozu noch die ekelhaftesten Tiraden von Düngerhaufen, Koth- und Steinwerfen, Fusstritten u. dgl. hinzukommen, die wir nicht weiter abschreiben mögen. Nach diesen schulmeisterlichen Herzensergiessungen bezeugt der Hr. Direktor die Nothwendigkeit und Heilsamkeit einer gänzlichen Trennung der Recht -, d. h. Altgläubigen von „, Denen da drüben." Alle Andersdenkende, die nicht aus der Kirche austreten, sind ihm,,elende Heuchler und Lügner, die einen verpestenden Gestank verbreiten." Die Rede von dem steten Fortschreiten der evangelischen Kirche und von dem in ihr liegenden Princip der Bewegung, ist ihm,, eine Albernheit", und das Vorgeben von Freiheit der evangelischen Kirche ist sinnlos und widerrechtlich." Die A. K. ist ihre Grundlage, an der man,, mit keinem Finger rühren" darf. Er kennt den Ausdruck: „A. K. Verwandte"; er weiss, dass mit demselben im Westphälischen Frieden sowohl die Reformirten, als die Lutheraner bezeichnet wurden, und doch hat dieses Faktum ihm nicht die Augen darüber geöffnet, dass dieser Name kein buchstäbliches Hangen an der Dogmatik der A. K. bezeichnen könne. Er ruft Zeter über die von Henckel und 350 Unterzeichneten eingegebene Petition um eine Synode; denn die Berufung einer Synode komme nur der Kirche zu; Jene aber, als vom Symbol Abtrünnige, ständen bereits ausserhalb der Kirche. Eine auf der Basis der A. K. stehende Synode nun will er allerdings berufen wissen; von ihr sollen die Dissentirenden förmlich ausgeschlossen werden, dann sich einen neuen Sektennamen wählen, und den Staat um Anerkennung für sich bitten. Es steht aber zu fürchten, dass dieser Rath, wenn er zur Ausführung käme, für die Buchstäbler selbst am allergefährlichsten werden dürfte. Denn wenn es hiebei nothwendig allgemein bekannt würde, welche dogmatische Sätze der unbedingte Anhänger der A. K. unweigerlich zu bekennen hat, so würden aller Wahrscheinlichkeit nach, nicht blos jene 350 Bittsteller, sondern die grösste Mehrzahl des Volkes sich der neuen Sekte anschliessen, und die sich allein rechtgläubig und berechtigt dünkende Kirche würde bald mumienartig zu einem kleinen Häuflein zusammenschrumpfen. Wir müssen es dem Hn. Direktor überlassen, auf diese Gefahr hin, den Weg einzuschlagen, ausser dem er von keinem anderen wissen will. Von wissenschaftlicher Belehrung haben wir in seiner Schrift keine Spur ge

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