Abbildungen der Seite
PDF
EPUB
[graphic][merged small][merged small][merged small]

kriege hingeschlummert hatte, durchaus der Fremde huldigend, war die nothwendige Reaction erfolgt. Die Quelladern deutscher Nationalität, welche unter der Verschüttung noch nicht versiegt waren, fingen, durch den Umschwung der Geister aufgerüttelt, wieder an zu fliessen und befruchteten die neue Blüthe der Kunst. Doch sind mehrere Umstände bei dieser Pe

[graphic]

Graf Platen setzte an die Poesie alle Vortheile, riode nicht zu übersehen, wenn man sich über ihr

welche eine Laufbahn in der bürgerlichen Gesellschaft bietet, ja er setzte in vieler Hinsicht sogar das Leben selbst an die Poesie, und zwar nicht als arbeitsscheue Natur, welche sich aus Widerwillen gegen Anstrengung schlaff' gehen lässt, mit Reimereien tändelt und dies für genialen Beruf hält. Auch trieb ihn nicht gemeine Eitelkeit, denn nie huldigte er der Menge in der Weise, dass er die Mittel angewandt hätte, ihr zu gefallen, sondern er fühlte den Beruf zur Poesie als etwas Edles und verwaltete ihn darum mit edlem Ernst und dem männlichen Stolz, welcher alles Gemeine von sich weisst. Die Epoche in welche seine frühvollendete Laufbahn fiel, drückte ihn und er stand ihr oft feindlich entgegen, weshalb es zur Beurtheilung seiner Poesic nöthig ist, diese kürzlich zu betrachten. Haben grosse Talente den in einer Epoche herrschenden Ideen Gestalt verliehen und sind sie in diesen Gestalten in einer Nation zur Bekanntschaft und Anerkennung durchgedrungen, so bleibt für die Nachfolger so lange keine grossartige auf die Nation mächtig wirkende Anwendung ihrer Talente, sondern nur eine Nachlese, bis cine neue Epoche mit neuen Ideen sich gebildet hat. Immer hängt die Literatur Immer hängt die Literatur genau mit der historischen, religiösen und sittlichen Entwickelung der Völker zusammen, und eine absolute literarische Thätigkeit in höherem Sinne hat nie statt gefunden und wird wohl nie statt finden. In Deutschland hatten die Ideen, welche aus dem Verfall der Kirche und der Feudalgestalt der Staaten sich entwickelt hatten, d. h. die neueren Ideen über Gott, Natur und Menschenleben hatten durch ausgezeich nete Talente ein sehr vorzügliches Gepräge erhalten. von Lessing an bis auf Göthe. Nachdem Deutschland lange ohne eigenen Geist der Kunst seit dem Religions

wahres Verhältniss nicht täuschen will. Es konnte bei dem statt findenden Umschwung die deutsche Poesie sich nicht an eine genügende poctische Epoche der vorhergegangenen Zeit anschliessen, so dass ihr neuer Fortschritt eine weitere organische Entwickelung deutscher Poesie gewesen wäre: denn abgesehen davon, dass schon seit langer Zeit kein wahrhaft schaffender Trieb in derselben gewirkt hatte, und dass das Mittelalter fremd geworden war, bot auch keine aller vorhergehenden Epochen etwas so Bedeutendes dar, dass ein Anschluss daran möglich gewesen wäre. Der Deutsche hat so wenig als ein anderes modernes curopäisches Volk eine organisch aus den nationalen Elementen nach allen Seiten frei und selbständig entwickelte Poesie und überhaupt Literatur, und es konnte dies nicht anders kommen vermöge der historischen Verhältnisse. Die Germanen kamen in den römisch gewordenen Ländern in eine fremde Cultur und zwar eine verderbte, ehe sie selbst die ihrige genugsam entwickelt hatten, und auch die übrigen Germanen wurden durch die Bekehrung zum Christenthum von ihrer heidnischen Vorzeit in so weit abgeschnitten, dass von diesem Grund aus keine naturgemässe Entfaltung statt finden konnte. Soll sich aus Heldenliedern etwas entwickeln, was an der Spitzo einer Literatur stehen und der wahre Keim seyn soll, woraus sie in organischem Fortschritte sich weiter bilden kann, so muss es ein Heldengedicht seyn, welches die Vorzeit cines Volkes umfasst, und worin, was ein Volk an Gemüthsart, Religionsbegriffen, Weltansicht, Meinungen, Weisheit und eigenthümlicher Cultur besitzt, in echt nationalen Charakteren enthalten ist, so dass es sich ganz darin wieder erkennt. Solche Heldengedichte fehlen den neueren europäischen

