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HALLE, b. Lippert: Geschichte der Lustscuche. Erster Theil. Die Lustscuche im Alterthum, dargestellt von Dr. Jul. Rosenbaum, prakt. Arzte und Wundarzte, Pivatdocenten an der Universität zu Halle u. s. w. 1839. XVI u. 464 S. 8. (2 Rthlr. 6 gGr.)

Auch unter dem Titel:

Die Lustseuche im Alterthume, für Aerzte und
Alterthumsforscher dargestellt u. s. w.

Der Vf., durch seine Untersuchungen über die Geschichte des Friesels und durch ähnliche werthvolle Leistungen bereits als ein eifriger und tüchtiger Förderer der nach Sprengels, Gruners und Henslers Zeiten etwas vernachlässigten, neuerdings aber durch Schnurrer, Schönlein und die Uebrigen mit Recht wieder zu Ehren gebrachten historischen Pathologie rühmlichst bekannt, unterwirft in dem vorliegenden mit ausgezeichnetem Scharfsinn, Fleiss und umfassender Gelehrsamkeit verfassten, an die Arbeiten der so eben genannten Ehrenmänner sich würdig anschliessenden Werke diejenigen von den Alten erwähnten Krankheiten, welche sich in näherer oder entfernterer Beziehung zu der Syphilis bringen lassen, ciner genauen, eindringenden Betrachtung und Untersuchung. Die Einleitung (S. 1—34) enthält treffliche Bemerkungen über Begriff und Inhalt der Geschichte einer Krankheit im Allgemeinen, über die Möglichkeit der Geschichte der Krankheiten überhaupt und der Lustseuche insbesondere, über die Quellensammlungen in Bezug auf die Lustscuche, über die Geschichtschreiber dieser Krankheit, über die verschiedenen Meinungen in Bezug auf ihren Ursprung und ihre Verbreitung u. s. w. - Der erste Abschnitt (S. 44-352) gibt eine mit ausserordentlichem Fleisse und grosser Sachkenntniss geschriebene, höchst interessante Beleuchtung derjenigen Einflüsse, welche im Alterthum die Erzeugung von Krankheiten in Folge des Gebrauchs und Missbrauchs der Genitalien begünstigten. Zur Sprache kommen hier der Venuscultus, der Lingam- und Phallusdienst, die der Syphilis ähnlichen Krankheiten unter den alten Indern, die bei Einführung des Phallusdien stes in Athen und Lampsacus entstandenen Genitalaffectionen, die Plage des Baal Peor, welche nach dem alten Testament die Juden zu Sittim betraf, die Bordelle und Lustdirnen bei Syrern, Juden, Macedoniern, Griechen, Römern u. s. w., die Päderastie der Alten,

der

die Folgekrankheiten dieses Lasters, das Peyzuv der Bewohner von Tarsus, die Νοῖσος θήλεια und'Avανδρία der Scythen, das Irrumare und Fellare der Griechen und Römer, die Krankheiten der Fellatoren, das Cunnilingere, der Morbus phoenicens, die Krankheiten des Cunnilingus, Mentagra, Lichen, Morbus campanus, die Sodomie in Asien, Aegypten und Griechenland, sodann die klimatischen und epidemischen Verhältnisse, welche die Entstehung unreiner Krankheiten aus den genannten Schädlichkeiten befördern konnten. Ausser den gedachten Punkten sind hier noch zahlreiche im Alterthum vorgekommene Umstände berührt, welche für die Geschichte der Krankheiten von hohem Werth und Belang sind, z. B. die Satyriasis, die in Creta sogar epidemisch vorkam, dio ägyptischen, bubastischen, syrischen Geschwüre, die Αφθαι, Νομαι, Σηπεδόνες, Φαγέδαιναι und Ανδραzes an den Genitalien, die Erzeugung von Würmern in den Genitalgeschwüren, die Tumores syrii, üble Geruch der Lemnierinnen, die Krankheiten der Tribaden, bestehend in Hypertrophie der Klitoris, das von Caelius Aurelianus u. Andern so schön beschriebene Leiden der Kinäden, das Forterben des Lasters der Päderastie, die hornartigen Auswüchse auf der Insel Cypros u. s. w. Im zweiten Abschnitte (S. 353-379) werden diejenigen Einflüsse gewürdigt, welche die Entstehung von Krankheiten in Folge des Gebrauchs und Missbrauchs der Genitalien im Alterthum mehr oder weniger hinderten, die Reinlichkeit, die Depilation, die Beschneidung, die Bäder und Waschungen u, s. w. — Der dritte Abschnitt (S. 380 445) behandelt das Verhältniss der alten Aerzte zu den Krankheiten in Folge des Gebrauchs und Missbrauchs der Genitalien. Mangel an Gelegenheit zur Beobachtung, die Schamhaftigkeit der Kranken, die Täuschungen der Aerzte, die Gelindigkeit der Zufälle, die herrschenden medicinischen Ansichten, die Eigenthümlichkeit der üblichen Curarten sollen den Aerzten des Alterthums die Erkenntniss der Syphilis erschwert haben. Die von denselben beobachteten und beschriebenen Zufälle, welche sich auf die Syphilis beziehen lassen, werden einzeln aufgeführt, namentlich die Tripperformen, die Harnröhrengeschwüre, die Harnröhrencarunkeln, die Hodenentzündung, die Genitalgeschwüre, die Aftergeschwüre, die Bubonen, die Exantheme und Excrescenzen an den Geschlechtstheilen.

(Der Beschluss folgt.)

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ALLGEMEINE LITERATUR ZEITUNG

März 1840.

RÖMISCHE LITERATUR. LEIPZIG, b. Barth: Marcus Tullius Cicero's sämmtliche Reden. Kritisch berichtiget und erläutert von Reinhold Klotz. Erster Bd. 1835. Zweiter Bd. 1837. Dritter Bd. 1839. 8. (13 Rthlr. 12 gGr.)

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schen Grundsätze in den Vorreden zu den beiden ersten Bänden des vorliegenden Werks an Beispielen gezeigt, deren Wahl, wie die kritische Weise überhaupt, wir nur gut heissen. Nur auf dem von K. eingeschlagenen Wege kann der Text des Cicero eine sichere Gestaltung gewinnen und diess Ziel muss zuerst angestrebt werden. Haben wir erst eine Gesammt

Der Herausgeber dieser Reden ist allen denen, die ausgabe der Schriften Cicero's mit vollständigem kri

sich um die Kritik der Schriften Cicero's bekümmern, hinreichend als einer der bedeutendern Kritiker bekannt. Sein kritisches Verfahren und seine kritischen Grundsätze hat er schon früher entschieden manifestirt. Im Vergleich mit andern Philologen, die sich in unserer Zeit um die Kritik des Cicero Verdienst erworben, ist er vorzugsweise zu den Conservativen zu zählen; er schliesst sich genau an die von ihm als die besten und zuverlässigsten erkannten kritischen. Hülfsmittel an und sucht von dieser vorsichtig gewonnenen Stellung aus das willkürlich in den Text des Cicero Hineingetragene zu tilgen, und so ist denn das Resultat seiner als conservativ bezeichneten Kritik, dass er den gewöhnlichen Text an weit mehr Stellen geändert hat, als die übrigen Hauptkritiker, die sich manchen lusus ingenii erlaubt haben. Für dieses kritische Verfahren war eine richtige Beurtheilung des Werthes der verschiedenen kritischen Hülfsmittel Haupterforderniss; nicht weniger war eine genaue Bekanntschaft mit den gesammten Schriften Cicero's und eine gründliche Kenntniss des Ciceronianischen Sprachgebrauchs nöthig und in beiden Bezichungen hat er Ungemeines geleistet, und hätte er für die Einleitungen und den Commentar zu diesen Reden die lateinische Sprache gewählt, er würde dadurch, nach früheren Proben zu schliessen, sicher den Beweis praktisch geliefert haben, dass sich die Latinität Cicero's sehr wohl nachbilden lasse. Nicht so entschieden ist der deutsche Stil des Hn. K. zu loben. Sonst sind wir keineswegs geneigt, Hn. K. deshalb zu tadeln, dass er für den Commentar die Muttersprache gewählt hat, dehnteren Gebrauch derselben sehr wünschenswerth halten.