[graphic]

1

Völkern und damit die wahre sichere Grundlage ihrer Poesic, weil ihre Nationalität nirgends in ihrem ganzen Umfange abgespiegelt und fixirt ist. Es fehlt ihnen damit der günstigste Stoff für die nationale Tragödie, nämlich die Schicksale einer mit der Glorie der Vorzeit umgebenen Welt von Helden, welche der Nation so bekannt ist, dass sie sie als ihr Eigenthum betrachtet und sich ihr vertraut fühlt. Da den Germanen ihre heidnische Vorzeit abgeschnitten worden war, so wurde sie ihr, weil Vertilgung derselben nur allmählig Statt finden konnte, als abgöttisch von Seiten der Religion verdächtigt, und weil die Existenz ihrer Gottheiten zu fest in ihrer Phantasie wurzelte, machte man ihr böse, teuflische Wesen daraus. Dieser Punkt ist nicht unwesentlich, denn er warf etwas Finsteres in die Phantasie, und war störend für die Sagenwelt. Die Religion war mit der lateinischen Sprache verbunden und die Bildung der Geistlichen, mochte sie grösser oder geringer seyn, auf diese hingewiesen, so dass der literarische Theil der Nation, um mich so auszudrücken, an fremde Bildung gewiesen und nicht in der Stellung und Geistesrichtung war, um in gedeihlicher Weise die Entwickelung einer originalen deutschen Poesie und Literatur zu fördern. Durch die Wiederherstellung des römischen Kaiserthums und Uebertragung auf die Germanen durch den Papst wurde die Berührung mit den civilisirteren Italienern und den übrigen Resten des gesunkenen römischen Reichs lebhafter und nach Richtungen gezogen, welche der Entwickelung auf den Grund der eigenen Vorzeit hin fremd waren. Die Züge nach Italien und die dortigen schweren Kämpfe, der kirchliche Streit und die mannigfachen Zerrüttungen, welche er hervorbrachte, die Kreuzzüge und die Kämpfe mit Slaven und andern waren theils störend, theils machten sie mit Fremdem bekannt. Dieses letztere würde ein Gewinn gewesen seyn, falls sich eine feste eigene Entwickelung des Nationalgeistes von gehörigem Umfang vorgefunden hätte, da es dann Antrieb zu Erweiterung der Lebensansicht hätte werden können, wodurch das Heimische nicht überwuchert und gefährdet worden, sondern reichlicher entfaltet. Als nun gar das Römische Recht nach Deutschland drang, an dessen Spitze immer der fremde Gedanke eines Römischen Kaiserthums stand und nach Rom wies, wurde dem echt Germanischen immer mehr die Axt an die Wurzel gelegt, und ein lebenskräftiger Zweig nach dem ar dern fiel ab. Mit wie günstigem Auge wir daher auch die älteren deutschen Poesien und Geisteswerke betrachten, so müsste es doch für

blinde, leidenschaftliche Bewunderung unserer Vorzeit gelten, wenn wir behaupten wollten, irgend ein Werk derselben zu besitzen, welches rein aus ursprünglichem deutschem Geiste erwachsen, das deutsche Wesen dichterisch darstelle in dem Umfang, welcher einigermassen als alle Seiten desselben berührend gelten könnte. Man hat in neuerer Zeit es gewagt das Nibelungenlied als ein Nationalepos zu betrachten und an eine Vergleichung desselben mit Homer zu denken, welche Uebertreibung keiner Bekämpfung bedarf. Eine Reihe gut dargestellter Charaktere findet sich in diesem Romanzencyclus, aber es ist doch nur ein mässiger Liederkranz, welcher Leben und Sitten und Glauben der Germanen nicht abspiegelt, und nicht einmal von einem grossen Dichter abgefasst ist, da wir die Form als zu weitschichtig, schleppend und in leeren Worten schlotternd dem überlieferten trefflichen Inhalt nachstehen sehen. Als die klassische Literatur wiedererwachte, wurden ihre Formen für die Romanischen Völker normgebend, da auch diese nichts Grosses und Fruchtbringendes, was eine lebenskräftige Nationalliteratur hätte begründen können, aus sich erzeugt hatten, und so blieb es von da an in Europa. Doch die Deutschen blieben hinter den romanischen Völkern in der Erzeugung poetischer Werke nach den klassischen Vorbildern durchaus zurück, und Bewegung der Geister wirkte in Deutschland die Reformation, in deren Folge religiöser Streit sich des Lebens bemächtigte und das alte Reich in die furchtbarste Zerrüttung stürzte, aus der es nicht wieder erstand, sondern herabgewürdigt seiner Vernichtung entgegen krankte. Wohl gab es mancherlei Regungen deutscher Poesie, aber nur von geringer Art und meist nachahmend, und zuletzt war sie kaum noch etwas mehr als todter Mechanismus, da die französische Literatur vorherrschte. Erst als der Geist freierer Forschung und die Reaction gegen todte Formen im Leben und in der Literatur erstarkte und Gewalt bekam, trieben Keime in Deutschland und wir bekamen eine namhafte Literatur. Was in dem deutschen Geiste noch an eigener Kraft sich vorfand, rang nach dem Lichte und blühte auf. Wie hoch wir nun auch die deutsche Literatur des achtzehnten Jahr