weil wir einen ausgeauch bei Philologen für Hr. K. hat seine kriti

tischen Apparat, dann mag jeder, der sich als Kritiker legitimiren kann, seine Kunst zeigen. Bis dahin wird die Kritik in einzelnen Fällen gelingen, in den meisten auf unsicherer Grundlage bauen. Wir dürfen wol eine solche Ausgabe mit möglichst vollständigem kritischen Apparat eben von Klotz erwarten, wir haben sie lange erwartet von Orelli, dessen jetzt vollendete Ausgabe der Opera Ciceronis keine durchgreifende Texteskritik bezweckte, aber leider vernehmen wir, dass in der nächstens erscheinenden neuen Zürcher Ausgabe der Werke Cicero's nur eine selecta varietas lectionum gegeben werden soll. Nur etwa für den Unterricht ist ein solcher Delectus zu billigen, für den aber, welcher sich, ohne selbst im Besitz von handschriftlichen Mitteln zu seyn, der Kritik widmen will, fast nicht zu gebrauchen. Aus demselben Grunde sagt uns auch die Auswahl der verschiedenen Lesarten, die Hr. K. in der vorliegenden Ausgabe der Reden gegeben, nicht zu. Diese Auswahl zeigt im Ganzen die Abweichungen von der Orelli'schen Gesammtausgabe an und ist mehr zufällig entstanden. Hr. K. beabsichtigte anfangs alle kritischen Bemerkungen zu unterlassen, da die grosse kritische Ausgabe der Werke Cicero's zu gleicher Zeit erscheinen sollte, allein da diese noch nicht vollendet werden konnte, so hielt Hr. K. es für passend schon in dieser Ausgabe der Reden manche Rechenschaft von seinem kritischen Verfahren und die genannten Varianten zu geben. K. hat sich bei dieser Halbheit nicht recht behaglich gefühlt, denn an sehr vielen Stellen verweist er auf die Zukunft und vertröstet auf die kritische Gesammtausgabe. Da diese recht bald erscheinen wird, so nehmen wir gerne den in der vorliegenden Ausgabe gegebenen Text der Reden auf

und Aehnliches vorgeworfen, bemerkt Klotz, Cicero's Schützling möchte hier wol einige schwache Seiten gezeigt haben, daher der Redner fast unbemerkt darüber wegschlüpfe und es vornehm in Abrede stelle. Wie sollte aber der Bauer, der seinen Pflug fast nie verlassen, sich peculatus haben zu Schulden kommen lassen? Ebenfalls scheint K. in seinem Streben Cicero's Künsten auf die Spur zu kommen zu weit, zu gehen, wenn er zu derselben Rede (Bd. I. S. 590) ausspricht, dass Cicero mit nicht mehr Recht, als sein Schützling des Mordes geziehen war, die beiden Titus Roscius des Mordes beschuldige.

Glauben an und danken besonders dem Herausgeber für die reichhaltigen kritischen Excurse in den Vorreden; wir werden jedoch in der folgenden Beurtheilung dieses Werks cine andere Seite desselben vor der kritischen berücksichtigen, da wir das Halbdunkel nicht lieben. Manche kritische Punkte, in denen wir von Hn. K. abweichen, werden vielleicht in der kritischen Gesammtausgabe ihre Rechtfertigung finden, andere Differenzen werden bleiben und die werden wir künftig zu besprechen Gelegenheit nehmen. Wir sehen, dass auf dem Gebiete der Politik die Conservativen im Gutheissen und Erhalten des Bestehenden fast immer zu weit gehen; es ist nicht zu verwundern, dass Hr. K. in seiner conservativen Tendenz die Grenze bisweilen überschreitet, aber selbst in solchen Fällen ist sein Defensivverfahren häufig schr geschickt und mit grosser Kunst weiss er oft schlechte Lesarten zu vertheidigen. Ein solches Ueberschreiten der Grenze zeigt sich namentlich in der höhern Kritik, in dem Streben die fast allgemein als spuriae betrachteten Reden Cicero's zu legitimiren vgl. Bd. I. Vorrede S. LXXXI sq. und S. 6€0. Bd. III. Vorr. S. VIII und besonders den Commentar zu jenen Reden.

Mit Sicherheit können wir behaupten, dass für die allseitige Erklärung der Reden Cicero's in dieser Ausgabe ein grosser Fortschritt gemacht ist. Die einer jeden Rede vorangeschickten Inhaltsangaben enthalten nicht blos einen Auszug und ein Skelett der Reden, sondern bezwecken eine Einführung in die Reden durch Angabe der Zeitumstände, unter denen sie gehalten, und durch Darlegung des innern Zusammenhangs. So ist bei der Rede pro Milone die historische Einleitung des Asconius wiedergegeben, die uns die merkwürdige Zeit des Milonischen Prozesses so deutlich macht. Für die Reden, denen ein schwieriger Rechtsfall zum Grunde liegt (wie pro Caecina) ist dem Commentar cine Darlegung des Rechtsfalles vorangeschickt, die im Einzelnen im Commentar ergänzt wird.