hunderts, welche sich bis auf unsere Tage erstreckt, da eine neue Epoche noch nicht eingetreten ist, schätzen mögen, und wir haben zu hoher Schätzung ein volles Recht, so dürfen wir nicht vergessen oder vielmehr übersehen, dass diese Literaturepoche sich nicht in wahrhaft natürlicher Entwickelung und in einem organischen Fortgang an eine ihr vorangegan

[ocr errors][ocr errors][merged small]

und

gene schloss und Nahrung aus ihr saugend in ihrem Boden wurzelte. Auch fehlten manche Bedingungen welche dem glücklichen Gedeihen einer Literatur, besonders der Poesie, nothwendig sind, nämlich die wahre gesunde Geistesfrische und ein religiöser und politischer Zustand, welcher die Seelen nicht mit trostlosen Zweifeln und mit dem Gefühl der Erniedrigung erfülle und befangen mache. Ein zusammenstürzendes Reich, innerlich zerrüttet und von aussen verachtet und schmachvoll misshandelt, und unabwendbar damit verbundene mannigfaltige kleinliche und erbärmliche Verhältnisse liessen, eine wahre Herzensfreude am Vaterlande nicht zu, so dass der Patriotismus, eins unserer kindlichsten und edelsten Gefühle, nur schmerzlich in der Luft schwebte, ohne Boden zu finden, und nur allzuleicht einen Kosmopolitismus Platz machte, der nur dann gut und segenbringend wirken kann, wenn er an seiner rechten. Stelle ist. Eine wahre Geistesfrische fand im achtzehnten Jahrhundert nicht statt, denn der religiöse Glaube wankte und ward in seiner Basis gänzlich erschüttert, ja vernichtet; auf der einen Seite sprengte man wohl die Bande einer zähen willkürlichen Dogmatik, in welche die Reformation aufgegangen war, griff auf der andern mit Glück, aber mit gefährlichen und giftigen Waffen, den Zwinger des Jesuitismus an, welcher mit seinem finstern, heimtückischen Schatten alles Schöne, was je die katholische Kirche gehabt, zerstört und unfruchtbar gemacht hatte, aber man konnte nichts an die Stelle des Beseitigten setzen, sondern dies rang als Gespenst mit philosophischen Schemen. Die gesellschaftliche Bildung hatte bereits ihre Phasen durchlaufen bis zur äussersten und widerlichsten Entartung, und alle Laster hatten verderblich gewirkt, so dass eine civilisirte Barbarei bis zum Brutalen vorgeschritten war. Solch eine Epoche hat nur Kraft und Frische in der Reaction, aber die freudige Unbefangenheit fehlt ihr. So sehen wir denn auch die Kritik in dieser Epoche in jeder Bezichung thätig und überall forschend was wohl zu thun seyn möge. An Stoff gebrach es sehr und eben so an Form. Weit entfernt, nur aus deutschem Geiste, als aus einer zugänglichen Quelle, schöpfen zu können, sah man sich genöthigt, sich dem klassischen Alterthum anzuschliessen, und Form, Bildung und Sinn für Natürlichkeit in der Kunst, so wie Geschmack für das Schöne aus demselben sich anzueignen, wie andere moderne Völker ihre Literatur ebenfalls durch dieses Mittel ausgebildet hatten. Dass man sich dem erstarrten Unnatürlichen entzog und nach Natur streb

te, war der belebende Funken der wieder erwachenden Zeit; aber der Mangel an Form sowohl als Stoff, um beide getrennt zu nennen, trieb nach allen Richtungen und drängte, alles unter einander zu ergreifen. Hätte ein wahrhaft organischer Fortschritt einer sich natürlich in gegliederter Folge entwickelnden Literatur statt gefunden, so würden nicht so divergirende Richtungen eingeschlagen worden seyn, als wir in dieser Epoche verfolgt sehen. In so fern jede Literatur und Kunst an den Geist ihrer Zeit geknüpft ist, hatte sie das Auflösende, Kritische, Ungläubgie neben dem Frühlinghaften der Träume einer zu erreichenden schönern Zukunft áls Einfluss zu bestehen, und stiess auf vieles Hässliche einer gealteten Welt, welche selbst physisch bedeutend heruntergekommen war. Da das auflösende kritische Element, gebieterisch hervorgerufen durch Heuchelei mit Dingen, aus denen alles Leben gewichen war, gewaltig umgriff und alles Vorhandene aushöhlte oder aufzehrte, so mussten sich natürlich Herz und Phantasie zu Vergangenem, was poetischen Schein hatte, hingezogen fühlen, und ungeachtet eine ungeheuere Kluft vom Mittelalter trennte, und dieses ganz fremd geworden war, wandten sich allmählig die Blicke dahin, wohin auch schon das Abstreifen fremder Unnatur bei dem Zurückgehen auf den eigenen Geist der Nation führen musste. War nun das unfruchtbare Streben, nordische Mythologie aus dem Grabe zu wecken, unschuldig gewesen, so war es die übertriebene Ansicht von der Herrlichkeit des Mittelalters nicht, denn sie führte zur Sehnsucht, es möge wieder so werden; und wiewohl nichts davon zum Leben wieder zu erwecken war, so that man doch so, als habe man es vor sich und lebe darin. Man affectirte ungläubig Glauben an Wunder und faselte von Herrlichkeiten, die man aus der Luft griff, wo nichts als Wind zu holen ist, schnitzte und leimte prächtige ritterliche Papparbeiten von reckenhafter Grösse und verzierte sie zart verschämt mit frommer edler Miene, kurz man erfand die Romantik. An jeder Burgtrümmer strichen sich die Romantiker wie schnurrende Katzen voll Märzliebe mit dem Rücken hin und lockten unter verzücktempiauen die elektrischen Funken der Romantik aus der Haut, dem Hauptsitze dieses Uebels, oder gaukelten sich ein fratzenhaftes Schattenspiel an die Wand, um sich in erkünsteltem Gespensterglauben davor zu entsetzen, um in ein poetisches Fieber zu verfallen. Ein anderwärtiges süssliches Getändel weitschweifig und schlottrig vorgetragen, ein Gefasel von Wunderbarem, Schaurigem Frommem sollte als Wasser des

Lebens, aus dem ewig frischen Quell der Poesie geschöpft, den Durst stillen. Man ging so weit, dieses vage, dunstige, vom Wind gekräuselte Schaumwesen für eine Gattung von Poesie zu erklären, welches man der klassischen in einer Weise entgegenstellte, als gebe es zwei von Grund aus verschiedene Poesieen, welche aus ganz verschiedenen Quellen stammten, und als sey nicht alle Poesie die Darstellung der in der Einbildungskraft empfangenen und ausgebildeten Idee, folglich das Ergebniss einer Kraft, welche zu allen Zeiten nach dem nämlichen Naturgesetz wirkt. Musste nun nach den gegebenen Zuständen die sogenannte Romantik entstehen, da wir sie nicht unter die willkürlichen Erzeugnisse rechnen dürfen, so ist sie doch darum nicht minder ein Uebel gewesen, welches nachtheilig gewirkt hat, zumal da sie sich so gut vertrug mit der falschen Sentimentalität, dieser peinlichen Ausartung des Gefühls. Der Einfluss derselben auf den Geschmack, folglich auf die Kunst ist bedeutend, denn sobald das noch so Schwache, Unbedeutende, ja Abgeschmackte nur dem krankhaften Gefühl einige Nahrung bietet, ist es lieb und werth, und das wahrhaft Schöne, Gesunde findet weniger, ja oft gar keinen Anklang. Dass auch diese Krankheit sich nothwendig entwickeln musste, kann nicht in Abrede gestellt werden. Druck, Trostlosigkeit, Mangel an Befriedigung und vage Sehnsucht nach derselben, physische Abschwächung und was daraus folgt, mussten, wo am meisten Gemüthlichkeit zu finden war, in Deutschland die Krankhaftigkeit, welche man Sentimentalität nannte, am meisten erzeugen.