Hiebei ist K. besonders

bemüht gewesen, Cicero's Ausschmückungen und Verdrehungen der Sache anzugeben. Man lernt auf diese Weise den Advocaten Cicero kennen, der, wie Wieland sagt, die Kunst verstand Kohlenstaub für Schnee passiren zu machen und der so vortrefflich das Ziel zu verrücken wusste. K. hat hier eine sorgfältige Controlle geübt, nur scheint er an einigen Stellen zu weit zu gehen z. B. zu der Rede pro Roscio Amer. c. 29. §. 82, wo Cicero den Ankläger Erucius sehr kurz abfertigt, der dem jungen Roscius peculatu

Nach dem Charakter der verschiedenen Roden richtet sich die Erklärung des Hn. K.; die politischen Reden bedurften mehr einer Auseinandersetzung der öffentlichen Verhältnisse, zu den gerichtlichen Reden sind mehr juristische Bemerkungen mitgetheilt. In der letzteren Beziehung besonders sehen wir in dem vorliegenden Werk einen grossen Fortschritt. Wie Rein in seinem Privatrecht und Civilprozess Philologen zum Studium des römischen Rechts hinzuführen suchte, geschieht auch hier, indem hervortritt, dass selbst die leichtesten und gelesensten Reden Cicero's nicht ohne juristische Kenntnisse verstanden werden können. Was bei der Interpretation anderer Schriftwerke des Alterthums auf Schulen nicht übersehen wird, Sprache und Sache gleichmässig zu erklären, schien bei Cicero's Reden nicht nothwendig. Hier wurden die Worte erklärt, auch dann und wann eine historische Bemerkung gemacht, der juristische Gehalt der Reden blieb unbeachtet. So kam es denn, dass man das Lesen der Ciceronianischen Reden für Prima zu leicht hielt und selbst Reden wie die pro Murena den Secundanern verständlich glaubte und so kam es, dass der Lehrer die Reden Cicero's für schön erklärte, weil sie hübsche Perioden und klingende Worte enthalten, und der Schüler diess dem Lehrer nachsprach. Die vorliegende Ausgabe kann zeigen, dass die Hauptschönheiten dieser Reden erst durch tiefes Verständniss des Inhalts begriffen werden. So werden z. B. zu cap. 5 der wol am meisten auf Schulen gelesenen Rede pro Milone sorgsam die leges aufgerechnet, nach denen Milo hätte belangt werden können. Matthiae sagt:

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diciren, das uns leichter Verständliche den Abschreibern zuzuschreiben, hat in solchen Fällen ein leichtes Spiel, aber das ist auch nur ein Spiel, keine Kritik. Von den Anklägern des Milo sagt Cicero cap. 3. §. 7 sic hätten als einen Fundamentalsatz ihrer Anklage vorangestellt: Intueri lucem fas non esse ei, qui a se hominem occisum esse fateatur. K. bemerkt dazu:

Quot verba, tot errores! Hätte Milo einen Escl des Clodius erschlagen, so konnte er sehr gut nach der lex Aquilia de damno angeklagt werden; es gab so wenig eine lex' Aquilia de caede als de vi, und die Juristen wagen nicht so bestimmt, wie Moebius, das J. 573 für die lex Aquilia zu nennen, es ist hier eine kleine Differenz von 100 Jahren (467 oder 572). Eine lex Lutatia de vi hat nach Wächter's Untersuchung,,Es war, wie in den übrigen Staaten, so auch im rönie existirt. Klotz spricht daher bisweilen etwas wegwerfend und verächtlich von den Commentatoren der Reden Cicero's, und benimmt sich bisweilen etwas übermüthig gegen kurzsichtige, urtheilslose Kritiker, nicht selten in ciner unangenehmen Weise, durch Aufrechnen der eignen Verdienste und Selbstpreisen seiner Leistungen. So rühmt sich K. z. B. die Rede pro Ligario an 96 Stellen verbessert zu haben, obgleich sie nur 38 SS. zähle, die Rede de imp. Pompeii sogar an mehr als 220 Stellen.

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Wie es die Bedeutsamkeit der Sache und des vorliegenden Werks verlangt, will ich nach diesen allgemeinen Bemerkungen verschiedene Partieen aus den verschiedenen Theilen genauer durchnehmen.

Für die Kritik der Rede pro Milone hat der Herausgeber mit Recht dem Turiner Palimpsest, so weit er diese Rede enthält, und der Tegernsecer (Cod. Bavar.) und Erfurter (jetzt Berliner) Handschrift vorzügliches Gewicht beigelegt und sich zunächst an diese kritischen Hülfsmittel angeschlossen. Nach dem Cod. Tegerns. und Erfurt. ist cap. 1. §. 2 geschrieben: Non illa praesidia-non afferunt tamen etc. für Nam illa praesidia etc. Wer der Autorität der besten Ilandschriften huldigt und bei der Kritik einer Rede nicht vergisst, sich den Redner redend zu denken, der wird die dreimal in diesem Satze wiederholte Negation nicht auffallend finden. Hr. K. hat richtig in der Vorrede p. XLIII. hervorgehoben, dass die wiederholte Negation die vorhergehende nicht aufhebe, sondern rednerisch verstärke. In gleicher Weise hat K. cap. 2. §. 5 nach grösserer handschriftlicher Autorität crudelissimorum suppliciorum, und nicht exitiorum aufgenommen. Wer ohne auf den diplomatischen Bestand zu achten, zwischen beiden Worten wählen wollte, würde wol exitiorum vorziehen, wie Garatoni gethan, der es exquisitius and rarius nennt, von suppliciorum dagegen behauptet, es sei sermone tritum et vulgare und rühre von einem erklärenden Abschreiber her. Wem es Hauptregel bei der Kritik ist, das schwieriger Scheinende und Ungewöhnlichere dem Schriftsteller zu vin

mischen ein alter und tiefeingewurzelter Rechtsgrundsatz, dass Niemand leben dürfe, der die Ermordung eines Freien vollzogen (?) habe, und er ward im römischen Staate um so fester bewahrt, da es selbst, wenn das Gesetz einen Bürger zum Tode verdammte, dem Schuldigen nachgelassen war, der Todesstrafe durch ein freiwilliges Exil zu entgehen." Das letzte ist ziemlich unverständlich. Wahrscheinlich soll der Sinn seyn: Jener Grundsatz, dass der das Leben verwirkt habe, der einen freien Menschen getödtet, galt in Rom deshalb nicht weniger als in andern Staaten, weil es zu Rom gestattet war, der Todesstrafe durch ein freiwilliges Exil zu entgehen. Es war den Römern der bürgerliche Tod dem wirklichen gleich, und iudicium de capite ist auch das und gewöhnlich das, in welchem es sich um die bürgerliche Existenz (salus, caput) handelte. Bei der Betrachtung des beneficium soli vertendi müssen wir uns in die römische Ansicht hineinversetzen; es war diess allerdings ein beneficium für den, der vor der Verurtheilung stand, aber kein solches, wie wir Kosmopoliten es betrachten würden. So war auch bei den Griechen die dapvyía dem Tode gleich;

(Die Fortsetzung folyt.)

MEDICIN.

HALLE, b. Lippert: Geschichte der Lustseuche, dargestellt von Dr. Julius Rosenbaum u. s. w.

(Beschluss von Nr. 44.)

Auf den Grund seiner mühsamen, schwierigen Untersuchungen tritt der Vf. am Schluss seiner Arbeit der Ansicht derjenigen Aerzte bei, welche annehmen, die Lustscuche sey schon den alten Griechen und Römern bekannt und demnach seit uralter Zeit in Europa heimisch gewesen und habe blos in jener Zeit, in welche Astruc und Girtanner ihre Einschleppung aus America, Andere aber, wie Leonicenus u. s. w. ihren Ursprung setzen (1493 u. s. w.), unter dem Einfluss des damals herrschend gewesenen Genius epidemicus eine epidemische Aufloderung gemacht und ihre Gestalt geändert. Ich habe zwar die historische und geo