Alle Ansichten über Gott und Welt und Menschenverhältnisse, welche seit dem achtzehnten Jahrhundert verbreitet worden, hatten in den verschiedensten Richtungen ihre Gestaltung erhalten, oft in sehr vortrefflicher, manchmal selbst in vollkommener Weise. Selbst nicht nahe Liegendes, nicht in dem Geiste der Zeit Lebendes hatte die grosse Geistesthätigkeit, nach Stoff suchend, herbeigezogen und Veraltetes erneuert, Fremdes in grossem Umfang nachgeahnt. Besonders waren jedoch die Dichter in Liedern glücklich gewesen, und was das deutsche Gemüth an Liebevollem, an heiterem Behagen, an Kindlichem, Ernstem und Sehnsuchtsvollem darbot, war vielfach in glücklicher Darstellung fixirt worden, und diese Lieder hatten den schönsten Erfolg bei der Nation. Wir besitzen an ihnen, zumal wenn wir so manche gelungenc Melodie, welche treffliche Com

ponisten für dieselben crfanden, hinzurechnen, in der That einen Schatz von hohem Werthe, dessen wir uns mit allem Rechte freuen dürfen. Als nun aber alle Richtungen, wirklich im Geiste der Zeit liegende und künstlich ohne wahren Erfolg hervorgerufene, ihre Darstellung gefunden hatten, und als demnach die Formen begannen verbraucht zu werden, da ward es den jüngeren Talenten schwer, etwas zu leisten, was noch neu oder werthvoll sich an das Vorhandene anschliessen konnte. Durch die Bildung, welche die mannichfachen vorzüglichen Werke verbreitet hatten, war es ein leichtes geworden, sich in den vorhandenen Formen mit einem Schein von Geist und Talent zu bewegen, da gleichsam die Sprache für die, welche es versuchten, dichtete; aber eine neue Bahn einzuschlagen, war ein ungemein schweres Werk, weil dazu neue Ideen oder Formen gehörten, solche aber der Geist der Zeit nicht darbot. Es trat daher auch nach dem Tode der grossen und bedeutenden Männer, und als die letzten derselben keine neuen bedeutenden Schöpfungen mehr zu Tage förderten, ein blosses schlaffes Tändeln mit den vorhandenen Formen ein, und eine Fadheit, welche mit der früheren Kraft in grellem Widerspruch stand. Verkehrtheiten, Affectationen und roher Spuk tauchten auf, was man nach so grossen Vorbildern für unmöglich hätte halten sollen, wenn es nicht leider der bekannte Fall wäre, dass gerade ein wohlgenährter Boden auch in der Literatur, wenn ihm die gute Saat fehlt, das üppigste Unkraut erzeugt. So lange die Deutschen unter dem Drucke Napoleons waren, hatte dies für das Geistige, bei allen Schmerzen, doch wenigstens die Wirkung, das geistige Leben und das Gefühl der Liebe für die schwergekränkte Nationalität wach zu erhalten. Als aber dieser Krieger gestürzt war, folgte auf den kurzen Rausch bei allen, welche über den engen Gesichtskreis des Tages hinauszusehen vermochten Enttäuschung und in deren Folge eine traurige Nüchternheit. Es bildeten sich, als die wilden Bergströme der Revolutions - Sündfluth sich verliefen, Pfützen und Lachen aller Orten, und ohnmächtige Kleinlichkeit folgte dem grossen Ueberreiz. Der Glaube an das Gute wich immer mehr und die Sorge für Wohlbehagen, und die Gierde nach Erwerb fand in keiner edlern Richtung des Geistes ein Gegengewicht, sondern wucherte zu einer Giftpflanze auf, deren Aushauch die ganze menschliche Gesellschaft verpestet. (Die Fortsetzung folgt.)

G

hz

R

12

ALLGEMEINE

LITERATUR

Februar 1840.

ZEITUNG

SCHÖNE LITERATUR.

STUTTGART u. TÜBINGEN, b. Cotta: Des Grafen Aug. von Platen gesammelte Werke u. s. w. (Fortsetzung von Nr. 31.)