more nobis reliquisset." An diesen Umstand reiht sich, dass diejenigen Aerzte, welche die Krankheit 1494 selbst beobachteten, sie als eine ganz neue und völlig unbekannte betrachteten (Gruner morbor. antiquit. p. 69. Girtanner Abhandlung u. s. w. 3. Aufl, S. 11). 2) Die Yaws und Pians, die Amboynschen Pocken, die Loanda unter den Fulahs und Mandigos, das Feu persan in Ostindien, die Bubas auf Domingo und ähnliche Seuchen beweisen zur Genüge, dass in den heissen Ländern Krankheitsformen, welche wenigstens die grösste Analogie mit der Syphilis zeigen, heimisch sind, während sich solche Krankheiten in den gemässigten Gegenden nicht vorfinden. Dies leider noch nicht genug erforschte Verhältniss, das wenigstens immer die Möglichkeit der Entwickelung der Lustseuche in den tropischen Gegenden hinreichend darthut, deutet doch in Verbindung mit dem früher angeführten sehr darauf hin, dass die Krankheit (vielleicht schon in uralter Zeit, wie eben das persische Feuer in Ostindien an die Hand gibt) wirklich in den heissen Erdstrichen entstanden und zu Hause, von da aber erst zu Ende des 15. Jahrhunderts nach den nördlicheren Ländern verschleppt seyn möge; eine Annahme, die auch dadurch gestützt wird, dass, wie schon Sydenham hervorhob, das Uebel in unseren Gegenden nicht recht fortzukommen und zu gedeihen vermag:,,vegetabilium ad instar, in alienum a patrio solo quasi transplantata, europaeo nostro non perinde laetatur, sed languet in dies et mitioribus phaenomenis fatiscit." Möglich jedoch, dass diese Bedenken gegen die ursprüngliche Entwickelung der Krankheit in den gemässigten Erdstrichen bei einem genaueren Studium ihrer Geschichte, wie es der geistreiche Vf. mit so grossen Anstrengungen und Mühsalen betrieben, gleich Nebeln vor dem Lichte, verschwinden, daher auch hier nicht das mindeste Gewicht auf sie gelegt wird und sie keineswegs in der Absicht, auch nur den geringsten Tadel auf das Buch zu werfen, von mir vorgebracht worden sind. Ich scheide von dem Vf., dem 2. Theile seiner Schrift mit Erwartung entgegensehend, voll aufrichtiger Verchrung und mit dem Herzenswunsche, dass er, von dem sich die Seuchengeschichte noch manche gewichtige Ausbeute versprechen darf, bald in so günstige Aussenverhältnisse gelangen möge, wie seine Talente, Gelehrsamkeit und eifrigen Bestrebungen zur Förderung unserer Wissenschaft sie verdienen.

graphische Krankheitslehre immer mit besonderer Liebe umfasst und auch die bedeutendern neueren historischen Schriften über die Lustseuche sammt und sonders aufmerksam gelesen, dessenungeachtet aber bin ich in die so dunkle geschichtliche Entwickelung dieser Krankheit, namentlich auch durch Quellenstudium, noch viel zu wenig eingeweiht, als dass ich darüber entscheiden wollte und könnte, welche der über ihre Herkunft und Geschichte streitenden Parteien die besten Gründe für sich anführen, und ob namentlich auch dem Vf. die von ihm so sorgfältig und genau unternommene Begründung seiner Meinung vollständig gelungen sey. Nur auf folgende Punkte erlaube ich mir in dieser Hinsicht hier aufmerksam zu machen. 1) Die alten Aerzte führen zwar die Zufälle, welche die Syphilis hervorzubringen pflegt, namentlich die localen, fast sämmtlich an, wie ja diese Zufälle bekanntlich auch heutiges Tages, besonders in den wärmeren Gegenden, als nicht syphilitische Affectionen sich zu entwickeln pflegen (s. z. B. Schnurrer's geogr. Nosol. S. 477); ist aber ein einziger unter den griechischen und römischen Schriftstellern namhaft zu machen, der diese Zufälle als zusammen, gehörend, als unter sich in causalem und organischem Zusammenhang stehend, als die Attribute einer und derselben Krankheit erwähnte, sie zur Einheit eines Krankheitsbildes zusammenfasste, sie auch nur als von ihm zugleich neben einander an demselben Individuum beobachtet aufführt, die Entwickelung der secundären syphilitischen Zufälle aus den primären, das Verhältniss dieser zu jenen darstellt, die Specificität der Syphilis ahndete? Diese Frage muss wohl der unparteiische Forscher mit Nein beantworten. Wäre aber eine Krankheit mit sämmtlichen Zufällen, wie sie sich bei der Lustseuche aus und nach einander entwickeln, in dem alten Griechenland angekommen, so würde eine so auffallende pathologische Erscheinung den so überaus scharf beobachtenden Aerzten dieses Landes gewiss um so weniger entgangen seyn, als die maass- und zügellose Wollust der Griechen trotz aller Reinlichkeit u. s. w. ihre Verbreitung gewiss sehr begünstigt hätte. Hier gilt, was Sydenham von den Pocken sagt:,,Si per antiquiora tempora perinde ac nunc dierum hic morbus invaluisset, sagacissimum Hippocratem opinor is nunquam latuisset, qui, cum morborum historias et clarius intellexerit et de scripserit accuratius quam postnatorum quispiam, huius etiam descriptionem genuinam et simplicem pro suo

Jahn.

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