Dies war aber die Folge seiner Studien und der durch

sie gewonnenen Ansichten, welche sich später bei ihm, wie wir aus seinem romantischen Oedipus sehen, geläutert haben. Trotz seines tiefen Ernstes, angesteckt von dem Pipps der Romantik, in deren

In diese Zeit, welche der Poesie höchst ungünstig bodenlose Thorheiten und süssliche Albernheiten er

war und noch ist, fällt Platen's poetisches Streben, und sie hat darauf gewirkt. Obgleich seine ersten jugendlichen Versuche in der leichten sentimentalen Weise waren, welche der Jugend so leicht für die höchste, ja für die einzige Poesie gilt, so erkannte er doch sehr bald welch ernstes Studium die Kunst erfordere, wenn etwas Würdiges und Bedeutendes geleistet werden solle, und unter nicht günstigen Umständen ergab er sich demselben, erfüllt von der hohen Gesinnung, scin Leben der Kunst zu weihen, und sich zu einem wahren Priester derselben zu bilden ohne alle Rücksicht auf die äussere Gestaltung seiner Laufbahn. Diesem Berufe blieb er treu und opferte ihm das Leben, ohne sich je durch eine Verlockung von der ganz reinen Bahn abbringen zu lassen, so dass er in dieser Hinsicht nur wenige seines Gleichen hat, zumal in einer Zeit, welche solchem Ernste nicht günstig war. Er studirte die Poesie des Orients und die klassische und drang tief in dieselben ein, und so erkannte er bald, dass auf dem Wege, auf welchem sich das poetische Getriebe damals befand, und welches zu einem kindischen faden Getändel herabgesunken war, nichts geleistet werden könne. Herrschaft über das Wort, damit es dem Geiste zu Gebote stehe, sichere Handhabung der Form, damit in ihr die Idee zur präcisen Erscheinung komme, musste vor allem errungen werden, und er hat sie errungen in einer Vollendung, wie sie allein dem wahren hochbegabten Dichter zu Theil wird. Wenige können in dieser Beziehung mit ihm verglichen, keiner über ihn gestellt werden. Um sich zum dramatischen Dichter zu bilden machte er Studien, welche Früchte trugen, die an und für sich betrachtet von echtem Dichtertalent zeugen, verglichen mit den geringen gleichzeitigen Producten Anderer sich bedeutend über diese erheben, dennoch aber für sein grosses Genie zu gering sind.

A. L. Z. 1840. Erster Band.

freilich nie versank, ging er bei Calderon in die Schule und dichtete einige Stücke, welche zwar ausser einer schönen gediegenen Ausdrucksweise Geist und selbst Gemüth enthalten, dennoch aber nicht Charakter und wahres menschliches Interesse haben in einem Maasse, dass sie uns hinlängliche Befriedigung gewähren. Von Calderon ist zwar für den Dramatiker viel zu lernen, aber nur im Bilden der Intriguen, ein weiterer directer Einfluss desselben kann nur nachtheilig wirken, da er zu sehr von uns absteht, als dass wir uns herzlich mit seinem Wesen befreunden könnten. Die gesammte Poesie dieses Dichters, welche dem spanischen Charakter entsprechen mag, ist durchaus Manier, und statt rein menschlicher Charaktere und natürlichen, wahren Gefühls erscheint bei ihm nur eine Religion, welche bloss Manier ist, von brillantem aber steifem und finsterem Wesen, und daneben eine Sitte, welche nichts weiter als eine conventionelle Etikette darbietet, ohne aus dem Gemüth zu stammen, und sich auf den wahren natürlichen Menschen zu beziehen. Ein directer Einfluss desselben auf einen deutschen Dichter wird daher immer nachtheilig wirken und zu einer oberflächlichen, wizzelnden Manier ohne Charaktere und wahres Gefühl führen, wo nicht gar zu Absurditäten, wie weiland der lächerliche Lacrimas eine war.

Das Studium des Orients trug bei Platen bald eine schöne, köstliche Frucht, welche in einer Zeit seichten und läppischen Getändels eine überraschende Erscheinung gewährte. Während überall matte forcirte Reflexionen von Reimen hin und hergezerrt wurden, dass man mit Shakespeares Probstein hätte sagen können: so will ich auch acht Jahre hinter einander reimen, Essens- und Schlafenszeit ausgenommen, es ist der wahre Butterfrauentrab, wenn sie zu Markte Ii

« ZurückWeiter »